Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Ich knüpfe gerne an die Vorrede meines Kollegen an. Er sagte, daß konjunkturelle Ereignisse im Nachtragshaushalt durch Kreditaufnahme nachfinanziert werden müßten. Darüber, was konjunkturell und strukturell ist, müssen wir uns in Zukunft wohl noch genauer absprechen. Strukturell ist einiges in dem Nachtragshaushalt darin, wovon ich der Meinung bin, daß man es vorher hätte vermeiden können.
Wenn man weiß, daß es ein politischer Vorgang ist, wenn die Zahl der Arbeitslosen festgesetzt wird, wenn man beispielsweise 1,6 oder 1,7 Millionen zugrunde legt und dementsprechend einen niedrigeren oder höhereren Betrag einsetzt — so ist es bei den letzten Koalitionsverhandlungen geschehen —, weiß man auch, daß man durch politische Zahlen auch die Schwelle, die man zu überspringen hat, wenn man Einsparungen vornimmt, heruntersetzen kann. Das rächt sich immer beim Nachtragshaushalt. Das ist heute der Fall. Vor diesem Hindergrund müssen wir, wie ich glaube, bei den Haushaltsberatungen 1983 sehr, sehr sorgfältig vorgehen. Eines wollen wir schließlich nicht, nämlich daß sich im Jahre 1983 wiederholt, was wir jetzt im Jahre 1982 zur Kenntnis nehmen müssen und was auch im Jahre 1981 schon
der Fall war: daß die Kreditaufnahme sukzessive, in mehreren Schritten weiter erhöht wird.
Wir verabschieden den Nachtragshaushalt aber auch deswegen jetzt, weil wir nicht nur jene strukturellen und konjunkturellen Ausgaben nachfinanzieren müssen, sondern auch wollen, daß die im Rahmen der Gemeinschaftsinitiative beschlossenen Maßnahmen nun endlich angewendet werden können. Voraussetzung dafür ist, daß dieser Nachtragshaushalt beschlossen wird. Wir erhoffen uns dadurch eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Wirtschaft und eine Tendenzwende in der Stimmung — hin zu mehr Investitionen und mehr Arbeitsplätzen. Dies hat mein Vorredner auch dargestellt. Man muß jedoch ganz deutlich sehen, daß die tatsächliche Haushaltslücke am Jahresende sehr wahrscheinlich wieder größer sein wird, als sie jetzt im Nachtrag veranschlagt ist. Dieses ist nicht verwunderlich. Einen Teil haben die Kollegen von der Opposition selber mit zu verantworten, und zwar dann, wenn es z. B. darum geht, in den Verhandlungen zwischen den Ländern den Mehrwertsteueranteil festzulegen und den Finanzausgleich zwischen den Ländern auszuhandeln. Man muß anerkennen, daß der Bund immer mehr Aufgaben übernommen hat und übernehmen mußte, sein Steueranteil aber gleichzeitig gesunken ist. Zur Lösung dieses Problems bedarf es der Mithilfe und der konstruktiven Zusammenarbeit von Bund und Ländern.
Ein Risiko darüber hinaus ist natürlich das Problem der Steuereinnahmen. Für den jetzigen Nachtragshaushalt ist die Steuerschätzung vom Juni dieses Jahres die Basis. Im September werden sich die Zahlen ändern. Das ist klar. Das hat der Finanzminister auch in bemerkenswerter Offenheit dargelegt. Er wird es vielleicht gleich noch einmal sagen. Es ist ein vernünftiges Verfahren: jetzt schon festzustellen, daß dann, wenn sich die Daten ändern, wahrscheinlich noch etwas nachfinanziert werden muß.
Es kann auch sein, daß dies im Bereich der Arbeitslosenhilfe notwendig wird. Wir haben uns auf unserer Klausurtagung im Saarland sehr intensiv mit den Zahlen der Bundesanstalt für Arbeit befaßt. Wir haben es dabei mit einem Schätzproblem und mit einer politischen Komponente zu tun. Das Schätzproblem besteht darin, abzuschätzen, wieviel Hilfeempfänger mit welchem Pro-Kopf-Leistungssatz wir in diesem Jahr haben werden. Die politische Komponente besteht darin: Was gibt die Bundesanstalt für Arbeit vor, und was nimmt das Haus — gemeint ist der Arbeitsminister — davon an? Hier gibt es Unterschiede. Ich begrüße es, wenn das Haus — in diesem Fall der Bundesarbeitsminister — den Daumen daraufhält, damit man sorgfältiger und knapper kalkuliert, als es in der Vergangenheit in Nürnberg getan worden ist.
Der Nachtragshaushalt 1982 wirft natürlich ein gravierendes Problem auf: Es ist klar, daß wir die in
Deutscher Bundestag — 9.Wahlperiode — 113. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. September 1982 6967
Dr. Zumpfort
Art. 115 des Grundgesetzes gesetzten Grenzen überschreiten.
Meine Kollgen von der Opposition, Sie wissen aber genausogut wie ich, daß die Investitionsausgaben auch ein Definitionsproblem darstellen. Wenn man weiß, daß im konsumtiven Teil unseres Haushaltes z. B. auch Investitionsausgaben für die Bundeswehr enthalten sind, die einem großen Block ausmachen, weiß man auch, wie relativ die Aussage ist. Nichtsdestotrotz bleibt der Verfassungsanspruch bestehen. Dennoch möchte ich Sie, die Kollegen der Opposition, darauf hinweisen — vielleicht haben viele von Ihnen das noch nicht zur Kenntnis genommen —, daß zu dem Zeitpunkt, zu dem der Rechtsausschuß den Antrag der Kollegen der CDU/CSU diskutierte, den Nachtragshaushalt aus verfassungsmäßigen Gründen abzulehnen, im Haushaltsausschuß eine Vorlage existierte, mit Ausgaben für den Verteidigungshaushalt, welcher mit den Stimmen aller Fraktionen zugestimmt worden war. Mithin ist also das Problem für viele Kollegen in Ihrer eigenen Partei wohl doch nicht so gravierend, oder das Problembewußtsein ist nicht da; Sie sollten sich das einmal ansehen.
Das eigentliche Problem bei der Verschuldung ist für mich jedoch eines, das auch vom Verein für Socialpolitik aufgeworfen worden ist. Hier darf ich mit Genehmigung des Präsidenten einmal aus einem Artikel aus der „Frankfurter Allgemeinen" von gestern über eine der Veranstaltungen der Jahrestagung des Vereins für Socialpolitik zitieren. Auf dieser Veranstaltung machte der Verfassungsrechtler Professor Dr. Kirchhof
... auf die Grenzen aufmerksam, die das Grundgesetz der Staatsfinanzierung durch Steuern und Kredite setzt. Das demokratische Prinzip der Machtausübung auf Zeit ist laut Kirchhof gefährdet, wenn die Parlamente ihren Nachfolgern unabdingbare Schulden hinterließen, die deren Spielraum einengten. Der „Zugriff auf die Zukunft" für staatliche Kreditaufnahme sei nur gerechtfertigt, wenn damit solche Investitionen finanziert würden, die die Zukunft begünstigten.
Hier ist in der Tat ein Problem, über das wir gemeinsam nachdenken müssen. An diesem Problem werden, wenn Sie sich die Kreditaufnahme in den Ländern ansehen, auch Sie, verehrte Kollegen der Opposition, nicht vorbeikommen. Die Tatsache, daß wir mit der Kreditaufnahme und der nachfolgenden Zinslast im Einzelplan 32, Bundesschuld, so hoch liegen, daß die Manövriermasse im Bundeshaushalt immer geringer wird, beleuchtet, daß dieses Problem zu Recht auch beim Bundeshaushalt angesprochen werden kann.
Im Nachtragshaushalt gibt es einen neuen Posten, den Sie vorher in der Vorlage nie gesehen haben. Wir haben dort 200 Millionen DM beim Alpha-Jet eingespart, die auf Grund von Änderungen hinsichtlich der Währungsparitäten nicht benötigt worden sind. Ich halte das für gerechtfertigt — wir haben
das in der Koalition übereinstimmend gemacht —, weil wir glauben, daß solche Beträge dann, wenn sie nicht abfließen, nicht im Ressort als Sparbüchse verbleiben dürfen, sondern dort eingesetzt werden müssen, wo es sinnvoll ist, nämlich bei der Senkung der globalen Minderausgabe; so ist es auch geschehen.
Im Einzelplan 14 ist ein Vorschlag entsprechend der Regierungsvorlage, den wir zwar angenommen haben, der mich aber sehr bedenklich stimmt. Es geht um die Kürzung um 100 Millionen DM bei den Ausgaben für Benzin zugunsten der Beschaffung bei Flugzeugen. Nicht die Tatsache, daß bei Flugzeugen zusätzliche Mittel benötigt werden, ist das Problem, sondern die Tatsache, wie mit dem Titel Benzin umgegangen wird. Beim Haushalt 1981 mußten wir, als die Sperre von 10 % vom Finanzminister ausgebracht wurde, erleben, daß danach von Teilen der Bundeswehr die Behauptung gezielt in Umlauf ge- bracht worden ist, die Bundeswehr sei nicht mehr einsatzfähig. Dieses stimmte, wie wir im nachhinein festgestellt hatten, nicht. Dennoch haben wir auf Grund des öffentlichen Druckes damals im Nachtragshaushalt Gelder nachbewilligt. Hier müssen wir nun erleben, daß im Nachtragshaushalt Gelder aus diesem Titel freigesetzt werden. Das bringt mich zu der Überzeugung, daß dies ein Manövriertitel des Hauses ist. Wir sollten uns beim Haushalt 1983 sehr wohl ansehen, ob die zusätzlichen 20 %, die dort für Benzin gefordert werden, wirklich berechtigt sind.
Ein letzter Punkt, den ich gern ansprechen möchte, ist der Punkt Personal: Wir als Haushälter haben unseren alten Grundsatz wahrgemacht, daß wir neues Personal nur unter der Voraussetzung bewilligen, daß es aus dem eigenen Fleisch geschnitten wird. So sind 80 neue Stellen zur Bewältigung der Asylproblematik aus dem Personalbestand des Bundeskanzleramtes, des Auswärtigen Amtes und des Innenministeriums geschnitten worden. Ich halte diese Lösung für beispielhaft. Sie sollte auch bei zukünftigen Maßnahmen beschlossen werden.
Zusätzlich dazu haben wir § 20 Abs. 3 des Haushaltsgesetzes 1982 so geändert, daß es den Forschungsinstituten ermöglicht wird, 15 % der Stellen, die wir mit einem kw-Vermerk versehen hatten, nach horizontaler und vertikaler Methode umzusetzen. Das heißt, wir haben dort eine Flexibilität geschaffen, in einem Bereich, der nicht streng bürokratisch aufgebaut ist, in dem eine Flexibilität aus systemimmanenten Gründen da sein muß. Das beleuchtet auch, daß wir im Haushaltsausschuß nicht nur sture Köpfe sind, sondern daß wir durchaus in der Lage sind, dort, wo es berechtigt ist, von einmal gefaßten Beschlüssen abzugehen. Dies soll auch ein Indiz dafür sein, daß wir im Haushaltsausschuß die Wünsche der Kollegen in anderen Ausschüssen, aber auch die Wünsche der Bürger aufnehmen und umsetzen.
Abschließend möchte ich feststellen, meine Fraktion stimmt dem Nachschlagshaushalt zu. Sie wünscht sich jedoch, daß im Jahre 1983 ein Nachtragshaushalt nicht zu sein braucht.
6968 Deutscher Bundestag — 9.Wahlperiode — 113. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 15. September 1982
Dr. Zumpfort Vielen Dank.