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ID0911406900

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    Plenarprotokoll 9/114 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 114. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 16. September 1982 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 6977 A Begrüßung einer Delegation des Althing der Republik Island 6992 A Fortsetzung der ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1983 (Haushaltsgesetz 1983) — Drucksache 9/1920 — in Verbindung mit Beratung des Finanzplans des Bundes 1982 bis 1986 — Drucksache 9/1921 — Dr. Dregger CDU/CSU 6979 D Löffler SPD 6985 D Cronenberg FDP 6992 B Dr. Graf Lambsdorff, Bundesminister BMWi 6996 D Dr. Waigel CDU/CSU 7003 D Roth SPD 7010 D Dr. Haussmann FDP 7016A Müller (Remscheid) CDU/CSU 7019C Dr. Mitzscherling SPD 7023A Lahnstein, Bundesminister BMF . . . 7027 A Westphal, Bundesminister BMA . . . 7031 C Rühe CDU/CSU 7036 B Voigt (Frankfurt) SPD 7041 C Möllemann FDP 7046 D Dr. Wörner CDU/CSU • 7051 C Genscher, Bundesminister AA 7057 D Dr. Ehmke SPD 7059 A Fragestunde — Drucksache 9/1968 vom 10. September 1982 — Übernahme des Document Center in deutsche Verwaltung MdlAnfr 2, 3 10.09.82 Drs 09/1968 Hansen fraktionslos Antw StMin Frau Dr. Hamm-BrücherAA 6977 B, C, D ZusFr Hansen fraktionslos 6977 B,C,D Schikanen gegen ausreisewillige Deutsche in Polen seit Verhängung des Kriegsrechts am 13. Dezember 1981 MdlAnfr 4 10.09.82 Drs 09/1968 Dr. Hupka CDU/CSU Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA . . . 6978 A, B, C, D ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU 6978 B ZusFr Dr. Czaja CDU/CSU 6978 C Ausstattung amerikanischer Universitätsbibliotheken mit Literatur zur Wiedervereinigung Deutschlands MdlAnfr 5 10.09.82 Drs 09/1968 Dr. Hupka CDU/CSU Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 6979 A, B, C ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU 6979A, B ZusFr Dr. Czaja CDU/CSU 6979C Nächste Sitzung 7060 D II Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 114. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. September 1982 Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 7061* A Anlage 2 Schwierigkeiten bei der Wiederaufnahme der Flugverbindung zwischen Köln/Bonn und Warschau durch die polnische Fluggesellschaft LOT MdlAnfr 45 10.09.82 Drs 09/1968 Milz CDU/CSU SchrAntw PStSekr Mahne BMV . . . . 7061* B Anlage 3 Aufpreis für Zeitkarteninhaber bei Benutzung von Bahnbussen MdlAnfr 46 10.09.82 Drs 09/1968 Herberholz SPD SchrAntw PStSekr Mahne BMV . . . . 7061* C Anlage 4 Aufrechterhaltung der Bundesbahnstrecke Bad Lauterberg/Odertal-Scharzfeld im Südharz MdlAnfr 47 10.09.82 Drs 09/1968 Frau Benedix-Engler CDU/CSU SchrAntw PStSekr Mahne BMV . . . . 7061* D Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 114. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. September 1982 6977 114. Sitzung Bonn, den 16. September 1982 Beginn: 8.30 Uhr
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    Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 114. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. September 1982 7061* Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. van Aerssen* 17.9. Dr. Diederich (Berlin) *** 17.9. Feinendegen 16.9. Frau Fischer*** 17.9. Gobrecht*** 17.9. Handlos 17.9. Hauck 17.9. Dr. Hennig*** 17.9. Dr. Holtz*** 17.9. Hoppe 17.9. Dr. Hüsch 16.9. Klein (München) *** 17.9. Dr. Köhler (Wolfsburg) *** 17.9. Dr. Kreile 16.9. Lampersbach 17.9. Lenzer** 17.9. Frau Dr. Lepsius*** 17. 9. Lintner*** 17.9. Müller (Bayreuth) 17.9. Schröder (Wilhelminenhof) 16.9. Schulte (Unna) 17.9. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim** 17.9. Dr. Soell*** 17.9. Dr. Stercken*** 17.9. Topmann** 17.9. Dr. Wendig 17.9. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union *** für die Teilnahme an der 69. Jahreskonferenz der Interparlamentarischen Union Anlage 2 Antwort des Parl. Staatssekretärs Mahne auf die Frage des Abgeordneten Milz (CDU/CSU) (Drucksache 9/1968 Frage 45): Sind der Bundesregierung Schwierigkeiten der polnischen Fluggesellschaft LOT bei ihrer beabsichtigten Wiederaufnahme der Flugverbindung zwischen Köln/Bonn und Warschau bekannt, und könnten diese Schwierigkeiten u. a. auf das in der Volksrepublik Polen geltende Kriegsrecht zurückzuführen sein? Der Bundesregierung liegt bisher kein Antrag der polnischen Fluggesellschaft LOT auf Wiedereinrichtung der Fluglinie Warschau-Köln/Bonn vor. Ein solches Vorhaben würde ausschließlich unter dem in den vertraglichen Abmachungen mit Polen festgelegten Gesichtspunkt der Wechselseitigkeit geprüft Anlagen zum Stenographischen Bericht werden. Die gegenwärtige politische Situation in Polen hat hierauf keine Auswirkungen. Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Mahne auf die Frage des Abgeordneten Herberholz (SPD) (Drucksache 9/1968 Frage 46): Kann die Bundesregierung bestätigen, daß Zeitkartenbenutzer der Deutschen Bundesbahn auf Strecken, auf denen Triebwagen aus Kostengründen eingestellt wurden, bei Benutzung des bereitgestellten Busses jeweils einen Aufpreis zu zahlen haben? Die Fahrpreise der Deutschen Bundesbahn sind im Schienen- und Bahnbusverkehr innerhalb der bei beiden Geschäftszweigen einheitlich gebildeten Entfernungszonen grundsätzlich gleich. Legt der Bus jedoch eine längere Entfernung zurück als das Schienenfahrzeug, können Preisunterschiede auftreten. Diese Preisunterschiede sind jedoch keine Aufpreise. Das Wirtschaftsunternehmen Deutsche Bundesbahn (DB) gestaltet sein Preis- und Leistungsangebot, und damit auch seine Tarife, im Schienen- wie Bahnbusverkehr grundsätzlich selbständig und eigenverantwortlich. Dementsprechend prüft die DB von sich aus bereits, inwieweit bestehende Preisunterschiede im Schienen- und Bahnbusverkehr bei Beförderungen über die gleiche Strecke und unterschiedliche Entfernungen etwa durch Angleichung der Tarifentfernungszonen bereinigt werden können. Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Mahne auf die Frage der Abgeordneten Frau Benedix-Engler (CDU/CSU) (Drucksache 9/1968 Frage 47): Sieht die Bundesregierung, daß ein Zusammenhang zwischen dem abnehmenden Reiseaufkommen der Deutschen Bundesbahn und dem sich ständig verschlechternden Angebot in den Nebenstrecken besteht, und ist sie bereit, in diesem Zusammenhang auf den Vorstand der Deutschen Bundesbahn dahin gehend einzuwirken, daß der an sich schon schlechte Verkehrszugang im Südharz-Bereich, der die Benachteiligung dieses Raums ständig erhöht, nicht noch durch weitere Streckenstillegungen (Bad Lauterberg/Odertal und Scharzfeld—Bad Lauterberg) belastet wird. Nein, die Bundesregierung sieht den in Ihrer Frage unterstellten Zusammenhang nicht. Im Gegenteil: Das Angebot der Deutschen Bundesbahn orientiert sich stets an der Nachfrage. So gehört die Teilstrecke Bad Lauterbach-Odertal mit 194 Reisenden im werktäglichen Durchschnitt (beide Richtungen zusammen) zu den schwächst ausgelasteten Reisezugstrecken der Deutschen Bundesbahn. We- 7062* Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 114. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 16. September 1982 gen anstehender Investitionen hat die Deutsche Bundesbahn das Verfahren zur Stillegung der vorgenannten Teilstrecke eingeleitet. Ein Antrag des Vorstandes der Deutschen Bundesbahn mit prüffähigen Unterlagen liegt dem Bundesminister für Verkehr noch nicht vor. Wegen der Lage der Strecke im Zonenrandgebiet wird das Kabinett entscheiden. Der Abschnitt Scharzfeld-Bad Lauterberg soll vorerst sowohl im Reise- als auch im Güterverkehr beibehalten werden.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Theodor Waigel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Bundeswirtschaftsminister, Sie haben in der letzten halben Stunde relativ wenig Falsches gesagt. Aber es war angesichts des Erwartungshorizonts, der an Ihren heutigen Auftritt geknüpft war, eine etwas müde Rede.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Es ist ja nicht uninteressant, Herr Bundeswirtschaftsminister, daß Ihnen der Bundeskanzler schon gar nicht mehr zuhört, wie er ja überhaupt relativ wenig Interesse an dem Bundeshaushalt 1983 zu haben pflegt.

    (Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: Lassen Sie doch den Quatsch!)

    Offensichtlich sieht er gar keine Chance mehr, ihn zu exekutieren. Dennoch bleibt es eine merkwürdige parlamentarische Form, hier mit dem Haushalt und dem Parlament so umzugehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Herr Bundeswirtschaftsminister, ein Dilemma haben Sie heute natürlich nicht beantwortet. Wo stehen Sie eigentlich? Stehen Sie auf der Grundlage des Papiers, das Sie der Öffentlichkeit übermittelt haben, oder auf dem Boden des Regierungsprogramms und dieses Haushalts? Beides ist mit Sicherheit nicht miteinander zu vereinbaren.

    (Beifall bei der CDU/CSU)




    Dr. Waigel '
    Oder haben Sie nur die formale Pflichtübung erfüllt, die Ihnen der Bundeskanzler bis zum nächsten Gespräch über das Papier aufgegeben hat?
    Aber eines kann man nicht. Man kann sich nicht hier hinstellen und sagen, man stehe zum Jahreswirtschaftsbericht und zum Haushalt 1983 und da sei alles in Ordnung, wenn man auf der anderen Seite ein Papier in die Welt setzt, das in der Analyse eine völlig andere Diskussionsgrundlage darstellt als das, wofür diese Regierung angeblich noch steht.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie, Herr Bundeswirtschaftsminister, und Ihr Staatssekretär haben sicher das Recht auf Irrtum wie wir alle. Sie haben aber auch die Pflicht, daraus Konsequenzen zu ziehen. Das ist in Ihrer Rede jetzt vor dem Bundestag jedoch nicht erfolgt.

    (Haase [Kassel] [CDU/CSU]: Leider nicht!)

    Natürlich stellt sich die Frage — schon Kollege Dregger hat sie gestellt —: Was ist dieses Papier eigentlich? Ist es ein Programm, ein Konzept, eine Positionsbestimmung von Ihnen, dem Präsidium der Partei, der Fraktion? Wie steht Frau Schuchardt dazu, wie verhält es sich mit der vielbeschworenen Solidarität der Frau Kollegin Matthäus-Maier, die Ihnen kalte Marktwirtschaft und eine unherzliche Atmosphäre vorgeworfen haben? Wie steht es mit der Verbindlichkeit dieses Papiers? Ist das eine private Meinungsäußerung, ein FDP-Papier? Hat es Kabinettsrang? Wann beschäftigt sich das Kabinett damit?
    Es stellt sich hier natürlich auch die Frage nach Ihrem Mut, Herr Bundeswirtschaftsminister. Denn nur dann, wenn aus Ihren Vorschlägen materielle Änderungen der Politik, der Wirtschafts-, der Finanz- und der Gesellschaftspolitik, erfolgen, hat das einen Sinn. Hier wird sich zeigen, wie Ihr Standvermögen gegenüber dem Bundeskanzler in den nächsten Tagen aussieht.

    (Zuruf von der FDP: Wo sind denn Ihre Vorschläge?)

    Diese Fragen haben Sie heute nicht beantwortet; um ihre Beantwortung werden Sie in den nächsten Wochen nicht herumkommen. Sonst bleibt es ein Papier wie viele andere, wie Sachverständige, Professoren oder irgendjemand anders es auch von sich geben kann. Sie werden sich die Frage stellen lassen müssen, ob Sie bei der Verteidigung Ihrer Vorschläge der „Markt-Graf" bleiben oder zu einem Papiertiger werden, was ich Ihnen nicht wünsche.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Dieses Papier, diese Vorschläge sind natürlich auch für uns eine interessante Diskussionsgrundlage. Als mehr hat das FDP-Präsidium es ja nicht bezeichnet.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Vorwärtsstrategie!)

    — Na ja, wollen wir einmal sehen. Heute ging er eher etwas zurück, der Herr Bundeswirtschaftsminister. Wir wollen einmal sehen, wie sie alle marschieren, ob sie im Gleichklang marschieren, wie
    viele einen Schritt vor- und dann wieder einen halben zurückmarschieren. Sie sind schon oft in viele Richtungen marschiert; wir wollen uns den Marsch aus der Distanz einmal genau ansehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Aber auf eines hat der Bundeswirtschaftsminister Anrecht: daß wir diese Probleme, die er aufgezeigt hat, sachlich und verantwortungsbewußt diskutieren. Er ist immerhin der erste Bundeswirtschaftsminister dieses Kabinetts, der den Versuch unternimmt, die Wirtschaftsprobleme realistisch offenzulegen und ein umfassendes Bündel von Maßnahmen zur Lösung dieser Probleme zusammenzustellen.

    (Zuruf von der SPD: Matthöfer hat das auch getan!)

    — Herr Matthöfer hat das als Bundesfinanzminister ja nicht sehr lange überlebt. Nachdem er sehr richtige Ansichten zur privaten Investitionstätigkeit und zur Finanzierbarkeit des sozialen Netzes geäußert hatte, blieb er nicht mehr sehr lange Bundesfinanzminister, sondern er wurde dann als Bundespostminister etwas auf die äußere Ecke dieser Bank abgedrängt. —

    (Widerspruch bei der SPD — Dr. Langner [CDU/CSU]: Seit dem sind die Briefmarken teurer!)

    Eines ist richtig, Herr Bundeswirtschaftsminister — das begrüßen wir —: daß Sie in der Analyse und in manchen Vorschlägen an das 7-Punkte-Programm der CDU/CSU-Bundestagsfraktion anknüpfen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Denn bisher war bei Ihnen, bei der Regierung, bei der Koalition, nur Flickschusterei festzustellen, während jetzt immerhin einmal der Versuch unternommen wird — allerdings nur von einer Einzelperson —, alle Bereiche der Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik zusammenzufassen.
    Sie wissen selbst, Graf Lambsdorff — Sie haben das in den letzten Tagen gemerkt —: Nicht alle Einzelvorschläge von Ihnen stoßen auf Zustimmung. Auch CDU und CSU können sich keineswegs mit allen Einzelvorschlägen anfreunden. Schließlich ist Ihr Papier ja auch in Ihrer eigenen Partei, in Ihrer eigenen Fraktion und in Ihrem eigenen Präsidium nicht unbestritten.
    Aber eines in diesem Papier ist richtig: Wir müssen vom Besitzstandsdenken Abschied nehmen. Wir müssen die Anspruchsmentalität in allen Bereichen der Bevölkerung brechen. Darüber hinaus sind einschneidende Eingriffe bei einer Reihe staatlicher Leistungen unabdingbar.
    Daß dies Kritik, Betroffenheit bei den Betroffenen auslöst, ist klar. Man darf sich — das gilt auch für Sie von der FDP — über diese Kritik nicht wundern. Seit Jahren haben wir auf die sich kumulativ verschärfenden Probleme hingewiesen; Sie haben uns nichts geglaubt. Unsere Maßhalteappelle wurden belächelt, unsere Kritik am zunehmenden Auseinanderklaffen von staatlichen Leistungen und gesamtwirtschaftlichem Leistungsvermögen wurde als Versuch der sozialen Demontage diffamiert, und unsere War-



    Dr. Waigel
    nung vor den verheerenden Auswirkungen der maßlosen Staatsverschuldung wurde als Spielerei mit harmlosen Problemen abgetan. Gerade auch Sie, Graf Lambsdorff, fanden nur Spott und Ironie hier in diesem Haus, wenn wir hier und in der Öffentlichkeit auf die verfehlte Wirtschafts- und Finanzpolitik der Vergangenheit hingewiesen haben. Die Frage muß hier schon erlaubt sein: Wo waren Sie eigentlich in den letzten zehn Jahren, Graf Lambsdorff? Warum sind Sie als wirtschaftspolitischer Sprecher der FDP und dann als Bundeswirtschaftsminister dieser Politik nicht ganz entschieden entgegengetreten, die Sie heute als so verhängnisvoll für die Zukunft empfinden und bezeichnen?

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ihr jetziges Papier kann Ihre Mitschuld an der Fehlentwicklung des letzten Jahrzehnts nicht salvieren.
    Sie müssen sich auch den Vorwurf gefallen lassen, daß Sie jahrelang verbal — verbal war er ganz stark, der Graf Lambsdorff —, angefangen bei zahlreichen Reden über Parteitagsprogramme bis hin zum Jahreswirtschaftsbericht, zwar die richtigen Ansatzpunkte gezeigt haben, sie jedoch am Kabinettstisch in Bonn nicht in die Tat umgesetzt haben. Für diese politische Fehlentwicklung trägt auch die FDP Verantwortung. Wenn der Karren jetzt im Dreck steckt — und Graf Lambsdorff jetzt ein Schweiß- und Tränen-Programm vorlegt, das erwartungsgemäß einen Sturm der Entrüstung auslöst —, dann ist daran auch die FDP schuld; weil man nicht rechtzeitig gegengesteuert hat. Darum tragen Sie für die notwendigen schwierigen Eingriffe jetzt auch die Verantwortung. Sie haben nicht das Recht, andere in diesem Zusammenhang zu diffamieren.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Nun sehen Sie sich natürlich einer sehr heftigen Kritik gegenüber. Der Herr Bundeskanzler, der sich ja für einen ökonomischen Vordenker hält, geht sogar so weit, Ihnen gewisse analytische Fähigkeiten abzusprechen. Dennoch kann niemand bestreiten, daß dieses Papier eine ehrliche, wenngleich späte Bestandsaufnahme der nationalen und internationalen Probleme enthält. Auch das, was Sie, Herr Bundeswirtschaftsminister, eben zum Protektionismus und zu den Problemen der Außenwirtschaft gesagt haben, wird kaum jemand bestreiten können. Wir haben nie die Einwirkung und die gravierende Auswirkung der veränderten weltwirtschaftlichen Rahmenbedingungen, die Spuren der Ölpreisexplosion, des zunehmenden Konkurrenzdrucks der Japaner und der Schwellenländer wie auch die Problematik des zunehmend überhandnehmenden Protektionismus bestritten. Die wirtschafts- und finanzpolitische Argumentation der Bundesregierung aber nahm doch in den vergangenen Jahren permanent Zuflucht zur Sündenbocktheorie, der zufolge im eigenen Hause alles in Ordnung sei, während die Fehler nur von auswärts, vom Ausland her gekommen seien. Damit haben Sie endlich aufgeräumt. Das ist ehrlich. Das finden wir richtig.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir stimmen mit Ihnen überein, daß die derzeitigen weltwirtschaftlichen Schwierigkeiten die Summe einzelstaatlicher Fehlentwicklungen sind und daß ein wesentlicher Teil der Ursachen unserer binnenwirtschaftlichen Probleme auch im eigenen Land zu suchen ist. Wir können nicht — worauf der Bundeskanzler offensichtlich hofft — darauf vertrauen, daß irgendeine ausländische Instanz — die EG-Kommission, der US-Präsident oder die UNO — die Wirtschaftsprobleme der Bundesrepublik Deutschland lösen könne. Wir sind vielmehr gefordert, selbst Antworten auf die Krise zu finden. Da der Exportboom im Gegensatz zur Rezession von 1974 diesmal nicht auf die Binnenkonjunktur durchgeschlagen hat, sind wir um so mehr gefordert, eigenständige Initiativen zu ergreifen. Bislang — das ist ja auch die Kritik Ihres Papiers, Graf Lambsdorff — ist die Bonner Regierungskoalition Antworten auf die hausgemachten Probleme jedenfalls schuldig geblieben.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wie wahr, Herr Bundeswirtschaftsminister, sind Ihre Feststellungen, Glaubwürdigkeit, Verläßlichkeit und innere Konsistenz seien für die Politik und insbesondere für die Wirtschaftspolitik notwendig! Nur wissen Sie wie wir, daß keine Regierung die Fragen der Glaubwürdigkeit, der Verläßlichkeit von Rahmenbedingungen und innere Konsistenz so vernachlässigt, so mißbraucht hat wie diese Regierung in den letzten Jahren.
    Ich teile auch die von Ihnen in Ihr Papier hineingeschriebene Kritik der Wirtschaftsverbände, daß die Maßnahmen vielfach als zu kurzatmig, zu vordergründig, zu unsystematisch und teilweise in sich widersprüchlich angesehen worden sind. Ich will Ihnen dazu nur drei Beispiele nennen. Mit dem 2. Haushaltsstrukturgesetz unternahm die Koalition den Versuch, die Anschaffung von betrieblich genutzten Pkws durch den Wegfall des Vorsteuerabzugs zu verteuern. Wenige Monate später beschloß die Koalition im Rahmen der sogenannten Gemeinschaftsinitiative, die Anschaffung von betrieblich genutzten Pkws durch die Gewährung einer Investitionszulage wieder finanziell zu fördern. Wiederum wenige Monate später will die Koalition die Anschaffung betrieblich genutzter Pkws verteuern, indem der private Nutzungsanteil auf 40 % angehoben werden soll. Sind das die kalkulierbaren Rahmenbedingungen, Graf Lambsdorff, die Sie fordern?
    Es dürfte auch zwischen den Fraktionen des Deutschen Bundestages zwischenzeitlich Einigkeit darüber herrschen, daß die Eigenkapitalausstattung der deutschen Unternehmen viel zu gering ist. Es ist doch die Misere unserer Wirtschaft, daß in den letzten zehn Jahren diese Eigenkapitalausstattung von 30 auf 20 % zurückgegangen ist und von daher die Investitionsbereitschaft nicht mehr in dem Maße gegeben sein kann und deswegen die Arbeitsplätze nicht so gesichert und neu geschaffen werden konnten, wie es der Fall gewesen wäre, wenn man eine systematische Politik der Erhaltung dieser ursprünglichen Eigenkapitalausstattung betrieben hätte.

    (Beifall bei der CDU/CSU)




    Dr. Waigel
    Nun, was tun Sie? Sie haben durch die Absenkung der steuerlich zulässigen Pensionsrückstellungen wiederum die Liquidität der Betriebe erschwert. Wo liegt hier die innere Konsistenz der Wirtschafts- und Finanzpolitik, frage ich Sie? Es vergeht kein Tag, an dem nicht, vor allen Dingen aus den Reihen der Sozialdemokraten, die Forderung nach einer Erhöhung der öffentlichen Investitionen erhoben wird. Was ist das eigentlich für ein Widerspruch, das permanent zu fordern und im letzten Jahr die Gemeinschaftsaufgabe — die wichtigen Aufgaben Agrarstruktur, Verbesserung der regionalen Strukturpolitik, Straßenbau, Hochschulausbau — ganz entscheidend zu kürzen, weil man nicht bereit war, die Kürzungen im konsumtiven Bereich vorzunehmen?

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie haben im Präsidium der FDP laut Ihrer Presseerklärung Fragen gestellt. Ich will sie Ihnen gerne beantworten. Die Grenzen der Belastbarkeit der Arbeitnehmer und der Unternehmer durch Steuer und Sozialabgaben sind längst überschritten. Zum zweiten: Eine weitere Ausweitung der Staatsverschuldung kommt für uns nicht in Frage. Vielmehr ist es das Gebot der Stunde, durch eine Reduzierung der Schuldenzuwächse schrittweise die finanzielle Handlungsfähigkeit unseres Gemeinwesens wiederherzustellen. Für CDU und CSU sind Investitionen der Schlüssel zu mehr Arbeitsplätzen. Dabei muß nach unserer Auffassung der Vorrang bei den privaten Investitionen liegen, wie es der Bundeswirtschaftsminister vorher gesagt hat.
    Will man den gesamtwirtschaftlichen Korridor für private und öffentliche Investitionen ausweiten, sind Eingriffe bei den konsumtiven Ausgabeblöcken unumgänglich. Für die öffentlichen Haushalte bedeutet das, Eingriffe bei den Leistungsgesetzen und bei den Subventionen vorzunehmen. Sie hätten diese Fragen theoretisch gar nicht an uns stellen müssen. Allein das Lesen des Sieben-Punkte-Programms hätte diese hypothetischen Fragen erspart.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Was Ihre Einsparungsvorschläge betrifft, Graf Lambsdorff, handelt es sich um Maximalforderungen, die wir in der Summe und auch in der Konsequenz nicht alle unterstützen können.

    (Zuruf von der FDP: Aha!)

    Bei dem Diskussionspapier des Bundeswirtschaftsministers handelt es sich um einen Vorschlagskatalog, keineswegs jedoch um ein in sich geschlossenes und den Kriterien der Solidarität und Subsidiarität Rechnung tragendes Programm. Es enthält keine politische Strategie, wie das wirtschaftspolitisch Notwendige in die Tat umgesetzt werden kann. Dieser Aufgabe müssen wir uns, so hoffe ich, gemeinsam stellen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Noch ein Wort zur Steuerpolitik. Im Gegensatz zu dem nordrhein-westfälischen Finanzminister Pos-ser anerkennt der Bundeswirtschaftsminister einen Entlastungsbedarf bei den direkten Steuern. Hier danken wir für die Klarstellung — ich hoffe, daß das auch in der Bundesregierung klar ist —, daß eine Mehrwertsteuererhöhung auf keinen Fall zur Dekkung der Löcher im Bundeshaushalt mißbraucht wird. Wir sind nachdrücklich dafür und unterstützen Sie, wenn das Steuersystem leistungs- und investitionsfreundlicher umgestaltet wird. Wir unterstützen eine Umstrukturierung des Steuersystems jedoch nur dann, wenn damit über den Abbau der heimlichen Steuererhöhungen hinausgehende echte Entlastungen verbunden sind. Eine Zementierung heimlicher Lohn- und Einkommensteuererhöhungen durch offene Mehrwertsteuererhöhungen lehnen wir ebenso ab wie die Heranziehung weiterer Verbrauchsteuererhöhungen zur Stopfung der Löcher im Bundeshaushalt.
    Nur am Rande, Graf Lambsdorff, darf ich vermerken, daß Sie in Ihrem Papier auf unsere Vorschläge zur Förderung der Gründung neuer Existenzen eingegangen sind, sie weitgehend übernommen haben. Ich frage mich bloß: Warum haben Sie und Ihre Freunde nicht zugestimmt, als wir diese Vorschläge eingebracht haben, sie zur Abstimmung gestellt haben?

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Damals hatten Sie die Einsicht nicht, heute schreiben Sie — was ich Ihnen nicht vorwerfe; man darf jederzeit etwas Gutes übernehmen — das von uns ab und stellen es als neuen Gedanken heraus.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Bundeskanzler hat nach Durchsicht des Diskussionspapiers des Bundeswirtschaftsministers Zweifel an den „analytischen Fähigkeiten" seines Bundeswirtschaftsministers geäußert. Dies ist sein Recht. Auf der anderen Seite muß er sich jedoch fragen lassen, ob er nicht auch in diesem Punkt zur bewährten Sündenbock-Theorie zurückgreift, um vom eigenen Defizit an analytischer Problemverarbeitung abzulenken.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die SPD mit ihrem Bundeskanzler ist — das hat sich in den vergangen Jahren klar gezeigt — eine wirtschafts- und finanzpolitische Schönwetterpartei. Solange der Laden floriert, die Wirtschaft wächst, wird aus dem vollen geschöpft und reichlich verteilt. Gerät der Wachstumsmotor jedoch ins Stottern, greift in der SPD blanker Opportunismus um sich.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Panik!)

    Als Chefopportunist — ich sage dieses harte Wort —hat sich ohne Zweifel wieder einmal Bundeskanzler Schmidt entpuppt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich darf nochmals auf das verweisen, was Kollege Dregger bereits angedeutet hat, nämlich auf die Ausführungen des Bundeskanzlers, die durch den Kollegen Wehner auch der Öffentlichkeit zugeleitet worden sind. Er hat ja da zur Konsolidierung der Staatsfinanzen und zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit interessante Bemerkungen gemacht. Er hat gesagt, die Erhöhung der Sozialausgaben der letzten zehn Jahre sei eigentlich auf drei Wegen finanziert worden, einmal durch eine Erhöhung der Nettokre-



    Dr. Waigel
    ditaufnahme, durch eine kräftige Verschuldung. Er sagte sinngemäß, eine weitere Erhöhung der Nettokreditaufnahme komme für ihn nicht mehr in Frage; er könnte sich sonst im Spiegel nicht mehr als Ökonom sehen. — Ich nehme an, er meint nicht das Magazin. — Zum zweiten. Die Grenzen der Belastung der Arbeitnehmer mit Steuern und Sozialabgaben sind längst erreicht. Mehr sei auch dem Facharbeiter, der Klientel der SPD, nicht zuzumuten. Zum dritten hat er gesagt: Wir haben dieses Mehr an Sozialleistungen durch ein Herunterfahren der öffentlichen Investitionen finanziert, und er stellt die Frage, ob das gut sei. Dann kommt Helmut Schmidt zu folgender, seine immense Lernfähigkeit bezeugenden Einsicht: Wer mehr für die beschäftigungswirksamen Bemühungen des Staates tun will, muß tiefer, noch viel tiefer als hier in die Sozialleistungen einschneiden. — Ich frage Sie, meine Damen und Herren: Was eigentlich ist das Diskussionspapier des Bundeswirtschaftsministers anderes als die Erfüllung des damaligen Auftrags des Bundeskanzlers und die logische Konsequenz aus der zitierten Feststellung des Bundeskanzlers vor seiner Fraktion?

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    Niemand kann sich doch über die Notwendigkeit tiefer Eingriffe bei den Subventionen und bei den Leistungsgesetzen als Voraussetzung für eine nachhaltige Ausweitung des beschäftigungspolitischen Handlungsspielraums des Staates hinwegtäuschen.
    Nur der Bundeskanzler redet vor jedem Gremium anders:

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    vor seiner Fraktion anders als im Kabinett, im Kabinett anders als in der Öffentlichkeit und in der Öffentlichkeit wieder anders als vor dem Bundesparteitag der SPD, wo er sich ausgerechnet bei den ihn so betreffenden Fragen der Wirtschafts-, Finanz-und Sozialpolitik nicht in der Lage sah hinzugehen, obwohl es doch so wichtig gewesen wäre, seine weisen Ausführungen vor der Fraktion den Delegierten unmittelbar weiterzugeben.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Dregger [CDU/CSU]: Da hat er Matthöfer alleingelassen!)

    Ich halte das für blanken und nackten Opportunismus.
    Dieser grenzenlose Opportunismus zeigt sich auch in der Behandlung des Begriffs „soziale Demontage". Der Kollege Dregger hat das bereits angedeutet. Die mißbräuchliche Inanspruchnahme bestimmter Sozialleistungen wird bestritten, Eingriffe bei Leistungsgesetzen werden als „soziale Demontage" denunziert. Aber eine grundsätzliche Alternative der SPD, aus der hervorginge, wie die Staats- und Sozialversicherungsfinanzen dauerhaft saniert werden könnten und damit die Wachstumsschwäche der Wirtschaft überwunden werden könnte, liegt nicht vor. Die Alternative der SPD heißt doch kurz und bündig und immer wieder: Erhöhung der Steuer-und Abgabenbelastung.
    Es lohnt sich, darauf hinzuweisen, was bereits allein in dieser Legislaturperiode in diesem Bereich passiert ist: Anhebung der Mineralölsteuer, Anhebung der Branntweinsteuer, Anhebung der Tabaksteuer, mehrfache Anhebung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung. Hinzu kommt die geplante, aber Gott sei Dank von der Union verhinderte Anhebung der Mehrwertsteuer für einen verfehlten Zweck.
    Hier herrscht doch eine totale Begriffsverwirrung. Das einzige Ziel dieser Politik ist es, soziale Besitzstände durch einen konsequenten Marsch in den Steuer- und Abgabenstaat zu finanzieren.
    Ich möchte auch zur Ergänzungsabgabe etwas sagen. Die Ergänzungsabgabe wird ja nicht unter dem Aspekt gefördert, man könne mit ihrem Erlös sehr viel bewirken — die Summen sind relativ gering —, sondern unter dem Gesichtspunkt der sogenannten sozialen Symmetrie. Es ist unbestreitbar — niemand wird das leugnen —, daß die finanziellen Lasten dessen, was auf uns zukommt, auf alle, auf breite und auf weniger breite Schultern, verteilt werden müssen. Dabei muß aber neben der vielbeschworenen sozialen Ausgewogenheit auch die wirtschaftspolitische Wirkung jeder Maßnahme sorgfältig bedacht werden.
    Wer zählt eigentlich zu den „Besserverdienenden", die da mehr tun sollen? Der Fußballstar, der Chefarzt, der Ministerialrat, die Herren Minister und Staatssekretäre, der Abteilungsleiter, der Facharbeiter?

    (Roth [SPD]: Der Herr Waigel!)

    — Ich habe für mich persönlich nichts dagegen.

    (Roth [SPD]: Fabelhaft!)

    Wir haben als Abgeordnete — das werden Sie wissen, Herr Kollege Roth — in den letzten Jahren hier schon einen erheblichen Verzicht geleistet. Das darf auch einmal gesagt werden. — Die Ergänzungsabgabe erbringt nur dann nennenswerte Mehreinnahmen, wenn wir die große Schicht der Facharbeiter mit einbeziehen, bei denen wir aber doch behaupten, die Grenze ihrer Steuer- und Abgabenbelastbarkeit sei längst überschritten.
    Der Bundeskanzler sagte in der Fraktion: Die Facharbeiter dürfen wir nicht mehr mit Steuern und Abgaben belasten, weil sie an ihre Grenze gestoßen sind. Um aber die entsprechende Wahlkampfmunitionierung zu besitzen, wird das Entgegengesetzte zu diesem Thema behauptet. Oder wollen wir weitere heute gut verdienende Arbeitnehmer, deren Grenzbelastung durch Abgaben ohnehin schon bei rund 60 % liegt, durch weitere Steuererhöhungen in die Schwarz- und Schattenwirtschaft abdrängen?
    Noch eine Frage an die Freunde von der SPD: Wie verhalten Sie sich eigentlich jenen gegenüber — das muß in diesem Zusammenhang auch einmal gesehen werden —, die durch steuerbegünstigte Anlagen in Berlin oder sonstwo ihr zu versteuerndes Einkommen derart reduzieren, daß sie steuerrechtlich nicht mehr zu den Besserverdienenden zählen?

    (Zuruf von der CDU/CSU: Neue Heimat!)

    Ich bin sehr dagegen, daß man diese Leute laufen läßt, weil sie auf die Art und Weise zu keiner Steuer-



    Dr. Waigel
    zahlung kommen. Ein anderer aber, der diese Möglichkeit nicht besitzt, soll natürlich voll von einem noch weiteren Marsch in den Steuer- und Abgaben-staat getroffen werden.
    Oder wollen Sie eine Ergänzungsabgabe von jenen erheben, von denen wir erwarten und von denen wir erhoffen, daß sie ihre Investitionen aufstocken, um mehr Ausbildungsplätze bereitzustellen — die Handwerker, die Freiberufler, die mittelständischen Unternehmen? Oder wollen Sie trotz AEG, Bauknecht, Dual, Kreidler, Video-Color, Hoesch, Röchling, Burbach usw. noch mehr Unternehmen in die Pleite oder in die Verlustzone treiben? Wie wollen Sie denn eine Ergänzungsabgabe auf Unternehmensgewinne erheben, wenn immer mehr Unternehmen rote Zahlen schreiben bzw. Konkurs anmelden müssen? Hierauf ist die SPD bis heute jede konstruktive Antwort schuldig geblieben.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Es ist leider leichter, Neid und Mißgunst zu nähren, als sachliche Antworten zu geben.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Löffler [SPD]: Bleiben Sie bei der Sache, Herr!)

    — Mein Gott, Herr Löffler, nach Ihren Ausführungen wagen Sie den Zwischenruf „Bleiben Sie bei der Sache!".

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf des Abg. Löffler [SPD])

    — Herr Löffler, ich mag Sie zu gern, als daß ich jetzt auf Ihre Zwischenrufe eingehe.
    Sicherlich finden sich — ich möchte das nicht unberücksichtigt lassen — auch in den Reihen der SPD Kollegen, die bereit sind, mit dem für uns alle politisch gefährlichen Begriff der sozialen Demontage sorgfältiger umzugehen, die bereit sind, in sachlicher Weise eine Antwort auf das zunehmende Auseinanderklaffen von staatlichen Leistungen und gesamtwirtschaftlichem Leistungsvermögen zu suchen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Die werden immer weniger!)

    Die Ausführungen von Herrn Glotz, Ihres Bundesgeschäftsführers, und des Kollegen Glombig zur Anpassung des Sozialsystems an die veränderten wirtschaftlichen Möglichkeiten sowie der Kollegen Roth und Rappe zur Überprüfung der Anpassungsregelungen im Rentensystem habe ich in diesem Zusammenhang mit großer Aufmerksamkeit zur Kenntnis genommen. Gleiches gilt auch für die Ausführungen des ehemaligen Finanzministers Matthöfer — anläßlich seines Ausscheidens aus dem Finanzministerium — über die Grenzen der Steuer- und Abgabenbelastung, allerdings Ausführungen, die bei Ihnen nicht auf sehr fruchtbaren Boden gefallen sind.
    Ich kann aber nicht verhehlen — das macht uns große Sorgen —, daß bei einem Großteil der Sozialdemokraten ein leichtfertiger Umgang mit dem Begriff „soziale Demontage" betrieben wird. Ich habe fast die Befürchtung, daß Sie als Regierungspartei resignieren und sich heute schon auf eine Strategie in der Opposition vorbereiten,

    (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Dolchstoßlegende!)

    nach dem Motto „Nach uns die Sintflut und mit uns die Masse der Unzufriedenen"; eine gefährliche und trügerische Strategie.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Löffler [SPD]: Ihre Strategie wollen wir doch hören; wir haben unsere schon!)

    Diese Strategie läuft nämlich darauf hinaus, den Karren selber in den Dreck hineinzufahren und danach diejenigen, die den Karren aus dem Dreck ziehen müssen, zu diffamieren.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Löffler [SPD]: Sie gaukeln sich Ihre eigene Unfähigkeit vor!)

    In diesen Zeiten verkehren sich die Begriffe: Was ist eigentlich progressiv, und was ist eigentlich konservativ? Sie, die sich doch sonst immer als progressiv geben, haben doch — —

    (Wehner [SPD]: Reden Sie doch über Ihre Sache, nicht über uns!)

    — Ich rede, über wen ich will, Herr Wehner.

    (Wehner [SPD]: Und ich sage, was ich will!)

    Sie haben doch heute die Rolle der Erzkonservativen übernommen. Sie verweigern Änderungen, obwohl Sie wissen, daß sie unumgänglich sind.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie sind unfähig, neuen Herausforderungen mit neuen Antworten zu begegnen. Die angeblich Progressiven, die auf dieses Wort so stolz waren, verweigern sich heute der notwendigen Reform, und die soviel geschmähten Konservativen

    (Immer [Altenkirchen] [SPD]: ... haben keine Antworten!)

    sind heute willens und offensichtlich als einzige in der Lage, unseren sozialen Rechtsstaat durch eine wirtschaftliche, finanzielle und gesellschaftspolitische Reform wiederherzustellen und damit die Arbeitslosigkeit wirklich zu bekämpfen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Der Kieler Konjunkturexperte Professor Norbert Walter vertritt die Auffassung, daß Einsparungen, die sich auf den ersten Blick als unzumutbare soziale Härte darstellen, im Ergebnis mehr Schaden von den Betroffenen abwenden dürften als staatlicher Aktivismus und kollektive Fürsorge.

    (Löffler [SPD]: Da gibt es einen anderen Professor von der Küste, der genau das Gegenteil sagt!)

    Nur mit einem solchen ordnungspolitischen Schritt nach vorn zu mehr Eigenverantwortung ist seiner Meinung nach auf mittlere Sicht wieder ein Wirtschaftswachstum zu erreichen, das die Arbeitslosig-



    Dr. Waigel
    keit abbaut und reale Einkommenssteigerungen ermöglicht.

    (Frau Dr. Skarpelis-Sperk [SPD]: Das sind die Professoren, die auf Kosten anderer sparen!)

    — Nun, es ist immerhin die große Mehrheit! Was Sie auf Ihrem Gebiet an Professoren aufbieten, kann man im Moment nicht zur Spitze des nationalökonomischen Sachverstands rechnen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf des Abg. Roth [SPD] und weitere Zurufe von der SPD)

    — Ich nehme das, was ich eben gesagt habe, zurück: Das gilt nicht für Professor Schiller, der aber in diametralem Gegensatz zu Ihnen, Herr Roth, und anderen steht, obwohl er wieder in Ihre Partei eingetreten ist.

    (Roth [SPD]: Rufen Sie ihn doch heute an!)

    — Ich nehme an, wenn ich ihn anrufe, erschrickt er nicht so, wie wenn Sie ihn anriefen.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

    Die gegenwärtige Lage verlangt eine Überprüfung aller staatlichen Leistungen. Tabus darf es in diesem Zusammenhang nicht geben.

    (Immer [Altenkirchen] [SPD]: Auch nicht bei den Bauern? — Löffler [SPD]: Das gilt für alle!)

    — Die Bauern haben in den letzten zehn Jahren schon sehr viel an Verzicht mitgemacht; das haben Sie vielleicht nur nicht nachgerechnet.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Dregger [CDU/CSU]: Die einzigen mit Einkommensverlusten!)

    Ich bin in meiner Fraktion gewiß kein Anhänger der Rasenmäher-Theorie, doch angesichts der Widerstände, des Besitzstandsdenkens und der verbreiteten Anspruchsmentalität spricht vieles dafür, prozentual gleichmäßige Eingriffe vorzunehmen, wie es unsere Finanzpolitiker bereits im vorigen Jahr vorgeschlagen haben.

    (Zustimmung bei Abgeordneten der CDU/ CSU — Zuruf von der SPD: Beamtenbund! Krause!)

    Unsere Wirtschaft befindet sich in einer hartnäkkigen Stagnation, und auch mittelfristig sind die Wachstumserwartungen gering. In diesem Zusammenhang gibt es natürlich Gefahren, die über den Bereich der Wirtschaftspolitik hinausgehen und die schlechthin das Problem der Regierbarkeit moderner Industriestaaten berühren.
    Der einstige Mentor des sozialliberalen Bündnisses Professor Dahrendorf hat dies wie folgt umschrieben:
    Der Ausbau sozialer Rechte hat zur Folge gehabt, daß das Gemeinwesen als Ganzes durch seine politischen Institutionen immer neue Funktionen übernommen hat. Das Gemeinwesen ist nicht ein minimaler Staat geblieben, sondern hat sich zu einem maximalen Staat entwikkelt. Der einzelne erwartet immer mehr, daß seine Bedürfnisse vom Staat befriedigt werden. Das gilt nicht nur in der Sozialpolitik, sondern heute auch in der Wirtschaftspolitik. Man erwartet, daß der Staat wirtschaftspolitische Veränderungen abfedert. Das hohe Maß an Erwartungen an den Staat führt zu seiner Überlastung. Wir haben die absurde Situation, daß, was immer passiert, ob Naturkatastrophe oder persönliche Tragödie, die Menschen glauben, daß die Regierung etwas tun müsse. Diese Form der Überlastung führt mit Notwendigkeit zur Enttäuschung bei denen, die vom Staat erwarten, daß er seine Probleme löst, und diese Enttäuschung schlägt sich nieder in einem Widerstand gegen den maximalen Staat.
    Dahrendorf fährt fort:
    Entweder werden wir der These folgen: so viel Dezentralisierung wie möglich, so viel Zentralisierung wie nötig, oder aber die Enttäuschung über den Zentralstaat wird ein Ausmaß annehmen, das in der Tat legitimitätssprengend wirken kann, weil immer mehr Menschen sich vom Gemeinwesen und seiner politischen Organisation abwenden werden.

    (Frau Dr. Skarpelis-Sperk [SPD]: Sie wollen ja nicht den dezentralen Staat, sondern den minimalen Staat!)

    — Nein, der dezentrale Staat ist ein föderaler Staat, und der ist in der Lage, die Probleme der Bürger näher und realistischer zu sehen als der Zentralstaat, den Sozialisten immer anstreben.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Löffler [SPD]: Von der sozialistischen Theorie verstehen Sie nichts!)

    Frau Skarpelis-Sperk, es enttäuscht mich schon, daß Ihre Arbeit in einem schwäbischen Wahlkreis Sie noch nicht befähigt hat, die Vorteile des Föderalismus zu erkennen.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU — Frau Dr. Skarpelis-Sperk [SPD]: Die bayerische Kommunalverfassung ist die zentralistischste, und das wissen Sie ganz genau!)

    — Sie werden die schwäbische und auch die bayerische Mentalität nie begreifen!

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU — Zuruf von der CDU/CSU: Genau!)

    Die Lösung kann meines Erachtens nur in einer verstärkten Hinwendung zu mehr Markt, zu mehr Dezentralisierung, zu mehr Eigenverantwortung gefunden werden. Das hat mit sozialer Demontage überhaupt nichts zu tun. Vielmehr liegen hier die Voraussetzungen für eine dauerhafte und gemeinwohlbezogene Sicherung unseres sozialen Netzes vor dem Hintergrund gravierender wirtschaftlicher Engpässe.
    Aktiv gestaltende Gesellschaftspolitik bedarf der Selbstverantwortung in einer offenen Gesellschaft.



    Dr. Waigel
    Personalität, Solidarität und Subsidiarität sind Ordnungsprinzipien einer solchen Politik.

    (Löffler [SPD]: Da fehlt nur noch der Reim dazwischen! Dann ist es ein Gedicht!)

    Solidarität gründet in der sozialen Natur des Menschen und seiner Wechselbezogenheit zur Gemeinschaft. Subsidiarität — Ihr Verhängnis, Herr Kollege Löffler, ist, daß die SPD keine Beziehung zur Subsidiarität hat, zu diesem Prinzip der Freiheit und der Selbstverantwortung —

    (Beifall bei der CDU/CSU — Lachen bei der SPD)

    ist das Prinzip der Freiheit und der Selbstverantwortung der Person. So sind Solidarität und Subsidiarität Bau- und Gliederungsprinzipien von Staat und Gesellschaft. Solidarität ist Hilfe und ist wesenhaft eine subsidiäre Hilfe, eine Hilfe zur Selbsthilfe.

    (Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: Herr Oberlehrer spricht!)

    Darum eignet sich der Begriff Solidarität nicht zur Gleichmacherei und auch nicht zum Klassenkampf, zu dem Sie dieses wertvolle Prinzip manchmal mißbrauchen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Norbert Blüm hat bereits im Jahre 1977 in einem bemerkenswerten Beitrag in der „Welt der Arbeit" gefordert, das Wort Solidarität müsse ganz neu buchstabiert werden, auch die Belastbarkeit der Arbeitnehmer mit weiteren Beitragserhöhungen sei nicht weiter strapazierbar und Anstrengungen müßten von allen nach ihrer Leistungskraft verlangt werden.

    (Frau Dr. Skarpelis-Sperk [SPD]: Sehr richtig!)

    Nur wenn wir diesen Begriff der Solidarität neu bestimmen und nach den Grundsätzen der Subsidiarität bei allen Leistungen der Gemeinschaft, des Staates die Frage stellen, ob nicht der einzelne, der Familienverband, die Gesellschaft, gesellschaftliche Gruppierungen dem Staat Aufgaben und Lasten abnehmen können, wird die Solidargemeinschaft überhaupt bestehen können und finanziert werden können.
    Die Staats- und Parteienverdrossenheit unserer Tage ist darauf zurückzuführen, daß immer mehr Aufgaben, Chancen und Möglichkeiten auf den Staat übergegangen sind.

    (Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: Auch in Bayern?)

    Die einzige Lösung gesellschaftlicher Fragen in den letzten zehn Jahren bestand von Ihnen darin, daß Sie neue Bürokratien und Großorganisationen geschaffen haben.

    (Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: Auch in Bayern?)

    Sonst ist Ihnen nichts eingefallen.

    (Beifall bei der CDU/CSU) Anonyme Bürokratien und Großorganisationen sind kein Anreiz zu mehr persönlicher Solidarität, zu Engagement oder zur Leistung der Bürger.


    (Frau Dr. Skarpelis-Sperk [SPD]: Sagen Sie das doch dem bayerischen Innenminister!)

    Bürgerbewußtsein, Selbstverantwortung und Entfaltung der Persönlichkeit sind geistige Werte, die dieser Verdrossenheit entgegenwirken. Vor Jahren bereits hat Professor Dahrendorf die Frage gestellt — jetzt bin ich gespannt, ob Sie die entsprechenden Zwischenrufe auch machen, wenn ich ihn zitiere —, ob die Fundamente unseres Staates wanken. Er kam zu dem Schluß, es zerbreche da gleichsam der sozialliberale Konsens. Nicht der Staat wankt, der sozialliberale Konsens stimmt nicht mehr. Was ist dieser Konsens? Es war ein Konsens der Modernität, stärkerer Staatstätigkeit im Wirtschaftsbereich, Umverteilung, Bildungsexplosion, Entstrukturierung von Familie, Kirche, Schule und anderer Institutionen, Konsumorientierung, wesentliche Hebung des Reallohns. Ich wage die Behauptung: Eben dieser sozialliberale Konsens hat zur Überforderung des Staates und zur Staatsverdrossenheit geführt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Der Bundesaußenminister hat in seiner Rede vor einer Woche, der Bundeswirtschaftsminister in seinem Papier Abschied von dieser verhängnisvollen sozialliberalen Modernität genommen. Die nächsten Tage werden zeigen, ob dahinter taktische Manöver oder glaubwürdige Politik stehen. Die quälende Agonie der Koaliton schadet nicht nur der Wirtschaft, sondern dem Ansehen unseres Staates. — Ich danke Ihnen.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)



Rede von Georg Leber
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Roth.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Wolfgang Roth


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Eine Debatte sollte auch dazu dienen, daß man auf die Vorredner Bezug nimmt, und nicht im Abliefern von fertigen Manuskripten bestehen.
    Ich will zu meinem Vorredner und seinem Staatsverständnis ein Wort sagen. Da schimmert durch jede Ritze der alte Nachtwächterstaat.

    (Beifall bei der SPD — Widerspruch bei der CDU/CSU)

    Ich muß Ihnen sagen: In dieser Zeit hat mancher in der Praxis erleben müssen, daß man ganz schnell vom Nachtwächterstaat in den Feuerwehrstaat rutscht.

    (Beifall bei der SPD)

    Was meine ich damit? Mit welchem Pomp haben die führenden Leute von AEG vor einigen Jahren — genau: im Jahr 1979 — uns erklärt, jetzt mache man die privatwirtschaftliche, die bessere, die ordnungspolitisch saubere Sanierung der AEG. Damals hat der heutige Postminister und seinerzeitige Bundesfinanzminister das eine oder andere skeptische Wort formuliert und die Frage gestellt: Sollten wir nicht alle — Staat, Banken, AEG, und dort eben beide Teile — eine langfristige Lösung finden? Ich



    Roth
    erinnere mich noch genau an die Schmährufe: typisch, Staatssozialismus, Matthöfer, IG-MetallSchulung. Drei Jahre später kamen die, die damals gesagt hatten, der Staat habe da nichts zu suchen, zum Staat und verlangten den Feuerwehrstaat: Jetzt muß gelöscht werden — mit 1,1 Milliarden DM.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Ich stehe dazu: Vorausschauende Strukturpolitik wäre bei diesem Beispiel besser gewesen, als jetzt dem Brand hinterherzulaufen.

    (Beifall bei der SPD)