Rede:
ID0908006900

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 10
    1. Herr: 1
    2. Senator,: 1
    3. gestatten: 1
    4. Sie: 1
    5. eine: 1
    6. Zwischenfrage: 1
    7. des: 1
    8. Herrn: 1
    9. Abgeordneten: 1
    10. Glombig?: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 9/80 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 80. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 21. Januar 1982 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 4770 A Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1982 (Haushaltsgesetz 1982) — Drucksachen 9/770, 9/965 — Beschlußempfehlungen und Bericht des Haushaltsausschusses Einzelplan 11 Geschäftsbereich des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung — Drucksache 9/1191 — Dr. Friedmann CDU/CSU 4729 B Grobecker SPD 4734 C Cronenberg FDP 4737 C Franke CDU/CSU 4740 D Dr. Ehrenberg, Bundesminister BMA 4745 D, 4755 D Dr. Blüm, Senator des Landes Berlin . 4749 D Lutz SPD 4757 B Schmidt (Kempten) FDP 4759 C Erklärungen nach § 30 GO Dr. Friedmann CDU/CSU 4762 D Lutz SPD 4763 B Einzelplan 15 Geschäftsbereich des Bundesministers für Jugend, Familie und Gesundheit — Drucksache 9/1195 — Dr. Rose CDU/CSU 4763 C Erklärungen nach § 32 GO Lutz SPD 4769 C Dr. Friedmann CDU/CSU 4769 C Hoffmann (Saarbrücken) SPD 4770A Eimer (Fürth) FDP 4774C Zander, Parl. Staatssekretär BMJFG . 4776 C Einzelplan 30 Geschäftsbereich des Bundesministers für Forschung und Technologie — Drucksache 9/1201 — Dr. Stavenhagen CDU/CSU 4779 B Vosen SPD 4781C Dr. Zumpfort FDP 4784 D Dr. von Bülow, Bundesminister BMFT 4788 A Einzelplan 06 Geschäftsbereich des Bundesministers des Innern — Drucksache 9/1186 — in Verbindung mit Einzelplan 36 Zivile Verteidigung — Drucksache 9/1206 — in Verbindung mit Einzelplan 33 Versorgung — Drucksache 9/1204 — II Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 80. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 21. Januar 1982 Gerster (Mainz) CDU/CSU 4791 D Kühbacher SPD 4797 B Dr. Hirsch FDP 4800 B Borchert CDU/CSU 4803 D Dr. Nöbel SPD 4805 D Wolfgramm (Göttingen) FDP 4807 B Baum, Bundesminister BMI 4808 D Einzelplan 07 Geschäftsbereich des Bundesministers der Justiz — Drucksache 9/1187 — 4816 B Einzelplan 19 Bundesverfassungsgericht — Drucksache 9/1196 — 4816B Einzelplan 31 Geschäftsbereich des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft — Drucksache 9/1202 — Dr. Rose CDU/CSU 4816 C Wallow SPD 4819 D Frau von Braun-Stützer FDP 4822 D Engholm, Bundesminister BMBW . . . 4825 D Haushaltsgesetz 1982 — Drucksachen 9/1208, 9/1257 — . . . . 4829A Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Waigel, Dr. Köhler (Wolfsburg), Grunenberg, Ewen, Funke, Dr. von Geldern, Kittelmann, Dr. Klejdzinski, Rapp (Göppingen) und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Tiefseebergbaus — Drucksache 9/1074 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft — Drucksache 9/1176 — 4829A Nächste Sitzung 4829 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 4831*A Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 80. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 21. Januar 1982 4729 80. Sitzung Bonn, den 21. Januar 1982 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Berichtigung 77. Sitzung, Seite 4475, Anlage 1: In die Liste der entschuldigten Abgeordneten ist der Name „Dr. Böhme" und das Datum „15. 1." einzufügen. 78. Sitzung, Seite 4499 C: In Zeile 5 ist „26 770 000 000 DM" und in Zeile 8 ist „23 660 000 000 DM" zu lesen. Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Eimer 21. 1. Ertl 22. 1. Feinendegen 21. 1. Ganz 21. 1. Frau Huber 22. 1. Frau Krone-Appuhn 21. 1. Dr.-Ing. Laermann 22. 1. Liedtke 21. 1. Dr. Mertes (Gerolstein) 22. 1. Möllemann 22.1. Rohde 22. 1. Frau Roitzsch 22. 1. Dr. Solms 22. 1. Dr. Stark (Nürtingen) 22. 1. Graf Stauffenberg 22. 1. Walther 22. 1. Baron von Wrangel 22. 1.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Norbert Blüm


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Ich habe davon gesprochen, daß in Berlin Kindertagesstätten kostenlos zur Verfügung gestellt werden,

    (Roth [SPD]: Beantworten Sie die Frage!)

    und daß es auch ein Gebot sozialer Gerechtigkeit ist, wenn wir — entsprechend der Leistungsfähigkeit — hier eine Gebühr erheben und diese an anderer Stelle zu sozialen Zwecken einsetzen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, lassen Sie mich unsere gemeinsame Aufmerksamkeit auf das Beschäftigungsprogramm lenken. Das beste, das effektivste Beschäftigungsprogramm sind die Förderung von Firmengründungen und die Verhinderung von Firmenzusammenbrüchen. Das ist, wie gesagt, das beste Beschäftigungsprogramm, das man sich denken kann.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Da streiten Sie sich mit viel Getöse, ob der Bund 5 oder 6 Milliarden DM für ein staatliches Beschäftigungsprogramm auf die Beine kriegt. Ja, mein Gott, Sie verhindern durch Ihre Politik private Investitionen von 60 Milliarden DM im Kernenergiebereich, im Wohnungsbau, im Kommunikationsbereich. Sie können mit der linken Hand gar nicht so viel ausgeben, wie Sie mit der rechten abwürgen; das ist doch Ihre Politik.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Franke [CDU/ CSU]: Norbert, die würgen links, nicht rechts!)

    — Gut, mit welcher Hand sie würgen, soll uns gleich sein. Ich stelle nur fest: 150 000 Bauarbeiter sind arbeitslos, 50 000 arbeiten kurz. Wir brauchen 400 000 Wohnungen; wir haben Wohnungssuchende. Die Bauarbeiter, die arbeitslos sind, wollen arbeiten; davon gehe ich aus.

    (Löffler [SPD]: Das haben wir auch schon gehört!)

    Die Unternehmer wollen nicht bankrott machen.

    (Löffler [SPD]: Sie kommen doch nicht extra nach Bonn geflogen, um die alten Kamellen zu verkaufen!)

    — Ja, es ist doch richtig: Die Wohnungssuchenden wollen eine Wohnung. Also kann es weder an den



    Senator Dr. Blüm (Berlin)

    Bauarbeitern noch an den Wohnungssuchenden noch an den Unternehmern liegen. Wer bleibt übrig, Herr Löffler: Die Regierung, der Gesetzgeber.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU — Lachen bei der SPD und der FDP)

    Rudolf Sperner, ein sicherlich über jeden Verdacht erhabener Gewerkschafter, hat vorgerechnet, daß ein Baugesuch heute 20 Dienststellen durchlaufen muß.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Mindestens!)

    225 Gesetze und Verordnungen müssen beachtet werden,

    (Kolb [CDU/CSU]: So ist es!)

    bevor überhaupt der erste Stein in die Nähe eines Arbeiters kommt. Vor 15 Jahren waren es 48 Gesetze. Nur, damals, bei 48 Gesetzen, wurden 600 000 Wohnungen gebaut. Heute, bei 177 Gesetzen mehr, werden nicht 600 000, sondern nicht einmal 400 000 Wohnungen gebaut. Mit anderen Worten: Das Gesetz dieser Regierung heißt: Je mehr Gesetze, desto weniger Wohnungen. Das ist das Ergebnis dieser Rechnung.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Bürokratie und Produktivität sind ein Tandem, bei dem der eine strampelt und der andere bremst; deshalb passen sie nicht zusammen, jedenfalls dann nicht, wenn man aus der Misere herauskommen will.

    (Abg. Müntefering [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

    — Verehrter Herr Kollege Müntefering, gestatten Sie, daß ich diesen Gedankengang im Zusammenhang vortrage.
    Ich glaube, daß gerade die kleinen Unternehmer unter diesem überwuchernden Bürokraten- und Subventionsstaat leiden.

    (Zuruf von der SPD: Karneval!)

    — Das ist kein Karneval, das ist traurige Wirklichkeit. Der kleine Unternehmer hat keine Stabsabteilung, die jedes Gesetz ausnutzt. Der kleine Unternehmer ist der Verlierer des Subventionsstaats.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Der Subventionsstaat ist der Staat für die Cleveren, aber nicht der Staat, den wir wollen.
    Lassen Sie mich zum nächsten Punkt kommen: Bildung. Wachstum ist eine Maßnahme, Bildung eine andere. Die Hälfte der Arbeitslosen sind Ungelernte. Die Ungelernten, das sind die bevorzugten Kandidaten der Arbeitslosigkeit. Diese Überlegung gilt allerdings nicht nur für den einzelnen. Unsere weltwirtschaftliche Chance liegt vor allem bei den intelligenten Produkten, dort, wo eine hohe Arbeitnehmerqualifikation notwendig ist. Die Serienproduktion werden die Menschen in den armen Ländern der Dritten Welt möglicherweise billiger herstellen; es ist auch die einzige Form, sich mit Arbeit aus dem Elend herauszuarbeiten.
    Wir müssen uns auf die Normalität einstellen, daß man sich im Berufsleben immer wieder umstellen muß, fortbilden muß. Der Elektriker des Jahres 2000 wird mit dem Elektriker des Jahres 1982 möglicherweise nur noch den Namen gemeinsam haben. 88 %
    — Herr Ehrenberg, das ist ein Kompliment für Sie
    — derjenigen, die berufliche Förderungsmaßnahmen 1979/80 in Anspruch genommen haben, konnten anschließend in ein festes Arbeitsverhältnis vermittelt werden. Das ist ein ungeheurer Erfolg, nur frage ich Sie: Warum haben Sie diesen Erfolg demoliert? Warum haben Sie diesen Erfolg, ausgerechnet eine der wenigen arbeitsmarktpolitischen erfolgreichen Strategien, demontiert? Sie betreiben Selbstzerstörung, denn ich glaube schon, daß Bildung eines der wichtigsten Mittel ist, uns die Arbeitslosigkeit vom Hals zu halten, dem einzelnen und unserer Volkswirtschaft.
    Ich weiß, meine Damen und Herren, daß es auch in diesem Bereich sehr viel Mißbrauch gibt. Wir müssen den Mißbrauch beseitigen. Allerdings gibt es, Herr Cronenberg, Mißbrauch nicht nur im Bereich der beruflichen Bildung. Wenn ein Student sein Studium abbricht, das wir ihm mit viel Geld ermöglicht haben, dann ist das ein Kavaliersdelikt. Wenn eine Sekretärin ihre Umschulung nicht nutzt, dann schreit alles, als wäre das ein Kapitalverbrechen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Auch in diesen unterschiedlichen Bewertungen drückt sich noch ein Stück Diskriminierung der beruflichen Bildung aus.

    (Zuruf des Abg. Westphal [SPD])

    — Herr Westphal, Ihre Mehrheit hat doch die berufliche Bildung zertrümmert. Lenken Sie doch nicht zur falschen Seite ab.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Lachen bei der SPD)

    Ich glaube, daß wir in der Bekämpfung des Mißbrauchs weniger die Intelligenz und die Phantasie des Gesetzgebers brauchen als die Praxisnähe der Selbstverwaltung. Die wissen besser, wo die eigentlichen Drückeberger — und das sind Ausnahmen —, wo die Ausbeuter sitzen. Ich glaube, ein Gesetzgeber ist viel zu weit vom Schuß und nicht lebensnah genug, um dem Mißbrauch von Möglichkeiten gerecht werden zu können.
    Lassen Sie mich als dritten Punkt etwas zur Arbeitszeit vortragen. Meine Damen und Herren, wir sollten gemeinsam überlegen: Muß denn die Arbeitszeit so stur und starr bleiben, wie sie jetzt ist? Das ist sie seit 200 Jahren. Früher haben die Menschen sicherlich mehr gearbeitet, auch weniger verdient. Eines war bei ihnen aber sicherlich besser abgestimmt: Lebensrhythmus und Arbeitsrhythmus.
    Der alte Bauer hat sich Schritt für Schritt aus seiner Lebensaufgabe zurückgezogen. Erst das Industriezeitalter hat den Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand wie einen Kopfsprung organisiert und Kindheit und Erwerbsleben schroff gegeneinander abgetrennt. Muß es so sein, daß eine Mehrheit von Arbeitnehmern morgens auf Sirenengeheul in Betrieb gesetzt wird und abends auf Sirenengeheul wieder außer Betrieb gesetzt wird? Der Mensch ist



    Senator Dr. Blüm (Berlin)

    doch keine Maschine, die man mit dem Schalter bedienen kann.
    Könnten wir nicht Versuche machen, Lebensrhythmus und Arbeitsrhythmus besser aufeinander abzustimmen? Eine solche neue Zeitordnung würde auch die Raumordnung entlasten. Unsere Infrastruktur wird weitgehend schubweise genutzt und hat sehr viel Brachzeiten. Kollektivisten werden für solche individualisierenden Maßnahmen nie eine Antenne entwickeln. Die denken immer in Massenaggregaten, in großen Verordnungen.
    Ich meine, es würde auch eine Chance darin liegen, die Teilzeitarbeit auszubauen. Rheinland-Pfalz hat nachgewiesen, daß bei 61 % der von ihnen untersuchten Vollzeitarbeitsplätze Teilung möglich wäre. Frau Breuel hat nachgewiesen, daß allein im Raum Hannover 40 000 Arbeitsplätze für Teilzeit geeignet wären. Warum soll denn jemand, der nur 4 Stunden arbeiten will, unbedingt 8 Stunden arbeiten? Woher denn all diese Befehlsarroganz? Ich halte es für einen Fortschritt, daß die Frauenvereinigung der CDU das Modell des Job sharing in die Diskussion gebracht hat. Das ist ein Stück Zeitsouveränität, Selbständigkeit für den einzelnen. Adolf Müller hat vor Jahren vorgeschlagen, auf einen Ausbildungsplatz zwei Lehrlinge zu setzen. Dort, wo Blockunterricht möglich ist, ist das sicherlich zu organisieren.
    Sie sehen: Auf die großen Lösungen werden wir warten und darüber alt werden. Die wirkliche Lösung besteht aus sehr vielen kleinen einzelnen Schritten, wozu Phantasie und Ausdauer notwendig ist. Die flexible Altersgrenze könnte mit altersspezifischen Arbeitszeitverkürzungen verbunden werden, wie das die Gewerkschaft Nahrung, Genuß, Gaststätten vorschlägt.
    Ich meine, meine Damen und Herren, an diesen Beispielen kann deutlich gemacht werden: Die Zeit der großen, globalen Durchbrüche in der Sozialpolitik scheint sich ihrem Ende zuzuneigen. Das Gebot der Stunde heißt Differenzierung. Die Nivellierer werden das nicht können. Die Kollektivisten werden es nicht können. Wir brauchen eine Sozialpolitik, die nicht nach dem Motto verfährt: entweder für alle oder für niemanden. Die Alternative „alles oder nichts" landet mehr als in der Vergangenheit beim Nichts. Wir müssen zu Teillösungen bereit sein.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich will auch auf den letzten Punkt in der gebotenen Kürze eingehen. Veränderte Arbeitszeiten haben veränderte Einkommen zur Folge. Die Produktivität kann nicht zweimal verfuttert werden. Wir brauchen einen Einkommensbegriff, bei dem Geld und Freizeit miteinander verbunden sind. Wir brauchen ein Höchstmaß von Entscheidungen des einzelnen, seine Anteile zu bestimmen. Lohn weiter vorwärtszutreiben in alten Gewohnheiten und Arbeitszeitverkürzungen mit der gleichen Stärke zu fordern, heißt, auf zwei Hochzeiten gleichzeitig zu tanzen. Ich bin sicher, daß die Einsicht in die Abwägung bei den Arbeitnehmern weiter verbreitet ist als bei manchem Tarifstrategen. Wenn einer mit 60 in die Rente geht — in Gottes Namen! Dann kann er nur nicht die gleiche Rente erhalten wie derjenige, der bis 65 weiterarbeitet.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sonst würde der 65jährige Arbeitnehmer dem 60jährigen Rentner die Rente bezahlen. Das kann ja wohl auch nicht das Gebot der Gerechtigkeit sein.
    Das dickste Brett der Borniertheit in der Einkommenspolitik ist freilich die Vermögensbildung. Meine Damen und Herren, wenn sich die Arbeitnehmer bei den Lohnerhöhungen zurückhalten sollen, damit investiert werden kann, damit Maschinen angeschafft werden können, dann müssen die Arbeitnehmer für diese Lohnzurückhaltung dadurch belohnt werden, daß sie an den Investitionen beteiligt werden. Für ein Vergelt's Gott werden die das nicht machen. Und deshalb: Neue Spielräume für die Einkommenspolitik gibt es nur durch eine investive Beteiligung der Arbeitnehmer. Darüber reden wir jetzt schon seit 30 Jahren. Ich fürchte, meine Damen und Herren, wenn wir noch 10 Jahre darüber reden, werden wir die Vermögensbildung totgeredet haben.
    Die Bundesregierung hat geradezu eine Staffette von Ankündigungen in Gang gesetzt — Koalitionsvereinbarungen, Regierungskommission. Ein Minister war schon einmal speziell für Eigentumsbildung eingesetzt — Herr Maihofer war das. Wie eine Gebetsmühle wird die Vermögensbildung immer — besonders in Wahlzeiten — angekündigt. Gekommen ist nichts. Das wichtigste Stichwort der Vermögensbildung dieser Regierung heißt „demnächst". Und mit diesem Demnächst leben wir nun.
    Ich habe in den alten Bundestagsprotokollen nachgelesen: Burgbacher-Plan, eingebracht von der CDU/CSU. Man liest diese Protokolle heute geradezu mit nostalgischer Wehmut. Schorsch Leber, Rosenthal haben sich damals an dieser Diskussion beteiligt. Die CDU legte einen Entwurf vor, jeder Arbeitnehmer sollte pro Monat 20 Mark Produktivkapitalanteile erhalten, 240 Mark im Jahr. Ich gebe zu, das ist wenig. Sie haben damals zu Recht gesagt, es sei zu wenig. Ich frage Sie: Was haben Sie eigentlich in der Zwischenzeit gemacht? Wenig ist immer noch mehr als nichts. Und Sie haben nichts gemacht in der ganzen Zeit — nichts und nochmal nichts!

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Diese steuerpolitischen Spiele sind doch nur etwas für Feinschmecker, aber nichts für den Max Müller am Schraubstock, und wir brauchen eine Vermögenspolitik, die jedermann einsieht, die plausibel und handhabbar ist, und wiederum nicht nur für die Cleveren.
    Heute wären, wäre der Burgbacher-Plan nicht damals von Ihnen verhindert worden, 60 Milliarden Kapital in Arbeitnehmerhand.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

    Die eigentumspolitische Blockade der sozialdemokratischen Partei Deutschlands und der FDP hat die Arbeitnehmer 60 Milliarden Eigentum gekostet! Das ist eine bittere Wahrheit.

    (Beifall bei der CDU/CSU)




    Senator Dr. Blüm (Berlin)

    Hätten wir nur 1 % der Lohnsteigerungen seit 1978 als Investivlohn abgezweigt, wäre in drei Jahren, also 1985, ein Vermögen von 10 500 DM (ohne Zinsen) in der Hand jedes Arbeitnehmers. Ich drücke das in Zahlen aus, damit jeder erkennt, was durch die Borniertheit derjenigen verlorengeht, die für Eigentum keinen Sinn haben, sei es, weil sie altmarxistische Eierschalen nicht abstreifen konnten, sei es, weil sie alte Gewohnheiten nicht aufgeben konnten.
    Da gibt es ja auch eine große Koalition zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften. Auch die Arbeitgeber waren unter Schleyer in Sachen Vermögensbildung schon einmal weiter, als sie heute sind,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    und diese Echternacher Springprozession — ein Schritt vor, zwei Schritte zurück — ist nicht die partnerschaftliche Schrittkombination, wie wir sie uns wünschen.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Senator, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Glombig?

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Norbert Blüm


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Bitte schön, Herr Glombig.