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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 9/101 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 101. Sitzung Bonn, Freitag, den 14. Mai 1982 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 6089 A Bestimmung des Abg. Dr. Bötsch zum ordentlichen Mitglied im Gemeinsamen Ausschuß 6089 B Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes über das Asylverfahren (Asylverfahrensgesetz) — Drucksachen 9/221, 9/875 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 9/1649 — Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses — Drucksache 9/1630 — Dr. Bötsch CDU/CSU 6089 C Dr. Schöfberger SPD 6093 B Engelhard FDP 6097 A Dr. Vogel, Ministerpräsident des Landes Rheinland-Pfalz 6099 D Börner, Ministerpräsident des Landes Hessen 6102 D Dr. Schmude, Bundesminister BMJ . . 6104A Lummer, Senator des Landes Berlin . 6106A Koschnick, Präsident des Senats der Freien Hansestadt Bremen 6108 B Baum, Bundesminister BMI 6112 B Fellner CDU/CSU 6115 B Frau Dr. Däubler-Gmelin SPD 6117 D Dr. Hirsch FDP 6120 C Dr. Klein (Göttingen) CDU/CSU . . . 6122 B Coppik fraktionslos 6124A Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Bundesregierung über die Erfahrungen mit der Sommerzeit in den Jahren 1980 und 1981 — Drucksachen 9/1583, 9/1646 — . . . 6126C Nächste Sitzung 6126 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 6127*A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 6127* B Anlage 3 Einleitung von Berufungsverfahren durch den Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten nach erstinstanzlicher Anerkennung des Rechts auf Asyl MdlAnfr 48, 49 07.05.82 Drs 09/1631 Topmann SPD SchrAntw StSekr Dr. Hartkopf BMI . . 6127* D II Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 101. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. Mai 1982 Anlage 4 Grund für den Kriegswaffenlieferstopp gegenüber Argentinien; Anwendung des Kriegswaffenkontrollgesetzes bei künftigen friedenstörenden Handlungen MdlAnfr 79 07.05.82 Drs 09/1631 Thüsing SPD SchrAntw PStSekr Grüner BMWi . . . 6128* B Anlage 5 Änderung des Kriegswaffenkontrollgesetzes hinsichtlich der Waffenlieferungen an Argentinien; Beratung über Ausnahmegenehmigungen im Bundestag MdlAnfr 80, 81 07.05.82 Drs 09/1631 Meinike (Oberhausen) SPD SchrAntw PStSekr Grüner BMWi . . . 6128* C Anlage 6 Umfang der noch nicht abgewickelten Waffengeschäfte mit Argentinien; Zahlungsfähigkeit Argentiniens MdlAnfr 83 07.05.82 Drs 09/1631 Lambinus SPD SchrAntw PStSekr Grüner BMWi . . . 6129*A Anlage 7 Höhe des Strompreises aus Kernkraftwerken bei Einbeziehung der Aufwendungen zur Erforschung und Entwicklung der Atomenergie; Entwicklung des Anteils der privaten Haushalte am Stromverbrauch seit 1970 MdlAnfr 88, 89 07.05.82 Drs 09/1631 Kirschner SPD SchrAntw PStSekr Grüner BMWi . . . 6129* B Anlage 8 Nutzung der Westkredite an Polen zur billigen Beschaffung westlicher Güter durch die Sowjetunion MdlAnfr 90, 91 07.05.82 Drs 09/1631 Dr. Voss CDU/CSU SchrAntw PStSekr Grüner BMWi . . . 6129*C Anlage 9 Wettbewerbsverzerrung durch spezielle Agrarkreditsysteme in einigen Bundesländern MdlAnfr 92 07.05.82 Drs 09/1631 Borchert CDU/CSU SchrAntw PStSekr Gallus BML . . . . 6130*A Anlage 10 Ansicht des Parlamentarischen Staatssekretärs Gallus über die Schließung von 100 000 Betrieben als einzige Alternative der Agrarpolitik; Koordinierung der Forschung der Bundesländer über die Ursachen des Tannensterbens MdlAnfr 93, 94 07.05.82 Drs 09/1631 Paintner FDP SchrAntw PStSekr Gallus BML . . . . 6130* B Anlage 11 Verbot von Fleischimporten aus Dänemark angesichts der dort herrschenden Maul-und Klauenseuche MdlAnfr 95, 96 07.05.82 Drs 09/1631 Eigen CDU/CSU SchrAntw PStSekr Gallus BML . . . . 6131*A Anlage 12 Verbot der Verwendung von Endrin und Lindan angesichts des Vogelsterbens am Bodensee MdlAnfr 97, 98 07.05.82 Drs 09/1631 Bindig SPD SchrAntw PStSekr Gallus BML . . . . 6131* C Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 101. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. Mai 1982 6089 101. Sitzung Bonn, den 14. Mai 1982 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein 14. 5. Dr. van Aerssen * 14. 5. Bahr 14. 5. Böhm (Melsungen) ** 14. 5. Conrad (Riegelsberg) 14. 5. Dallmeyer 14. 5. Dr. Dregger 14. 5. Dr. Ehmke 14. 5. Dr. Ehrenberg 14. 5. Dr. Emmerlich 14. 5. Dr. Enders ** 14. 5. Francke (Hamburg) 14. 5. Frau Fuchs 14. 5. Gattermann 14. 5. Frau Geier 14. 5. Gerlach 14. 5. Glos 14. 5. Dr. Götz 14. 5. Handlos 14. 5. Frau Dr. Hellwig 14. 5. Herterich 14. 5. Frau Huber 14. 5. Ibrügger 14. 5. Dr. Kohl 14. 5. Dr. Kreile 14. 5. Frau Dr. Martiny 14. 5. Müller (Bayreuth) 14. 5. Neuhaus 14. 5. Neumann (Bramsche) 14. 5. Frau Dr. Neumeister 14. 5. Offergeld 14. 5. Dr. Pinger 14. 5. Dr. Rumpf 14. 5. Dr. Schneider 14. 5. Frau Schuchardt 14. 5. Dr. Solms 14. 5. Stockleben 14. 5. Voigt (Frankfurt) 14. 5. Dr. von Wartenberg 14. 5. Wehner 14. 5. Frau Dr. Wex 14. 5. Frau Dr. Wilms 14. 5. Frau Dr. Wisniewski 14. 5. Dr. Wörner 14. 5. Dr. Zumpfort 14. 5. Zywietz 14. 5. • für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Präsident hat gemäß § 80 Abs. 3 der Geschäftsordnung die nachstehenden Vorlagen überwiesen: Anlagen zum Stenographischen Bericht Bericht der Bundesregierung über ihre Maßnahmen zur Förderung der ostdeutschen Kulturarbeit gemäß § 96 BVFG in den Jahren 1979 und 1980 (Drucksache 9/1589) zuständig: Innenausschuß (federführend) Auswärtiger Ausschuß Ausschuß für innerdeutsche Beziehungen Ausschuß für Bildung und Wissenschaft Bericht der Bundesregierung über die künftige Gestaltung der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" hier: Rahmenplan 1983 bis 1986 (Drucksache 9/1597) zuständig: Ausschuß für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (federführend) Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Haushaltsausschuß Entschließung des Europäischen Parlaments zum Bau eines Tunnels unter dem Ärmelkanal (Drucksache 9/1638) zuständig: Ausschuß für Verkehr Der Vorsitzende des Innenausschusses hat mit Schreiben vom 12. Mai 1982 mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen hat: Vorschlag für eine zweite Richtlinie des Rates zur Regelung der Sommerzeit (Drucksache 9/405 Nr. 25) Entwurf einer Richtlinie des Rates über die von den Mitgliedstaaten durchzuführenden Erhebungen über die Verdienste der ständig und saisonal in der Landwirtschaft beschäftigten Arbeiter (Drucksache 9/1041 Nr. 15) Der Vorsitzende des Ausschusses für Verkehr hat mit Schreiben vom 8. Mai 1982 mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehende EG-Vorlage zur Kenntnis genommen hat: Vorschlag für einen Beschluß des Rates über den Abschluß des Übereinkommens über den grenzüberschreitenden Personengelegenheitsverkehr mit Kraftomnibussen (ASOR) (Drucksache 9/1272 Nr. 45) Anlage 3 Antwort des Staatssekretärs Dr. Hartkopf auf die Fragen des Abgeordneten Topmann (SPD) (Drucksache 9/1631 Fragen 48 und 49): Stimmt die Behauptung, daß der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten grundsätzlich auf Formblatt Berufung gegen ein erstinstanzliches Urteil eines Verwaltungsgerichts einlegt, wenn darin einem Asylbewerber das Recht auf Asyl zugestanden wird, und wie beurteilt die Bundesregierung gegebenenfalls eine solche Vorgehensweise unter dem Gesichtspunkt, Asylverfahren beschleunigt abzuwickeln? Wie hoch ist die Erfolgswahrscheinlichkeit eines Berufungsverfahrens, das der Bundesbeauftragte nach einem erstinstanzlichen Verwaltungsgerichtsurteil anstrengt, und um welchen Zeitraum wird dadurch ein Asylverfahren verlängert? Zu Frage 48: Die Behauptung, der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten würde gegen jedes erstinstanzliche Urteil, mit dem einem Asylsuchenden das Asylrecht zuerkannt wird, grundsätzlich Berufung einlegen, trifft nicht zu. Die Dienststelle des Bundesbeauftragten ist schon aus personellen Gründen nicht in der Lage, jede Entscheidung auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Die Hauptaufgabe des Bundesbeauftragten liegt 6128* Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 101. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. Mai 1982 heute darin, im Rahmen seiner Beteiligung und ggf. durch Rechtsmitteleinlegung einem Auseinanderlaufen der Rechtsprechung der verschiedenen Verwaltungsgerichte entgegenzuwirken und bei Fragen von grundsätzlicher Bedeutung eine obergerichtliche Klärung herbeizuführen. Im Rahmen dieser Aufgabenstellung erfolgt auch die Berufungseinlegung. Die 1980 erfolgte Dezentralisierung der verwaltungsgerichtlichen Zuständigkeit hat allerdings eine Zunahme der Zahl der eingelegten Berufungen zur Folge. Zwar erfolgt die Berufungseinlegung — schon aus Gründen der Fristwahrung — überwiegend formularmäßig; die Berufungsbegründung erfolgt jedoch individuell unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalles. Zu Frage 49: Von den in den Jahren 1980 bis 1982 eingelegten Berufungen des Bundesbeauftragten wurden bisher 42 entschieden. In 40 Fällen wurde der Berufung des Bundesbeauftragten stattgegeben, lediglich in 2 Fällen wurde die Berufung zurückgewiesen. Der Zeitraum, um den sich ein Asylverfahren durch Einlegung der Berufung verlängert, ist unterschiedlich und hängt von der durchschnittlichen Dauer des Berufungsverfahrens bei den einzelnen Oberverwaltungsgerichten ab. Bei der hohen Erfolgsquote der Berufungen des Bundesbeauftragten kommt der Verfahrensverlängerung unter dem Gesichtspunkt der Rechtmäßigkeit der Entscheidung keine Bedeutung zu. Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner auf die Frage des Abgeordneten Thüsing (SPD) (Drucksache 9/1631 Frage 79): Warum hat die Bundesregierung erst am 7. April 1982 einen Lieferstopp für Kriegswaffen, Munition und Rüstungsgüter verhängt, und ist gewährleistet, daß bei zukünftigen friedenstörenden Handlungen das Kriegswaffenkontrollgesetz unverzüglich Anwendung finden kann? Argentinien hat am 2. April 1982 die Falkland-Inseln besetzt. Danach wurde unverzüglich geprüft, ob Ausfuhren anstehen, die Argentinien Waffen vermittelt hätten, die in dem Konflikt — mithin bei einer friedenstörenden Handlung — verwendet werden könnten. Der Bundesminister für Wirtschaft hat zudem — und zwar bereits am Montag, dem 5. April 1982 — das Bundesamt für gewerbliche Wirtschaft angewiesen, ab sofort und bis auf weiteres keine neuen Ausfuhrgenehmigungen für Rüstungsgüter nach Argentinien zu erteilen. Gleichzeitig wurde geprüft, welche weitergehenden Maßnahmen getroffen werden sollten. Diese Prüfung — auch in engem Kontakt mit Großbritannien und den übrigen EG- und Bündnispartnern — führte dann zu dem von Ihnen zitierten Beschluß der Bundesregierung vom 7. April 1982, der u. a. vorsieht, Waffenlieferungen an Argentinien zu verhindern. Im Anschluß an diesen Beschluß wurde dann umgehend durch geeignete Maßnahmen wie Anweisungen an die Zollämter und Auflagen zu erteilten Genehmigungen sichergestellt, daß keine Waffenlieferungen nach Argentinien erfolgen. Die dargestellte Chronologie der einzelnen Maßnahmen macht deutlich, daß die Bundesregierung unverzüglich auf die Ereignisse im Südatlantik reagiert hat und dabei insbesondere auch den Erfordernissen des Kriegswaffenkontrollgesetzes gerecht geworden ist. Die Bundesregierung sieht hiernach keine Veranlassung zu weitergehenden Vorkehrungen für etwaige künftige friedenstörende Handlungen. Anlage 5 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner auf die Fragen des Abgeordneten Meinike (Oberhausen) (SPD) (Drucksache 9/1631 Fragen 80 und 81): Wann wird die Bundesregierung in bezug auf Waffenlieferungen für Argentinien die zur Einhaltung des Kriegswaffenkontrollgesetzes notwendigen Maßnahmen nach § 7 des Kriegswaffenkontrollgesetzes beschließen, oder ist eine Änderung des Gesetzes mit rückwirkender Kraft beabsichtigt? In welcher Weise werden nach den neuen Waffenexportrichtlinien in Zukunft Einzelentscheidungen über die Ausnahmen von der restriktiven Exportpolitik Gegenstand der Beratungen im Parlament sein? Zu Frage 80: Nach § 7 Kriegswaffenkontrollgesetz können Genehmigungen nach dem KWKG jederzeit widerrufen werden. Sie müssen widerrufen werden — und darauf scheint Ihre Frage abzustellen —, wenn ein zwingender Versagungsgrund nachträglich eingetreten ist. Ein zwingender Versagungsgrund bei den in Frage stehenden Argentinien-Genehmigungen setzt zweierlei voraus: Es muß eine friedenstörende Handlung vorliegen und es muß die Gefahr bestehen, daß die Kriegswaffen bei einer friedenstörenden Handlung verwendet werden. Die erste Voraussetzung ist gegeben; die zweite insofern nicht, als Argentinien aufgrund keiner der noch offenen Genehmigungen in den Besitz von Kriegswaffen gelangen könnte, die aus heutiger Sicht im Falklandkonflikt eingesetzt werden könnten. Zu Frage 81: Es ist von der Bundesregierung angeregt worden, künftig in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit Einzelfällen des Rüstungsexports, die im Bundessicherheitsrat zur Entscheidung anstehen, die Fraktionsvorsitzenden der im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien und einen weiteren von den Fraktionsvorsitzenden zu bestimmenden Abge- Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 101. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. Mai 1982 6129* ordneten vorab zu informieren und die Einzelfälle mit ihnen zu erörtern. Anlage 6 Antwort des Parl. Staatssekretär Grüner auf die Frage des Abgeordneten Lambinus (SPD) (Drucksache 9/1631 Frage 83): Auf welche Summe beziffern sich noch nicht abgewickelte Waffengeschäfte Argentiniens mit deutschen Lieferanten und wie beurteilt die Bundesregierung die Zahlungsfähigkeit Argentiniens? Ob, und in welchem Umfang und zu welchem Zeitpunkt die Firmen von erteilten Genehmigungen Gebrauch machen, kann nur durch umfangreiche Recherchen festgestellt werden. Ich kann Ihnen deshalb keine Angaben darüber machen, welcher wertmäßige Lieferumfang bisher noch nicht abgewickelt ist. Die Frage der Zahlungsfähigkeit eines Landes wird bei Entscheidungen über Bürgschaften und Garantien stets sorgfältig beobachtet. Das gilt auch für Argentinien. Verläßliche Angaben über die Wirtschafts- und Devisenlage Argentiniens seit Anfang April liegen gegenwärtig nicht vor. Anlage 7 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner auf die Fragen des Abgeordneten Kirschner (SPD) (Durcksache 9/1631 Fragen 88 und 89): Um wieviel müßte sich das Kilowatt Strom aus Kernkraftwerken verteuern, wenn die 13,6 Milliarden DM, die bisher als finanzielle Gesamtaufwendungen zur Erforschung und Entwicklung der Atomenergie von der öffentlichen Hand insgesamt aufgebracht wurden, in die Preiskalkulation der Energieversorgungsunternehmen eingingen? Wie hat sich der Anteil der privaten Haushalte am Stromverbrauch seit 1970 jährlich entwickelt? Zu Frage 88: Die öffentliche Hand wendet in vielen Bereichen erhebliche Mittel für Forschung und Entwicklung, aber auch — z. B. bei der Steinkohle — zur Verbesserung der Leistungsfähigkeit eines Wirtschaftszweiges auf. Diese Leistungen können, wenn überhaupt, nur in sehr beschränktem Maße den Produktionskosten der jeweiligen Güter zugerechnet werden. Dies gilt auch für die von Ihnen genannten 13,6 Mrd. DM an Kernenergieaufwendungen der öffentlichen Hand. Dieser Betrag umfaßt, wie sich aus der Antwort des BMFT auf Ihre Fragen am 28. April 1982 ergibt, außerdem unterschiedliche Fördergegenstände wie z. B. auch die Aufwendungen der öffentlichen Hand für fortgeschrittene Reaktorlinien, insbesondere SNR und THTR, die technologische Optionen weiterer kernenergetischer Entwicklungen offenhalten sollen. Wie bei anderen Forschungssubventionen auch ergäbe sich hier das Problem der Aufteilung auf eine zukünftige Produktion aus einer unbekannten Zahl von Anlagen und Jahren. Forschungs-und Entwicklungsaufwendungen haben zudem industriepolitische Aspekte; sie dienen dem Ausbau eines technischen Potentials, dessen künftige Nutzung ungewiß und nicht unbedingt auf einen bestimmten Bereich der Energiewirtschaft bzw. die Energiewirtschaft überhaupt beschränkt ist. Eine von Methode und Ergebnis befriedigende Zurechnung der 13,6 Mrd. DM auf die Stromerzeugungskosten aus Kernenergie ist daher nicht möglich. Zu Frage 89: Der Stromverbrauch der privaten Haushalte ist von 43 075 GWh im Jahre 1970 auf 67 810 GWh im Jahre 1975 und 85 551 GWh im Jahre 1980 angestiegen. Der Gesamtstromverbrauch betrug zum Vergleich 218 576 GWh im Jahre 1970, 274 871 GWh im Jahre 1975 und 336 919 GWh im Jahre 1980. Der Haushaltsanteil ist damit von 19,7 % auf 25,4 % gestiegen. Die jährliche Verbrauchssteigerung im Haushaltsbereich hat sich dabei aber sehr stark von mehr als 10 % Anfang der 70er Jahre auf weniger als 3 % 1980 abgeflacht. Anlage 8 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner auf die Fragen des Abgeordneten Dr. Voss (CDU/CSU) (Drucksache 9/ 1631 Fragen 90 und 91): Ist sich die Bundesregierung der Tatsache bewußt, daß etwa seit dem Jahr 1976 der überwiegende Teil der Westkredite an Polen dazu benutzt worden ist, für die Sowjetunion hochspezialisierte Güter westlicher Produktion billig zu beschaffen, indem diese von Polen im Westen gekauft und an die Sowjetunion weitergeliefert werden mußten? Ist der Bundesregierung bekannt, daß die Sowjetunion bei eigenen Warenkäufen im Westen einen realistischen Wechselkurs von rund 2 Rubel für einen Dollar aufbringen muß, daß aber bei Käufen in Polen oder anderen Staatshandelsländern von der Sowjetunion nur ein sogenannter Transferrubel auf der Basis von 0,62 Rubel für 1 Dollar gezahlt wird und daß hierdurch eine wirtschaftliche Ausbeutung Polens in gigantischem Ausmaß verursacht worden ist? Zu Frage 90: Der Bundesregierung sind keine Fakten bekannt, die darauf hindeuten, daß seit 1976 der überwiegende Teil der Westkredite an Polen dazu benutzt wurde, für die Sowjetunion hochspezialisierte Güter westlicher Produktion billig zu beschaffen. Zu Frage 91: Der Rubel ist, wie die Währungen der anderen RGW-Staaten, nicht konvertibel. Die UdSSR ist daher gezwungen, bei Warenkäufen in westlichen Ländern in Hartwährungen zu kontrahieren, so daß die Frage des Wechselkurses sich nicht stellt. Zur Frage, ob die interne Bewertung des Transferrubels angemessen ist, kann die Bundesregierung keine gesicherte Feststellung treffen. Soweit die Bundesregierung Kenntnis von der Praxis des RGW-internen Handels hat, nimmt sie an, daß ent- 6130* Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 101. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. Mai 1982 sprechend dem dort angewandten besonderen Preisfestsetzungsmechanismus weder die Exporte Polens in die UdSSR noch die sowjetischen Exporte nach Polen in allen Fällen zu Weltmarktpreisen erfolgen. Anlage 9 Antwort des Parl. Staatssekretärs Gallus auf die Frage des Abgeordneten Borchert (CDU/CSU) (Drucksache 9/1631 Frage 92): Ist es der Bundesregierung bekannt, daß es in einigen Bundesländern landeseigene spezielle Argarkreditsysteme bzw. landwirtschaftliche Existenzsicherungsprogramme gibt, und was gedenkt die Bundesregierung gegen die hierdurch auftretenden Wettbewerbsverzerrungen innerhalb der Bundesrepublik Deutschland zu tun? Die Bundesländer sind berechtigt, unterschiedliche Landesförderungsmaßnahmen außerhalb der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" durchzuführen. Von dieser Möglichkeit haben insbesondere die Flächenstaaten mit landeseigenen Agrarkreditprogrammen bzw. landwirtschaftlichen Existenzsicherungsprogrammen Gebrauch gemacht. Der Subventionswert der Agrarkreditprogramme ist — gemessen an den Konditionen des einzelbetrieblichen Förderungsprogramms — gering. Die Agrarkreditprogramme sind in erster Linie auf Landwirte ohne Betriebsentwicklungsplan ausgerichtet. Bei dieser Ausgestaltung sind Wettbewerbsverzerrungen nicht zu erwarten. Im übrigen wird auf Bundesebene seit 1978 der Bereich investiver Maßnahmen durch das spezielle Agrarkreditprogramm der Kreditanstalt für Wiederaufbau abgedeckt, das sich für die Jahre 1982 und 1983 auf 370 Mio. belaufen wird. Die in einigen Ländern bestehenden Konsolidierungsprogramme beschränken sich im wesentlichen auf die Umschuldung kurzfristiger Verbindlichkeiten stark verschuldeter Betriebe. Wettbewerbsverzerrungen scheiden bei dem im Grunde sozialen Charakter dieser Maßnahmen aus. Anlage 10 Antwort des Parl. Staatssekretärs Gallus auf die Fragen des Abgeordneten Paintner (FDP) (Drucksache 9/1631 Fragen 93 und 94): Trifft es zu, wie vom baden-württembergischen Landwirtschaftsminister Weiser behauptet, daß der Parlamentarische Staatssekretär Gallus die Aufgabe von 100 000 Betrieben als einzige Alternative der Agrarpolitik ansieht, und was hat es mit diesen 100 000 Betrieben wirklich auf sich? Hat die Bundesregierung einen Überblick darüber, was auf dem Gebiet der Ursachenforschung für das „Tannensterben" tatsächlich geschieht, nachdem — wie in der Fernsehsendung „Report" im März behauptet — in Sachen „Tannensterben" jedes einzelne Bundesland unkoordiniert nach den Ursachen forschen läßt? Zu Frage 93: Die Behauptung trifft nicht zu. In der Landwirtschaft findet weiterhin ein mehr oder minder starker struktureller Wandel statt, der von den gesamtwirtschaftlichen Rahmenbedingungen und den landwirtschaftlichen Einkommensmöglichkeiten abhängt. Dieser Wandel äußert sich u. a. in der Aufgabe landwirtschaftlicher Betriebe sowie im Übergang von der Vollerwerbslandwirtschaft zu einer nebenberuflichen Landbewirtschaftung. Davon betroffen sind in erster Linie einkommensschwache Vollerwerbsbetriebe. Bei einer Gliederung der Vollerwerbsbetriebe nach der Höhe ihrer Einkommen wurden im Wirtschaftsjahr 1979/80 etwa 100 000 und 1980/81 noch rd. 90 000 Betriebe ermittelt, deren durchschnittlicher Gewinn im Wirtschaftsjahr 1979/80 bei 7 590 DM und im besonders ungünstigen Wirtschaftsjahr 1980/81 bei 640 DM je Familien-AK lag. Die Bundesregierung geht davon aus, daß dieser Gruppe von einkommensschwachen Betrieben — auch wenn sie kein einheitliches Bild darstellt und ein Teil der Betriebe im Zeitablauf in Gruppen mit höherem Einkommen aufsteigt — nur in geringem Umfang mit den Mitteln der Markt- und Preispolitik ein zufriedenstellendes Einkommen zu ermöglichen ist. Trotz der angespannten Arbeitsmarktlage wird der Strukturwandel in der Landwirtschaft weitergehen, nicht zuletzt deshalb, weil für zahlreiche Betriebe ein Hofnachfolger fehlt. Im übrigen bleibt es der Entscheidung des Hofnachfolgers überlassen, ob er den Hof im Vollerwerb oder im Nebenerwerb weiter bewirtschaften möchte. Zu Frage 94: Die Bundesregierung ist über die laufenden Vorhaben zur Erforschung der Ursachen der auftretenden Waldschäden informiert. Sie unterrichtet ihrerseits die Bundesländer über diese Vorhaben. Der Bundesernährungsminister hat mit Sachverständigen der forstlichen Forschung einen „Rahmenplan zur Erforschung umweltbedingter Schäden am Wald" erstellt, der Bund und Ländern zur Koordinierung der Vergabe von Forschungsvorhaben und den Forschungseinrichtungen untereinander zur Koordinierung ihrer Forschungsaktivitäten dient. Das Tannensterben tritt seit 1980 mit besonderer Heftigkeit im natürlichen Verbreitungsgebiet der Weißtanne, d. h. in den Bundesländern Bayern und Baden-Württemberg auf. Deshalb haben insbesondere diese beiden Bundesländer auch ihrerseits Vorhaben zur Klärung der Krankheitsursachen vergeben. Die anderen Länder, so z. B. auch das Land Hamburg haben Vorhaben zur Klärung der an anderen Baumarten aufgetretenen Schäden finanziert. Auch zur Durchführung der „immissionsökologischen Waldzustandserfassung" haben die Bundesländer ein einheitliches Verfahren beschlossen. Diese Waldzustandserfassung dient der fortlaufenden Beobachtung der Immissionsbelastung des Wal- Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 101. Sitzung. Bonn, Freitag, den 14. Mai 1982 6131* des und erlaubt Rückschlüsse auf die Waldschadenssituation. Anlage 11 Antwort des Parl. Staatssekretärs Gallus auf die Fragen des Abgeordneten Eigen (CDU/CSU) (Drucksache 9/1631 Fragen 95 und 96): Wird die Bundesregierung ihre Haltung in bezug auf eine Sperrung der Grenze nach Dänemark für Fleischimporte überprüfen, nachdem feststeht, daß die Maul- und Klauenseuche nicht nur auf Fünen, sondern auch auf Seeland ausgebrochen ist? Wenn die Bundesregierung die Grenze nach Dänemark wegen der dort herrschenden Maul- und Klauenseuche nicht sperrt, ist sie dann bereit, die volle Haftung bei Folgeschäden zu übernehmen? Der Maul- und Klauenseucheausbruch im Südwesten der dänischen Insel Seeland am 4. Mai 1982 ist der erste Fall außerhalb des bisherigen Seuchengebietes auf der Insel Fünen. Das Ergebnis der epidemiologischen Bewertung dieser neuen Entwicklung hat mich veranlaßt, sofort eine Rechtsverordnung aufgrund § 7 Abs. 2 des Tierseuchengesetzes zu erlassen, mit der insbesondere die Einfuhr und Durchfuhr lebender Klauentiere sowie die Einfuhr frischen Fleisches mit Herkunft vom gesamten Gebiet der dänischen Inseln Fünen und Seeland verboten werden. Die Verordnung vom 6. Mai 1982 wurde im Bundesanzeiger Nr. 86 vom 8. Mai verkündet und ist am 9. Mai in Kraft getreten. Die Verbotsmaßnahmen erfüllen das Gebot der Verhältnismäßigkeit und sind fachlich ausreichend, um den verfolgten Zweck der Seuchenabwehr zu gewährleisten. Anlage 12 Antwort des Parl. Staatssekretärs Gallus auf die Fragen des Abgeordneten Bindig (SPD) (Drucksache 9/1631 Fragen 97 und 98): Kann die Bundesregierung angesichts des großen Vogelsterbens am Bodensee, welches auf die Verwendung des hochgiftigen Mittels Endrin zurückzuführen ist, angeben, in welcher Menge in der Bundesrepublik Deutschland chlorierte Kohlenwasserstoffe (Endrin, Lindan) verwendet werden? Ist die Bundesregierung bereit, den Vertrieb, die Einfuhr und die Verwendung von Endrin und Lindan zu verbieten, und wann kann eine solche Verbotsregelung frühestens wirksam werden? In der Bundesrepublik Deutschland werden nach Angaben des Industrieverbandes Pflanzenschutz 10-20 t Endyin und 170-180 t Lindan jährlich im Pflanzenschutz angewandt. ,Es besteht der begründete Verdacht, daß das Vogelsterben am Bodensee Sauf die Anwendung von Endrin zur Bekämpfung von Wühlmäusen in Obstanlagen zurückzuführen ist. Ein Zusammenhang zwischen der Anwendung des Pflanzenschutzmittels Lindan und dem Vogelsterben kann dagegen wohl ausgeschlossen werden. Die Biologische Bundesanstalt für Land- und Forstwirtschaft prüft derzeit im Rahmen ihrer Aufgabenstellung nach dem Pflanzenschutzgesetz intensiv die Sachlage. Das Land Baden-Württemberg wurde deshalb gebeten, seine einschlägigen Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Sollte sich der Verdacht bestätigen, so plant die Bundesregierung, die für Endrin seit langem bestehende Anwendungsbeschränkung ehestmöglich in ein Anwendungsverbot umzuwandeln. Vorsorglich wird bereits jetzt ein entsprechender Entwurf zur Änderung der Pflanzenschutz-Anwendungsverordnung mit den Ländern, deren Zustimmung hier erforderlich ist, beraten.
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    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich bin noch Bürgermeister von Bremen, aber spreche hier als Mitglied des Bundesrates nach Art. 43 Abs. 2 des Grundgesetzes.

    (Rawe [CDU/CSU]: Was heißt „noch"? Wollen Sie es bald nicht mehr sein?)

    — Sie müssen wissen, daß Bürgermeister eine kommunale Funktion ist. „Der Stadt Bremen" ist gesagt worden, nicht: des Landes. Von daher muß ich darauf aufmerksam machen: Nicht in dieser Eigenschaft kann ich hier sprechen. Ich will es aber gerne tun, wenn Sie es gestatten.

    (Graf Stauffenberg [CDU/CSU]: Ändern sich Ihre Eigenschaften von Rolle zu Rolle?)

    — Ich gebe mir größte Mühe, das regelmäßig zu schaffen, und würde mich freuen, wenn andere Kollegen das auch könnten. — Ich meine das natürlich nur, was meine Eigenschaften angeht.
    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! In meiner Antrittsrede als Präsident des Bundesrates hatte ich die Hoffnung geäußert, daß die Bundesländer auch bei gegensätzlicher parteipolitischer Überzeugung gemeinsam gegenüber dem Bundestag als dem anderen Gesetzgebungsorgan auftreten und handeln können. Als Beispiel habe ich unser gemeinsames Eintreten für ein zeitgerechtes und Mißbräuche eingrenzendes Asylrecht genannt.
    Welche Bedeutung der Bundesrat dem Thema Asylrecht beimißt, zeigt die Tatsache, daß er seine Beratungen in den Ausschüssen parallel zu denen des Bundestages durchgeführt hat. Wenn ich mir allerdings den Verlauf dieser Beratungen in den Bundesratsausschüssen vor Augen führe, dann muß ich jetzt schon die für mich betrübliche Feststellung machen, daß ich mich hinsichtlich des gemeinsamen Eintretens ein wenig getäuscht habe. — Dies zu den Problemen der Bundesratsbank.
    Falls nicht doch noch ein Mehr an Verständigungswillen zustande kommt, wird das Ergebnis aller Bemühungen sein, daß wir auch mit diesem Gesetzentwurf wieder im Vermittlungsausschuß landen.

    (Lambinus [SPD]: Leider!)

    Das ist eine weitere betrübliche Feststellung; denn das Asylverfahren ist ein denkbar untaugliches Objekt, um politische Händel zu suchen. Ich habe das Gefühl, daß auch in Bereichen, die uns alle gemeinsam angehen, nicht mehr ausreichend verhandelt wird. Es werden Maximalforderungen erhoben, die der politische Gegner, wie man schon vorher weiß, überhaupt nicht akzeptieren kann. Alles geschieht, um für das von vornherein eingeplante Verfahren im Vermittlungsausschuß die Ausgangsposition zu verbessern. Und dann werden in den Vermittlungsberatungen in nichtöffentlicher Sitzung Kompromisse ausgehandelt und in Form von Gesetzen gebracht, die so dem öffentlichen Willensbildungsprozeß entzogen und daher nicht mehr nachvollziehbar sind. Gesetze von der Tragweite beispielsweise des hier vorliegenden Asylverfahrensgesetzes bedürfen der Erörterung in Rede und Gegenrede hier in diesem Parlament, natürlich auch im Bundesrat, bedürfen des Willensbildungsprozesses, müssen für den



    Präsident des Senats Koschnick (Bremen)

    Bürger sichtbar werden und sollten vor den Augen der Öffentlichkeit entstehen; denn es geht hier um die rechtsstaatliche Position, um das, was wir als Liberalität und Freiheit an Recht, an Schutz und an Verfahrensregelungen dartun müssen, damit nicht der Eindruck entsteht, wir würden Gesetze mit einer anderen Begründung machen und im geheimen etwas anderes wollen.

    (Beifall bei der SPD)

    Deswegen bedaure ich, wenn die letzten Entscheidungen, notgedrungen — das sieht die Verfassung vor —, im stillen Kämmerlein des Vermittlungsausschusses fallen. Natürlich weiß ich auch, daß das Parlament das letzte Wort hat, daß der Vermittlungsausschuß es letztlich nicht zwingen kann, seine Kompromißformel anzunehmen. In der Öffentlichkeit entsteht aber mehr und mehr der Eindruck, daß der Vermittlungsausschuß den Rang eines gesetzgebenden Organs hat. Ich halte das für schädlich und appelliere an beide Häuser — ich sage bewußt: an beide Häuser, an alle Fraktionen, an alle Länder —, diesem Zustand abzuhelfen.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Meine sehr verehrten Damen, meine Herren, lassen Sie mich jetzt konkret auf den vorliegenden Gesetzentwurf eingehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    — Ich freue mich sehr, daß Sie klatschen. Als Oscar Schneider hier gesprochen hat und Sie hier einstimmig verworfen haben, was der Vermittlungsausschuß beschlossen hat, hätten Sie aber auch protestieren sollen. Ich greife einmal auf, was vor kurzem hier im Bundestag geschehen ist.

    (Zuruf des Abg. Dr. Klein [Göttingen] [CDU/CSU] )

    — Weil ich nicht wissen konnte, daß Sie einen solchen Entschließungsantrag einbringen können. Ich konnte nur darauf reagieren. Ich habe auch reagiert. Ich habe mich an den Herrn Bundestagspräsidenten gewandt, damit wir darüber sprechen können. Es wäre aber schon ganz fair, daß wir, wenn wir im Vermittlungsausschuß schon Vorschläge machen, sie hier im Bundestag hinterher zumindest gemeinsam vertreten. Ich tue das.

    (Rawe [CDU/CSU] : Sagen Sie das einmal an die Adresse der Kollegen von der Fraktion dort drüben! Die haben die Briefe verschickt! Das wollen wir doch einmal festhalten!)

    — Nein, nicht an die Kollegen von dieser Fraktion. Lieber Herr Rawe, kommen Sie bitte nach Bremen. Ich zeige Ihnen dann einmal, was die CDU in Bremen damals an Anzeigen veröffentlicht hat und welche Schuldzuweisung sie vorgenommen hat.

    (Rawe [CDU/CSU]: Sie hätten als Vorsitzender damals vor die Öffentlichkeit gehen können!)

    — Das habe ich getan. Ich habe an den Kollegen Vogel geschrieben. Das wissen Sie genausogut wie ich, lieber Herr Rawe.

    (Rawe [CDU/CSU]: Die Auflage wollen wir uns ersparen!)

    Herr Präsident, ich muß dies hier einmal deutlich sagen. Jetzt beginnt hier schon wieder die Schuldzuweisung. Ich plädiere nicht für Schuld. Ich habe mich an meinen Kollegen Vogel gewandt und habe gesagt: Laßt uns gemeinsam diesen Unsinn beenden.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Ich mache das, ich schreibe das — und jetzt wollen Sie eine Schuldzuweisung vornehmen. Nein, lassen Sie uns doch statt dessen gemeinsam, lieber Herr Rawe, weiter den Weg gehen, uns hinterher nicht gegenseitig Schuld zuzuweisen, sondern lieber offen zu sagen, wo wir politisch stehen, und wo die Kompromisse gefunden werden. Alles, was unter dem Deckmantel der Vertraulichkeit geschieht, bekommt den diffusen Anstrich, wir seien nicht mehr bereit, unsere Positionen in der Öffentlichkeit zu vertreten.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Ich plädiere deswegen dafür: Laßt uns aufeinander zugehen, und zwar auch bei diesem Gesetz. Für diejenigen, die die Gesetzgebungskompetenz haben — in meinen Augen sind das zunächst einmal die vom Volk gewählten Abgeordneten — —

    (Zuruf von der CDU/CSU)

    — Auch das, lieber Herr Abgeordneter, habe ich draußen immer vertreten, zum Erstaunen mancher sozialdemokratischer Abgeordneter, die meinten, wir im Bundesrat wären ganz und gar bescheuert. Das sind wir nicht.
    Der zweite Punkt ist dieser: Dann hören Sie aber bitte auch auf das, was diejenigen sagen, die in der Praxis mit diesen Gesetzen umgehen müssen. Reflektieren Sie bitte nicht nur, was Ihnen Verwaltungsrichter sagen, sondern reflektieren Sie auch einmal die konkreten Schwierigkeiten in den Ballungsgebieten, wo wir eine große Zahl von Asylanten haben.

    (Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Das haben wir getan!)

    — Ja, ich komme darauf. — Versuchen wir auch einmal, die Praxis der Länder und Gemeinden ein bißchen in einen Konsens mit den rechtsstaatlich notwendigen Maßnahmen zu 'bringen. Wir wollen die Rechtsstaatlichkeit schließlich nicht vor lauter Praxis vor die Hunde gehen lassen. Zwischen diesen Polen möchten wir miteinander gern noch weiter reden.

    (Beifall bei der SPD — Löffler [SPD]: Ein gutes Wort!)

    Bund, Länder und Gemeinden müssen bei der Bewältigung der Asylantenproblematik an einem politischen Strang ziehen. Ziel einer neuen Verfahrensregelung — so habe ich es jedenfalls verstanden — muß es sein, das Verfahren unter Wahrung seiner rechtsstaatlichen Ausgestaltung, die ein wesentliches Element der Gewährleistung des Grundrechtes



    Präsident des Senats Koschnick (Bremen)

    auf Asyl darstellt, entscheidend zu beschleunigen, um einerseits — das ist immer wieder gesagt worden — Asylberechtigte rasch in den Genuß der Rechte gelangen zu lassen, die ihnen die deutschen Gesetze gewähren, und andererseits Nichtberechtigten alsbald Klarheit über ihren Status zu verschaffen. In dieser Hinsicht gibt es keinen Streit. Wir streiten über den Weg.
    Die von den Gemeinden aufzubringenden Kosten für die sogenannten unechten Asylanten müssen im Hinblick auf die äußerst angespannte Haushaltslage der Gemeinden durch Verkürzung der Zeit des Aufenthaltes in der Bundesrepublik spürbar gesenkt werden. Die Zeit des Aufenthaltes in der Bundesrepublik und damit die Zeit des Empfanges von Sozialhilfeleistungen für sogenannte unechte Asylanten ist zu verkürzen, damit sich die hohen Aufwendungen für die Einreise in unser Land und der Streit um die Anerkennung als Asylberechtigter nicht mehr für andere bezahlt machen. Ich denke dabei nicht in erster Linie an den Asylanten, der sich hier bewirbt, sondern an diejenigen, die im Rahmen von Schlepperorganisationen und zum Teil auch im Rahmen von Betreuungsorganisationen hier abkassieren und damit einen neuen Weg bereiten, der ja — auch mit dem Entwurf, über den wir heute hier reden — unterbunden werden sollte.
    Schließlich müßten wir gemeinsam wissen, daß ein zunehmender Mißbrauch des Art. 16 unseres Grundgesetzes eine wachsende Ausländerfeindlichkeit in der deutschen Bevölkerung mit sich bringt. Dieser Ausländerfeindlichkeit müssen wir entgegenwirken, zum einen im Interesse derjenigen, die hier berechtigt als Ausländer unter uns leben, und zum anderen auch im Interesse der wirklich politisch Verfolgten. Deshalb müssen wir zu klareren, die Zeiträume verkürzenden, aber rechtsstaatlichen Regelungen kommen. Wir wissen doch alle, daß gerade die große Zahl der unechten Asylanten zu der immer offensichtlicher werdenden Ausländerfeindlichkeit beigetragen hat, die ein fruchtbarer und furchtbarer Nährboden für antidemokratische, in der Regel rechtsextremistische Kräfte ist. Ich sehe natürlich auch mit Entsetzen, daß der eine oder andere auf dem politischen Boden der demokratischen Parteien sich schon nicht mehr genügend einer wachsenden Ausländerfeindlichkeit entgegenstemmt. Dies ist kein Vorwurf an irgendeine Seite. Dieses Problem stellt sich vielmehr in bestimmten Wahlbereichen, wo der einzelne mit diesen Fragen konfrontiert wird. Man kann nur jeden bitten, hier nein zu sagen, um verderblichen Entwicklungen rechtzeitig entgegenzuwirken.
    Der Gesetzentwurf ist in meinen Augen ein dankenswerter Schritt in die richtige Richtung. Er ist Ausdruck des gemeinsamen Strebens um eine Verkürzung der Verfahrensdauer, aber leider nicht in allen Teilen. Ich habe dies, Frau Abgeordnete Däubler-Gmelin, bereits des öfteren kritisch angemerkt, keineswegs zur Freude der sich ernsthaft um eine rechtsstaatliche Lösung bemühenden Angehörigen des Hohen Hauses. Ich räume ein, daß eine ganze Reihe von Verbesserungen erreicht worden ist. Ich behaupte auch nicht, daß die Bundesratslösung der
    Weisheit letzter Schluß war. Das können wir nicht gemeinsam für uns gelten lassen. Ich weiß, welche wichtigen Ergebnisse das Hearing gebracht hat. Auch diese Ergebnisse sind zu beachten.
    Ich bitte Sie zu verstehen, warum ich hier noch etwas mehr engagiert bin als in anderen Fragen. Die kleinen Stadtstaaten haben einen Vorzug gegenüber den Flächenstaaten und den hohen Erkenntnissen einer Ministerialbürokratie, wie sie notgedrungen und Gott sei Dank in der Bundesverwaltung vorhanden ist. Wir erleben die praktischen Wirkungen der Gesetzgebung durch die enge Bindung Kommune — Land auch im Gerichtswege früher, schneller und können eher erkennen, wo Fehlentwicklungen sind. In zwei Fällen, die ich heute aber nicht mehr vortragen werde, weil es ja doch in den Vermittlungsausschuß geht, nämlich in Richtung auf die Folgeanträge und in Richtung auf Ihren Vorschlag, das Beschwerdeverfahren bei der Nichtzulassung der Berufung zuzulassen, kann es über den heutigen Stand der Rechtsprechung hinaus Verzögerungen geben. Wir würden das gern einmal einbrigen und sagen: Prüft es im weiteren Verfahren noch einmal. Aber es wäre falsch, an Hand von zwei, drei oder vier weiteren Beispielen einen Gesetzgebungsgang abzublokken. Wir müssen fertig werden, um draußen etwas mehr von der Sensibilität rechtsstaatlicher, und, wie ich meine, verwaltungspraktischer Erfahrungen zu gewinnen.

    (Löffler [SPD]: Da gebe ich Ihnen recht!)

    Bremen begrüßt daher — ungeachtet der beiden Bedenken, die ich angedeutet habe — die Bemühungen des Bundestages, das Asylverfahren zu beschleunigen, und hofft, daß sich Bundestag und Bundesrat in dieser für uns alle so wichtigen Frage nicht kompromißlos gegenüberstehen.
    Ich habe an meine Kollegen aus den Ländern die Bitte, noch einmal zu sehen, ob es nicht doch zu einem gesetzlichen Verteilungsschlüssel kommen muß,

    (Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Es muß!)

    damit ein Land die Verteilung nicht einseitig aufkündigen kann und die anderen aufnehmenden Länder am Anfang darunter leiden. Es gibt vor allen Dingen in Berlin die Schwierigkeiten mit dem großen Zuzug über die DDR-Grenze. Wir haben die Schwierigkeiten in Hessen, etwa auch in Stuttgart am Flughafen. Wir haben die Probleme in München; wir haben in Hamburg und Bremen die besonderen Bedingungen, daß wir den Einzug sowohl über die Flughäfen als auch über die nassen Häfen haben. Wir müssen Wert darauf legen, daß ein fairer Verteilungsschlüssel gefunden wird. Hier sage ich: nicht allein vom Bund, sondern Bund und Länder müssen sich über den Schlüssel verständigen, allerdings mit einer gesetzlichen Regelung, damit keiner ausbrechen kann. Dies wäre meine Position. Ich bitte die Kollegen im Bundesrat, die eine andere Vorstellung haben, das im Interesse der betroffenen Länder mitzusehen.



    Präsident des Senats Koschnick (Bremen)

    Ich möchte nun gern noch zwei Bemerkungen zu den Vorträgen hier machen. Der Abgeordnete Schöfberger hat in wohltuender Zurückhaltung,

    (Dr. Olderog [CDU/CSU]: Was?)

    völlig demagogiefrei deutlich gemacht, wie ein Münchener Rechtsanwalt die Probleme sieht. Ich erinnere mich in dem Moment an Ludwig Thoma, dessen großartige Leistung auch mehr im Glauben als in der rechtlichen Darstellung bestand.

    (Heiterkeit)

    Lieber Kollege Schöfberger, sagen Sie doch hier: alle Richter haben uns nachgewiesen, daß zwischen Absetzung und Versendung eines Urteils mehrere Monate liegen, weil die Schreibkräfte fehlen. Dies würde ich in den Glaubensbereich hineinbringen. Man hat Ihnen etwas gesagt, und Sie haben das geglaubt. Aber Sie sollten als Rechtsanwalt nicht sagen, es sei bewiesen. Ich lade Sie herzlich ein: Kommen Sie zu mir nach Bremen, gucken Sie sich unsere Gerichte an, anschließend kriegen Sie dann ein nach dem Reinheitsgebot gebrautes Bier — und Schnupftabak auch.

    (Heiterkeit und Beifall)



Rede von Richard Wurbs
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Dr. Schöfberger? — Bitte.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Rudolf Schöfberger


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Bürgermeister, ich war in Bremen noch nicht advokatisch tätig. Deswegen maße ich mir kein Urteil über Ihre Verhältnisse an. Ich habe aber — daran knüpft sich meine Frage — auf Grund eigener Erfahrung erlebt, wie lange man auf Urteile wartet. Ist Ihnen der Ausspruch von Ludwig Thoma bekannt: „In jedem Mensch steckt ein Prozeß; man muß ihn nur zutage fördern", und meinen Sie, daß wir beim Asylverfahren dafür sorgen müßten, daß dieser Ausspruch nicht zum zentralen Element des Asylverfahrens wird?