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ID0910804500

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 9/108 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 108. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 24. Juni 1982 Inhalt: Absetzung eines Punktes von der Tagesordnung 6553 A Begrüßung des Präsidenten des Unterhauses der Republik Indien und einer Delegation beider Häuser des indischen Parlaments 6559 C Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung zum Weltwirtschaftsgipfel, zum Besuch des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika in der Bundesrepublik Deutschland, zum NATO-Gipfel sowie zur Europapolitik Schmidt, Bundeskanzler 6570 C Dr. Kohl CDU/CSU 6577 C Brandt SPD 6587 A Ronneburger FDP 6595 A Dr. Dregger CDU/CSU 6599 D Dr. Ehmke SPD 6603 D Genscher, Bundesminister AA 6609 C Graf Stauffenberg CDU/CSU 6615 D Bahr SPD 6620 A Schäfer (Mainz) FDP 6622 D Dr. Wörner CDU/CSU 6625 D Hansen fraktionslos 6629 C Dr. Barzel CDU/CSU 6632 B Voigt (Frankfurt) SPD 6638 A Dr. Mertes (Gerolstein) CDU/CSU . . 6640 D Dr. Haussmann FDP 6644 B Pfeffermann CDU/CSU 6646 C Esters SPD 6647 A Frau Schuchardt FDP 6647 C Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung der Wirtschaftspläne des ERP-Sondervermögens für das Jahr 1982 (ERP-Wirtschaftsplangesetz 1982) — Drucksache 9/1576 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft — Drucksachen 9/1752, 9/1773 — Dr. Warnke CDU/CSU 6648 C Dr. Mitzscherling SPD 6650 B Beckmann FDP 6652 D Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Wohnungsbindungsgesetzes und des Wohnungsbaugesetzes für das Saarland — Drucksache 9/1572 —Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau — Drucksache 9/1777 — 6655 B Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Dritten Gesetzes zur Änderung mietrechtlicher und mietpreisrechtlicher Vorschriften im Land Berlin — Drucksache 9/1640 — II Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 108. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Juni 1982 Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau — Drucksache 9/1780 —Wartenberg (Berlin) SPD 6655 C Fragestunde — Drucksachen 9/1757 vom 18. Juni 1982 und 9/1783 vom 23. Juni 1982 — Humanitäre Hilfe im Libanon DringlAnfr 1 23.06.82 Drs 09/1783 Frau Renger SPD DringlAnfr 2 23.06.82 Drs 09/1783 Frau Renger SPD Antw StMin Dr. Corterier AA . . . 6553 B, C, D, 6554 A, B, C, D, 6555 A, B, C,D ZusFr Frau Renger SPD 6553 C, D, 6554D, 6555A ZusFr Köster CDU/CSU 6553D, 6555 C ZusFr Voigt (Frankfurt) SPD . . 6554A, 6555D ZusFr Neumann (Bramsche) SPD 6554B, 6555 B ZusFr Gansel SPD 6554 B, 6555 C ZusFr Böhm (Melsungen) CDU/CSU . . 6554C ZusFr Dr. Czaja CDU/CSU 6555A ZusFr Frau Schuchardt FDP 6555 B Aussagen von Gerichten über Tierquälerei durch Käfighaltung MdlAnfr 65 18.06.82 Drs 09/1757 Stutzer CDU/CSU Antw PStSekr Gallus BML . . 6556 A, C, D, 6557A ZusFr Stutzer CDU/CSU 6556C,D ZusFr Oostergetelo SPD 6556 D ZusFr Conradi SPD 6557 A Menschenrechtsverletzungen durch Verfolgung von Kurden und christlichen Minderheiten in der Türkei MdlAnfr 12, 13 18.06.82 Drs 09/1757 Thüsing SPD Antw StMin Dr. Corterier AA . . 6557 B, 6558D, 6559 A, B, C, D, 6560 B, C, D, 6561 A, B, C ZusFr Thüsing SPD 6558C, D, 6561 B ZusFr Dr. Pohlmeier CDU/CSU 6559 A ZusFr Waltemathe SPD 6559 A ZusFr Gansel SPD 6559 B ZusFr Neumann (Bramsche) SPD . . 6559 C ZusFr Duve SPD 6559 D ZusFr Voigt (Frankfurt) SPD 6560 A ZusFr Frau Schuchardt FDP 6560 B ZusFr Conradi SPD 6560 C ZusFr Dr. Ehmke SPD 6560 D Lage der Kurden in der Türkei; Einstellung der Wirtschafts- und Militärhilfe angesichts der Unterdrückung und Verfolgung von Minderheiten MdlAnfr 14, 15 18.06.82 Drs 09/1757 Gansel SPD Antw StMin Dr. Corterier AA . . . . 6561C, D, 6562 A, B, C, D ZusFr Gansel SPD 6561 C, D, 6562 C ZusFr Voigt (Frankfurt) SPD 6562 A ZusFr Jäger (Wangen) CDU/CSU . . . 6562 B ZusFr Thüsing SPD 6562 D Entsendung einer internationalen Kommission zur Beobachtung der politischen Massenprozesse in der Türkei MdlAnfr 16, 17 18.06.82 Drs 09/1757 Oostergetelo SPD Antw StMin Dr. Corterier AA . 6562D, 6563A,B ZusFr Oostergetelo SPD 6563 A, B, C Menschenrechtssituation in der Türkei; Vorlage des Berichts der Bundesregierung MdlAnfr 18, 19 18.06.82 Drs 09/1757 Waltemathe SPD Antw StMin Dr. Corterier AA . . . . 6563C,D, 6564 A, C, D, 6565 A, C, D, 6566 A, B, C ZusFr Waltemathe SPD . . . . 6563C,D, 6565 C ZusFr Dr. Pohlmeier CDU/CSU . . 6564A, 6565D ZusFr Jäger (Wangen) CDU/CSU . . . 6564 B ZusFr Neumann (Bramsche) SPD 6564C, 6565D ZusFr Voigt (Frankfurt) SPD 6564 C ZusFr Dr. Barzel CDU/CSU 6564 D ZusFr Haase (Fürth) SPD 6566A ZusFr Immer (Altenkirchen) SPD . . 6566A ZusFr Conradi SPD 6566 B ZusFr Dr. Stercken CDU/CSU 6566 B Hungerstreik in der Bundesrepublik Deutschland wegen Menschenrechtsverletzungen in der Türkei; Unterstützung der Forderungen der Hungerstreikenden MdlAnfr 20, 21 18.06.82 Drs 09/1757 Neumann (Bramsche) SPD Antw StMin Dr. Corterier AA 6566D, 6567 A, B, C ZusFr Neumann (Bramsche) SPD . . 6566 D ZusFr Frau Schuchardt FDP 6567 B ZusFr Thüsing SPD 6567 C Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 108. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Juni 1982 III Hungerstreiks in Westeuropa wegen Menschenrechtsverletzungen in der Türkei; Entsendung einer Delegation der UNO- Menschenrechtskommission in die Türkei MdlAnfr 22, 23 18.06.82 Drs 09/1757 Duve SPD Antw StMin Dr. Corterier AA 6567D, 6568A, B, C ZusFr Duve SPD 6567D, 6568A, C ZusFr Voigt (Frankfurt) SPD 6568 A Nutzung des NATO-Treffens am 10. Juni 1982 zur Einhaltung der Menschenrechte und Wiederherstellung der Demokratie in der Türkei MdlAnfr 24 18.06.82 Drs 09/1757 Frau Schuchardt FDP Antw StMin Dr. Corterier AA . . . . 6568 C, D, 6569 A, B, C, D, 6570A,B ZusFr Frau Schuchardt FDP . . . 6568D, 6569A ZusFr Thüsing SPD 6569 B ZusFr Dr. Pohlmeier CDU/CSU 6569 B ZusFr Schwarz CDU/CSU . . . . 6569D, 6570 A ZusFr Lattmann CDU/CSU 6570 A ZusFr Dr. Marx CDU/CSU 6570 B Nächste Sitzung 6656 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 6657*A Anlage 2 Schriftliche Erklärung des Abg. Hansen (fraktionslos) gemäß § 31 Abs. 1 GO zur Abstimmung über den Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung mietrechtlicher und mietpreisrechtlicher Vorschriften im Land Berlin 6657* A Anlage 3 Schriftliche Erklärung des Abg. Niegel (CDU/CSU) gemäß § 31 Abs. 1 GO zur Abstimmung über den Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung mietrechtlicher und mietpreisrechtlicher Vorschriften im Land Berlin 6657* C Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 108. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Juni 1982 6553 108. Sitzung Bonn, den 24. Juni 1982 Beginn: 8.01 Uhr
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    *) Anlagen 2 und 3 Berichtigung 107. Sitzung, Seite 6540 C drittletzte Zeile: Statt „Mindestalkoholbedarf" ist „Mindestalkoholgehalt" zu lesen. Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 108. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 24. Juni 1982 6657* Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. van Aerssen * 25. 6. Bahner (Berlin) 25. 6. Frau Geiger 25. 6. Hauck 25. 6. Dr. Müller ** 25. 6. Frau Dr. Neumeister 25. 6. Dr. Riedl (München) 25. 6. Schmidt (Wattenscheid) 24. 6. Schmöle 25. 6. Schröder (Hannover) 25. 6. Schröer (Mülheim) 24. 6. Dr. Stark (Nürtingen) 25. 6. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlage 2 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Hansen (fraktionslos) gemäß § 31 Abs. 1 GO: Zur Abstimmung über den Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung mietrechtlicher und mietpreisrechtlicher Vorschriften im Land Berlin gebe ich — zugleich im Namen des Kollegen Coppik — folgende Erklärung ab: Anlagen zum Stenographischen Bericht Zigtausende Berliner Mieter haben in den vergangenen Monaten mit ihrer Unterschrift den Erhalt der Mietpreisbindung ohne wenn und aber gefordert. Sie haben damit in eindrucksvoller Weise ihr Recht auf eine bezahlbare und ordentlich instandgesetzte Wohnung eingefordert. Das vorliegende Gesetz wird dieser Forderung nicht gerecht. Es programmiert Mieterhöhungen, die sich im Einzelfall auf über 10 % im Jahr kummulieren können. Es verschlechtert die Rechtsposition der Mieter und verschlimmert weiter die katastrophale Wohnraumsituation in vielen Teilen Berlins. Demokratische Sozialisten lehnen das Gesetz in dieser Form ab. Anlage 3 Schriftliche Erklärung des Abgeordneten Niegel (CDU/CSU) gemäß § 31 Abs. 1 GO: Dem Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung mietrechtlicher und preisrechtlicher Vorschriften im Land Berlin kann ich nicht zustimmen. Bereits bei der letzten Verlängerung der Berliner Mietpreisbindung wurde vom Bundestagsausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau von allen Fraktionen, also CDU/CSU, SPD und FDP, beschlossen, daß dies die letzte Verlängerung sei und künftig das Berliner Mietrecht dem im Bundesgebiet geltenden Mietrecht angeglichen werden solle. Ich halte mich an diesen Beschluß gebunden.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Peter Corterier


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Ihre Frage, Herr Abgeordneter, wie auch einige andere Fragen, die die Türkei betreffen, haben einen gemeinsamen Kern: Wie ist es um den Schutz der Menschenrechte in der Türkei bestellt? Wie ist die Lage der Kurden in der Türkei?
    Mehrere Kollegen beziehen sich auf einen Hungerstreik, der seit dem 24. Mai durchgeführt wurde und den Verhältnissen in der Türkei galt. Lassen Sie mich dazu folgendes sagen; ich werde mich bei Antworten auf spätere Fragen zum Teil auf diese jetzt etwas ausführlichere Antwort beziehen.
    Ich habe großen Respekt vor dem Engagement von Menschen, die durch einen Hungerstreik die Achtung der Menschenrechte durchsetzen wollen. Ihnen möchte ich sagen, daß ihre Sorgen auch die Sorgen der Bundesregierung sind und daß die Bundesregierung in einem ständigen Dialog mit der Führung der Türkei in der Frage der Menschenrechte steht. Sie ist sich durchaus bewußt, daß, was immer sie unternimmt, den Menschen in der Türkei zugute kommen muß. Sie hat die Erfahrung gemacht, daß gerade in den von sieben Abgeordneten angesprochenen Fragen Fortschritte durch intensives Gespräch auf Regierungsebene zu erreichen sind. Es hat allerdings in den letzten Monaten auch erhebliche Rückschläge gegeben; ich denke etwa an die Verfolgung von Bülent Ecevit.
    Es ist selbstverständlich, daß die Bundesregierung jedem auch nur einigermaßen begründeten Hinweis auf Menschenrechtsverletzungen nachgeht. Die türkische Regierung hat uns versichert, daß jede Frage, die bezüglich der Menschenrechte in der Türkei an sie gerichtet wird, auch beantwortet wird. Pauschale Vorwürfe und Behauptungen der Hungerstreikenden machen es der Bundesregierung jedoch nicht leicht, solchen Anschuldigungen nachzugehen. Dadurch kann im übrigen auch der Eindruck entstehen, daß es bei dem Hungerstreik zumindest einigen auch um etwas anderes gehen könnte, nämlich nur die Diskreditierung eines Bündnispartners der Bundesrepublik Deutschland.
    Die Bundesregierung ist jedenfalls bereit, konkrete und präzise Behauptungen aufzugreifen und ihnen nachzugehen. Sie hat zuletzt im Gespräch des Bundesministers des Auswärtigen mit dem türkischen Außenminister am 19. Mai und in dem des Bundeskanzlers mit dem türkischen Ministerpräsidenten am Rande des NATO-Gipfels am 9. Juni die Frage der Menschenrechte in der Türkei, aber auch des Zeitplans für die Rückkehr des Landes zur Demokratie erörtert.
    Lassen Sie mich jetzt etwas zur Lage der Minderheiten in der Türkei anfügen. Klagen über die Behandlung der Minderheiten in der Türkei haben uns schon vor der Machtübernahme durch die Militärs immer wieder beschäftigt.
    Was die Christen angeht, so ist bekannt, daß ihre Lage in der Türkei oft schwierig ist. Es gibt regional de facto Diskriminierungen im administrativen Be- reich, insbesondere was die Chancengleichheit im Erziehungswesen und im Zugang zu öffentlichen Ämtern angeht. Die Lage der Christen hat sich aber — dazu gibt es verschiedene Aussagen aus deren Bereich — seit der Machtübernahme der Militärs eher verbessert. Sie fühlen sich sicherer vor Übergriffen, namentlich auch aus der kurdischen Bevölkerung. Dazu hat z. B. der Seelsorger der arabischsprachigen orthodoxen Christen, Pfarrer Sergios Barbé, festgestellt — ich zitiere —, mit der heutigen Militär-



    Staatsminister Dr. Corterier
    regierung lebe es sich als Christ viel friedlicher in der Türkei.
    Nun eine Bemerkung zur Lage der Kurden. Die Kurdenfrage ist nicht erst seit der Machtübernahme der Militärs ein besonders brisantes Thema türkischer Innenpolitik. Auch unter demokratischen Regierungen tauchten Meldungen über Verfolgungen und Benachteiligungen kurdischer Türken immer wieder auf; denn seitdem Atatürk 1923 die moderne Türkei gründete, sind Zentralismus und Nationalismus Grundprinzipien der türkischen Staatsauffassung. Das bedeutet auch, daß es für Minderheiten keine besonderen Rechte gibt und daß jede Autonomie-, erst recht jede separatistische Bestrebung seither strafrechtlich verfolgt wird. Diese Staatsauffassung ist auf dem Hintergrund des vorausgegangenen allmählichen Zerfalls des Osmanischen Reiches seit Beginn des 19. Jahrhunderts zu sehen, eines Zerfalls, der auf nationalistische, zum Teil auch vom Ausland gesteuerte Bestrebungen zurückging.
    Nach allem, was wir wissen, werden Kurden unter der Voraussetzung, daß sie sich als türkische Staatsbürger bekennen, nicht diskriminiert. Es wird auch niemand von staatlichen Organen verfolgt, weil er sich öffentlich als Kurde bekennt. Uns ist allerdings eine Ausnahme bekannt, nämlich der Fall des früheren Ministers der Regierung Ecevit, Elci, der zu einer Gefängnisstrafe von mehr als zwei Jahren verurteilt wurde, weil er sich öffentlich zum Kurdentum bekannt hatte.
    Im Osten und Südosten der Türkei, den Hauptsiedlungsgebieten der Kurden, wird so gut wie ausschließlich Kurdisch gesprochen; in den Überlandbussen werden gelegentlich Tonbänder mit kurdischen Liedern abgespielt. Notverordnungsähnliche Regelungen aus den 20er Jahren, die den Gebrauch der kurdischen Sprache und kurdische Publikationen verboten hatten, werden von türkischer Seite nicht mehr durchgesetzt. Allerdings ist Türkisch die offizielle Amts- und Schulsprache. Kurdisch darf an türkischen Schulen und Universitäten nicht gelehrt und auch nicht als Unterrichtssprache benutzt werden. Auch ist die Einfuhr sämtlicher im Ausland veröffentlichten Drucksachen, Schallplatten, Tonbänder u. ä. in kurdischer Sprache bereits 1967 durch das Dekret des Ministerrates verboten worden. Den Kurden wurden also auch vor dem 12. September 1980 Minderheitsrechte vorenthalten.
    Nach allem, was wir weiter wissen, hat sich unter der Militärherrschaft geändert, daß gegen kurdische Gewalttäter, auch gegen solche, die einen Kurdenstaat mit Gewalt durchzusetzen versuchen, in Übereinstimmung mit dem türkischen Strafrecht, wie es bereits vor der Übernahme der Macht durch die Militärs galt, mehr als bisher vorgegangen wird.
    Eine Bestätigung der Behauptungen, daß die türkische Regierung ihre Ermittlungen gegen kurdische Angeklagte nicht nach den Prinzipien des Rechtsstaats durchführt, liegt der Bundesregierung nicht vor. In diesem Zusammenhang sei darauf hingewiesen, daß der Prozeß in Diyabakir öffentlich ist.
    Ich muß jedoch auch darauf aufmerksam machen, daß unseren Informationsmöglichkeiten hinsichtlich der Situation der Kurden konkrete Grenzen gesetzt sind. Die Bundesregierung hat keine diplomatische oder konsularische Vertretung im Osten der Türkei. Ankara ist fast 1 000 km von Diyabakir, einem Großstadtzentrum der Kurden, entfernt.
    Die türkische Militärregierung hat übrigens schon seit einiger Zeit auch in den überwiegend von Kurden bewohnten Provinzen Bitlis, Mus, Bingöl, Tunceli, Hazig und Malatya — im Unterschied zu Ankara und Istanbul — die Sperrstunden abgeschafft. Das läßt immerhin darauf schließen, daß in diesen Gebieten nicht mit besonderen Unruhen gerechnet wird.


Rede von Georg Leber
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das war eine sehr umfängliche generelle Antwort zur Situation in der Türkei. Ich denke, das wird helfen, die Zusatzfragen etwas zu präzisieren.
Zu einer Zusatzfrage der Kollege Thüsing.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Klaus Thüsing


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Staatsminister, darf ich dem ersten Teil Ihrer umfänglichen Antwort entnehmen, daß Sie der Behauptung der Hungerstreikenden, die Repression, die Verletzung der Menschenrechte in der Türkei habe zugenommen, nicht zustimmen, sondern tatsächlich der Meinung sind, es handele sich um einzelne Rückschläge?
    Dr. Corterier, Staatsminister: So möchte ich meine Antwort nicht interpretiert wissen. Die Behauptung der Hungerstreikenden ist eben eine sehr pauschale Behauptung, die in dieser Form natürlich kaum nachprüfbar ist. Wir müßten dann, wie ich glaube, sehr viel konkreter einzelnen Fällen und Entwicklungen nachgehen. Ich habe darauf hingewiesen, daß es aus unserer Sicht gewisse Verbesserungen gibt. Ich werde das nachher noch im einzelnen darzulegen haben. Ich darf aber schon jetzt darauf hinweisen, daß dazu mit Sicherheit die Verkürzung der 90-Tage-Frist auf 45 Tage zu rechnen ist, also der Frist, in der jemand festgehalten werden kann, ohne einem Richter vorgeführt zu werden. Ich habe aber auch darauf hingewiesen, daß es deutliche Rückschläge gibt wie etwa — und das ist ein Symbol für die Demokraten auch außerhalb der Türkei — die Verfolgung des früheren Ministerpräsidenten Bülent Ecevit.