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    Plenarprotokoll 9/108 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 108. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 24. Juni 1982 Inhalt: Absetzung eines Punktes von der Tagesordnung 6553 A Begrüßung des Präsidenten des Unterhauses der Republik Indien und einer Delegation beider Häuser des indischen Parlaments 6559 C Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung zum Weltwirtschaftsgipfel, zum Besuch des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika in der Bundesrepublik Deutschland, zum NATO-Gipfel sowie zur Europapolitik Schmidt, Bundeskanzler 6570 C Dr. Kohl CDU/CSU 6577 C Brandt SPD 6587 A Ronneburger FDP 6595 A Dr. Dregger CDU/CSU 6599 D Dr. Ehmke SPD 6603 D Genscher, Bundesminister AA 6609 C Graf Stauffenberg CDU/CSU 6615 D Bahr SPD 6620 A Schäfer (Mainz) FDP 6622 D Dr. Wörner CDU/CSU 6625 D Hansen fraktionslos 6629 C Dr. Barzel CDU/CSU 6632 B Voigt (Frankfurt) SPD 6638 A Dr. Mertes (Gerolstein) CDU/CSU . . 6640 D Dr. Haussmann FDP 6644 B Pfeffermann CDU/CSU 6646 C Esters SPD 6647 A Frau Schuchardt FDP 6647 C Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung der Wirtschaftspläne des ERP-Sondervermögens für das Jahr 1982 (ERP-Wirtschaftsplangesetz 1982) — Drucksache 9/1576 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft — Drucksachen 9/1752, 9/1773 — Dr. Warnke CDU/CSU 6648 C Dr. Mitzscherling SPD 6650 B Beckmann FDP 6652 D Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Wohnungsbindungsgesetzes und des Wohnungsbaugesetzes für das Saarland — Drucksache 9/1572 —Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau — Drucksache 9/1777 — 6655 B Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung mietrechtlicher und mietpreisrechtlicher Vorschriften im Land Berlin — Drucksache 9/1640 — II Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 108. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Juni 1982 Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau — Drucksache 9/1780 —Wartenberg (Berlin) SPD 6655 C Fragestunde — Drucksachen 9/1757 vom 18. Juni 1982 und 9/1783 vom 23. Juni 1982 — Humanitäre Hilfe im Libanon DringlAnfr 1 23.06.82 Drs 09/1783 Frau Renger SPD DringlAnfr 2 23.06.82 Drs 09/1783 Frau Renger SPD Antw StMin Dr. Corterier AA . . . 6553 B, C, D, 6554 A, B, C, D, 6555 A, B, C,D ZusFr Frau Renger SPD 6553 C, D, 6554D, 6555A ZusFr Köster CDU/CSU 6553D, 6555 C ZusFr Voigt (Frankfurt) SPD . . 6554A, 6555D ZusFr Neumann (Bramsche) SPD 6554B, 6555 B ZusFr Gansel SPD 6554 B, 6555 C ZusFr Böhm (Melsungen) CDU/CSU . . 6554C ZusFr Dr. Czaja CDU/CSU 6555A ZusFr Frau Schuchardt FDP 6555 B Aussagen von Gerichten über Tierquälerei durch Käfighaltung MdlAnfr 65 18.06.82 Drs 09/1757 Stutzer CDU/CSU Antw PStSekr Gallus BML . . 6556 A, C, D, 6557A ZusFr Stutzer CDU/CSU 6556C,D ZusFr Oostergetelo SPD 6556 D ZusFr Conradi SPD 6557 A Menschenrechtsverletzungen durch Verfolgung von Kurden und christlichen Minderheiten in der Türkei MdlAnfr 12, 13 18.06.82 Drs 09/1757 Thüsing SPD Antw StMin Dr. Corterier AA . . 6557 B, 6558D, 6559 A, B, C, D, 6560 B, C, D, 6561 A, B, C ZusFr Thüsing SPD 6558C, D, 6561 B ZusFr Dr. Pohlmeier CDU/CSU 6559 A ZusFr Waltemathe SPD 6559 A ZusFr Gansel SPD 6559 B ZusFr Neumann (Bramsche) SPD . . 6559 C ZusFr Duve SPD 6559 D ZusFr Voigt (Frankfurt) SPD 6560 A ZusFr Frau Schuchardt FDP 6560 B ZusFr Conradi SPD 6560 C ZusFr Dr. Ehmke SPD 6560 D Lage der Kurden in der Türkei; Einstellung der Wirtschafts- und Militärhilfe angesichts der Unterdrückung und Verfolgung von Minderheiten MdlAnfr 14, 15 18.06.82 Drs 09/1757 Gansel SPD Antw StMin Dr. Corterier AA . . . . 6561C, D, 6562 A, B, C, D ZusFr Gansel SPD 6561 C, D, 6562 C ZusFr Voigt (Frankfurt) SPD 6562 A ZusFr Jäger (Wangen) CDU/CSU . . . 6562 B ZusFr Thüsing SPD 6562 D Entsendung einer internationalen Kommission zur Beobachtung der politischen Massenprozesse in der Türkei MdlAnfr 16, 17 18.06.82 Drs 09/1757 Oostergetelo SPD Antw StMin Dr. Corterier AA . 6562D, 6563A,B ZusFr Oostergetelo SPD 6563 A, B, C Menschenrechtssituation in der Türkei; Vorlage des Berichts der Bundesregierung MdlAnfr 18, 19 18.06.82 Drs 09/1757 Waltemathe SPD Antw StMin Dr. Corterier AA . . . . 6563C,D, 6564 A, C, D, 6565 A, C, D, 6566 A, B, C ZusFr Waltemathe SPD . . . . 6563C,D, 6565 C ZusFr Dr. Pohlmeier CDU/CSU . . 6564A, 6565D ZusFr Jäger (Wangen) CDU/CSU . . . 6564 B ZusFr Neumann (Bramsche) SPD 6564C, 6565D ZusFr Voigt (Frankfurt) SPD 6564 C ZusFr Dr. Barzel CDU/CSU 6564 D ZusFr Haase (Fürth) SPD 6566A ZusFr Immer (Altenkirchen) SPD . . 6566A ZusFr Conradi SPD 6566 B ZusFr Dr. Stercken CDU/CSU 6566 B Hungerstreik in der Bundesrepublik Deutschland wegen Menschenrechtsverletzungen in der Türkei; Unterstützung der Forderungen der Hungerstreikenden MdlAnfr 20, 21 18.06.82 Drs 09/1757 Neumann (Bramsche) SPD Antw StMin Dr. Corterier AA 6566D, 6567 A, B, C ZusFr Neumann (Bramsche) SPD . . 6566 D ZusFr Frau Schuchardt FDP 6567 B ZusFr Thüsing SPD 6567 C Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 108. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Juni 1982 III Hungerstreiks in Westeuropa wegen Menschenrechtsverletzungen in der Türkei; Entsendung einer Delegation der UNO- Menschenrechtskommission in die Türkei MdlAnfr 22, 23 18.06.82 Drs 09/1757 Duve SPD Antw StMin Dr. Corterier AA 6567D, 6568A, B, C ZusFr Duve SPD 6567D, 6568A, C ZusFr Voigt (Frankfurt) SPD 6568 A Nutzung des NATO-Treffens am 10. Juni 1982 zur Einhaltung der Menschenrechte und Wiederherstellung der Demokratie in der Türkei MdlAnfr 24 18.06.82 Drs 09/1757 Frau Schuchardt FDP Antw StMin Dr. Corterier AA . . . . 6568 C, D, 6569 A, B, C, D, 6570A,B ZusFr Frau Schuchardt FDP . . . 6568D, 6569A ZusFr Thüsing SPD 6569 B ZusFr Dr. Pohlmeier CDU/CSU 6569 B ZusFr Schwarz CDU/CSU . . . . 6569D, 6570 A ZusFr Lattmann CDU/CSU 6570 A ZusFr Dr. Marx CDU/CSU 6570 B Nächste Sitzung 6656 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 6657*A Anlage 2 Schriftliche Erklärung des Abg. Hansen (fraktionslos) gemäß § 31 Abs. 1 GO zur Abstimmung über den Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung mietrechtlicher und mietpreisrechtlicher Vorschriften im Land Berlin 6657* A Anlage 3 Schriftliche Erklärung des Abg. Niegel (CDU/CSU) gemäß § 31 Abs. 1 GO zur Abstimmung über den Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung mietrechtlicher und mietpreisrechtlicher Vorschriften im Land Berlin 6657* C Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 108. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Juni 1982 6553 108. Sitzung Bonn, den 24. Juni 1982 Beginn: 8.01 Uhr
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    *) Anlagen 2 und 3 Berichtigung 107. Sitzung, Seite 6540 C drittletzte Zeile: Statt „Mindestalkoholbedarf" ist „Mindestalkoholgehalt" zu lesen. Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 108. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Juni 1982 6657* Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. van Aerssen * 25. 6. Bahner (Berlin) 25. 6. Frau Geiger 25. 6. Hauck 25. 6. Dr. Müller ** 25. 6. Frau Dr. Neumeister 25. 6. Dr. Riedl (München) 25. 6. Schmidt (Wattenscheid) 24. 6. Schmöle 25. 6. Schröder (Hannover) 25. 6. Schröer (Mülheim) 24. 6. Dr. Stark (Nürtingen) 25. 6. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Hansen (fraktionslos) gemäß § 31 Abs. 1 GO: Zur Abstimmung über den Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung mietrechtlicher und mietpreisrechtlicher Vorschriften im Land Berlin gebe ich — zugleich im Namen des Kollegen Coppik — folgende Erklärung ab: Anlagen zum Stenographischen Bericht Zigtausende Berliner Mieter haben in den vergangenen Monaten mit ihrer Unterschrift den Erhalt der Mietpreisbindung ohne wenn und aber gefordert. Sie haben damit in eindrucksvoller Weise ihr Recht auf eine bezahlbare und ordentlich instandgesetzte Wohnung eingefordert. Das vorliegende Gesetz wird dieser Forderung nicht gerecht. Es programmiert Mieterhöhungen, die sich im Einzelfall auf über 10 % im Jahr kummulieren können. Es verschlechtert die Rechtsposition der Mieter und verschlimmert weiter die katastrophale Wohnraumsituation in vielen Teilen Berlins. Demokratische Sozialisten lehnen das Gesetz in dieser Form ab. Anlage 3 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Niegel (CDU/CSU) gemäß § 31 Abs. 1 GO: Dem Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung mietrechtlicher und preisrechtlicher Vorschriften im Land Berlin kann ich nicht zustimmen. Bereits bei der letzten Verlängerung der Berliner Mietpreisbindung wurde vom Bundestagsausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau von allen Fraktionen, also CDU/CSU, SPD und FDP, beschlossen, daß dies die letzte Verlängerung sei und künftig das Berliner Mietrecht dem im Bundesgebiet geltenden Mietrecht angeglichen werden solle. Ich halte mich an diesen Beschluß gebunden.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Alfred Dregger


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Kollege Ehmke, haben Sie die Güte, auch die Sätze zur Kenntnis zu nehmen, die vor dem von Ihnen zitierten Satz in meinem Interview enthalten waren? Sie lauten:
    Entscheidend ist allein die Frage: Wann und wie kann man aussichtsreiche Verhandlungen mit der Sowjetunion beginnen? Es entspricht allen geschichtlichen Erfahrungen, daß Verhandlungen dann nicht aussichtsreich sind, wenn die eine Seite völlig überlegen ist und die andere Seite nicht einmal begonnen hat, diese Unterlegenheit auszugleichen. Deswegen habe ich großes Verständnis für die amerikanische Administration, die, nicht zu früh und nicht übers Knie brechend, die Verhandlungen mit der Sowjetunion beginnen möchte, sondern erst einmal im eigenen Bereich eine Ordnung herbeiführen möchte und diese Nachrüstung auf den Weg bringen müßte.
    Dann kommt das, was Sie zitiert haben, und ich stelle zu meiner großen Befriedigung fest, daß es genauso verlaufen ist, daß nämlich die Nachrüstung auf den Weg gebracht worden ist — —

    (Beifall bei der CDU/CSU)



Rede von Georg Leber
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Kollege Dregger, Sie können keine Rede mehr halten, sondern nur eine Frage stellen.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Horst Ehmke


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Kollege Dregger, es ist ja wohl kein Zweifel, daß ohne das Zureden und die Überzeugungsarbeit der europäischen Regierungen, voran der Bonner Regierung, im November 1981 nicht mit den Verhandlungen in Genf begonnen worden wäre.

    (Abg. Dr. Barzel [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

    — Nein, Herr Barzel, im Augenblick nicht. (Zurufe von der CDU/CSU)

    — Nein, nicht.
    Ich sage Ihnen, ich bin in diesen Jahren oft genug in Amerika gewesen, um beurteilen zu können, was in diesen Jahren erreicht worden ist, ausgehend von den Wahlkampfparolen, die mich zum Teil erschreckt haben.
    Ich sage Ihnen noch etwas zu dem, was der Herr Kollege Kohl gesagt hat. Uns liegt die Freundschaft mit Amerika so sehr am Herzen wie Ihnen, aber gerade darum sind wir der Meinung, daß wir unsere eigenen Ansichten und unsere eigenen Interessen offen und mit Nachdruck vertreten müssen. Freundschaft verträgt keine Anbiederung.

    (Beifall bei der SPD — Zuruf des Abg. Dr. Dregger [CDU/CSU])

    Wir sollten nicht meinen, wenn Washington irgend etwas sagt, müßten wir folgen. Wir sollten der Versuchung widerstehen, der Sie nicht widerstehen, Äußerungen aus Washington gegen die eigene Regierung zu wenden. Ich halte das nicht für gut.
    Da ich für Offenheit bin, will ich auch noch einmal sagen, wie enttäuscht meine Fraktion darüber ist, daß der amerikanische Präsident nach den Gipfeltreffen in Versailles und Bonn nun dem innerparteilichen Druck zur Boykottierung des sowjetischeuropäischen Erdgasgeschäfts nachgegeben hat.

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: So gut sind die Beziehungen!)

    Er schwächt damit wieder das durch seine Europareise zweifellos gestärkte Vertrauen in die Berechenbarkeit der amerikanischen Politik. Ich halte diesen Boykott auch sonst für lehrreich, weil er zeigt, daß eine sogenannte Politik der sogenannten Stärke, wenn man sie denn verwirklicht, in Realität dazu führt, daß nicht die Sowjetunion, sondern die Allianz geschwächt wird; denn genau dies tut dieser Boykott. Ich kann nur hoffen, daß dieser Schatten, der über den Erfolg der Reise des amerikanischen Präsidenten gefallen ist, wieder weggenommen wird. Ich kann mir nicht vorstellen, daß es ohne langwierige Irritationen abgeht, wenn es bei ihm bliebe.

    (Beifall bei der SPD)

    Fortschritte, Herr Kollege Kohl, hat es auf der NATO-Tagung wirklich gegeben, nicht nur auf dem Papier. Ich bin der Meinung, daß die Allianz durch die Beratungen hier gestärkt worden ist, und zwar in zweierlei Weise.
    Einmal hat die NATO Themen in die gemeinsame Politik einbezogen, die bisher nicht einbezogen waren. Der Bundeskanzler hat besonders die ausdrückliche Anerkennung der Allianz für die Bemühungen der Bundesrepublik zur Aufrechterhaltung der ruhigen Lage in und um Berlin und für die Verbesserung der Verhältnisse zwischen den beiden deutschen Staaten hervorgehoben. Ich nenne dann die Stellungnahme zu Fragen von Entwicklungen, die außerhalb des NATO-Gebiets stattfinden, aber die Interessen der NATO berühren. Ich nenne die Betonung der notwendigen Partnerschaft mit der Dritten Welt, verbunden mit der Einigung von Versailles über die Eröffnung der Globalverhandlungen und mit der Anerkennung der Bedeutung der Blockfreiheit für die internationale Stabilität. Ich nenne den gemeinsamen Willen zur Bekämpfung des internationalen Terrorismus und die ausdrückliche Betonung, welche Rolle wirtschaftliche und soziale Stabilität für die Sicherheit unserer Länder spielen.
    Der Erfolg des Treffens lag sodann in der Abrundung der Rüstungskontrollpolitik der Vereinigten Staaten und des Westens. Präsident Reagan hat einen Zusammenhang zwischen den demnächst beginnenden START-Verhandlungen — über interkontinentale Waffen —, den Genfer Verhandlungen über eurostrategische Waffen und den Wiener MBFR-Verhandlungen hergestellt. Darüber hinaus sind in vielfacher Form — der Bundeskanzler vor den Vereinten Nationen, NATO-Dokument, der amerikanische Präsident in seiner „Berliner Initiative" — mehrere Initiativen zur Vertrauensbildung ergriffen worden, die ja auch Gegenstand der Abrüstungskonferenz für Europa sein soll, auf die wir uns hoffentlich in Madrid einigen werden.



    Dr. Ehmke
    Für den Bereich der chemischen Waffen hat die NATO ihren Willen bekräftigt, die Verhandlungen im Genfer Abrüstungsausschuß mit dem Ziel eines vollständigen Verbots chemischer Waffen fortzusetzen. Da der sowjetische Staatschef in seinem Brief an die Sondergeneralversammlung und der sowjetische Außenminister in seiner Rede vor der UNO ebenfalls für ein vollständiges Verbot chemischer Waffen und die Vernichtung aller Vorräte eingetreten sind — die sowjetische Seite hat zu dieser Frage einen interessanten Entwurf eingebracht —, hoffe ich, daß die Verhandlungen über chemische Waffen in Genf nun neue Impulse erhalten.
    Wir sind uns dabei völlig darüber klar, daß eine der zentralen Fragen der Rüstungskontrolle, nämlich die Frage der Verifizierung, der Überwachung, bei den chemischen Waffen besonders kompliziert ist. Wir begrüßen daher, daß der Bundeskanzler in seiner Rede vor der Sondergeneralversammlung eine zweite Arbeitstagung über dieses Thema in der Bundesrepublik angekündigt hat.
    Nun muß ich in diese Freude über den Erfolg, über die gefundene größere Geschlossenheit der Allianz aber einige Wermutstropfen gießen. Wir dürfen darüber, daß Rüstungskontrollverhandlungen, Abrüstungsverhandlungen zwischen den beiden Großmächten in großer Breite wieder aufgenommen worden sind, nicht vergessen, daß wir in manchen Punkten jetzt nur wieder da sind, wo wir vor zwei Jahren schon einmal waren. Wir dürfen nicht vergessen, daß die Fortschritte, die wir auf diesem Gebiet in den letzten Jahren gemacht haben, historisch gesehen zwar nicht unbedeutend sind, gemessen an den Problemen und an den Gefahren, vor denen wir stehen, aber sicher nicht als Durchbruch bezeichnet werden können. Wir dürfen nicht vergessen, daß manche Verhandlungen — wie die Verhandlungen in Wien — nun schon seit Jahren geführt werden, ohne auch nur zu einem ersten Ergebnis zu führen, und wir dürfen nicht vergessen, daß in den Verhandlungen, die jetzt beginnen, die Ausgangspositionen der beiden Seiten weit voneinander entfernt sind. Das heißt: Trotz allem, was wir geschafft haben, ist die Gefahr, daß uns die Zeit und die technologische Entwicklung davonlaufen, nicht gebannt.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Für meine Fraktion möchte ich daher den eindrucksvollen New Yorker Appell des Bundeskanzlers an die Nuklearmächte unterstreichen, endlich ihre Verpflichtung zur nuklearen Abrüstung zu erfüllen. Diese Verpflichtung ergibt sich u. a. aus dem Nichtverbreitungsvertrag, den wir auch darum mit unterschrieben haben.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich unterstreiche auch die Bemerkung des Bundeskanzlers, daß zu dieser Verpflichtung unserer Meinung nach auch ein vollständiges Teststopp-Abkommen gehört.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Wir selbst aber müssen, nachdem die Großmächte nun endlich wieder am Verhandlungstisch sitzen, alles in unseren Kräften Stehende tun, Herr Dregger, um diese Verhandlungen nun auch zu einem für Europa zufriedenstellenden Erfolg zu führen. Wenn ich „wir" sage, meine ich die Regierung, das Parlament im Ganzen, alle Parteien, die öffentliche Meinung und nicht zuletzt die Friedensbewegung. Die Friedensbewegung kann ihre Ernsthaftigkeit dadurch unterstreichen, daß sie nun mit uns auf ein Verhandlungsergebnis drängt und nicht meint, sie brauche nur bei dem gemeinsamen Nein-Nenner zum Doppelbeschluß zu bleiben, der nicht weiterhilft. Für mich ist es eine wesentliche Frage, wie sich die Friedensbewegung zu den Verhandlungen stellen wird.
    Da die Zeit drängt, müssen wir auf zügigen Verhandlungen und baldigen Ergebnissen bestehen. Experten können über diese Fragen noch jahrelang reden, ohne zu einem Ergebnis zu kommen. Es gibt nämlich für diese Frage keine technischen, sondern nur politische Lösungen.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Für solche politischen Lösungen braucht man zwar auch Expertenwissen und auch Zeit, aber vor allem braucht man für sie auf beiden Seiten den Willen, den Irrsinn des Wettrüstens endlich zu beenden.

    (Beifall bei der SPD)

    Was die START-Verhandlungen betrifft, so hat der sowjetische Außenminister vor der UNO polemische Klage darüber geführt, daß sich die amerikanischen Vorschläge in einer einseitigen, die amerikanischen Interessen begünstigenden Weise auf landgestützte Interkontinental-Raketen konzentrieren. In der Tat liegen hier die großen Sorgen der Vereinigten Staaten. Aber niemand hindert die Sowjetunion daran, sich in ihrer Ausgangsposition auf die Probleme zu konzentrieren, durch die sie sich belastet fühlt. Nur muß man dann auf beiden Seiten von den Ausgangspositionen her aufeinander zugehen, um eine für beide Seiten akzeptable Lösung zu finden. Ich bin der Meinung, dabei sollte für beide Seiten die Erkenntnis Richtschnur sein, daß sicherheitspolitische Stabilität nicht durch weiteren Ausbau von Erstschlagskapazitäten, sondern nur durch gesicherte Zweitschlagskapazitäten zu finden sein wird.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Das ist unbestritten!)

    — Es ist in der Theorie unbestritten, Herr Kollege Mertes. Nur laufen die Rüstungen beider Seiten anders.
    Das gleiche gilt für die Verhandlungen in Genf über eurostrategische Systeme, die jetzt mit den START-Verhandlungen verzahnt werden können, dadurch aber nicht verzögert werden dürfen. Nur in diesem Gesamtzusammenhang von START und Genf kann auch entschieden werden, in welcher Weise die französischen und britischen Nuklearwaffen, über die die Vereinigten Staaten nicht verhandeln können, berücksichtigt werden. Daß sie berücksichtigt werden müssen, liegt unserer Meinung nach auf der Hand; denn, liebe Kollegen, wäre es umgekehrt, hätten nicht zwei westeuropäische, sondern zwei osteuropäische Staaten eigene Atomwaffen, dann würden wir selbstverständlich ebenfalls darauf bestehen, daß diese Waffen nicht aus der Ge-



    Dr. Ehmke
    Samtrechnung herausgelassen werden. Im Gesamtzusammenhang strategischer und eurostrategischer Waffen läßt sich auch leichter ein Gesamtgleichgewicht auf möglichst niedrigem Niveau erreichen.
    Ich glaube ferner, daß es wichtig ist, schon jetzt die spätere Einbeziehung von Systemen mittlerer, aber nicht eurostrategischer Reichweite und die Einbeziehung von Flugzeugen in die Verhandlungen zu vereinbaren. Die Sozialdemokraten haben vorgeschlagen, für die Aufstellung von Systemen mittlerer Reichweite während der Verhandlungen in Genf ein Stationierungs-Moratorium zu vereinbaren

    (Voigt [Frankfurt] [SPD]: Kürzerer Reichweite!)

    — also einer Reichweite unter 1 000 km, wie immer man sie bezeichnet, unterhalb der Reichweite der SS- 20 und dem, was sonst verhandelt wird —, weil wir fürchten, daß sonst eine Vereinbarung auf eurostrategischer Ebene auf der Ebene unterhalb dieser Reichweite unterlaufen werden könnte. Die Tatsache, daß die Sowjetunion vor der Einführung von SS- 21-, SS-22- und SS-23-Raketen in ihre Truppenverbände steht, zeigt, daß dieses Thema hochaktuell ist.
    Da der sowjetische Außenminister die sowjetische Raketenrüstung im europäischen Bereich, in dem die Sowjetunion durch diese Rüstung eine eindeutige Überlegenheit erreicht hat, in seiner Rede vor der Sondergeneralversammlung eher zu bagatellisieren versucht hat, möchte ich hier als unsere Meinung noch einmal betonen, daß wir in dieser europäischen Raketenrüstung der Sowjets eine geradezu plakative Mißachtung europäischer Sicherheitsinteressen sehen.
    Der sowjetische Staatschef hat gegenüber der Sondergeneralversammlung der Vereinten Nationen den Verzicht der Sowjetunion auf den Ersteinsatz von Nuklearwaffen erklärt. Diese Erklärung ist vom Westen angesichts der konventionellen Überlegenheit der Sowjetunion verständlicherweise recht reserviert aufgenommen worden. Aber schon die Zustimmung, die diese Erklärung in der Sondergeneralversammlung gefunden hat, scheint mir zu zeigen, daß wir es uns mit der Ablehnung nicht so leicht machen dürfen.
    Ich nehme an, daß die Sowjetunion die Feststellung des Bundeskanzlers teilt, daß die Schwelle zwischen Frieden und Krieg noch wichtiger ist als die Schwelle zwischen konventionellem und nuklearem Krieg. Die NATO hat als Verteidigungsbündnis stets feierlich erklärt, daß sie nie zuerst zu den Waffen greifen werde, sondern nur, wenn sie angegriffen wird. Da die Teilnehmerstaaten des Warschauer Pakts in einer Deklaration vom 15. Mai 1980 einen weltweiten Vertrag über die Nichtanwendung von Gewalt vorgeschlagen haben, sollten dem Abschluß eines Nichtangriffpakts zwischen NATO und Warschauer Pakt keine grundsätzlichen Hindernisse entgegenstehen. Jedenfalls bin ich der Meinung, wir sollten auf die Erklärung des Warschauer Pakts zurückgreifen und die Möglichkeit eines solchen Vertrages sondieren.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Im Rahmen eines solchen Abkommens verlöre die Frage des Verzichts auf einen Ersteinsatz von Nuklearwaffen an Bedeutung, würde aber als eine wichtige vertrauensbildende Maßnahme nicht gegenstandslos werden.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Es gibt ja schon das Gewaltverbot!)

    In den westlichen Ländern ist darüber eine Debatte in Gang gekommen. — Übrigens darf ich korrigieren, Herr Kollege Dregger. Auch die vier amerikanischen Kollegen — McNamara und die drei anderen — haben nicht „Verzicht" gesagt, sondern „Prüfung". Sie sind der Meinung, es sei möglich, aber Prüfung müsse sein. Sie haben keineswegs „aus der la main" gesagt: Verzichtet auf den Ersteinsatz!
    Auch das Papier, das die „Viererbande" unter Mitwirkung unseres verehrten Vizepräsidenten erstellt hat, nimmt diese Frage insofern auf, als es sagt: Selbst wenn man das nicht kann, bleibt doch die Frage, ob nicht jedenfalls auf einen frühen Ersteinsatz verzichtet werden kann. Alle sind sich einig — wir haben uns nur noch nicht darüber unterhalten, was es kostet; das wird dann noch sehr schwierig —, daß eine Stärkung der konventionellen Kräfte, so wie es auch das NATO-Dokument fordert, wünschenswert wäre.
    Dabei geht es aber in der ganzen westlichen Debatte, Herr Kollege Dregger, immer nur um die Frage des Nichtersteinsatzes von Gefechtsfeldwaffen. Man muß da sehr sorgfältig trennen. Diese Frage muß mit der Frage zusammen gesehen werden: Ist es möglich, ein konventionelles Gleichgewicht durch konventionelle Anstrengungen auf unserer Seite plus Rüstungskontrollzugeständnissen der Sowjets zu erreichen, die das ihre dazu tun müssen? Der Gedanke des Zusammenhangs von nuklearen Gefechtsfeldwaffen und Panzerverbänden z. B. ist ja auch schon — in Form der Option III — in die MBFR-Verhandlungen eingeführt worden.
    Ich möchte zu diesen Fragen hier nur folgendes sagen. Die Bundesregierung und die NATO haben recht, an der geltenden Strategie festzuhalten, bevor nicht eine bessere Strategie überzeugend ausgearbeitet worden ist. Ich sage aber andererseits auch — und bin sehr dankbar für die entsprechende Äußerung des Bundeskanzlers heute morgen —, daß sich Bundesregierung und NATO der Debatte einschließlich der Debatte über die Vorschläge der PalmeKommission nicht entziehen können. Die Bereitschaft unserer Bürger, die persönlichen und finanziellen Lasten unserer Sicherheitspolitik zu tragen, setzt einen möglichst breiten Konsens über die Grundlage der Sicherheitspolitik voraus — ein Gedanke, den auch Ihr Kollege Biedenkopf wiederholt unterstrichen hat. Ein solcher Konsens kann nur in einer breiten Strategiediskussion gebildet werden. Und seien wir ehrlich: Daß die Diskussion so breit in Gang gekommen ist und die Friedensbewegung solche Dimensionen angenommen hat, liegt auch daran — Herr Kollege Dregger, ich sage das durchaus



    Dr. Ehmke
    selbstkritisch —, daß viele bohrende Fragen zu lange offiziell unbeantwortet geblieben sind.

    (Beifall bei der SPD)

    Daher bin ich der Meinung, wir sollten uns dieser Diskussion stellen, ohne Ergebnisse vorwegzunehmen. Daß auch bei Ihnen glücklicherweise diskutiert wird, zeigt die Kontroverse, die der Kollege Wörner mit seinem verehrten CSU-Kollegen Zimmermann gehabt hat. Ich hoffe jedoch, daß er sich davon nicht entmutigen läßt; denn er hat zusammen mit dem Kollegen Würzbach ein sehr vernünftiges Papier zu diesen Fragen vorgelegt.

    (Zuruf von der CDU/CSU)

    — Ja, ich halte das für einen wesentlichen Beitrag zur Diskussion. Man muß ja nicht der gleichen Meinung sein. Ich halte das für einen guten Beitrag des Kollegen Wörner.
    Während die Allianz in Bonn noch über ihre gemeinsame Politik beriet, hat die Zuspitzung der Konflikte im Libanon und auf den Falkland/Malvinen-Inseln gezeigt, daß Kriegsgefahr nicht nur zwischen den beiden großen Blöcken liegt und daß auch der moderne konventionelle Krieg so grausam ist, daß die Notwendigkeit eines weltweiten Gewaltverzichts auch durch begrenzte konventionelle Kriege drastisch unterstrichen wird. Zu den beiden Konflikten hat Willy Brandt das Notwendige bereits gesagt.
    Diese Konflikte und viele andere Konflikte zeigen einmal mehr: Der Frieden in der Welt ist trotz aller unserer Bemühungen nach wie vor vielfach bedroht.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Nicht sicherer geworden!)

    — Ja, ich würde Ihnen zustimmen: trotz aller Bemühungen nicht sicherer geworden, zumal wir auch das Wettrüsten nicht beendet haben.
    Den Frieden zu erhalten, bedarf es mehr als bürokratischer Routine und eines politischen business as usual. Wir haben eine Menge erreicht. Das Wichtigste liegt noch vor uns. Der eigentliche Durchbruch ist nicht gelungen, und wir haben nicht mehr viel Zeit. Ich sage es noch mal, auch den beiden Großmächten: Die Europäer müssen auf zügigen Verhandlungen mit dem Ziel eines Durchbruchs in der Abrüstungsfrage bestehen.

    (Beifall bei der SPD)

    Die Sicherheits- und Entspannungspolitik der sozialliberalen Koalition ist seit über zwölf Jahren ein wesentlicher und weltweit anerkannter deutscher Beitrag zum Friedens- und Entspannungsprozeß. Ein Fortfall dieser Politik würde die europäische und die Weltpolitik — Herr Kollege Dregger, da bin ich anderer Meinung als Sie — beeinflussen, und zwar in sehr negativem Sinne.

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Warum sind Sie anderer Meinung?)

    Diese Politik darf daher auch nicht durch innenpolitische Denkspiele oder Schachzüge gefährdet werden. Gerade angesichts der heute die Menschheit bedrohenden nuklearen Gefahren haben wir alle
    Grund, des schönen Wortes von Kurt Schumacher eingedenk zu sein, daß man mit den Mitteln der kleinen Schlauheit keine große Politik machen kann. — Schönen Dank.

    (Beifall bei der SPD)