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    Plenarprotokoll 9/111 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 111. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 9. September 1982 Inhalt: Glückwünsche zu Geburtstagen . . . 6744 D Begrüßung einer Parlamentsdelegation der Republik Südafrika 6744 D Begrüßung einer Delegation der Nationalversammlung der Republik Senegal . 6761 C Bericht zur Lage der Nation Schmidt, Bundeskanzler 6745 A Dr. Kohl CDU/CSU 6761 D Brandt SPD 6773 D Genscher FDP 6781 B Dr. von Weizsäcker, Regierender Bürger- meister des Landes Berlin 6788 B Dr. Zimmermann CDU/CSU 6794 B Dr. Ehmke SPD 6799A Mischnick FDP 6806 A Franke, Bundesminister BMB 6810 B Lorenz CDU/CSU 6814A Ronneburger FDP 6818 C Sauer (Salzgitter) CDU/CSU 6821 D Werner CDU/CSU 6823 D Büchler (Hof) SPD 6826 B Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 9. Dezember 1980 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich der Niederlande über die gemeinsame Information und Beratung der Schiffahrt in der Emsmündung durch Landradar- und Revierfunkanlagen — Drucksache 9/1632 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Verkehr — Drucksache 9/1811 — 6829 C Zweite Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" — Drucksache 9/823 —Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft — Drucksache 9/1946 — 6829 D Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Vereinfachung der Lohnsteuerpauschalierung für Teilzeitbeschäftigte — Drucksache 9/1886 — 6830A Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Übereinkommen vom 8. Oktober 1970 zur gegenseitigen Anerkennung von Inspektionen betreffend die Herstellung pharmazeutischer Produkte (Gesetz zur Pharmazeutischen Inspektions-Convention-PIC) — Drucksache 9/1901 — 6830A Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Seemannsgesetzes — Drucksache 9/1829 — 6830 B II Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 9. September 1982 Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Durchführung einer Straßenverkehrsunfallstatistik (Straßenverkehrsunfallstatistikgesetz) — Drucksache 9/1910 — 6830 B Beratung der Sammelübersicht 40 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 9/1744 — 6830 C in Verbindung mit Beratung der Sammelübersicht 41 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 9/1782 — 6830 C Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr zu der Unterrichtung durch das Europäische Parlament Entschließung zur Zukunft des EWG- Eisenbahnnetzes — Drucksachen 9/1515, 9/1838 — . . . . 6830 C Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr zu der Unterrichtung durch das Europäische Parlament Entschließung zum Bau eines Tunnels unter dem Ärmelkanal — Drucksachen 9/1638, 9/1839 — . . . . 6830 D Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu dem Antrag des Präsidenten des Bundesrechnungshofes Rechnung des Bundesrechnungshofes für das Haushaltsjahr 1979 — Einzelplan 20- - Drucksachen 8/3967, 9/1758 — . . . . 6830 D Beratung des Antrags des Präsidenten des Bundesrechnungshofes Rechnung des Bundesrechnungshofes für das Haushaltsjahr 1981 — Einzelplan 20 - - Drucksache 9/1786 — 6831 A Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag für eine Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 136/66/EWG über die Errichtung einer gemeinsamen Marktorganisation für Fette — Drucksachen 9/1506 Nr. 11, 9/1747 — . 6831 B Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Beschleunigung der Agrarentwicklung in bestimmten Gebieten Griechenlands — Drucksachen 9/1506 Nr. 12, 9/1768 — . 6831C Fragestunde — Drucksache 9/1948 vom 3. September 1982 — Verweigerung der Einreise in die ČSSR für den in der Bundesrepublik Deutschland arbeitenden Journalisten Raymund Hörhager MdlAnfr 21, 22 03.09.82 Drs 09/1948 Dr. Soell SPD Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 6741 B, D ZusFr Dr. Soell SPD 6741B, D Interpretation der Erklärungen auf den Gipfeltreffen von Versailles und Bonn zur Gewährung von Ostkrediten MdlAnfr 23 03.09.82 Drs 09/1948 Dr. Czaja CDU/CSU Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 6742 A, B, C ZusFr Dr. Czaja CDU/CSU 6742A, B Extraterritoriale Rechtswirkungen des Außenwirtschaftsgesetzes bei internationalen privatrechtlichen Auslandslieferverträgen und Lizenzvergaben ins Ausland MdlAnfr 24 03.09.82 Drs 09/1948 Dr. Czaja CDU/CSU Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 6742 D, 6743 B ZusFr Dr. Czaja CDU/CSU 6743A,B Einsatz von Strafgefangenen, insbesondere politischen Häftlingen, beim Bau der sowjetisch-westeuropäischen Erdgasleitung MdlAnfr 4 03.09.82 Drs 09/1948 Engelsberger CDU/CSU Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 6743C, 6744 A, B, C ZusFr Engelsberger CDU/CSU . 6743D, 6744A, B ZusFr Jäger (Wangen) CDU/CSU . . . . 6744 B ZusFr Dr. Czaja CDU/CSU 6744 C Nächste Sitzung 6831 D Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 9. September 1982 III Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 6833* A Anlage 2 Glückwünsche zu Geburtstagen . . . . 6833* B Anlage 3 Beseitigung von Hemmnissen im Handel mit Eiern innerhalb der EG MdlAnfr 1, 2 03.09.82 Drs 09/1948 Eigen CDU/CSU SchrAntw BMin Ertl BML 6833* B Anlage 4 Bau einer Mauer entlang der innerdeutschen Grenze sowie Aufschiebung des Besuchs von SED-Chef Honecker MdlAnfr 7, 8 03.09.82 Drs 09/1948 Milz CDU/CSU SchrAntw PStSekr Wrede BMB . . . . 6833* D Anlage 5 200. Geburtstag Simon Bolivars; Äußerungen Dr. von Dohnanyis über die konsularischen Beziehungen Hamburgs zu Bolivien MdlAnfr 18, 19 03.09.82 Drs 09/1948 Dr. Hennig CDU/CSU SchrAntw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 6834*A Anlage 6 Einsatz von Atomwaffen durch die USA im Kriegsfall MdlAnfr 20 03.09.82 Drs 09/1948 Dr. Scheer SPD SchrAntw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 6834* C Anlage 7 Anstieg der Zahl der Nichtseßhaften in den Jahren 1980/81, Anteil der Aussiedler und „Freigekauften" aus der DDR MdlAnfr 32 03.09.82 Drs 09/1948 Dr. Hupka CDU/CSU SchrAntw PStSekr Grobecker BMJFG . 6834* C Anlage 8 Vereinheitlichung des europäischen Bankenrechts MdlAnfr 33, 34 03.09.82 Drs 09/1948 Rapp (Göppingen) SPD SchrAntw PStSekr Huonker BMF . . . 6834* D Anlage 9 Marxistische Indoktrination von Zivildienstleistenden bei einem Einführungslehrgang in Castrop-Rauxel MdlAnfr 58 03.09.82 Drs 09/1948 Lowack CDU/CSU SchrAntw PStSekr Grobecker BMJFG . 6835* D Anlage 10 Änderung der EG-Verordnung Nr. 337/79 zwecks Zulassung einer Anreicherung um 4,5 Volumenprozent für die Weinbaugebiete Mosel-Saar-Ruwer, Ahr und Mittelrhein MdlAnfr 59, 60 03.09.82 Drs 09/1948 Schartz (Trier) CDU/CSU SchrAntw PStSekr Grobecker BMJFG . 6836*A Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 9. September 1982 6741 111. Sitzung Bonn, den 9. September 1982 Beginn: 8.30 Uhr
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    Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 9. September 1982 6833* Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. van Aerssen * 10.9. Dr. Ahrens ** 10.9. Dr. Bardens ** 10.9. Büchner (Speyer) ** 10.9. Dr. Dregger 10.9. Eickmeyer ** 10.9. Frau Geier 10.9. Dr. Geißler 9. 9. Grüner 9. 9. Hauck 10.9. Herterich 9. 9. Hoppe 10.9. Dr. Müller ** 10.9. Müller (Bayreuth) 10.9. Pensky ** 10.9. Rösch 10.9. Dr. Schachtschabel 10.9. Schmidt (Wattenscheid) 10.9. Schulte (Unna) ** 10.9. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim ** 10.9. Stöckl 10.9. Dr. Unland ** 10.9. Dr. Vohrer ** 10.9. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Glückwünsche zu Geburtstagen am 11. Juli 1982 Abg. Wehner 76 Jahre am 9. August 1982 Abg. Lampersbach 65 Jahre am 17. Juli 1982 Abg. Volmer 60 Jahre am 24. Juli 1982 Staatsminister Wischnewski 60 Jahre am 22. August 1982 Abg. Dr. Pohlmeier 60 Jahre am 30. August 1982 Abg. Ruf 60 Jahre am 6. September 1982 Abg. Schmidt (Kempten) 60 Jahre Anlage 3 Antwort des Bundesministers Ertl auf die Fragen des Abgeordneten Eigen (CDU/CSU) (Drucksache 9/1948 Fragen 1 und 2): Welche Handelshemmnisse im Handel mit Eiern gibt es in welchen Ländern der Europäischen Gemeinschaft? Anlagen zum Stenographischen Bericht Was gedenkt die Bundesregierung dagegen zu unternehmen? Der innergemeinschaftliche Warenverkehr mit Eiern, der im allgemeinen störungsfrei verläuft, wird zur Zeit insbesondere durch das seit dem 1. September 1981 geltende Einfuhrverbot behindert, das das Vereinigte Königreich mit der Begründung, hierdurch einen wirksameren Schutz gegen das Auftreten der Newcastle-Krankheit bei Geflügel zu erreichen, gegen Importe von Geflügelfleisch und Eiern aus bestimmten Mitgliedstaaten verhängt hat. Der Europäische Gerichtshof hat dieses Einfuhrverbot, von dem insbesondere die nach dem Vereinigten Königreich exportierenden Mitgliedstaaten Frankreich und die Niederlande unmittelbar betroffen sind, nunmehr für vertragswidrig erklärt und das Vereinigte Königreich aufgefordert, die erforderlichen Maßnahmen zur Wiederherstellung des freien Warenverkehrs zu treffen. Die Bundesregierung wird — wie schon bisher — die EG-Kommission darin unterstützen, die geeigneten Schritte zu unternehmen, um im Kontakt mit den britischen Stellen unverzüglich die Unterbrechung der Handelsströme zu beseitigen. Auf Intervention der deutschen Delegation im letzten Sonderausschuß für Landwirtschaft in Brüssel hat die EG-Kommission erklärt, daß sie das Vereinigte Königreich aufgefordert habe, Maßnahmen zu ergreifen, um das Einfuhrverbot bis spätestens zum 20. September 1982 aufzuheben. Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Wrede auf die Fragen des Abgeordneten Milz (CDU/CSU) (Drucksache 9/1948 Fragen 7 und 8): Treffen Presseberichte zu, wonach die DDR entlang der innerdeutschen „Grenze" von der Ostsee bis zum Fichtelgebirge eine Mauer von ca. 1 393 km Länge und einer Höhe von 3 bis 4 m plant? Welche Maßnahmen wird die Bundesregierung für den Fall der Richtigkeit dieser Presseberichte gegenüber der DDR unternehmen, und wird die Bundesregierung einen Besuch des Staatsratsvorsitzenden Honecker in der Bundesrepublik Deutschland, nachdem mehrere führende Unionspolitiker nicht in die DDR einreisen durften, solange als unerwünscht betrachten, bis mit Sicherheit gewährleistet ist, daß die DDR von diesem „Bauvorhaben" abläßt? Zu Frage 7: Der Bundesregierung liegen keine Informationen vor, aus denen sich ergibt, daß die DDR entlang der innerdeutschen Grenze von der Ostsee bis zum Fichtelgebirge eine fortlaufende Mauer plant. Presseberichte, in denen solche Vermutungen angestellt worden sind, können nicht bestätigt werden. Richtig ist, daß an verschiedenen Abschnitten der innerdeutschen Grenze — insbesondere in oder gegenüber geschlossenen Ortschaften — der Metallgitterzaun durch Mauerwerk ersetzt worden ist. Diese punktuellen Veränderungen, die offenbar vor allem Einblicksmöglichkeiten und Sichtkontakte der Be- 6834* Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 9. September 1982 völkerung unterbinden sollen, stellen keine neuartige Entwicklung dar. Zu Frage 8: Da die Richtigkeit der betreffenden Pressemeldungen nicht unterstellt werden kann, sieht die Bundesregierung keinen Anlaß, daran hypothetische Überlegungen zu knüpfen. Anlage 5 Antwort des Staatsministers Frau Dr. Hamm-Brücher auf die Frage des Abgeordneten Dr. Hennig (CDU/CSU) (Drucksache 9/1948 Fragen 18 und 19): Welche Vorbereitungen hat die Bundesregierung getroffen, um 1983 einen angemessenen deutschen Beitrag anläßlich der Feier des 200. Geburtstags Simon Bolivars sicherzustellen, und sieht die Bundesregierung in diesen Veranstaltungen einen Weg, das durch den Falklandkonflikt getrübte Verhältnis zwischen Europa und Lateinamerika zu verbessern? Kann sich die Bundesregierung die Rechtsauffassung des früheren Staatsministers im Auswärtigen Amt und jetzigen Präsidenten des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg, Dr. von Dohnanyi, zu eigen machen, der am 16. August 1982 dem Botschafter der Republik Bolivien schrieb, „Das von Ihnen zitierte Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen ist also von Hamburger Seite durch die vom Senat eingenommene Haltung gegenüber den Vorgängen um das bolivianische Generalkonsulat zu keinem Zeitpunkt verletzt worden", oder steht die Bundesregierung zu dem, was sie mir vor einigen Monaten in der Fragestunde in diesem Zusammenhang versichert hat? Zu Frage 18: Die Bundesregierung beabsichtigt, des 200. Geburtstages des Befreiers Simon Bolivar offiziell zu gedenken. Im Herbst 1983 wird ein Festakt in Berlin in Anwesenheit des Bundespräsidenten an die Bedeutung von Simon Bolivar erinnern. Drei wissenschaftliche Tagungen in Berlin, Hamburg und Köln werden sich mit Fragen der Bolivar-Forschung und den deutschen Beziehungen zu Lateinamerika befassen. Ausstellungen und Veröffentlichungen sollen ein breites Publikum auf die Bedeutung des Vorkämpfers der Unabhängigkeit Lateinamerikas und seine Wirkung bis heute hinweisen. Die Bundesregierung ist der Auffassung, daß dies eine willkommene Gelegenheit bietet, um die traditionell freundschaftliche Verbundenheit der Bundesrepublik Deutschland mit den Staaten Lateinamerikas auszudrücken. Eine unmittelbare Beziehung zum Falkland(Malwinen)-Konflikt besteht nicht. Die Vorbereitungen für die Gedenkveranstaltungen sind bereits im vergangenen Jahr angelaufen. Zu Frage 19: Die Bundesregierung steht weiterhin zu den Ausführungen, die sie am 4. März 1982 in der Fragestunde des Deutschen Bundestages im Zusammenhang mit der vorübergehenden Schließung des Generalkonsulats in Hamburg gemacht hat. Anlage 6 Antwort des Staatsministers Frau Dr. Hamm-Brücher auf die Frage des Abgeordneten Dr. Scheer (SPD) (Drucksache 9/1948 Frage 20): Rechnet die Bundesregierung damit, daß Versuche von Heeresvertretern der Vereinigten Staaten von Amerika im Kongreß, im Kriegsfall die Entscheidungsgewalt über den Einsatz von Atomwaffen zu erhalten, Erfolg haben werden, und wie wird die Bundesregierung gegebenenfalls darauf reagieren? Nach Kenntnis der Bundesregierung besteht seitens des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika keinesfalls die Absicht, die Entscheidungsgewalt über den Einsatz von Atomwaffen zu delegieren. Darauf hat der stellvertretende Regierungssprecher Dr. Rühl bereits in einer Pressekonferenz am 23. Juli 1982 hingewiesen. Anlage 7 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grobecker auf die Frage des Abgeordneten Dr. Hupka (CDU/CSU) (Drucksache 9/1948 Frage 32): Inwieweit kann die Bundesregierung die Angaben der Arbeitsgemeinschaft für Nichtseßhaftenhilfe bestätigen, daß sich die Zahl der Nichtseßhaften 1980/81 um 35 v. H. erhöht hat, und wie erklärt sie es, daß die Gruppe der Aussiedler und „Freigekauften" aus der DDR überproportional vertreten sein soll? Nach Angaben der Bundesarbeitsgemeinschaft für Nichtseßhaftenhilfe in Bethel hat sich 1981 nicht die Zahl der Nichtseßhaften, sondern die der sogenannten Neuauftritte von Nichtseßhaften im Vergleich mit 1980 um 35 v. H. erhöht. Der Bundesregierung liegen keine zusätzlichen Erkenntnisse, insbesondere aufgrund einer amtlichen Bundesstatistik hierüber vor. Sie geht aber davon aus, daß die Angaben der Bundesarbeitsgemeinschaft zutreffen. Nach deren Angaben beträgt der Anteil der Flüchtlinge, Spätheimkehrer und freibekommenen DDR-Häftlinge an der Gesamtzahl der Nichtseßhaften 25 v. H. Diese Personengruppe ist damit im Vergleich zur allgemeinen Bevölkerungsstruktur in der Bundesrepublik zwar nach wie vor überrepräsentiert, der Anteil an der Gesamtzahl der Nichtseßhaften ist aber in der Vergangenheit ständig gesunken. Die besonderen Gründe für die Nichtseßhaftigkeit dieses Personenkreises liegen in mangelnden sozialen Bindungen und abgewerteten oder nicht vorhandenen beruflichen Qualifikationen. Anlage 8 Antwort des Parl. Staatssekretärs Huonker auf die Fragen des Abgeordneten Rapp (Göppingen) (SPD) (Drucksache 9/1948 Fragen 33 und 34): Welchen Stand haben die mit der Ersten Richtlinie des EG- Ministerrats vom 12. Dezember 1977 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften über die Aufnahme und Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 9. September 1982 6835* die Tätigkeit der Kreditinstitute in Gang gekommenen Bemühungen zur Abstimmung und Vereinheitlichung des Bankenrechts in Europa auf dem Gebiet der Zusammenarbeit der nationalen Bankenaufsichtsbehörden und bezüglich der nationalen Gesetzgebungen erreicht, und wie beurteilt die Bundesregierung die verschiedentlich geäußerte Sorge, daß es im Zuge dieser Bemühungen zu erhöhten administrativen Belastungen der deutschen Kreditinstitute und der Behörden kommen könnte? Sind in den Diskussionsentwurf des Bundesfinanzministeriums zu einer Novelle des Kreditwesengesetzes bereits Ergebnisse — gegebenenfalls in welchen Positionen — der europäischen Bankenrechtskoordinierung eingegangen und glaubt die Bundesregierung, ausschließen zu können, daß es im Zuge der Koordinierung in einem dem Gesetzeszweck abträglichen Maß zu wiederholten Änderungen des Kreditwesengesetzes kommen könnte? Zu Frage 33: Die laufende Zusammenarbeit der nationalen Bankenaufsichtsbehörden in der EG obliegt vornehmlich dem „Kontaktausschuß", einer Art Arbeitsgemeinschaft der EG-Bankaufsichtsbehörden, die regelmäßig tagt, um gemeinsam interessierende Probleme zu erörtern. Die in Artikel 3 Abs. 7 der Ersten Bankrechtsrichtlinie vorgesehene europäische Bankenliste ist geschaffen und wird, wie in der Richtlinie vorgesehen, laufend aktualisiert. Ebenso ist der in Art. 11 der Richtlinie vorgesehene Beratende Ausschuß eingerichtet worden. Er tagt zweimal jährlich und berät unter anderem mit der EG- Kommission über neue Vorschläge zur weiteren Koordinierung im Bereich der Kreditinstitute. Er hat ferner die in Art. 6 der Richtlinie vorgesehenen Arbeiten an Beobachtungskoeffizienten aufgenommen und vier Beobachtungskoeffizienten entwickelt, die sich in der Erprobung befinden. Die Beobachtungskoeffizienten dienen dazu, vergleichbare Daten über die Situation der Banken in den EG-Mitgliedstaaten zu ermitteln und damit eine Grundlage für eine etwaige künftige Harmonisierung bankaufsichtlicher Grundsätze zu erhalten. Die entsprechenden Berechnungen führen die Bankaufsichtsbehörden durch. Die deutsche Kreditwirtschaft hat dazu auf freiwilliger Basis mit Informationen beigetragen. Soweit die Erste Bankrechtsrichtlinie in den nationalen Gesetzgebungen Änderungen erforderlich machte, sind diese mit Ausnahmen von zwei EG-Mitgliedstaaten erfolgt. Nach Auffassung der Kommission müssen außerdem auch in der Bundesrepublik Deutschland noch einige Vorschriften der Richtlinie in deutsches Recht umgesetzt werden. Die Sorge, es könne durch die Harmonisierungsbemühungen der EG auf dem Gebiet der Bankenaufsicht zu erhöhten administrativen Belastungen der deutschen Kreditinstitute und der Behörden kommen, hat sich hinsichtlich der bisherigen Harmonisierung nicht bestätigt. Die Bundesregierung achtet darauf, daß auch die weiteren Harmonisierungsschritte keinen unangemessenen Verwaltungsaufwand für Wirtschaft und Behörden mit sich bringen. Zu Frage 34: Im Referentenentwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über das Kreditwesen (KWG) sind die Erste Richtlinie sowie der Entwurf einer Richtlinie über die Beaufsichtigung der Kreditinstitute auf konsolidierter Basis berücksichtigt. In Umsetzung der Ersten Richtlinie wird insbesondere die Zusammenarbeit des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen und der Deutschen Bundesbank mit den Bankaufsichtsbehörden der EG-Mitgliedstaaten verbessert und der Bank aufsichtlich notwendige Informationsaustausch gesetzlich geregelt werden. Der Entwurf einer Konsolidierungsrichtlinie, der von der Kommission im September des vergangenen Jahres dem Rat zugeleitet worden ist, beschränkt sich darauf, die Mitgliedstaaten im Grundsatz zu einer Bankaufsicht über Bankkonzerne durch Konsolidierung zu verpflichten, d. h., bankaufsichtlich bedeutsame Kennzahlen der zu einem Konzern gehörenden Kreditinstitute zusammenzufassen. Außerdem soll durch die Richtlinie der für diese erweiterte Bankaufsicht erforderliche Informationsaustausch im Kreise der Mitgliedstaaten sichergestellt werden. Die Konsolidierungsrichtlinie läßt den einzelnen Mitgliedstaaten weitgehende Freiheit über die Ausgestaltung der Konsolidierung im einzelnen. Sollte die KWG-Novelle vor der Verabschiedung der Konsolidierungsrichtlinie in Kraft treten, ist wegen der weiten Fassung dieser Richtlinie nicht mit der Notwendigkeit einer weiteren Änderung des Gesetzes zu rechnen. Im Rahmen des dem Deutschen Bundestag vorliegenden Bilanzrichtlinie-Gesetzes ist eine technische Anpassung einiger KWG-Vorschriften vorgesehen. Andere Initiativen der Kommission zur Harmonisierung des Bankrechts befinden sich in einem so frühen Stadium, daß eine Umsetzung in deutsches Recht noch nicht absehbar ist. Bei den Verhandlungen in Brüssel wird die Bundesregierung darauf achten, daß es nicht zu Änderungen des KWG kommt, die dem Gesetzeszweck abträglich sind. Anlage 9 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grobecker auf die Frage des Abgeordneten Lowack (CDU/CSU) (Drucksache 9/1948 Frage 58): Ist der Bundesregierung bekannt, daß nach Mitteilung von Zivildienstleistenden beim Einführungslehrgang in CastropRauxel rein marxistische Indoktrinierung „unverhüllt und intensiv" betrieben wird, und was gedenkt die Bundesregierung zu tun, damit das Bundesamt für Zivildienst seiner Aufsichtspflicht im notwendigen Umfang nachkommt? Der Bundesregierung sind keine Äußerungen von Zivildienstleistenden bekannt, nach denen in den Einführungslehrgängen am Zivildienstzentrum Soziale Dienste Ruhrgebiet in Castrop-Rauxel „unverhüllt und intensiv marxistisch indoktriniert" worden sein soll. Auch für das Bundesamt für den Zivildienst, dem die hauptamtlichen Dozenten des Zivildienstzentrums als Mitarbeiter angehören, ergibt sich bisher kein Anhaltspunkt, der einen solchen 6836* Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 111. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 9. September 1982 Vorwurf rechtfertigen und Zweifel an der Verfassungstreue dieser Mitarbeiter begründen würde. Die Bundesregierung legt Wert darauf, daß den Vorwürfen nachgegangen wird. Sie bittet deshalb um Bekanntgabe der Ihnen offenbar zugänglichen Einzelheiten. Vom Ergebnis der dann anzustellenden Untersuchungen werden Sie selbstverständlich unterrichtet werden. Anlage 10 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grobecker auf die Frage des Abgeordneten Schartz (Trier) (CDU/CSU) (Drucksache 9/1948 Fragen 59 und 60): Hat die Bundesregierung, dem Beschluß des Deutschen Bundestages folgend, beantragt, die EG-Verordnung Nr. 337/79 dahin gehend zu ändern, daß für die Weinbaugebiete Mosel-Saar-Ruwer, Ahr und Mittelrhein eine Anreicherung um 4,5 Volumenprozent ständig zugelassen wird? Bis wann ist mit einer entsprechenden Änderung der EG- Verordnung Nr. 337/79 zu rechnen? Zu Frage 59: Nachdem nunmehr die Sommerpause der Europäischen Gemeinschaften beendet ist, wird die Bundesregierung unverzüglich wegen der Änderung des Artikels 32 Abs. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 337/79 entsprechend der Ausnahmeregelung des § 6 Abs. 2 Satz 3 des Weingesetzes Verhandlungen mit der Kommission der Europäischen Gemeinschaften aufnehmen, die das alleinige Initiativrecht für Verordnungen hat. Zu Frage 60: Vorhersagen über den Erfolg und den zeitlichen Ablauf können nicht gemacht werden. Die Bundesregierung wird Sie über das Ergebnis der Verhandlungen zu gegebener Zeit unterrichten.
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    Wenngleich die Unruhe verständlich ist, danke ich Ihnen, Herr Präsident.
    Erlauben Sie mir, zuerst etwas zu diesem letzten Aspekt, zu dem Kernstück des heutigen Themas, zu sagen und später auf Berlin zurückzukommen. Ich tue es zunächst mit einem etwas größeren Abstand von unserer Tagesperspektive, als dies im allgemeinen und als es bisher auch in dieser Debatte geschehen ist.
    Die Lage der Nation — das ist primär die Frage nach dem Bewußtsein und den Zielen der Deutschen selbst, der Deutschen in Ost und West. Aber es ist auch die Frage nach dem Einfluß und den Zielen der Außenwelt auf uns Deutsche, die wir in der Mitte Europas leben. Zu keiner Zeit konnte sich das Bewußtsein der Deutschen von ihrer Identität und ihrer natürlichen Entwicklung so vollziehen wie bei der Mehrzahl der anderen europäischen Völker. Denn mehr als die anderen sind und bleiben wir von nahen und fernen Nachbarn und Mächten umgeben. Sie alle haben ein vitales Interesse daran, welche politische Gestalt die Mitte Europas annimmt. Kenntnis und Verständnis der Geschichte sind deshalb für uns eine reale politische Lebensnotwendigkeit. Denn sie lehren uns: Es ist unsere geographische Lage der kontinentalen Mitte, die unsere Entwicklung stets entscheidend geprägt hat und sie weiter bestimmen wird. Die Frage nach der deutschen Identität und nach der deutschen Nation hat uns auf dieser Welt noch nie allein gehört.
    Der Einfluß der Mächte von außen hat allzuoft und allzulange Ohnmacht in der Mitte, Ohnmacht bei den Deutschen erzeugt. Zwei Anläufe hat das 20. Jahrhundert gebracht, zwei Anläufe der Deutschen, um aus diesem Einfluß der Mächte auf die Mitte des Kontinents auszubrechen: Das Kaiserreich strebte an seinem Ende nach Vormacht, und Hitler suchte eine Weltmachtrolle für die Deutschen.



    Regierender Bürgermeister Dr. von Weizsäcker (Berlin) Als Ergebnis stand am Ende der beiden Weltkriege die Teilung. Die Mächte, die heute auf Europas Mitte einwirken, sind nicht mehr das europäische Konzert des 19. Jahrhunderts, vielmehr sind es die beiden führenden Weltmächte mit ihren Systemen und Bündnissen. Sie sind es, die den maßgeblichen Einfluß gewonnen haben.
    Begonnen hat es als eine gemeinsame Kontrollfunktion verbündeter Sieger über die zukünftige Gestalt Deutschlands und Zentraleuropas. Die Frage einer permanenten Teilung Deutschlands war unter den Siegern offen. Dann aber hat sich der Charakter der Dauerabgrenzung zwischen den beiden Machtbereichen mitten in Deutschland eingestellt. Er schwankt zwischen Konfrontation und Kooperation. Er läßt bis heute nicht erkennen, wie die Folgen dieser Abgrenzung, nämlich die Teilung Europas, Deutschlands und der Stadt Berlin, je überwunden werden sollen.
    Aber das alles hat an der Lage von uns Deutschen in der Mitte Europas gar nichts geändert. Die beiden bisherigen Lehren unseres Jahrhunderts, also das Scheitern der Ausbruchversuche aus dem Einfluß der Mächte und als Ergebnis die Teilung, widersprechen der geopolitischen Natur der Dinge. Denn die Mitte ist keine Grenze; auf die Dauer eignet sie sich dafür nicht.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Unsere Phantasie reicht zwar nicht aus, uns die Machtkonstellation auszumalen, die eine neue europäische Architektur ohne alte, überlebte Staatengebilde hervorbringt und die die Grenze überwindet, die durch die Mitte verläuft. Die Teilung ist also, geschichtlich gesehen, mehr als eine Momentaufnahme. Aber wer sie zum Dauerzustand erklärt, hat die geschichtliche Wahrheit wahrscheinlich nicht auf seiner Seite. Die Mitte des Kontinents taugt auf die Dauer für ein Großreich ebenso wenig wie für eine Grenze. Der Einfluß von außen und die Ziele, die von außen bei uns verfolgt werden, führen ebenso wie unsere eigenen Vorstellungen zu immer neuen Entwicklungen.
    Das Wahrscheinliche für die Mitte ist der Wandel, ist die Veränderung. Die bisherigen Antworten, die uns das 20. Jahrhundert auf die Gestalt Zentraleuropas gegeben hat, sind nicht die endgültigen und nicht die letzten. Historisch gesehen, werden sie nicht von Bestand sein.
    Als ich auf dem Wege hierher jemanden traf und ihm sagte, wir würden hier im Deutschen Bundestag über die Lage der deutschen Nation diskutieren, da lautete seine Antwort: Eure Sorgen möchte ich haben! Die meisten Deutschen — und da machen die Politiker keine Ausnahme — sind mit drängenden Tagesfragen beschäftigt, mit wenig Bezügen zu diesen Grundgedanken nach den langfristigen Entwicklungen der deutschen Nation: am wenigsten in Westdeutschland, stärker in Berlin, auf eigene Weise am stärksten in der DDR. Unsere Sorgen sind geprägt von Arbeitslosigkeit und sozialer Sicherung. Wir denken an Koalitionen und Bündnispolitik. Wir denken an den Wettbewerb der Systeme zwischen
    Ost und West. Vor allem denken wir auch an Fragen des Friedens.
    Unsere Aufgabe heute aber ist es zu prüfen, wie wir mit unseren vordringlichen Tagesthemen bewußt oder unbewußt auf die langfristige historische Entwicklung einwirken. Denn ich meine, wir haben allen Grund, nicht die Augen so lange zuzuhalten, bis wir plötzlich aufwachen und erstaunt feststellen, in welche Richtung inzwischen die offene deutsche Frage abgewandert ist, ohne daß wir es gemerkt haben und ohne daß wir wissen, durch wen.
    Blicken wir zunächst in die DDR!
    Für sie hatten die 70er Jahre ambivalente Folgen. Einerseits war es für die DDR-Führung natürlich positiv, das Ziel erreicht zu haben, um das es ihr vor allem ging, nämlich die internationale Anerkennung, die Mitgliedschaft in den Vereinten Nationen, die Präsenz der Botschafter vor allem aus dem Westen. Auf der anderen Seite ist das für die DDR nicht alles leicht zu verkraften. Es gibt zwei deutsche Staaten, aber zwei Staaten deutscher Nationalität. Es sind keine fremdnationalen Staaten. Sie haben besondere Beziehungen, auch wenn dies im Einzelfall strittig ist. Die gemeinsame nationale Frage der beiden ist in den Verträgen nicht gelöst. Aber sie ist angesprochen. Die vielen West-Ost-Besucher und die Berichterstattung von Westkorrespondenten aus der und in der DDR tun ihre Wirkung. Besondere Beziehungen zum westdeutschen Staat widersprechen einerseits der offiziellen Doktrin; andererseits bringen sie nicht nur wirtschaftliche, sondern auch politisch bedeutsame Ansatzpunkte. Sie nützen gelegentlich, um nicht in alles und jedes uniform einbezogen zu werden, was der Warschauer Pakt so mit sich bringt.
    Hauptaufgabe der SED ist es, ihre Stabilität im Rahmen des umfassenden Machtanspruchs der Parteiführung zu sichern. Dazu gehört aus ihrer Sicht, die Anziehungskraft des anderen deutschen Staates einzuschränken, aber mit der eigenen Bevölkerung ein Mindestmaß an Übereinstimmung zu finden. Dieser Bevölkerung sollen Felder für die Identifizierung mit der DDR als dem eigenen Staat geboten werden.
    Für das letzte gibt es vor allem drei Ansatzpunkte. Einer davon ist die wirtschaftliche Tüchtigkeit der DDR im Vergleich zu den eigenen Bundesgenossen. Dies hat der SED Fortschritte, aber auch Schwierigkeiten gebracht. Denn gerade der wirtschaftliche Vergleich läßt sich nicht auf die Richtung nach Osten beschränken. Wer den Lebensstandard betont, löst neue Begehrlichkeiten in westlicher Richtung, d. h. in Richtung auf den anderen deutschen Staat, aus. Man denke nur an die Probleme der SED mit den Westgeldkonten.
    Ein zweites Feld sind die Beziehungen zu den Kirchen, vor allem zur evangelischen Kirche. Sie sind die einzigen großen gesellschaftlichen Organisationen in der DDR mit eigener landesweiter Infrastruktur, ohne kommunistisch zu sein.
    Dies ist ein wichtiges und empfindliches Gebiet. Da gibt es Öffnungen und Rückschläge, Zusammenarbeit und Mißtrauen. Ständiger Konfliktherd zwi-



    Regierender Bürgermeister Dr. von Weizsäcker (Berlin) schen Kirche und staatlicher Führung ist die Erziehung. Wie kann man denn gleichzeitig zum Frieden erziehen — was dem Auftrag der Kirche entspricht — und Feindbilder vorbereiten, wie es die Parteiideologie verlangt?
    Allzu groß ist der Widerspruch, einerseits westliche Gruppen des „Frieden schaffen ohne Waffen" zu unterstützen, gleichzeitig zu Hause zu sagen, der Friede müsse bewaffnet sein. „Schwerter zu Pflugscharen", das ist zum Symbol eines Konflikts geworden, dessen Entwicklung wir ernst nehmen müssen, wenngleich wir wissen, daß niemand versuchen sollte, ihn von hier aus zu mißbrauchen. Wir haben und wir suchen keinen Einfluß auf ihn. Die Aufgaben der Kirchen in der DDR könnten von unseren Ratschlägen mehr Schaden nehmen als Nutzen ziehen.
    Ein dritter, besonders interessanter Punkt ist die Öffnung in Richtung auf Geist, Kultur und Geschichte. Noch Anfang der 70er Jahre hatte die SED die DDR als die sozialistische Nation deklariert und eine gemeinsame deutsche Nationalität geleugnet. Zur Abgrenzung gegen uns und zur Verankerung der Deutschen in der DDR hatte dies aber nicht die beabsichtigte Wirkung. Bereits 1974 sprach die SED- Führung daher von einem Doppelbegriff, nämlich Staatsbürgerschaft der DDR und deutsche Nationalität. Die Versuche, das Wort „deutsch" aus Überschriften und Texten auszusondern, traten wieder in den Hintergrund. Statt dessen wurden Geist, Kultur und Geschichte zu einem neuen Feld für die Legitimierung der DDR und die Identifizierung der eigenen Bevölkerung.
    Bemerkenswert sind die jüngsten Anstrengungen der DDR, die Auseinandersetzung mit der deutschen Geschichte zu fördern. Aus der zunächst recht platten ideologischen Klasseninterpretation der Geschichte ist inzwischen etwas mehr geworden. Neben Thomas Münzer und Karl Marx sind Martin Luther, Friedrich der Große, von Honecker selbst so bezeichnet, und nicht nur die preußischen Reformer, sondern auch die Königin Luise getreten. Die Geschichtsschreibung der DDR beschränkt sich nicht mehr auf die Geschichte der DDR und auf die von ihr als progressiv diagnostizierten Vorgänge in der Vergangenheit, vielmehr schließt sie, wie ein führender DDR-Historiker es formuliert, die ganze deutsche Geschichte seit der Entstehung des deutschen Volkes als ethnischer Einheit mit ein.
    Der SED dient die Debatte um die deutsche Geschichte als Fortsetzung der geistigen Auseinandersetzung um die Frage nach der deutschen Nation. Es findet eine Aneignung der deutschen Nationalgeschichte statt, ein Anspruch auf die ganze deutsche Geschichte, beinahe ein Alleinvertretungsanspruch. Dahinter steht das Bewußtsein, daß es sich um Politik handelt, wenn es um die Geschichte geht. Wer die Geschichte hat, hat möglicherweise auch die Zukunft.
    Bei uns gibt es Leute, die darauf einfach nur mit Erschrecken reagieren. Warum eigentlich? Gewiß, die Geschichte wird drüben als ein unverzichtbares Reservoir für die Legitimierung der DDR benutzt und der eigenen Bevölkerung zur Verankerung ihres Bewußtseins in der DDR angeboten. Aber ich meine, es wäre kurzsichtig, zu glauben, dies alles diene nur der Abgrenzung gegen uns und dies alles werde in diesem Sinne auch erfolgreich sein.
    Was zunächst die Abgrenzung betrifft: Hierzu muß man die Entwicklung im Warschauer Pakt im Ganzen im Auge haben. Auch dort, nicht nur in der Atlantischen Gemeinschaft, gibt es Schwierigkeiten. Die dortige Führungsmacht hat ihre blockinternen Grundsätze, auf deren Einhaltung sie bedacht ist. Aber auch sie kommt nicht darum herum, zuzulassen, daß sich alle Volksdemokratien im Rahmen des Möglichen um nationale Identität bemühen. Das ist noch keine echte Pluralisierung. Auch verläuft die Entwicklung mit höchst wechselndem Erfolg. Aber sie ist ein wichtiger, für uns relevanter Faktor.
    Bekannt sind die Schwierigkeiten der SED im Vergleich zu den Schwesterparteien. Sie hat für die DDR die nationale Alternative, nämlich uns, die Bundesrepublik Deutschland, ständig vor Augen. Dennoch sind nicht nur wir die Gemeinten, wenn nationale Identität ein Gegenstand der Anstrengung in der DDR wird. Auch innerhalb des Paktes will man als DDR gegenüber den Partnern unterscheidungsfähig sein. Sodann: Wer sich wirklich ernsthaft auf die Geschichte einläßt, den führt sie, ob er es will oder nicht, Schritt für Schritt von der Oberfläche zu den tieferen Wurzeln. Je mehr die geistige, die kulturelle und die historische Beschäftigung sozusagen amtlich freigegeben und mit Material angereichert wird, desto mehr entfaltet sie ihr Eigenleben.
    Im Zuge der Vorbereitung auf das Luther-Jahr 1983 häufen sich jetzt die Tagungen und Publikationen. In diesen Tagen ist gerade eine Biographie für junge Leute in der DDR über Martin Luther erschienen. Der Titel lautet: „Martin Luther — Reformator und Rebell — Seine Leistung als führender Ideologe der frühbürgerlichen Revolution". — Luther hält nun einmal Überraschungen für jeden bereit, der sich mit ihm befaßt. Die SED-Interpretation, insbesondere von Luthers sprachlichem, kulturellem und sozialem Einfluß, wird manchen Widerspruch auslösen; langweilig ist sie jedoch nicht. Luther hat im übrigen nicht nur Spaltungen nach sich gezogen. Vielmehr hat er im Zeichen der Sprache auch zusammengeführt, und das wird hier nicht verborgen bleiben.
    Im übrigen: Welchen Grund haben wir im Westen, die Beschäftigung mit Tradition und Geschichte, wie sie drüben stattfindet, geringzuachten? Gerade weil Themen und Materialien dieser Art drüben bis vor kurzem der öffentlichen Erörterung unzugänglich waren, kann man heute, da die Tabuisierung zurückgeht, nun eine sehr intensive Beschäftigung der Menschen mit diesen Fragen feststellen, ja eine stärkere und intensivere Beschäftigung als bei vielen Menschen in unserem Teil Deutschlands. Also: Nicht erschrecken, sondern lernen und sich stellen, die Herausforderung annehmen!

    (Beifall bei allen Fraktionen)

    Bei aller Zurückhaltung, die wir wahren müssen, wenn wir ein Urteil über das fällen wollen, was die Menschen in der DDR in ihrem Inneren bewegt — Zurückhaltung, weil die Information nicht flächen-



    Regierender Bürgermeister Dr. von Weizsäcker (Berlin) deckend ist und weil es natürlich unterschiedliche Meinungen drüben gibt —, darf man sagen: Die Menschen drüben haben manchmal eine klarere Vorstellung von ihrer Identität als manch einer bei uns. Sie fühlen sich — zumal die Mehrheit, die nie etwas anderes erlebt hat — als DDR-Bürger. Sie fühlen sich aber als DDR-Bürger und als Deutsche. Daß sie Deutsche sind, empfinden sie als etwas ganz Natürliches. Dies geht über ihre Staatsbürgerschaft hinaus, auch wenn sie diese mehr rechtliche Charakterisierung ihrer Existenz nicht diskreditiert sehen wollen. In ihrem Verhältnis zu uns gehen sie natürlich davon aus, daß wir wie sie Deutsche sind. Das heißt vor allem: Wenn jemand bei uns meint, wir seien die Deutschen, im Gegensatz zu ihnen, dann allerdings tritt er ihnen zu nahe. „Deutschland gegen DDR", wie es zuweilen im Sport und anderwärts hieß, das ist ein wahres Unding.

    (Beifall bei allen Fraktionen)

    Belehrung brauchen sie von unserer Seite wahrlich nicht. Wo sie erfolgt, wirkt sie oft umgekehrt als beabsichtigt. Die DDR-Bürger sind aber natürlich lebhaft an uns interessiert.
    Wie bekannt, ist der Einfluß der Medien drüben stark. Man kann sogar hören, das Bild über uns sei dort positiver, wo unser Fernsehen nicht hinreicht. Die Frage, ob dies mehr an uns oder mehr an unserem Fernsehen liegt, lasse ich offen.

    (Heiterkeit und Zustimmung bei der CDU/ CSU)

    Unsere Schwierigkeiten, wie man sie drüben sieht, unser materieller Egoismus, unser Leben in der Gegenwart auf Kosten der Zukunft — das alles wird drüben kritisch registriert. Das heißt aber nicht, daß die Distanz zu uns wächst. Vielmehr wünscht man sich uns, wie Reinhard Henkys das ausdrückt, als eine Bereicherung des eigenen Deutschseins. Man möchte, daß wir gut sind und kräftig und Ansehen haben.
    Eines jedenfalls läßt sich kaum übersehen: Wir sind im Leben der Menschen in der DDR mehr gegenwärtig als umgekehrt. An einem Tag wie heute darf nicht verschwiegen werden, daß es zu den Problemen der innerdeutschen Beziehungen im menschlichen wie auch im politischen Sinne gehört: Es können zwar mehr Menschen von West nach Ost Besuchsreisen machen als umgekehrt, aber die Aufmerksamkeit, die geistige Auseinandersetzung und die Erwartung in Richtung auf den anderen Teil sind zumeist stärker von Ost nach West. Wir haben allen Grund, daraus zu lernen und gleichzuziehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU, der FDP und Abgeordneten der SPD)

    Was die innerdeutschen Beziehungen im engeren politischen Sinn betrifft, so ist die derzeitige Lage belastet. Zwar gibt es Verhandlungsgegenstände — die Bundesregierung hat sie in ihrem Lagebericht genannt; die Themen sind wichtig, uns in Berlin liegt an ihnen; ich nenne nur Gewässerschutz, Erdgas, S-Bahn und andere mehr —, aber es fehlt zur Zeit eine langfristige Perspektive für die Gespräche. Es ist auch nicht vorstellbar, wie wir sie erreichen, wenn nicht eingehalten wird, was verabredet war.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die Erhöhung und Erweiterung des Mindestumtausches im Reise- und Besuchsverkehr ist abredewidrig. Sie bedarf der Rücknahme,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    wenn es für die Menschen glaubwürdig sein soll, daß auch der DDR an Entspannung gelegen ist. Auch gemeinsame friedenspolitische Aktionen, wie die DDR sie immer wieder fordert, bedürfen zunächst ihrer Fundierung im Respekt vor den Menschenrechten; denn diese sind Bestandteil des Friedens.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    In dieser Lage gilt es, die Dinge zwischen den beiden deutschen Staaten beim Namen zu nennen. Es geht nicht darum, wie ich meine, Hin- und Herreisen zu unterlassen oder Reisen von Politikern zu unterbinden; gegenseitiger Sprechboykott nützt niemandem. Wichtig vielmehr ist, sich zu treffen und dann aber auch ernsthaft und verantwortlich miteinander zu reden. Dabei haben wir einerseits unsere Grundüberzeugungen nicht aus Gründen atmosphärischer Rücksicht zu verschweigen. Auch ist es, was die wechselseitigen Verhandlungen betrifft, nicht gut, den Mund zunächst recht voll zu nehmen, ohne im entscheidenden Moment dazu zu stehen. Jeder, der die Verhandlungen dieses Jahres erlebt hat, weiß, wovon die Rede ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Kittelmann [CDU/CSU]: Swing!)

    Auf der anderen Seite aber gilt es, ernsthaft aufeinander zu hören. Jede der beiden Seiten hat nicht nur ihre Ziele, sondern auch ihre Schwierigkeiten. Das letzte Jahrzehnt ist an beiden Seiten nicht spurlos vorübergegangen.
    Es gibt auch im Charakter unserer amtlichen Beziehungen untereinander Veränderungen. Die Beziehungen unter uns sind anders als die, die jeder von uns mit Dritten hat. Es gibt Momente, in denen sich zeigt, daß dies im beiderseitigen Interesse liegt. Jeder hat es in seinem täglichen Lebensbereich und in seinem nachbarlichen Umkreis mit Problemen zu tun, die diesen Schluß rechtfertigen. Deshalb geht es darum, den Kontakt nicht abreißen zu lassen, klar zu sprechen und behutsam zu sein.
    In unserem Teil Deutschlands stehen — ich sagte es schon — neben Arbeitslosigkeit und Haushaltssorgen Fragen der Allianz und der Sicherheitspolitik im Vordergrund. Täglich berichten die Zeitungen von den Schwierigkeiten im Bündnis. Die Vereinigten Staaten denken immer stärker an die globalen Sicherheitsinteressen. Briten diskutieren über Schwächen in ihrer Navy, und schon schreibt die „Times": Zuviel Truppen am Rhein.
    Die Meinungsverschiedenheiten des Bündnisses über die Ostpolitik sind damit eng verbunden. Dabei geraten strittige Positionen oft in unhaltbare Extreme. Niemand wird die Sowjetunion mit einem Embargo in die Knie zwingen. Richard Nixon bekennt sich, wie ich glaube, ganz mit Recht zu der Überzeu-



    Regierender Bürgermeister Dr. von Weizsäcker (Berlin) gung, daß ökonomischer Druck von außen für sich allein die Repression im Innern eher wachsen läßt, als sie zu verkleinern.

    (Löffler [SPD]: Sehr richtig!)

    Eine Diktatur, so meint Nixon, wird durch äußere Konfrontation eher gestärkt als geschwächt. Umgekehrt aber wird Zusammenarbeit auf der ganzen Linie auch das Sowjet-System nicht in seinen Grundzügen ändern. Aber es ist und bleibt eine Illusion, zu glauben, wir könnten auf dem Gebiet der Sicherheit, d. h. in Richtung Rüstungskontrolle, Rüstungsbegrenzung und Abrüstung, Verhandlungserfolge mit der Sowjetunion erzielen, wenn alle anderen Gebiete, an denen sie vital interessiert ist, aus den Beziehungen eliminiert bleiben.

    (Sehr gut! bei der SPD)

    Maßgeblich für unsere Ostpolitik muß die untrennbare Doppelorientierung nach dem HarmelPlan bleiben, d. h. die konzeptionelle Verbindung von Verteidigungsbereitschaft und Entspannung. Wir werden nicht müde werden, das aus Berlin immer wieder zu betonen. Der sowjetischen Vorstellung von der friedlichen Koexistenz als der wirksamsten Form des internationalen Klassenkampfes gilt es unser Harmel-Konzept entgegenzustellen. Danach bedeutet Entspannung nicht automatisch mehr Friede oder gar Bequemlichkeit für uns im Westen, sondern die friedliche Auseinandersetzung zwischen den Systemen, und zwar im Sinne eines Wandels, wie wir ihn anstreben.
    Aber auch wir Deutsche haben die Diskussionsgrundlage im Bündnis nicht immer geradezu erleichtert. Allzu viele bei uns haben sich dem Versuch verschrieben, den konzeptionellen Zusammenhang von Verteidigungsbereitschaft und Entspannung aufzulösen. Allzu viele meinen, wir müßten das heutige Verteidigungskonzept des Bündnisses, vor allem das der Amerikaner, in Zweifel ziehen, und folglich müßten wir mit der Entspannung allein in die Zukunft marschieren.

    (Kittelmann [CDU/CSU]: Träumer!)

    Wie sollen die Amerikaner das anders verstehen als
    so, daß der eine die Kohlen aus dem Keller holt, damit sich der andere am Ofen daran wärmen kann?

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Marx [CDU/CSU]: Siehe Gaus!)

    Wir alle nehmen ernst, was innerhalb und außerhalb von Friedensbewegungen und Kirchentagen an Sorgen zur Sicherheit im atomarischen Zeitalter zum Ausdruck kommt. Die gegenseitige Abschrekkung sichert den Frieden, indem sie die Vernichtung dessen anzudrohen vermag, was sie schützen soll, nämlich Leben überhaupt. Wirksam ist die Abschreckung nur, wenn sie fähig ist, diese Drohung wahr zu machen. Aber ausführen kann sie die Drohung nur um den Preis der Selbstvernichtung.
    Wir alle wissen ganz gut: Wirklich verarbeitet und akzeptiert haben die meisten Menschen dieses paradoxe Denksystem als solches nicht. Aber sie haben sich an die Erfahrung gewöhnt, daß die gegenseitige Abschreckung bisher tatsächlich funktioniert. Es ist sehr leicht, die Paradoxie zu verdammen. Ungleich schwerer ist es, ein anderes wirkungsvolles Mittel zur Sicherung des Friedens zu schaffen, es sei denn einen Frieden der gesicherten Unterwerfung.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich will diese Thematik hier nicht weiter vertiefen. Aber wir müssen sie auch in Beziehung zur Lage der Nation sehen; denn darüber gibt es keinen Zweifel: Die Friedensdiskussion hat neue Bewegung auch in die offene deutsche Frage gebracht.
    Es ist ja erstaunlich, wie schnell die Argumentationen manchmal wechseln. Da hieß vor kurzem: Frieden ist die Priorität Nr. 1. Ihre Bedingung ist die Verteidigungsbereitschaft. Diese erfordert das Gleichgewicht. Das Gleichgewicht hält die Teilung aufrecht. Also ist Teilung Bedingung des Friedens.
    Heute hört man: Die Teilung ist Folge des Gleichgewichts, welches zu immer neuen Rüstungsspiralen führt. Diese gefährden den Frieden. Wem es um den Frieden geht, der muß sich gegen sie und folglich am Ende auch gegen die Teilung wenden.
    „Die deutsche Einheit kommt bestimmt" — so heißt das Buch von Wolfgang Venohr mit einer Reihe von Beiträgen von Autoren von rechts bis links. Sie alle stellen aus sicherheitspolitischen Gründen die deutsche Frage neu. Wo ist denn — so fragen sie — die Gleichgewichts- und Friedensfunktion der deutschen Spaltung?

    (Sehr gut! bei der CDU/CSU)

    Die Grün-Alternativen, bisher auf Fragen der Ökologie, des staatlichen Gewaltmonopols und anderer innerer Themen konzentriert, beginnen, sich unter dem Aspekt des Friedens erstmals der deutschen Frage systematischer anzunehmen. Sie bekennen sich dazu, daß Frieden in Europa mit den deutschen Zuständen — und damit ist die Teilung unter Einfluß der Mächte gemeint — unvereinbar sei. Sie bekennen sich zur grundsätzlichen Bedeutung der deutschen Frage.
    Der Begründungszwang in der Sicherheitspolitik hat zugenommen. Das ist heilsam. Es ist ihr nicht gut bekommen, daß sie allzulange Vorbehaltsgut „kosmischer" Geheimhaltung blieb. Jede Anstrengung, Sicherheit nicht auf höherem, sondern auf niedrigerem Rüstungsniveau zu suchen, ist ebenso notwendig, wie jede neue Einsicht in die deutsche Frage willkommen ist.
    Nur: Es hilft natürlich niemandem, gewachsene Verwicklungen und Schwierigkeiten mit einer illusionistischen Leugnung der Realität zu überspringen. Es ist z. B. Illusion zu glauben, einseitige Abrüstungsvorleistungen führten automatisch zu mehr Sicherheit. Auch darf die Individualethik mit der Sozialethik nicht ständig in einen Topf geworfen werden. Dem Recht des einzelnen auf Wehrdienstverweigerung aus Gewissensgründen steht die Pflicht der politischen Führung gegenüber, für den Schutz des Landes und der Freiheit seiner Bürger zu sorgen.
    Antworten auf die offene deutsche Frage werden noch lange auf sich warten lassen. Der Warschauer Pakt wird die DDR aus seinem Bündnis nicht einfach nur deshalb entlassen, weil die Alternativen bei



    Regierender Bürgermeister Dr. von Weizsäcker (Berlin) uns sich davon eine friedensverstärkende Wirkung versprechen.

    (Dr. Diederich [Berlin] [SPD]: Sehr richtig!)

    Aber die Diskussion zeigt, wie lebendig die deutsche Frage ist.
    Die deutsche Lage konzentriert sich im Brennpunkt Berlin. Berlin ist Mitte und Grenze. Mitte, das bedeutet Anziehung. Dies führt zu erwünschtem, manchmal auch zu unerwünschtem Zuzug und Einfluß. Zugleich bedeutet sie die Chance zur friedlichen Entwicklung. Grenze dagegen bedeutet — wenn sie zu ist — Ausdünnung. Abgeschlossene Grenzregionen sind immer von Auszehrung bedroht. Beides, die Gefahren und die Chancen, betrifft nicht nur die Berliner, sondern alle Deutschen. Deshalb melden wir uns aus Berlin hier zu Wort. Es geht nicht um Lokalpolitik.
    Unsere inneren Probleme sind dem Bundestag bekannt. Er hat mit ihnen zu tun. Entscheidend ist unsere soziale und wirtschaftliche Lebensfähigkeit. Die Arbeitslosigkeit stellt uns vor die größte Bewährungsprobe. Statistisch liegt sie in Berlin 1 % über dem Bundesdurchschnitt. Es gibt Bundesländer mit höheren Quoten. Aber dieses Bild ist gänzlich trügerisch; denn das Kernstück der Beschäftigung in Berlin, das verarbeitende Gewerbe — also Industrie und verarbeitendes Handwerk —, hat in den letzten elf Jahren um 35% abgenommen. Diese Zahl ist die entscheidende. Sie ist ohne Beispiel und ohne Parallele im gesamten Bundesgebiet. Nur durch eine weit überproportionale Zunahme der Beschäftigung im öffentlichen Dienst konnte ein gewisser Ausgleich erzielt werden.
    Es ist keineswegs so, daß in Berlin Betriebe quasi automatisch unrentabel werden und deshalb Stillegungen und Abwanderungen nach sich ziehen. Vielmehr sind zu viele Entscheidungszentren abgewandert.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der SPD)

    Zurück bleiben allzuoft nur die sogenannten verlängerten Werkbänke. Die Maßnahmen der fernen Hauptverwaltungen haben den Berliner Arbeitsmarkt immer wieder einseitig und nachhaltig belastet. Hier Abhilfe zu schaffen ist eine Frage der Lebensfähigkeit.
    Wir Berliner sind uns der Aufgabe voll bewußt, von uns aus alles in unseren Kräften Stehende zu tun, was wir selbst für die Lebensfähigkeit beitragen können. Dies geschieht u. a. durch unsere Initiative zur Reform der Berlin-Förderung, durch einen Sparhaushalt mit gesteigerten investiven Anteilen, nachfragewirksam am Arbeitsmarkt, durch 4 000 zusätzliche Ausbildungsplätze — eine Maßnahme ohne Parallele im Bundesgebiet —, durch Anpassung der Tarife für öffentliche Leistungen, so unpopulär dies auch ist, durch ein Strukturprogramm für kleinere und mittlere Unternehmen, durch eine arbeitsplatzwirksame Verbindung der hochleistungsfähigen Berliner Forschung mit der Wirtschaft.
    Aber Berlin bleibt auf Verständnis, Unterstützung und Zusammenarbeit dringend angewiesen. Dies gilt für die Bundesregierung ebenso wie für den Bundesgesetzgeber. Ich bin dankbar für die Bereitschaft des Bundeskanzlers zur Berliner Herbstkonferenz mit Sozialpartnern und Leitungen großer privater und öffentlicher Unternehmen.
    Unsere Anstrengungen für die Berliner Wirtschaft wären auf Sand gebaut, insbesondere unsere Anstrengungen für die kleineren und mittleren Betriebe, wenn nicht bei den großen Unternehmen, den privaten und den Bundesunternehmen, eine Wende in der Einstellung Berlin gegenüber eintritt.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

    Die AEG mit allem, was sie uns in den letzten 20 Jahren beschert hat, ist dafür ein warnendes Beispiel. Ich will auf die Einzelheiten der Auseinandersetzung über die AEG hier nicht eingehen. Wir haben gestern im Abgeordnetenhaus darüber eine vierstündige Aussprache gehabt.
    Den Bundestag bitte ich, sich bei seinen Entscheidungen über Berlin-Hilfe und Berlin-Förderung der tiefgehenden Strukturprobleme bewußt zu bleiben, die eine zur Auszehrung tendierende, eine isolierte, eine eingeschlossene Grenzlage laufend hervorbringt. Unsere Rahmenbedingungen bedürfen immer wieder der gemeinsamen Anstrengungen. Wir brauchen sie so, wie auch das leistungsfähigste Schiff die Schleuse braucht, um vorgegebene Höhenunterschiede zu überwinden. Wer glaubt, man könne Berlin allein nach kaufmännischen Gesichtspunkten rentabel machen, der hat die Lage Berlins so wenig erkannt wie seine politische Funktion für Deutschland im ganzen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Aber Berlin ist nicht nur Problem, Berlin ist auch Chance und Signal. Dies gilt für die Herausforderungen, vor denen wir im Innern der Stadt stehen. Ich kann dies nicht vertiefen, sondern nur andeuten. Es gilt etwa für die konfliktreichen und dennoch hoffnungsvollen Auseinandersetzungen zwischen alten und jungen Mitbürgern, für das langsame Zusammenwachsen mit den Ausländern, das wir unseren eigenen humanen Prinzipien absolut schuldig sind und das nur gelingen kann, wenn die Zahl der Ausländer nicht weiter wächst, sowie für neue Wege, wenn Produktivitätsfortschritt ohne Wachstum nachhaltig das Angebot an Arbeitsplätzen drosselt.
    Vor allem aber ist es die Rolle Berlins in der Deutschlandpolitik und in den Ost-West-Beziehungen. Berlin ist der Platz, der die deutsche Geschichte dieses Jahrhunderts nicht in ein Museum verbannen kann, sondern sie bis auf den heutigen Tag mitten auf seinen Straßen zeigt. Die Mauer ist ihr deutlichster Ausdruck. Aber sie ist nicht ihr Endpunkt. Die Deutschen in der DDR wissen es sehr gut, daß viel Deutschlandpolitik der Lebensfähigkeit und der Sicherheit Berlins dient.

    (Löffler [SPD]: Noch einmal! [zur CDU/ CSU] Noch einmal ganz langsam für diese Fraktion! — Gegenrufe von der CDU/ CSU)




    Regierender Bürgermeister Dr. von Weizsäcker (Berlin)

    Aber Sie wissen sehr gut, daß es nicht nur dieser dient. Mittelbar und unmittelbar kommen die Bindungen Berlins an den Bund auch den Deutschen in der DDR zugute. Sie haben ein Interesse an der Lebensfähigkeit Berlins, die Menschen in der DDR, weil sie mit ihrer eigenen zu tun hat. Die Erfahrung der Deutschen drüben ist es, daß viele Westdeutsche die DDR nicht besuchen würden, wenn es Berlin nicht gäbe. Ohne Berlin hätten die Westdeutschen nur einen Bruchteil ihrer Kenntnisse und ihres Bewußtseins vom Leben der Menschen in der DDR, von ihren Fragen und Hoffnungen. Die Existenz Berlins mindert die menschliche, die kulturelle und die wirtschaftliche Abgrenzung zwischen den beiden deutschen Teilen.
    Das ist nicht unser Verdienst in Berlin. Aber es ist unsere Aufgabe, die wir für alle Deutschen wahrnehmen. Nirgends ist der untrennbare Zusammenhang von innerer Lebensfähigkeit und äußerer Existenz so stark wie bei uns in Berlin. Wir Berliner suchen weder Krisen noch Heldenrollen. Die innere Kraft, die wir unter den erschwerten Bedingungen unserer Lage für unsere Aufgabe brauchen, gewinnen wir aus der Perspektive für die Zukunft.
    Deshalb bringen wir als Berliner zur Lage der Nation ein, was wir im geteilten Berlin empfinden und was wir im anderen Teil der Stadt und im anderen Teil Deutschlands erleben.
    Den Weg in die Zukunft kennt niemand. Um so weniger wollen wir als Berliner unsere Rolle anmaßend verstehen. Aber es ist unsere Aufgabe, Gewissen zu sein für die offene deutsche Frage, für die Zusammengehörigkeit der Deutschen; denn in der historischen Dimension wird die Teilung keinen Bestand haben. Die Menschen, die in der Mitte leben, sind zur Trennung nicht geschaffen. Ihr Wille, die Teilung Europas, Deutschlands und Berlins in Frieden und im Dienste des Friedens zu überwinden, ist stärker. Die Mitte kann auf die Dauer nicht Grenze bleiben.

    (Beifall bei allen Fraktionen — Bundeskanzler Schmidt begibt sich zur Bundesratsbank und reicht dem Regierenden Bürgermeister Dr. von Weizsäcker die Hand.)



Rede von Heinrich Windelen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Ich erteile das Wort dem Herrn Abgeordneten Dr. Zimmermann.

(Löffler [SPD]: Ein glatter Bruch: von Weizsäcker zu Zimmermann!)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Friedrich Zimmermann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine verehrten Damen und Herren! Meine Aufgabe ist es natürlich nicht, Herr Löffler, hier eine Berlin-Rede zu halten, wie sie der Regierende Bürgermeister gehalten hat,

    (Löffler [SPD]: Das war keine Berlin-Rede, Herr Zimmermann! Sie sehen, Sie haben nichts verstanden!)

    eine Rede aus der Sicht von Berlin. Meine Aufgabe
    sehe ich vielmehr darin, zu der bisherigen Debatte
    ein paar Worte zu sagen und hier den Standpunkt
    meiner Partei darzulegen. Das werden Sie mir nicht verargen.

    (Löffler [SPD]: Natürlich nicht!)

    Heute vormittag und auch heute nachmittag sind interessante Reden gehalten worden. Der FDP-Vorsitzende hat viel Beifall von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion bekommen. Er hat da Beifall bekommen, wo die Auffassungen der Union und der FDP beinahe nahtlos aufeinanderpassen. Der FDP-Vorsitzende und Außenminister weiß, daß die Nachrüstung, wenn sie notwendig werden sollte, was wir alle nicht hoffen, zu effektuieren ist, und zwar seit dem Doppelbeschluß, dem diese Bundesregierung zugestimmt hat

    (Kittelmann [CDU/CSU]: Sogar gefordert hat!)

    — dieser Bundeskanzler, dieser Außenminister haben unterschrieben, nicht die Oppositionsfraktion —, so ist das nur mit der CDU/CSU-Bundestagsfraktion und nicht mit dem heutigen Koalitionspartner zu machen. Bei diesem Koalitionspartner gibt es dafür keine Mehrheit mehr.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Das weiß Herr Schmidt ganz genau!)

    Der Bundesaußenminister und FDP-Vorsitzende hat auch Beifall von der CDU/CSU-Bundestagsfraktion bekommen, als er ein klares Ja zur Marktwirtschaft sprach und als er hier ein klares Ja zu Leistung und Leistungsbereitschaft darlegte.
    Besonders interessant war es, die Forderungen des FDP-Vorsitzenden an den Haushalt 1983 zu erfahren, die er hier — ich brauche es nicht zu wiederholen — plakativ dargestellt hat, wo ich vergeblich nach einer einzigen Gemeinsamkeit mit der SPD- Fraktion gesucht habe. Nichts von diesen Forderungen hat auf das gepaßt, was die SPD-Fraktion beim Haushalt 1983 will. Aber es wird Sache des FDP-Vorsitzenden und seiner Fraktion sein, darzutun und uns erfahren zu lassen, wie lange die Bundesrepublik mit solchen Unvereinbarkeiten noch regiert werden kann.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Kittelmann [CDU/CSU]: So ist es!)

    Deswegen, Herr Bundeskanzler, beeindrucken uns Ihre Ausrufezeichen hinter dem Art. 67 überhaupt nicht. Es ist nicht das Gebot der Stunde, den Art. 67 hier zum Gegenstand einer Abstimmung im Hause zu machen. Im übrigen gibt es da auch noch den Art. 68, nach dem der Bundeskanzler jederzeit feststellen kann, ob das Vertrauen noch vorhanden ist. Die letzte Vertrauensabstimmung, auf die sich der Bundeskanzler berufen hat, war im Februar dieses Jahres. Normalerweise würde man zum Abstand zwischen Februar und September sagen: Das ist ja noch nicht so lange her, nur sieben Monate. Doch bei dieser Bundesregierung sind sieben Monate eine ungeheuer lange Zeitspanne. Das ist der Unterschied.
    Der Herr Bundeskanzler hat dem Oppositionsführer Dr. Kohl vorgeworfen, es mangele der Union an Programmatik, wir würden nicht sagen, was wir wollten. Nun, der Bundeskanzler hat heute die läng-



    Dr. Zimmermann
    ste Regierungserklärung abgegeben, an die ich — und ich bin 25 Jahre in diesem Hause — mich erinnere. Noch keine Regierungserklärung hat über zwei Stunden gedauert; die heutige war die längste, die er jemals abgegeben hat.

    (Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: Und die beste! — Weiterer Zuruf von der SPD: Sie war aber gut!)

    Er hat in dieser Regierungserklärung nicht mit einem Wort Konzepte für die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit, für den Haushalt 1983 oder für die Ankurbelung der Wirtschaft vorgelegt. Nichts dergleichen hat er vorgelegt, nichts!

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der CDU/CSU — Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: Wo bleiben Ihre Vorschläge? — Dr. Ehmke [SPD]: Jetzt kommen Sie mal ran!)

    — Meine verehrten Herren von der SPD, wir haben Ihnen mit großer Deutlichkeit gesagt, daß wir einen Haushalt nur dann zu beraten bereit sind, wenn die Zahlen stimmen. Richten Sie erst die Zahlen, legen Sie redliche Zahlen vor, dann können Sie von uns Antworten bezüglich dieser Zahlen erwarten, vorher nicht!

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Der SPD-Vorsitzende war hübsch anzuhören und noch hübscher anzusehen; es gelang nicht einmal unseren gesammelten Zwischenrufen, ihn von der Blickrichtung auf seine eigene Fraktion auch nur für Sekunden abzulenken. Ich fragte mich eigentlich: Was sucht er denn bei der SPD-Fraktion? Rückhalt, Zustimmung, oder war das überhaupt keine Rede an den Deutschen Bundestag, nur eine Rede an die eigene Fraktion? Die hätte eigentlich auch im Fraktionssaal der SPD gehalten werden können.

    (Zurufe von der CDU/CSU: So ist es! — Er hat zu sich selbst gesprochen!)

    Der SPD-Vorsitzende Brandt hat das Wort von der „Sonthofener Strategie" gebraucht. Meine Damen und Herren, die Rede, die Strauß damals gehalten hat, war eine Vorausschau,

    (Lachen bei Abgeordneten der SPD)

    wie es unter einer SPD-Regierung gehen würde, ein großes Gemälde, in die Zukunft gerichtet; und da kann ich nur sagen,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Recht hat er!)

    Strauß hat jeden Tag mehr recht bekommen, und er hat damals wohl selber nicht geglaubt, daß er so rasch recht behalten würde.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Wehner [SPD]: Das ist Quatsch! — Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Das Gegenteil ist Quatsch! — Wehner [SPD]: Ein Quatschkopf!)

    Wie er recht behalten hat und wie er recht bekommen wird, werden — Herr Wehner, ob es Ihnen paßt oder nicht — die nächsten Zwischenergebnisse zeigen, nicht die demoskopischen, an die Sie ja nicht recht glauben wollen, was ich bei der Lage der Demoskopie auch wirklich verstehe, sondern die wirklichen Ergebnisse am Sonntag in 14 Tagen in Hessen und am Sonntag in vier Wochen in Bayern. Da können Sie dann erfahren, wie die Regierenden in der Bundesrepublik Deutschland heute in zwei großen deutschen Bundesländern beurteilt werden, ohne auf die Demoskopie abheben zu müssen.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU — Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Das gönnen wir ihm!)

    Nein, meine Damen und Herren, die Hauptursache für die krisenhafte Zuspitzung der Lage in der Bundesrepublik Deutschland ist die vernichtende Bilanz in der Wirtschafts- und Finanzpolitik. Denn eine Hiobsbotschaft folgt der anderen: immer bedrohlichere Arbeitslosigkeit, Rekordhöhen bei Unternehmenszusammenbrüchen, sinkende Realeinkommen, fast unverändert hohe Inflationsraten, fehlende Ausbildungsplätze, immer neue Rekordmarken staatlicher Schuldenpolitik. Das sind die Auswirkungen der schwersten Krise von Wirtschaft und öffentlichen Finanzen in der Geschichte dieser Republik. Ja, gibt es denn eigentlich niemandem zu denken, daß wir heute Zahlen wie am Beginn der 50er Jahre haben, als in der Bundesrepublik Deutschland mühsam, Schritt für Schritt, der Wiederaufstieg begann, daß wir in der Arbeitslosigkeit heute bei den Zahlen von vor über 30 Jahren angekommen sind? Das ist doch nicht über Nacht hereingebrochen, das ist doch kein Ereignis, das die Amerikaner oder der „böse Präsident Reagan" befohlen oder herbeigeführt oder herbeigeredet haben! Das ist doch im Sinne des Wortes hausgemacht! Der Spitzenreiter Bundesrepublik Deutschland hat sich längst von seiner Führungsrolle verabschiedet und ist ins Mittelfeld gerückt.
    Fragen Sie doch einmal, warum die Japaner heute 2,4% Arbeitslose haben und wir 7,4 %. Nicht 6 1/2, wie der Bundeskanzler sagte, sondern 7,4 % ist die richtige Zahl.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU — Dr. Waigel [CDU/CSU]: Und die größten Verluste an Arbeitsplätzen!)

    In dieser Situation ist die Regierung unseres Landes durch unüberbrückbare Gegensätze zwischen den Koalitionsparteien gelähmt, verhindert die Selbstblockade der Regierung notwendige politische Entscheidungen. Die Zahl derer schwindet, die noch glauben, daß diese Regierung mit den Problemen fertig wird.
    Meine Damen und Herren, solange diese Regierung an den Regierungssesseln klebt, muß sie sich — das ist das Schicksal einer Regierung — die Ergebnisse und die Folgen dieser Politik zuschreiben lassen, muß sie sich an den Versprechungen messen lassen, die sie gemacht, und an den Ergebnissen, die sie erzielt hat. Mißt man die Kluft zwischen den Ansprüchen, die die Bundesregierung Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre an ihre Reformpolitik stellte, und dem, was erreicht wurde, so erscheint sie, wie Renate Merklein in der „Spiegel"-Serie über die ökonomischen Verhältnisse in der Bundesrepublik richtig bemerkt, „fast tragikomisch groß", die Kluft zwischen den Erwartungen und der heutigen Realität.



    Dr. Zimmermann
    Der Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung am 24. November 1980 den Satz gesagt: „Wir sind nicht Objekt der Geschichte, wir sind handlungsfähig." In Wahrheit war seit 1949 keine Bundesregierung so in Regungslosigkeit und Handlungsunfähigkeit erstarrt wie diese. In der gleichen Regierungserklärung vom November 1980 behauptet der Bundeskanzler noch: „Unsere Wirtschaft ist gesund. Unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit ist ungebrochen." Welch unglaubliche Fehleinschätzung und welche Selbstüberschätzung sprachen aus diesem Wort!
    Das AEG-Debakel hat vor aller Augen deutlich gemacht, daß die Grundlagen des Wohlstandes brüchig geworden sind. Der Nachkriegsrekord an Konkursen und Vergleichen hat die letzten Illusionen zerstört. Es besteht kein Zweifel, daß die deutsche Wirtschaft an internationaler Wettbewerbsfähigkeit eingebüßt hat. In vielen Bereichen hat sie führende Positionen verloren. In jenen Bereichen, wo sie Positionen hat behaupten können, ist das zu Lasten des Eigenkapitals, der Rendite und oft zu Lasten der Substanz gegangen.
    Die Ursachen der Entwicklung sind bekannt: hohe Lohnkosten, hochgetriebene Lohnnebenkosten, der harte Zugriff des Fiskus durch eine hohe und vor allem ertragsunabhängige Unternehmensbesteuerung, die jahrelang verfehlte Energiepolitik, eine einseitige Forschungspolitik und nicht zuletzt die technologie- und wachstumsfeindliche Ideologie tonangebender Gruppen innerhalb der Regierungskoalition. Das alles hat dazu beigetragen, die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft zu untergraben. Die letzten Illusionen stürzen jetzt zusammen.
    Der Weg in die Krise war kein Naturereignis, er war voraussehbar.

    (Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

    Mit beinahe geschichtlicher Zwangsläufigkeit hat sich der Niedergang von soliden Staatsfinanzen und florierender Wirtschaft, von Vollbeschäftigung und Preisstabilität im Jahre 1969 über die hemmungslose Reformpolitik einer Regierung Brandt und über die folgenschwere Schuldenpolitik der Regierung Schmidt bis zum heutigen Tag, da wir vor Massenarbeitslosigkeit und zerrütteten Staatsfinanzen stehen, verfolgen lassen.
    Einsichtige haben früh vor diesem Weg gewarnt. Sie gehörten nicht nur der Opposition an. Vergeblich haben die großen Männer der SPD, die Eifinanzminister Möller und Schiller, auf die Folgen abenteuerlicher Reformpolitik der Regierung Brandt hingewiesen. Schiller hat seinen Rücktritt mit den Worten gerechtfertigt: „Ich bin nicht bereit, eine Politik zu unterstützen, die nach außen den Eindruck erweckt: Nach uns die Sintflut! Die Regierung hat die Pflicht, über den Tellerrand des Wahltermins hinauszublikken und dem Volk rechtzeitig zu sagen, was zu leisten und was zu fordern ist." Möllers und Schillers Warnungen sind in den Wind geschlagen worden. Ihnen ging es nicht anders als denen aus der Opposition, obwohl sie nicht der Opposition angehörten, sondern zwei bedeutende SPD-Finanzminister waren.
    Katastrophal waren Entwicklung und Auswirkungen dieser Politik besonders am Arbeitsmarkt. Man braucht nicht schwarzzusehen: Es gibt niemanden, der nicht in diesem Winter 2 Millionen Arbeitslose oder mehr erwartet.
    Meine Damen und Herren, es ist natürlich unübersehbar, daß das Selbstverständnis einer Partei wie der SPD, die sich seit ihrem Bestehen als Garant für Vollbeschäftigung angesehen hat, erschüttert sein muß, und zwar darüber, daß sich die von ihr maßgebend getragene Regierung als nicht fähig erwiesen hat, diese Arbeitslosigkeit zu beseitigen. Es muß auch frustrieren, daß alle Versuche, Konjunktur- und Beschäftigungsprogramme von Staats wegen zur Abhilfe einzusetzen, sich letztlich als unwirksam erwiesen haben.
    Bei der Schaffung neuer Arbeitsplätze nimmt die Bundesrepublik Deutschland im internationalen Vergleich eine Schlußposition ein.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

    In Japan, in Österreich, in Norwegen, in Schweden und in der Schweiz ist die Lage auf dem Arbeitsmarkt wesentlich günstiger — Japan hat eine Quote von 2,4 %, das sagte ich schon, gegenüber 7,4 % —, aber auch in den Ländern mit höherer Arbeitslosigkeit als bei uns — in den USA, in Frankreich, England und Italien — ist die Arbeitslosenzahl im Jahresverlauf längst nicht so dramatisch gestiegen wie bei uns. In Frankreich und in den USA stieg sie um 20 %, in England um 23 %, in Italien um 17 % und bei uns um 48,9 %, fast um 50 %.

    (Graf Huyn [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

    Der rasante Zuwachs ist es, der uns im Vergleich mit dem Ausland alarmieren muß.
    Auch ein weiteres Nachlassen des Preisanstiegs ist in dieser Regierungserklärung angekündigt worden. Doch noch nie hatten wir in einer Rezession einen so hohen Inflationssockel. Der Staat hat sich wieder als Preistreiber betätigt. Durch ständige Erhöhungen von Verbrauchsteuern sowie durch administrative Preissteigerungen wie bei der Bundespost hat er die Entwicklung angeheizt. Inzwischen wachsen die Einsichten auch im Regierungslager, so wenn SPD-Geschäftsführer Glotz im „Vorwärts" bekennt, die SPD und die Bundesregierung hätten die Krise mitverursacht, sie hätten Fehler begangen. Das ist der bisher deutlichste Vorwurf gegen die Bundesregierung und den Bundeskanzler aus den eigenen Reihen.
    Es ist das Schicksal der SPD, daß sie in diesen Jahren der Wahrheit aus dem Wege gegangen ist, bis sie jetzt darüber stolpert. Dann kommt auch dieses Eingeständnis zu spät. Eines macht das Eingeständnis des Bundesgeschäftsführers Glotz jedoch deutlich: daß der Bundeskanzler Schmidt als Krisenmanager auch nach dem Urteil aus den eigenen Reihen die Krise nicht gemeistert, sondern eher verschärft hat. Aber man kann auch nicht sagen, daß ihn seine Partei in diesen Jahren geradezu ermuntert hat, das Richtige zu tun.

    (Beifall bei der CDU/CSU)




    Dr. Zimmermann
    Nein, unter Helmut Schmidt sind von 1975 bis 1980 jährlich durchschnittlich rund 25 Milliarden DM neue Schulden aufgenommen worden. Die 37 Milliarden DM Neuverschuldung des Bundes im Jahre 1981 sind Nachkriegsrekord. Im laufenden Haushaltsjahr weisen die Planzahlen auf eine Marke von 34 Milliarden DM, und das ist nicht das Ende, da Finanzlöcher in einer Größenordnung von 10 bis 12 Milliarden DM ungedeckt sind. Das Haushaltsdefizit beläuft sich somit im laufenden Jahr auf voraussichtlich 45 Milliarden DM.
    Franz Josef Strauß hat 1974, also vor acht Jahren, beim Kanzlerwechsel eine weitere Prophezeihung aufgestellt. Er sagte damals wörtlich:
    Nach dem Kanzler,
    — er meinte Willy Brandt —
    der unser Volk mit einer abenteuerlichen Reformpolitik beglückt hat und der Inflationskanzler geworden ist, haben wir als Verwalter seines Nachlasses einen Nachfolger, der keinen anderen Ausweg mehr sieht, als Schuldenkanzler zu werden.
    Das war vor acht Jahren.
    Nein, mit dem Bundeshaushalt des kommenden Jahres geraten die Bundesfinanzen völlig aus den Fugen. Darüber muß man sich im klaren sein.
    Der Haushaltstorso besteht zum großen Teil aus höchst fragwürdigen Kompromissen. Neue Steuer- und Abgabenerhöhungen von 6 Milliarden DM jährlich, ein erneuter Griff in die Rentenkasse, wiederum 10 Milliarden DM aus der Kasse der Bundesbank und trotzdem eine höhere Neuverschuldung als geplant, sinkende Investitionsausgaben — wenn man sie um die Preissteigerungen bereinigt — und eine erschreckend angestiegene Zinslast sind die wesentlichen Elemente des Haushalts, die nicht geeignet sind, Beschäftigung zu sichern oder Wachstum zu fördern.
    Den Arbeitnehmern verbleiben von den nominalen Lohnzuwächsen, die nicht einmal als Ausgleich für die Preissteigerungen reichen, nach einer Analyse des Ifo-Instituts in diesem Jahr von 1 DM im Durchschnitt 39,6 Pf, während 60,4 Pf an Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen abzuführen sind. Seit den Bundestagswahlen vor zwei Jahren sind die Abgaben um 16 Milliarden DM, bezogen auf ein einziges Jahr, erhöht worden, und weitere 6 Milliarden DM kommen im Haushaltsjahr 1983 hinzu.
    Das zur Bilanz zum Haushalt. Ich sagte: Legen Sie bitte in der nächsten Woche aktualisierte Zahlen vor, sonst hat eine Debatte keinen Sinn.
    Die Debatte hat sich heute mit Recht der Lage im ganzen Deutschland gewidmet. Aber auch eine Bilanz des deutsch-deutschen Verhältnisses verdeutlicht eine falsche Politik. Das Treffen des Bundeskanzlers mit Honecker im Dezember 1981 zählt zu den hervorstechenden Fehlschlägen der Deutschlandpolitik. Ich verstehe eigentlich auch nicht, warum der Bundeskanzler heute an die Häftlingszeit von Honecker erinnert hat, wo gerade gestern im Innerdeutschen Ausschuß ein Hearing stattfand, bei dem DDR-Häftlinge die grausame Wahrheit sagen mußten, wie es heute in den Gefängnissen dieses Landes aussieht, dessen Chef Honecker ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der CDU/CSU: Hat der Mann nichts gelernt? — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Nach der willkürlichen Heraufsetzung des Mindestumtausches wenige Tage nach der Bundestagswahl hatte man sich von diesem Besuch ein anderes Ergebnis gewünscht. Die Bilder von Güstrow sind übrigens wohl jedem, der damals das Fernsehen gesehen hat, in einer unauslöschlichen Erinnerung, die Bilder, die den Zwangsstaat von seiner schlimmsten Seite zeigten, die zeigten, wie jeder wirkliche Kontakt mit dem deutschen Regierungschef verhindert wurde, von dem Gespräch in der Kirche abgesehen, bei dem er über einen Bischof nicht weit hinausgekommen sein wird. Er konnte jedenfalls mit der wirklichen Bevölkerung keinen Kontakt haben.
    Nein, es ist nichts geschehen, es gibt in dieser Zusammenarbeit keinen konstruktiven Geist. Der Meinungsaustausch über die Arbeitsmöglichkeiten der Journalisten hat nichts erbracht. Die dringlichen Fragen des Umweltschutzes und des Gewässerschutzes haben nicht einmal zum Austausch von Informationen geführt. Die Berufung auf alle Prinzipien und Bestimmungen der Schlußakte von Helsinki klingen wie Hohn, insbesondere wenn man das in der Zwischenzeit neu erlassene DDR-Grenzgesetz berücksichtigt.
    Dabei war der Mißerfolg dieser Reise vorhersehbar. Der Bundeskanzler hatte bei seinem Besuch die Verlängerung des zinslosen Überziehungskredits im innerdeutschen Handel bis zum 1. Juli dieses Jahres zugestanden; danach sollte der Kredit auf die vereinbarte Höhe von 200 Millionen DM zurückgeführt werden. Aber alles, was seither durch die Bundesregierung geschah, war so angelegt, daß die andere Seite wissen konnte: Die machen mit dem Swing nichts, da können wir jede Maßnahme ergreifen, da können wir jede Frechheit begehen, da können wir jede Grenzzurückweisung vornehmen, ob es sich um den Ministerpräsidenten eines Bundeslandes oder einen Fraktionsvorsitzenden handelt; die Bundesregierung wird darauf nicht reagieren. So war es.

    (Graf Huyn [CDU/CSU]: Gefangene der eigenen Ostpolitik!)

    Nein, so kann man mit dem anderen Teil Deutschlands nicht umgehen, wenn man deutsch-deutsche Politik machen will.
    Selbst der sozialdemokratische „Vorwärts" hat diese Politik der Bundesregierung kritisiert. Er schrieb hierzu am 24. Juni 1982 — ich zitiere wörtlich —:
    Die Bundesregierung hat es hier an Umsicht, auch Weitsicht fehlen lassen, hat einesteils über Monate Hoffnungen geweckt und andererseits mit Gegenmaßnahmen gedroht, die am Ende nicht eingelöst wurden. In Ost-Berlin könnten sich dadurch diejenigen bestätigt sehen, die jene Bonner Ankündigungen nicht ernst nahmen.



    Dr. Zimmermann
    So das Zitat im SPD-Hausblatt „Vorwärts". Dem ist nichts hinzuzufügen.
    Auch die Außen- und Sicherheitspolitik ist leider nach wie vor von Entspannungsillusionen und falschen Leitbildern über das Verhältnis zwischen Ost und West geprägt. In völliger Fehleinschätzung der Lage haben führende SPD-Politiker wie Brandt und Bahr, aber auch Bundeskanzler Schmidt mit dem Konzept einer Sicherheitspartnerschaft mit der Sowjetunion einen falschen Begriff gewählt und den gefährlichen Verdacht einer Schaukelpolitik heraufbeschworen.
    Mit dem Gegner eigener Politik kann ich Verträge schließen, muß es vielleicht tun, kann ich verhandeln, alles tun. Nur, eine Partnerschaft kann ich nicht eingehen. Die ist nur etwas für Freunde.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Der Münchener Parteitag der SPD hat deutlich gemacht, wo diese große Partei heute in der Sicherheitspolitik steht. Ich sagte es schon: Der Bundeskanzler geht nach meiner Auffassung, wenn ich ihn richtig verstehe, selbst davon aus, daß die Nachrüstung in der SPD, unabhängig vom Ausgang der Genfer Verhandlungen, keine Mehrheit mehr finden wird. Es werden Schuldzuweisungen zu Lasten der USA gesammelt.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: So ist es!)

    Kollege Ehmke kam nach Mitteilung des Bonner „General-Anzeiger" zum 1. September von seinen Gesprächen aus Moskau mit der Überzeugung zurück, die USA hätten sich bei den Verhandlungen im Unterschied zu den Sowjets — so stand es wörtlich dort — „überhaupt nicht bewegt". Kritik an der amerikanischen Politik, besonders der Sicherheitspolitik, ist schon längst der kleinste gemeinsame Nenner der ansonsten recht gegensätzlichen Flügel innerhalb der SPD. Das kommt in den Beschlüssen des SPD-Parteitags deutlich zum Ausdruck.
    Für uns sind die unabdingbare Voraussetzung unserer Sicherheit die Partnerschaft im Bündnis und die Freundschaft mit den USA.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die aktive Friedenssicherung des Bündnisses auf der Basis angemessener Verteidigung muß mit einer Politik substantieller Rüstungskontrolle einhergehen, wie sie im Doppelbeschluß der NATO, in den westlichen Vorschlägen für die Mittelstreckenwaffen-Verhandlungen, in dem Vorschlag zur substantiellen Reduzierung strategischer Waffen und im Truppenabbau für Europa zum Ausdruck kommt.
    Wir alle hoffen, daß die Verhandlungen der Großmächte zum Erfolg führen. Aber Voraussetzung dafür, daß dieser Doppelbeschluß im zweiten Teil nicht durchgeführt werden muß, ist doch selbstverständlich, daß die Sowjetunion überzeugt ist und bleibt, daß der Westen entschlossen ist, nachzurüsten, wenn sie ihre Vorrüstung nicht beseitigt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die diesjährige Debatte über die Lage der Nation wird auch durch die monatelangen Diffamierungen und Schuldzuweisungen gekennzeichnet, die die Koalitionspartner gegenseitig vorgenommen haben. Herbert Wehner hat im Juni die drei W-Begriffe „Wende, Wackeln, Wechsel" in die Diskussion über den Partner FDP eingeführt; der Kollege Möllemann gibt die Stimmung im Land zutreffend wieder, wenn er feststellt: „Die Volksmeinung gibt keinen Pfifferling mehr für die Koalition." Der Bundeskanzler wirft der FDP wegen ihrer Entscheidung in Hessen Wackelei vor. Für den Kollegen Brandt ist die FDP eine Umfallerpartei. Es entspricht offenbar sozialistischem Demokratieverständnis, daß sich die FDP gefälligst auf die Rolle des Mehrheitsbeschaffers für die SPD zu beschränken habe. Wenn sie sich wie in Hessen verweigert, dann ist die FDP für den Kollegen Wehner nur noch die „sogenannte Freie Demokratische Partei".

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU — Dr. Waigel [CDU/CSU]: Darin hat er Erfahrung! Er fehlt halt nie! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Kollege Josef Ertl sagte erst vorgestern, wenn das mit diesem Hickhack in Bonn so weiterginge, wäre es zum großen Schaden unseres Volkes, und dann: Je eher, desto besser!

    (Zuruf von der CDU/CSU: Ein gutes Wort!)

    Die Sachauseinandersetzung ist seit langem gegenseitigen Verdächtigungen und Beschuldigungen gewichen. Während der SPD-Vorsitzende Brandt dem Grafen Lambsdorff vorwirft, daß seine Diskussionsbeiträge dem Ansehen der Republik auch im Ausland schweren Schaden zugefügt hätten, rügt FDP-Sprecher Schmülling den Fraktionsvorsitzenden Wehner, daß er mit den von ihm angestrebten Korrekturen an den Haushaltsbeschlüssen die Handlungsfähigkeit und das Ansehen der Regierung nach innen und außen auf das schwerste beeinträchtige.

    (Schwarz [CDU/CSU]: Womit er nicht unrecht hat!)

    Der SPD-Vorsitzende Brandt, der bereits bei einem früheren Regierungswechsel die Drohung des „Holzens" ausgesprochen hatte, stellt auch diesmal sein Demokratieverständnis offen zur Schau, wenn er laut „Frankfurter Neue Presse" vom 30. August erklärt, ein „abgekartetes, rechtslastiges, windiges Bündnis" versuche, die Koalition zum Einsturz zu bringen.

    (Lachen bei der CDU/CSU — Zuruf von der CDU/CSU: Gerade der!)

    Einer der sozialdemokratischen Vordenker, Johano Strasser, bringt es auf einen Nenner. Er sagt:
    Nach dem Zweck des Regierens scheint keiner mehr zu fragen. Nur der Machterhalt ist wichtig. Ihm werden alle Prinzipien geopfert.

    (Kittelmann [CDU/CSU]: Unerhört!)

    Meine Damen und Herren, das ist der Kern des Trauerspiels. Der heutige Zustand der Bundesregierung geht auf Kosten der Substanz des Staates. Die Menschen verlieren das Vertrauen zur Seriosität



    Dr. Zimmermann
    des ganzen demokratischen Systems. Die dadurch erzeugte Verdrossenheit äußert sich in Wahlenthaltung, gerade bei der SPD, und in Protest-Stimmen für die Grünen.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    Nein, die Stimmungslage deutet auf Umbruch hin. Und eine Regierung, die ihre Handlungsfähigkeit verloren hat und die unfähig zur Lösung der drängenden politischen Probleme ist, muß zwar nach der Verfassung nicht gehen, aber sie hat das ihr übertragene Mandat verwirkt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Dem Bundeskanzler möchte ich einen letzten Satz sagen. Der Weg vom Politiker zum Staatsmann ist lang. Der Weg zurück vom Staatsmann zum bloßen Politiker des Machterhalts ist kurz. Der Bundeskanzler wäre gut beraten, auch in seinem eigenen Interesse, wenn er diesen Weg verkürzte.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Kittelmann [CDU/CSU]: Er ist dabei!)