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ID0908022000

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    Plenarprotokoll 9/80 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 80. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 21. Januar 1982 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 4770 A Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1982 (Haushaltsgesetz 1982) — Drucksachen 9/770, 9/965 — Beschlußempfehlungen und Bericht des Haushaltsausschusses Einzelplan 11 Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung — Drucksache 9/1191 — Dr. Friedmann CDU/CSU 4729 B Grobecker SPD 4734 C Cronenberg FDP 4737 C Franke CDU/CSU 4740 D Dr. Ehrenberg, Bundesminister BMA 4745 D, 4755 D Dr. Blüm, Senator des Landes Berlin . 4749 D Lutz SPD 4757 B Schmidt (Kempten) FDP 4759 C Erklärungen nach § 30 GO Dr. Friedmann CDU/CSU 4762 D Lutz SPD 4763 B Einzelplan 15 Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit — Drucksache 9/1195 — Dr. Rose CDU/CSU 4763 C Erklärungen nach § 32 GO Lutz SPD 4769 C Dr. Friedmann CDU/CSU 4769 C Hoffmann (Saarbrücken) SPD 4770A Eimer (Fürth) FDP 4774C Zander, Parl. Staatssekretär BMJFG . 4776 C Einzelplan 30 Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie — Drucksache 9/1201 — Dr. Stavenhagen CDU/CSU 4779 B Vosen SPD 4781C Dr. Zumpfort FDP 4784 D Dr. von Bülow, Bundesminister BMFT 4788 A Einzelplan 06 Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern — Drucksache 9/1186 — in Verbindung mit Einzelplan 36 Zivile Verteidigung — Drucksache 9/1206 — in Verbindung mit Einzelplan 33 Versorgung — Drucksache 9/1204 — II Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 80. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 21. Januar 1982 Gerster (Mainz) CDU/CSU 4791 D Kühbacher SPD 4797 B Dr. Hirsch FDP 4800 B Borchert CDU/CSU 4803 D Dr. Nöbel SPD 4805 D Wolfgramm (Göttingen) FDP 4807 B Baum, Bundesminister BMI 4808 D Einzelplan 07 Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz — Drucksache 9/1187 — 4816 B Einzelplan 19 Bundesverfassungsgericht — Drucksache 9/1196 — 4816B Einzelplan 31 Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft — Drucksache 9/1202 — Dr. Rose CDU/CSU 4816 C Wallow SPD 4819 D Frau von Braun-Stützer FDP 4822 D Engholm, Bundesminister BMBW . . . 4825 D Haushaltsgesetz 1982 — Drucksachen 9/1208, 9/1257 — . . . . 4829A Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Waigel, Dr. Köhler (Wolfsburg), Grunenberg, Ewen, Funke, Dr. von Geldern, Kittelmann, Dr. Klejdzinski, Rapp (Göppingen) und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Tiefseebergbaus — Drucksache 9/1074 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft — Drucksache 9/1176 — 4829A Nächste Sitzung 4829 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 4831*A Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 80. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 21. Januar 1982 4729 80. Sitzung Bonn, den 21. Januar 1982 Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung 77. Sitzung, Seite 4475, Anlage 1: In die Liste der entschuldigten Abgeordneten ist der Name „Dr. Böhme" und das Datum „15. 1." einzufügen. 78. Sitzung, Seite 4499 C: In Zeile 5 ist „26 770 000 000 DM" und in Zeile 8 ist „23 660 000 000 DM" zu lesen. Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Eimer 21. 1. Ertl 22. 1. Feinendegen 21. 1. Ganz 21. 1. Frau Huber 22. 1. Frau Krone-Appuhn 21. 1. Dr.-Ing. Laermann 22. 1. Liedtke 21. 1. Dr. Mertes (Gerolstein) 22. 1. Möllemann 22.1. Rohde 22. 1. Frau Roitzsch 22. 1. Dr. Solms 22. 1. Dr. Stark (Nürtingen) 22. 1. Graf Stauffenberg 22. 1. Walther 22. 1. Baron von Wrangel 22. 1.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Hans Wallow


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Was wir gerade gehört haben, war eine eifrige Rede.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Eine gute Rede!)

    Aber es war blinder Eifer, der mit der bildungspolitischen Realität dieses Landes überhaupt nichts zu tun hat.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Mich erinnerte das an eine bildungspolitische Buchhaltung, bei der es sich lohnte, auf jeden einzelnen Punkt einzugehen. Aber die Zeit erlaubt es nicht. Deswegen lassen Sie mich ganz kurz auf einige Punkte eingehen, die außerdem noch exemplarisch



    Wallow
    den Zickzackkurs der Opposition im Bereich der Bildungspolitik belegen.

    (Dr. Riedl [München] [CDU/CSU]: Sie sollen doch über die Regierung reden! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    — Lassen Sie mich doch bitte ausreden. Ich will doch nur Ihre Erinnerung auffrischen.

    (Rühe [CDU/CSU]: Es muß aber auch etwas kommen!)

    Vielleicht erinnern Sie sich daran, daß schon vor etlichen Jahren der heutige Kultusminister von Baden-Württemberg, Herr Mayer-Vorfelder, vehement dafür eintrat — damals war er Staatssekretär in der Staatskanzlei unter Herrn Filbinger —, daß die Mischfinanzierung entflochten wird und daß sich der Bund aus dem Studentenwohnraumbau heraushält.
    Wir haben das nicht getan, sondern wir haben in zehn Jahren gemeinsam mit den meisten Ländern den Studentenwohnraumbau mit 1,4 Milliarden DM gefördert.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Jetzt, nachdem die Aufbaujahre abgeschlossen sind, sind die nach der Verfassung dafür zuständigen Länder dafür verantwortlich. Es wurden insgesamt 120 000 Studentenwohnheimplätze geschaffen — eine Leistung, die Sie, meine Damen und Herren von der Opposition, doch endlich auch einmal anerkennen sollten.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Daweke [CDU/CSU]: Die Länder haben es doch gemacht!)

    Der Bund wird seine Verpflichtungen erfüllen. Es wird jedes Projekt zu Ende gebaut.

    (Zuruf von der CDU/CSU)

    — Sie brauchen da Nachhilfe. — Das, was wir jetzt erleben, ist ein erster Erfolg des gemeinsamen Bestrebens, die Mischfinanzierung zu entflechten.
    Einer Ihrer beliebten Kritikpunkte sind die Modellversuche. Sie sind quantitativ gesehen kein Schwerpunkt der Bildungspolitik. Aber dieser Bereich ist über Jahre hinweg Zielscheibe der Kritik der Opposition.
    Ich muß Sie wirklich fragen: Was haben Sie denn dagegen einzuwenden, wenn in einem Modellversuch Mädchen die sogenannten Männerberufe erlernen?
    Was haben Sie dagegen einzuwenden, wenn lernschwache Schüler ohne Hauptschulabschluß in überbetrieblichen Ausbildungswerkstätten mit Anknüpfung an die betriebliche Praxis doch noch zu einem Berufsabschluß kommen?

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Ist es nicht dringend notwendig, daß wir über einen Modellversuch herausfinden, welche Qualifikationsmaßstäbe beispielsweise bei sprachlich benachteiligten Ausländerkindern insgesamt angelegt werden müssen?

    (Zuruf von der CDU/CSU)

    — Ich möchte Sie über Modellversuche aufklären, weil Sie ständig darüber reden, aber nie wissen, was da gemeint ist.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Was haben Sie eigentlich dagegen, wenn die Ausbildungskapazität beim Medizinstudium dadurch verbessert wird, daß neue Medien erprobt werden, wie das beispielsweise in Essen der Fall ist? Ich empfehle Ihnen, sich das anzuschauen, bevor Sie hier darüber reden.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Daweke [CDU/CSU]: Wenn ich über Essen reden würde, würde ich den Hochschulbau in Essen ansprechen! Sie müssen das Loch von Essen ansprechen!)

    — Herr Daweke, ich bin sicher: Wenn wir hier die Muße und die Zeit hätten, die ganzen Projekte durchzugehen — es sind über 100 —, bliebe von Ihrer Kritik nichts mehr übrig.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Sie sind nämlich einfach dagegen, weil Sie die Modellversuche unter einen diffusen Reformverdacht stellen. Das ist doch der Punkt.

    (Immer [Altenkirchen] [SPD]: Die haben Angst, daß sie gut sind!)

    Ihre Ablehnung entspringt den konservativen Ängsten vor Bewegung und Veränderung.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Zuruf von der CDU/CSU: Jetzt werden aber Pappkameraden aufgebaut!)

    Die Modellversuche — das sage ich Ihnen ganz offen — stellen Reformpolitik dar. Wir Sozialdemokraten sind stolz darauf, daß wir trotz der Finanznöte in diesem Bereich noch Reformpolitik betreiben können.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Daweke [CDU/CSU]: „Modell Deutschland"! — Zuruf des Abg. Dr. Bötsch [CDU/CSU] — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    — Bevor Sie jetzt weitere Zwischenrufe machen, empfehle ich Ihnen wirklich, einmal zuzuhören.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Werfen Sie nicht mit dem Ding!)

    — Ja, ich werfe mit dem Ding. Wissen Sie auch, warum? Weil die CDU/CSU-regierten Länder insgesamt 53 % dieser Modellversuche für sich in Anspruch nehmen. Das sind 69 Projekte.

    (Daweke [CDU/CSU]: Die regieren auch die Mehrheit der Länder! Was ist denn, wenn wir in allen Ländern regieren?)

    — Herr Daweke und auch Herr Rose — vielleicht nehmen Sie das mit nach Bayern —, allein das schöne Bundesland Bayern

    (Dr. Riedl [München] [CDU/CSU]: Kommen Sie einmal zu uns!)

    bekommt im Jahr 1981 für Modellversuche 13 Millionen DM.



    Wallow
    Jetzt könnte mir von Ihnen entgegengehalten werden: Die nehmen das Geld, weil es diesen Topf gibt.

    (Daweke [CDU/CSU]: So ist es! Geld macht sinnlich!)

    — Ja, so ist es. — Auch da sollten Sie sich informieren. Die Länder sind an der Bestimmung der Inhalte und der pädagogischen Zielsetzung dieser Modellversuche natürlich beteiligt und akzeptieren das. Ihre Haltung stimmt ganz genau mit dem überein, was ich am 20. November 1981 in der „Süddeutschen Zeitung" unter der Überschrift „Verworrene CDU- Bildungspolitik" gelesen habe. Sie können es nachlesen. Ich zitiere:
    Die bildungspolitischen Debatten der CDU-Bundespartei gewinnen immer „symbolischeren" Charakter.

    (Dr. Riedl [München] [CDU/CSU]: Das kann doch nicht wahr sein!)

    Sie verdichten sich zu einem Gebilde der schönen und angenehmen Bekenntnisse, die von der Realität immer weiter abheben und selbst einige Kultusminister der eigenen Partei

    (Immer [Altenkirchen] [SPD]: Remmers!) wachsend befremden.


    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Es ist wirklich an der Zeit, daß Sie mit dieser Schaufensterkritik aufhören.
    Mein Vorredner hat bezeichnenderweise mit der Begabtenförderung angefangen. Auf BAföG hat er nur einen Satz verwandt. Er hat nämlich gesagt, daß BAföG auch im Gefängnis gezahlt wird. Ich muß Ihnen sagen: Abgesehen davon, daß mich der materialistische Bildungsbegriff, der der gesamten Rede zugrunde lag, sehr erschrocken hat, empfinde ich so etwas als peinlich.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Das BAföG hat bei meinem Vorredner natürlich aus gutem Grund nur eine geringe Rolle gespielt. Ich bin der Auffassung, daß hier gesagt werden muß: Trotz schwieriger finanzpolitischer Rahmenbedingungen ist der Gesamtbestand der Ausbildungsförderung gesichert. Junge Menschen, die bei ihrer Ausbildung auf finanzielle Unterstützung des Sozialstaats angewiesen sind, können auch zukünftig auf die Hilfeleistungen vertrauen. Für uns Sozialdemokraten ist das eine elementare Bedingung der Sicherung der Chancengleichheit.

    (Beifall bei der SPD)

    Auch das nenne ich die konsequente Fortführung sozialliberaler Reformpolitik trotz finanzieller Engpässe.

    (Zuruf von der SPD: Richtig!)

    Der Vorschlag der Unionsparteien und der unionsregierten Länder, das BAföG der Schüler, die bei ihren Eltern wohnen, zu streichen, hätte 94 % aller Schüler getroffen. Davon sind 34 % Arbeiterkinder.

    (Rühe [CDU/CSU]: Das stimmt nicht!)

    Das war ein gezielter Angriff auf die Bildungschancen der einkommensschwachen Schichten.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Zuruf von der CDU/CSU: Das glauben Sie doch selber nicht!)

    Dann erklärt der Fraktionsvorsitzende der CDU/ CSU vorgestern, das sei keine soziale Zumutung. Er weiß offenbar nicht, daß das Land, in dem er früher einmal Ministerpräsident war und in dem jetzt Herr Vogel regiert, nicht nur die Streichung-des Schüler- BAföG gefordert hat. Nein, da soll beschlossen werden, daß die Schülerbeförderungsbeiträge der Eltern erhöht werden. Dort sollte beschlossen werden, die Lehrmittel um ein Drittel zu kürzen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das hat die FDP gefordert! — Weiterer Zuruf von der CDU/ CSU: Und was ist in Nordrhein-Westfalen?)

    Jetzt nehmen Sie als Beispiel eine Arbeiterfamilie mit zwei Kindern auf weiterführenden Schulen. Das hätte eine Einbuße von 600 DM und mehr bedeutet.

    (Zuruf von der SPD: Unerhört!)

    Dann hat mein Vorredner dafür nur einen Satz übrig: Es gibt auch BAföG im Gefängnis. Peinlich!

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Diese Kürzung hätte insbesondere die Mädchen getroffen. Denn auch heute fällt, wenn das Geld in Mehrkinderfamilien fehlt, die Entscheidung immer noch zugunsten des Jungen, und die Mädchen enden auf Grund mangelnder Bildungschancen in den Leichtlohngruppen. Das wollen wir Sozialdemokraten nicht.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir werden alles dafür tun, daß es nicht so weit kommt.
    Die Mädchen haben zwar im Durchschnitt bessere Schulzeugnisse und Schulnoten; trotzdem stellen sie weit mehr als die Hälfte aller Jugendlichen ohne Ausbildungsvertrag. Ich habe große Sorge, daß sich diese Entwicklung noch weiter zuspitzt und daß sich bei sinkendem Lehrstellenangebot insbesondere die Mädchen die Hacken ablaufen müssen, um einen Ausbildungsplatz zu bekommen.
    Wir werden aufpassen müssen, daß nicht wieder das eintritt, was wir durch sozialliberale Reformpolitik schon überwunden glaubten: daß Mädchen ohne Berufsausbildung zu Hause bleiben müssen und darauf warten, daß der richtige Mann auf der Bildfläche erscheint.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das haben Sie mit Ihrer Wirtschaftspolitik zu verantworten!)

    Wenn Sie sich in den letzten Jahren mit uns darüber gefreut haben — das haben Sie doch sicher getan —, daß wir die Zahl der Ausbildungsplätze um 250 000 steigern konnten, dann ist das — man kann es ruhig aussprechen — natürlich auch eine Leistung der privaten Wirtschaft, insbesondere des
    4822 Deutscher Bundestag Wahlperiode Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 21. Januar 1982
    Wallow
    Handwerks. Aber es ist auch eine Wirkung des Ausbildungsplatzförderungsgesetzes.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir hatten nämlich — wenn Sie sich recht erinnern — in früheren Zeiten auch andere Töne gehört. Da gab es diesen ominösen Brief der Spitzenverbände der Wirtschaft, des Handels und des Handwerks, der Abstriche an der Ausbildungsqualität und am Jugendschutz forderte und dafür 50 000 Ausbildungsplätze anbot. Aber über 250 000 Plätze haben wir geschaffen.
    Die Bundesregierung hat sich auf diesen Kuhhandel nicht eingelassen. Sie hat in der beruflichen Bildung über Jahre investiert, und sie hat ein Gesetz vorgelegt, daß in seiner Intention die Wirtschaft in die Mitverantwortung für die Ausbildung junger Menschen nahm. Diese Zielsetzung wurde vom Bundesverfassungsgericht ausdrücklich bestätigt. Ich zitiere:
    Wenn der Staat in Anerkennung diese Aufgabenteilung den Arbeitgebern die praxisbezogene Berufsausbildung der Jugendlichen überläßt, so muß er erwarten, daß die gesellschaftliche Gruppe der Arbeitgeber diese Aufgaben nach Maßgabe ihrer objektiven Möglichkeiten damit so erfüllt, daß grundsätzlich alle ausbildungswilligen Jugendlichen die Chance erhalten, einen Ausbildungsplatz zu bekommen.
    Wenn Herr Zimmermann und vorhin Zwischentufer die Auffassung vertraten, daß dieses Problem allein mit einem Konjunkturaufschwung gelöst wäre, dann will ich Ihnen einmal eine Aussage Ihres jetzigen Fraktionsvorsitzenden und früheren Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz in Erinnerung rufen und vielleicht auch mit auf den Weg geben. Hören Sie gut zu! Ich zitiere Herrn Kohl:
    Wir gehen davon aus, daß eine Reform der beruflichen Bildung ein neues Finanzierungssystem für die betriebliche Ausbildung verlangt. Dabei wird es notwendig sein, auch jene Betriebe stärker zur Finanzierung der beruflichen Bildung heranzuziehen, die sich nicht unmittelbar an der für die gesamte Wirtschaft erforderlichen Ausbildung des Nachwuchses beteiligen.

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der SPD: Unser Konzept! — Wer hat das gesagt? — Immer [Altenkirchen] [SPD]: War der damals Sozialdemokrat? — Weitere Zurufe von der SPD)

    Wenn wir so etwas sagen, heißt das, daß das duale System abgeschafft werden solle. Dieses historische Zitat von Herrn Kohl ist heute brennend aktuell; denn die Schaffung krisensicherer, konjunkturunabhängiger Ausbildungsplätze, meine Damen und Herren von der Opposition, ist der beste Dialog mit der Jugend.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Die rote Lampe leuchtet. Ich wäre gern noch auf einige Punkte meines Vorredners eingegangen, etwa auf den Hochschulbau. Lassen Sie mich dazu abschließend sagen: Reformpolitik muß auch auf diesem Sektor weiter verfolgt werden. Noch stärker als bisher müssen wir auf den effizienteren Einsatz staatlicher Mittel achten.

    (Kittelmann [CDU/CSU]: Schwanengesang!)

    Wir müssen lernen, kreativ zu wirtschaften,

    (Dr. Riedl [München] [CDU/CSU]: Sparsam zu wirtschaften!)

    d. h. wir müssen in Zukunft die Raumkapazitäten besser nutzen.

    (Dr. Riedl [München] [CDU/CSU]: Sie haben kreativ Schulden gemacht!)

    Es ist notwendig, uns zu überlegen, wie es weitergehen soll,

    (Kittelmann [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    wenn wir zwischen 1981 und 1983 1,3 Millionen Studenten haben. Wir werden nicht umhin können, zu überlegen, ob wir uns den Luxus leisten können, den es nirgendwo in anderen Industriestaaten der Welt gibt, die Universitäten ein halbes Jahr Leerstehen zu lassen. In diesem Punkt sind wir Bildungspolitiker über kleinliche Streitereien hinweg zu Gemeinsamkeit aufgefordert. Dort brauchen wir Lösungsmöglichkeiten.
    Wir Sozialdemokraten sind bereit, das zu tun. Wir sind bereit, über die aktuelle Tagespolitik hinweg in solchen Fragen mit allen zusammenzuarbeiten. Denn erst dadurch ist die mittelfristige Finanzierung und Fortentwicklung unseres Bildungswesens gesichert. Das müssen wir. Denn in den Bildungsinvestitionen liegt unser aller Zukunft.
    Der Etat des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft entspricht dieser Forderung. Er ist ein Etat der Vernunft.

    (Lachen bei der CDU/CSU)

    Es muß gespart werden. Aber mit diesem Etat können wir die Fortsetzung der Reformpolitik als gesichert ansehen. Deswegen stimmen wir ihm zu.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)



Rede von Heinrich Windelen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Ich erteile das Wort der Frau Abgeordneten von Braun-Stützer.

(Dr. Riedl [München] [CDU/CSU]: Jetzt kommt ein schöner Beitrag!)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Carola von Braun-Stützer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Zunächst zu Ihnen, Herr Rose: Sie beliebten, die Gebetsmühle von der „ Überproduktion an Akademikern" in unserem Land wieder mal zu drehen.

    (Dr. Rose [CDU/CSU]: Die Realität!)

    Sie meinen damit sicher die Gleichwertigkeit zwischen akademischer und beruflicher Ausbildung, die ja alle Parteien und alle Fraktionen in diesem Land wollen. Aber wie weit es damit in Wirklichkeit her ist, sehen Sie aus folgender Erklärung eines Verbandes und einer Person, die, wenn ich es richtig verstehe, Ihnen wohl sehr nahesteht. Ich zitiere aus dem „Deutschen Depeschendienst" vom 14. Januar:



    Frau von Braun-Stützer
    Jeder dritte Oberstufenschüler im Gymnasium geht heute nach Ansicht des Präsidenten des Lehrerverbandes, Clemens Christians, auf die falsche Schule. Er gehört nicht da hin. Er ist leistungsmäßig Schamott.
    Das erklärte dieser Herr Christians. Ein paar Zeilen weiter heißt es:
    Sie sollten abgehen, berufsfördernde Schulen besuchen.
    Das ist die Gleichwertigkeit zwischen akademischer und beruflicher Ausbildung, die wir zur Zeit haben.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Der Haushalt 1982 ist der erste einer vermutlich längeren Kette von Haushaltsjahren, in denen die handelnden politischen Ebenen eines beweisen und bewerkstelligen müssen. Es muß den handelnden Politikern, Parteien und Verwaltungen in Bund, Ländern und Gemeinden gelingen, eine Gesellschaft neu zu organisieren, die ihre Konflikte nicht mehr über Wachstumshoffnungen ausgleichen kann. Dies erfordert Weitsicht und die Fähigkeit, sich auch in die Interessenlage und die sachlichen Notwendigkeiten anderer hineinzuversetzen. Dies erfordert auch eine politische Grundhaltung der Gesamtverantwortung, die mit Festigkeit und Umsicht allen massiven Gruppeninteressen und Sankt-FloriansArgumenten entgegentritt, die in unserem Land so erschreckend zunehmen.
    Ich meine, daß der Haushalt '82 in seinem Ergebnis ein erster Schritt in die richtige Richtung ist: Er hat die Lasten der Einsparmaßnahmen, wie wir meinen, annähernd gerecht und ohne Bedrohung des sozialen Friedens zuwege gebracht. Ich halte dies für eine enorme Leistung, insbesondere auch der Kollegen im Haushaltsausschuß, die Anlaß zu der Hoffnung gibt, daß wir die weitere Strecke des dornenreichen Weges in den nächsten Haushaltsjahren auch noch bewältigen werden. Eines ist jedoch sicher: Der Druck der Gruppeninteressen und der Sankt-Florian-Argumente wird sich verstärken. Um so wichtiger ist es, kritisch zu prüfen, ob unsere politischen Instrumente dieser Zerreißprobe auch wirklich gewachsen sein werden.
    Ein paar kritische Entwicklungen können wir auf allen parlamentarischen Ebenen, vom Bund bis zu den Gemeinden, und in den Verwaltungen schon jetzt beobachten. Zum Beispiel kann man es durchaus als Parlamentarismusproblem ansehen, wenn die Haushalts- und Finanzausschüsse der Parlamente das Gewicht von Überparlamenten bekommen,

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    wobei dies wohlgemerkt auch als Kritik an den Fachausschüssen zu verstehen ist; denn bei aller Maulerei über dieses Parlamentarismusproblem habe ich noch keinen Vorschlag aus den Fachausschüssen gehört, der diesen Fehler ernsthaft zu beheben versuchte.

    (Beifall bei Abgeordneten der FDP)

    — Ich konnte mir schon denken, daß du da klatscht.
    Ich komme zu einem zweiten Beispiel, nämlich zur überproportional gestiegenen Bedeutung des Vermittlungsausschusses zu einem zweiten Überparlament, was von den Verfassungsvätern mit Sicherheit auch nicht so gedacht war.
    Die dritte und, wie ich meine, gefährlichste Entwicklung ist jedoch die allgemeine politische Mentalität des Kästchendenkens. Es tut mir leid, Herr Rose, Ihre Rede war wieder ein Beispiel dafür.

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

    Ich meine das Denken in Zuständigkeitsbereichen statt in politischen Zusammenhängen, das Denken in Haushaltsjahren und Einzelplänen statt in politischen Prioritäten. Malte Buschbeck hat in einem hervorragenden Artikel in der „Süddeutschen Zeitung" vom 29. Dezember vorigen Jahres genau auf dieses — —

    (Daweke [CDU/CSU]: Den hatten wir schon! Das war der von Wallow! Sie lesen den gleichen Ausschneidedienst!)

    — Das tut mir leid. Den Beitrag habe ich nur partiell mitbekommen. Herr Kollege Obmann, Sie sind an sich immer der Strahlemann, wenn es um Pressezitate geht. Ich vermisse Ihre Rede in diesem Zusammenhang.

    (Daweke [CDU/CSU]: Ich lese auch, vor allem was ich selber schreibe! — Heiterkeit)

    — Das freut mich aber für Sie.
    Ich glaube, daß insbesondere der Hinweis auf das Dickicht der Kostenträger und die Verkrustung der Etatgrenzen die kritische Frage erlaubt, ob eine gesamtgesellschaftliche Kostenübersicht überhaupt noch gezogen werden kann. Ich glaube, daß dieser Hinweis von Malte Buschbeck ganz besonders wichtig ist. Er sagt zu Recht: „Die Spardebatte ... hat gesellschaftspolitisch bisher mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet." Ich halte dies für einen ganz wichtigen Gesichtspunkt im Hinblick auf die Haushalte der kommenden Jahre.
    Meine Damen und Herren, ich bitte um Ihr Verständnis dafür, daß ich diese grundsätzlichen Fragen ein wenig ausführlich behandelt habe. Bildungspolitik ist aus der Natur der Sache heraus langfristiger und perspektivischer als die meisten anderen Politikbereiche angelegt. Die Bildungspolitik muß nun einmal in Schüler- und Studentengenerationen und nicht nur in Schuljahren denken und planen. Deshalb wirken sich die kritischen Entwicklungen, die ich versucht habe aufzuzeigen, zuallererst und am meisten im Bildungsbereich aus. Daher ist es gerade die Aufgabe der Bildungspolitiker, rechtzeitig auf diese Entwicklungen aufmerksam zu machen, die sich über kurz oder lang auch auf die Beschäftigungs- und Wirtschaftspolitik auswirken werden. Nicht umsonst stand die Haushaltsdebatte, auch die Bildungsdebatte, bisher stark unter dem Eindruck der erschreckend hohen Zahl von 1,7 Millionen Arbeitslosen. Hier beweist sich, daß die Bildungs- und



    Frau von Braun-Stützer
    Hochschulpolitik nicht Luxus für gute Zeiten ist, sondern daß sie einen wesentlichen Beitrag zur Sicherung der Bildungs- und Berufschancen der jungen Generation geleistet hat und dies auch in Zukunft tun muß.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Wir haben heute mehr betriebliche Ausbildungsverhältnisse als jemals zuvor in der Bundesrepublik Deutschland. Hier haben sich die gemeinsamen Anstrengungen von Bund, Ländern, Arbeitgebern und Gewerkschaften gelohnt, und für diese Bemühungen ist allen Beteiligten Dank zu sagen.

    (Beifall bei allen Fraktionen)

    Die wirkliche Bewährungsprobe steht allerdings noch bevor. In den nächsten Jahren müssen die Ausbildungsleistungen der Wirtschaft auch über den eigenen Bedarf hinaus noch erheblich verstärkt werden.

    (Beifall bei der FDP, der SPD und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Dies ist zum einen ein Gebot der Solidarität gegenüber der jungen Generation; vor allen Dingen ist dies aber auch ein Gebot der wirtschaftspolitischen und beschäftigungspolitischen Weitsicht. Graf Lambsdorff hat schon in der Einbringungsrede zum Haushalt darauf hingewiesen, daß wir zum Ende dieses Jahrzehnts genau die umgekehrte Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt haben werden. Wir werden dann wieder händeringend nach qualifizierten Arbeitskräften suchen, und das heißt zwingend — deshalb hier noch einmal ein dringender Appell an die ausbildende Wirtschaft —, daß über den eigenen Bedarf hinaus ausgebildet werden muß.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wir brauchen keine Appelle, sondern eine bessere Wirtschaftspolitik!)

    Die Entwicklung des Ausbildungsplatzangebotes des Jahres 1981 wird diesem Bedarf nicht gerecht, was hier kritisch angemerkt werden muß.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)