Rede:
ID0907931900

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 6
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. Frau: 1
    5. Abgeordnete: 1
    6. Luuk.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 9/79 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 79. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 20. Januar 1982 Inhalt: Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1982 (Haushaltsgesetz 1982) — Drucksachen 9/770, 9/965 — Beschlußempfehlungen und Bericht des Haushaltsausschusses Einzelplan 08 Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen — Drucksache 9/1188 — in Verbindung mit Einzelplan 32 Bundesschuld — Drucksache 9/1203 — in Verbindung mit Einzelplan 60 Allgemeine Finanzverwaltung — Drucksache 9/1207 — in Verbindung mit Einzelplan 20 Bundesrechnungshof — Drucksache 9/1197 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1981 bis 1985 — Drucksachen 9/771, 9/967, 9/1261 — in Verbindung mit Einzelplan 09 Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft — Drucksache 9/1189 — Carstens (Emstek) CDU/CSU 4593 D Westphal SPD 4601A Gärtner FDP 4606 C Matthöfer, Bundesminister BMF . . . 4612A Dr. Riedl (München) CDU/CSU 4618A Grobecker SPD 4624 B Frau Matthäus-Maier FDP 4626 D Glos CDU/CSU 4630 C Frau Simonis SPD 4637 C Dr. Haussmann FDP 4642 B Kiep CDU/CSU 4644 C Dr. Graf Lambsdorff, Bundesminister BMWi 4651 C Reuschenbach SPD 4657 D Dr. Hackel CDU/CSU 4661 C Hoffmann (Saarbrücken) SPD 4664 B Funke FDP 4667 B II Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Januar 1982 Einzelplan 10 Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — Drucksache 9/1190 — Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU . . . 4668 B Frau Zutt SPD 4674 C Bredehorn FDP 4677 D Ertl, Bundesminister BML 4679 D Einzelplan 12 Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr — Drucksache 9/1192 — Schröder (Lüneburg) CDU/CSU . . . 4685A Wieczorek (Duisburg) SPD 4688A Dr. Zumpfort FDP 4692 C Einzelplan 13 Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen — Drucksache 9/1193 — Dr. Friedmann CDU/CSU 4695 C Paterna SPD 4697 C Merker FDP 4700 B Einzelplan 25 Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau — Drucksache 9/1199 — Hauser (Bonn-Bad Godesberg) CDU/CSU 4701 C Sieler SPD 4704 A Frau Noth FDP 4706 D Einzelplan 23 Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit — Drucksache 9/1198 — Schröder (Lüneburg) CDU/CSU . . . 4709 C Esters SPD 4713A Gärtner FDP 4713 D Dr. Köhler (Wolfsburg) CDU/CSU . . . 4716 B Frau Luuk SPD 4718 D Dr. Vohrer FDP 4720 D Offergeld, Bundesminister BMZ . . . 4723 A Dr. Pinger CDU/CSU 4725 B Nächste Sitzung 4726 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 4727*A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 4727* B Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Januar 1982 4593 79. Sitzung Bonn, den 20. Januar 1982 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens* 20. 1. Feinendegen 21. 1. Frau Huber 22. 1. Dr. Köhler (Duisburg) 20. 1. Frau Krone-Appuhn 20. 1. Dr.-Ing. Laermann 22. 1. Lemmrich 20. 1. Dr. Mertes (Gerolstein) 22. 1. Mischnick 20. 1. Möllemann 22. 1. Dr. Müller* 20. 1. Müller (Bayreuth) 20. 1. Reddemann* 20. 1. Rösch* 20. 1. Rohde 22. 1. Frau Roitzsch 22. 1. Dr. Solms 22. 1. Dr. Stark (Nürtingen) 22. 1. Graf Stauffenberg 22. 1. Walther 22. 1. Baron von Wrangel 22. 1. für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Vorsitzende des Ausschusses für Forschung und Technologie hat mit Schreiben vom 14. Januar 1982 mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen hat: Entwurf für einen Beschluß des Rates über eine konzertierte Aktion der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft auf dem Gebiet der landseitigen Hilfen für die Navigation und Empfehlung für einen Beschluß des Rates zur Ermächtigung der Kommission, eine Vereinbarung über die Durchführung einer konzertierten Aktion „Hilfssysteme für die Seeschifffahrt von der Küste aus" zwischen der Gemeinschaft und den an der Europäischen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der wissenschaftlichen und technischen Forschung (COST) beteiligten Drittstaaten auszuhandeln (Drucksache 9/934 Nr. 32) Vorschlag für einen Beschluß des Rates zur Festlegung einer konzertierten Aktion der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft betreffend die Auswirkungen von Behandlungen auf die physikalischen Eigenschaften von Lebensmitteln (Aktion COST 90 bis) (Drucksache 9/934 Nr. 33)
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Volkmar Köhler


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich möchte zuerst doch eine Bitte um Verständnis an die Kollegen dieses Hohen Hauses richten, daß wir Entwicklungspolitiker zu später Stunde nach langer Debatte doch noch glauben hier einiges sagen zu sollen. Es ist uns von der entwicklungspolitisch interessierten Öffentlichkeit im letzten Jahr sehr übel angekreidet worden, daß wir bei einer politischen Fragestellung, die solche Bedeutung in den globalen Zusammenhängen hat, es damals nicht für nötig hielten, uns die Zeit dazu zu nehmen. Ich glaube, es ist
    besser, eine Stunde später nach Hause zu gehen, aber der Thematik der Dritten Welt hier doch, so gut es irgend geht, gerecht zu werden.

    (Beifall bei allen Fraktionen)

    Das zweite. Ich möchte, da ich lange Jahre dem Verwaltungsrat des Deutschen Entwicklungsdienstes angehört habe, zu diesem Teil unserer Diskussion hier gerne noch ein Wort sagen. Für die Arbeitsgruppe Entwicklungspolitik und für den Haushaltsberichterstatter in unserer Fraktion gibt es gar keinen Zweifel daran, daß wir Respekt und Anerkennung für die ganz überwiegende Zahl unserer Entwicklungshelfer draußen, für ihre Arbeit, ihre persönliche Opferbereitschaft und ihre Leistung empfinden. Das möchte ich hier deutlich gesagt haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Es steht auf unserer Seite das Prinzip der Pluralität in keiner Weise in Frage. Dieses Prinzip ist in der Konstruktion des DED und im Verwaltungsrat verankert. Der Verwaltungsrat hat sich intensiv mit der gesamten Frage des Selbstverständnisses und der Richtlinien beschäftigt — Kollege Westphal, unter Ihrem Vorsitz. Damit ist hier pluraler Willensbildung in einer sehr weiten Weise Genüge getan. Nur kommt anschließend der nächste Akt der Pluralität: Die Geschäftsführung überlegt sich, was sie von dem pluralistischen Ergebnis glaubt akzeptieren und übernehmen zu können. Das ist doch vom anderen Gesellschafter beklagt worden, Herr Westphal. Das erfinde ich doch nicht. Wenn dann auch noch pluralistisch darüber entschieden wird, welche Pluralität hier akzeptabel ist, dann verläuft sich das. Wir glauben, daß diese plurale Willensbildung in einem Rahmen stehen muß. Auch draußen gibt es ganz einfach eine Empfindung dafür, daß diese Leute für unser Land und die Politik unseres Landes stehen. Das muß einmal diskutiert werden, wenn es zu Unklarheiten gekommen ist. Ich möchte Sie sehr bitten, diese Diskussion nicht von vorneherein als eine Frontenstellung zu betrachten. Das ist ein Klärungsprozeß, an dem wir interessiert sein sollten.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Gestern abend fast zu gleicher Stunde hat der Herr Bundesaußenminister hier einiges in Sachen Entwicklungspolitik gesagt.

    (Zuruf des Abg. Dr. Linde [SPD])

    — Bitte, Herr Linde?

    (Dr. Linde [SPD]: Eine Stunde früher!)

    — Der Herr Bundesaußenminister hat zur Entwicklungspolitik in den letzten Tagen mehrfach etwas gesagt. Wir können uns mühelos einigen, wann ich das gehört habe, was ich anziehen möchte.
    Er hat sehr, sehr hohe Ansprüche aufgerichtet. Es war die Rede von der moralischen Verpflichtung unseres Landes gegenüber der Dritten Welt; unser Land sollte ein Anwalt der Gleichberechtigung der Länder der Dritten Welt sein und anderes mehr. Ich kann dem Herrn Kollegen Genscher in diesen Äußerungen nur beipflichten. Das hat uns aber wieder ermuntert, den Einzelplan, über den wir zu sprechen haben, im Lichte dieses Maßstabs zu betrachten,



    Dr. Köhler (Wolfsburg)

    und da müssen wir ihn quantitativ und qualitativ unzureichend nennen. Ich kann Ihnen das leider nicht ersparen. Er wird diesem Anspruch nicht gerecht. Es ist eben einfach eine Tatsache, daß mit dem Wachstum von 3,3 % die reale Leistungskraft der deutschen Entwicklungspolitik angesichts der Teuerungsrate sinkt. Es wird enger. Es ist vieles nicht mehr möglich, und das ist betrüblich, denn die drängende Nachfrage der Entwicklungsländer wächst von Tag zu Tag.
    Wir müssen die Außenwirkung dessen, was heute und am Freitag beschlossen wird, sehr, sehr ernst nehmen. Wir können das nicht nur vor unserer innenpolitischen Diskussion betrachten. Wir wissen doch und hören es, daß interessante und wichtige Gebiete der Entwicklungshilfe nicht mehr bedient werden können. Jeder von uns bekommt Tag für Tag die Klagen darüber, daß z. B. in einer wichtigen Frage des Vermessungswesens, in einer wichtigen Frage der Beratung der Entwicklungsländer bei der Entwicklung von industriellen Qualitätsnormen und dergleichen schon jetzt viele Maßnahmen der Sparsamkeit zum Opfer fallen, die für das betreffende Land in seiner augenblicklichen Situation unter Umständen außerordentlich wichtig sind, z. B. da, wo sich ein Land anschickt, seine Industrie in Richtung Export weiterzuentwickeln, um die exorbitante Belastung durch die Ölpreise wenigstens etwas auffangen zu helfen.
    Wir haben in der vorigen Haushaltsberatung auf die Gefahrenlage hingewiesen und sind deswegen hier nicht dabei, neue Töne anzuschlagen. Ich sehe noch jetzt das verwunderte Gesicht des Herrn Ministers, als wir letztes Jahr glaubten, dieses Thema hier deutlich ansprechen zu müssen. Natürlich ist es richtig, wenn uns jetzt gesagt wird, alle müssen sparen. So ist es bei der Situation in unserem Lande und bei den Staatsfinanzen. Die Opposition ist aber nicht bereit, einem entwicklungspolitischen Sonderopfer zuzustimmen. Wir hätten uns hier ganz anders verhalten, wenn der Haushaltsplan in der Gesamtlinie läge. Daß er aber darunterliegt, ist etwas, was wir nicht vertreten zu können glauben.
    Nun wird darauf hingewiesen: Ihr habt in den Ausschüssen bei der Beratung mitgewirkt, Ihr habt keine Anträge gestellt. Meine Damen und Herren, ein bißchen ist das doch wohl die Methode „Haltet den Dieb". Diese Bemerkungen können nicht verschleiern, daß die Bundesregierung und auch Sie, Herr Minister — und wenn Sie es mir nicht übelnehmen, erlaube ich mir den Hinweis, daß Sie wesentlich öfter im Kabinett sitzen, als Sie im Ausschuß sind; ich würde mir das etwas mehr wünschen; Sie müssen an allen diesen Dingen dort intensiv mitbeteiligt sein —, die Verantwortung für den Zustand der Wirtschaft und der Staatsfinanzen dieses Landes tragen, und als Ausfluß ist dieses gekommen, was wir heute kritisch zu besprechen haben,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    nämlich eine schmerzliche Grenze für die Leistungs-
    kraft der deutschen Entwicklungspolitik. Auch für
    die Entwicklungspolitik ist eben generell eine
    Wende der deutschen Politik dringendes Erfordernis.

    (Wehner [SPD]: Ja, ja!)

    — Herr Wehner, ich freue mich, daß Sie merken, daß ich mich da mit meiner Fraktion in einer kontinuierlichen Argumentationskette befinde.

    (Wehner [SPD]: Es wird sich alles wenden!)

    — Ja, es wird sich alles, alles wenden. Das haben wir schon in der Schule gelernt. Von der Hoffnung leben in diesem Lande zunehmend viele Leute.
    Wir haben auf diesen Engpaß mit der Frage reagiert: Können wir nicht Wesentliches tun, um auf der qualitativen Seite voranzukommen? Wir haben da eine Menge Initiativen vorgelegt. Wir wissen, jetzt kommen die üblichen Antworten auf uns zu. Das erste war j a die Geschichte, daß es bei uns inzwischen mindestens drei Leute gibt, die Krokodile sind, weil sie Krokodilstränen weinen; vielleicht kann sich die Pressestelle des BMZ zoologisch noch weitere Gesichtspunkte zulegen. Es wäre vielleicht ganz interessant, wenn wir nicht nur als grün und großäugig weinend betrachtet würden.
    Es kommt dann auch sofort der Vorwurf: Ihr habt aber gar keine Konzeption. Ich möchte doch einmal fragen, welche Opposition so viele geschlossene und umfassende Beiträge — beginnend mit unseren entwicklungspolitischen Leitlinien des Jahres 1976 — zum Gesamtthema der deutschen Entwicklungspolitik geleistet hat. Das ist ja von der SPD und auch vom Ministerium zuweilen sogar anerkannt worden. Aber dann können Sie uns jetzt nicht sagen, wir hätten keine Konzeptionen.
    Wir haben uns eingehend geäußert, und wir haben in vielen Einzelfragen Initiativen ergriffen. Wir haben im Bereich „Planen, Wohnungsbau, Städtebau", in dem das riesige Problem der gewaltigen städtischen Agglomerationen in der Dritten Welt, das ein unlösbares Problem zu werden droht, im BMZ von anderthalb Mann behandelt wird, zu drängen versucht. Wir haben versucht, bei der medizinischen Hilfe zu drängen. Wir haben einen Antrag zur personellen Hilfe vorgelegt, und zwar in so umfassender Form, daß offenbar das Ministerium bis jetzt noch nicht in der Lage war, ihn in allen wichtigen Punkten zu würdigen und zu beantworten.
    Wenn wir aber drängen und fragen und sagen, hier sollte dies oder das geschehen, verschanzt sich das Ministerium hinter dem Antragsprinzip der deutschen Entwicklungshilfe: Es komme ja darauf an, was die Länder beantragen, und nur dazu könnten wir ja oder nein sagen. Dazu möchte ich ein für allemal bemerken: Die Opposition weiß ganz gut, in welcher Weise die Länder der Dritten Welt von unseren diplomatischen Vertretungen und von den Verhandlungsdelegationen des BMZ beraten werden, welche Anträge denn wohl sinnvoll und vernünftig sind, und daß diese Ausrede schlicht und simpel eine faule Ausrede ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der CDU/CSU: Oberfaul!)




    Dr. Köhler (Wolfsburg)

    Wir haben eine gehörige Portion von Gedanken vorgetragen, auf die wir gern eine Antwort haben möchten. Wir haben gesagt, daß eine vernünftige Agrarpolitik, die weite Kreise der Bevölkerung in den Entwicklungsprozeß einbezieht und konkret zur Überwindung des Hungers geeignet ist, ein Kriterium für Schwerpunktbildungen sein sollte. Wird das befolgt, und wenn ja, wie und wo? Diese Antwort könnten wir doch einmal bekommen.
    Wir haben gesagt, daß bei der Bekämfung von Hunger und Armut humanitäre Hilfe, Katastrophenhilfe, Nahrungsmittel- und Agrarhilfe und Befriedigung der Grundbedürfnisse, konzentriert auf die ärmsten Länder, Vorrang haben. Da sind wir uns einig. Aber wir wollen gern in stärkerem Maße, als es bisher der Fall ist, eine sinnvolle Verbindung dieser Hilfsmaßnahmen sehen. Es darf nicht soweit kommen, daß man bei Entwicklungsländern, die in schrecklicher Not sind, dann, wenn eine Welle der Hilfsbereitschaft dagewesen ist, wieder auf die normale Infrastrukturhilfe zurückfällt, als wäre da nichts gewesen. Wir wollen, daß gerade in der Frage der Grundbedürfnisse die Hilfe so konzentriert wird, daß sie Selbstbehauptungskräfte freisetzt, daß sie in der Lage ist, dem Übel abzuhelfen, nicht aber es zu subventionieren und zum Dauerzustand zu machen.
    Das alles haben wir immer wieder vorgetragen, bis hin zu unserer Befürwortung des Aufbaus des Genossenschaftswesens und dergleichen mehr. Ich glaube, daß deshalb der Vorwurf, daß wir hier zur Sache selbst nichts beitragen, in sich zusammenfällt, ja, geradezu lächerlich ist.
    Wir glauben, daß es angesichts der Situation wirklich nötig ist, die Hilfe auf die Länder zu konzentrieren, die vor allem dazu bereit sind, ihre ökonomischen und politischen Strukturen so zu verändern, daß Entwicklung überhaupt möglich ist.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    Darüber muß intensiv geredet werden, denn dieses Kriterium ist noch nicht in der wünschenswerten Weise durchgesetzt.

    (Sehr wahr! bei der CDU/CSU)

    Wir wollen, daß die persönliche Produktivkraft geweckt wird, daß die Menschen eine Chance erhalten und daß nicht nur Regierungseliten vom Verteilungssystem profitieren; denn unser Ziel kann doch nur sein: mehr politische Selbstbestimmung, wachsende soziale Gerechtigkeit, mehr Pluralismus in diesen Ländern.

    (Bindig [SPD]: Das sagt doch auch die Regierung!)

    — Ja, aber wir sprechen auch über das Handeln.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Richtig!)

    Da kommen dann zu viele Bedingungsfaktoren hinein, die das Ganze wieder wesentlich verwässern.
    Die Bejahung der Schwerpunktbildung bei den am wenigsten entwickelten Ländern darf allerdings nicht zu einer Einseitigkeit der deutschen Entwicklungspolitik führen. Wir brauchen den zweiten Arm,
    der da, wo Länder mit mittlerem Pro-Kopf-Einkommen und Schwellenländer, die von der Ölpreisexplosion ebenfalls besonders betroffen sind, Chancen haben, sich industriell zu entwickeln, stärker und mehr als bisher private Direktinvestitionen in entwicklungspolitisch vernünftiger Weise einsetzt. Hier muß, meinen wir, noch mehr getan werden.
    Ich schließe mit der ausdrücklichen Bitte, daß wir in dieser Situation den Versuch machen, uns nicht mit Vokabeln wie „keine Konzeption" und dergleichen mehr zu unterhalten, sondern eine konstruktive Diskussion zu führen, eine Diskussion, in der wir uns redlich daranmachen, angesichts eines doch vorhandenen Grundkonsenses Bestand aufzunehmen, welche Möglichkeiten wir noch haben und welche Ziele wir gemeinsam in den Vordergrund rücken können — und bitte nicht nur verbal, sondern durch Taten.
    Und da wir in unserem Land trotz aller Geldklemme viel persönlichen Opferwillen und viel Willen zum persönlichen Engagement in breiten Schichten, gerade auch der Jugend haben, lassen Sie uns mehr darüber sprechen, wie wir unser Verwaltungssystem der Entwicklungshilfe so weitergestalten können, daß diese Bereitschaft nicht in Frustrationen endet, sondern aufgenommen werden kann, und darüber, wie das Organisationsnetz der staatlichen Entwicklungspolitik darauf ausgerichtet werden kann, daß eine große Zahl von Kleinprojekten und Selbsthilfeprojekten praktizierbar wird.
    Ich freue mich, Herr Minister, daß Sie den Schritt unternommen haben, daß wir zu einer Art Entwicklungsdienst aus dem Bereich der Wirtschaft kommen können, wie er in Amerika, Frankreich und der Schweiz mit dem Senior Service Corps vorhanden ist. Ich danke Ihnen dafür ausdrücklich. Ich habe mich in den letzten Tagen ein wenig gefragt, warum Sie diesen positiven Schritt bisher der Öffentlichkeit nicht weiter mitgeteilt haben. Ich kann mir als Grund nicht falsches Schamgefühl vorstellen. Ich hoffe nicht, daß dahinter noch ein Zögern steht. Ich finde, wir sollten diesen Schritt tun, um unserem Land ein weiteres Instrument zu geben, da zu helfen und voranzukommen, wo es so dringend nötig ist. — Ich danke Ihnen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei Abgeordneten der SPD)



Rede von Richard Wurbs
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat Frau Abgeordnete Luuk.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dagmar Luuk


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich füge den Eingangsbemerkungen von Herrn Köhler hinzu: Schon am Montag hat eine Tageszeitung beklagt, daß wir hier zu später Zeit und auch vor ziemlich leeren Bänken dieses Thema diskutieren.

    (Wehner [SPD]: Zu sehr später Zeit!)

    Aber unsere Nord-Süd-Politik ist — wir sollten da Realisten sein — im Bewußtsein der Öffentlichkeit wie der Politiker in den Hintergrund gerückt. Sie wird von einer pragmatischen Politik überlagert, die sich den vermeintlich hautnahen Problemen zuwendet. Katastrophale Entwicklungen in der Dritten



    Frau Luuk
    Welt verlieren im Windschatten der politischen und wirtschaftlichen Turbulenzen in Europa ihre Bedeutung.
    Eine solche Ausgangslage birgt natürlich erhebliche Gefahren für die Entwicklungspolitik. Ich meine hier ganz konkret weniger die finanziellen Einbußen, die eine solche Entwicklungspolitik hinnehmen muß, als vielmehr die Einbuße an öffentlicher Unterstützung, auf der jede Entwicklungspolitik aufbauen muß.
    Deswegen verdient besondere Beachtung eine Momentaufnahme, die der Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit mit der Veröffentlichung einer Meinungsumfrage vorgelegt hat. Die Ergebnisse dieser Umfrage sind überraschend positiv. Wenn zu Zeiten, in denen 76 % der Befragten die wirtschaftliche Entwicklung Sorgen bereitet, mehr als zwei Drittel dieser Befragten ein positives Verhältnis zu eben dieser Entwicklungspolitik zeigen, dann belegt diese Tatsache meines Erachtens, daß die Notwendigkeit der Entwicklungspolitik eine erfreulich hohe Zustimmung erreicht hat.
    Allerdings muß ich in diesem Zusammenhang einer Sorge über eine Entwicklung in der Bundesrepublik Ausdruck verleihen, die zu diesem an sich erfreulichen Ergebnis in einem Widerspruch steht. Ich meine die wachsende Ausländerfeindlichkeit.

    (Beifall bei der SPD)

    Hier ist mit Sicherheit ein Zusammenhang gegeben. Ich sage das besonders deshalb, weil es heute 40 Jahre her ist, daß in Berlin diese schaurige Wannsee-Konferenz getagt hat. Dies ist ein Problem, das von allen Parteien ernstgenommen werden muß. Es wäre gefährlich und verantwortungslos, würde man sich nicht, und zwar gemeinsam, dagegenstemmen.
    Auch wenn der Entwicklungshaushalt zum erstenmal mehr als 6 Milliarden DM ausmacht, ist die Steigerungsrate von 3,3 % aus der Sicht der Sozialdemokraten unbefriedigend, wie gestern auch Willy Brandt ausgeführt hat. Haben wir Entwicklungspolitiker es trotz aller Bemühungen nicht verstanden, klarzumachen, wie wichtig die Entwicklungspolitik im Rahmen unserer gesamten Nord-Süd-Politik ist? Haben wir nicht sehr überzeugend darlegen können, daß für mehr Entwicklungshilfe eben anderswo weniger ausgegeben werden muß? Selten mußten wir so schmerzhaft wie heute erkennen, wie schwer Beschlüsse und Resolutionen in die Tat umgesetzt werden können, solange nicht die Bereitschaft geweckt werden kann, dafür woanders kürzerzutreten.
    Wo aber sollten wir das tun? Bei der Verteidigung? Die Opposition wäre doch die erste, die uns dies als Verstoß gegen unsere nationalen Interessen und die Interessen unseres Bündnisses vorwerfen würde. Bei der Arbeitslosenunterstützung? Hier ist die Gegenfrage gestattet, warum ausgerechnet die sozial Schwächsten diejenigen sein sollen, die die größten Opfer in diesem Bereich bringen.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Anderen Einsparungsmöglichkeiten hat der Bundesrat mit seiner konservativen Mehrheit einen Riegel vorgeschoben.
    Jeder, der es wissen will, kann erfahren, wie es in der Dritten Welt aussieht. In den ärmsten Ländern und für die ärmsten Bevölkerungsschichten ist das Pro-Kopf-Einkommen in den letzten zehn Jahren rückläufig gewesen, ebenso das Aufkommen an Nahrungsmitteln. Deswegen verhungern jährlich schätzungsweise 40 bis 50 Millionen Menschen, davon 12 Millionen Kinder unter fünf Jahren. Deshalb gibt es auch mehr Hungertote als Kriegstote, obwohl sei dem Zweiten Weltkrieg mehr als 120 Kriege geführt worden sind.
    Hungersnöte hat es schon zu allen Zeiten und in allen Regionen dieser Welt gegeben. Der beachtenswerte Unterschied ist jedoch: Früher wurde wegen der technischen und zivilisatorischen Unzulänglichkeiten gehungert; es konnte nicht genügend Nahrung für alle produziert werden. Heute jedoch wird wegen der ungerechten Verteilung der Reichtümer dieser Welt gehungert. Es wäre genug für alle da. Ich gebe zu, daß das Resultat das gleiche ist; aber der Unterschied ist doch gewaltig. Daraus ergeben sich an uns in den Industriestaaten, gleichgültig ob in Ost oder West, Ansprüche, die wir bisher bei weitem nicht erfüllt haben.

    (Beifall bei der SPD)

    In diesen Tagen haben die Mitglieder der von Willy Brandt geleiteten Nord-Süd-Kommission dringende Maßnahmen zur Linderung des größten Elends in der Dritten Welt gefordert. Das kostet natürlich alles viel Geld. Diese Forderungen richten sich nicht nur an die westlichen Industriestaaten. Der Ostblock, die Sowjetunion sind hier ebenfalls angesprochen. Sie haben einen besonders großen Nachholbedarf. Die im Rat für Gegenseitige Wirtschaftshilfe zusammengeschlossenen Staaten geben nur etwa die Hälfte dessen an Entwicklungshilfe aus, was allein die Bundesrepublik in einem Jahr leistet.
    Die wirtschaftlichen Gegebenheiten und die nordsüd-politischen Notwendigkeiten haben es schwergemacht, den Einzelplan 23 verabschiedungsreif zu machen. Als zum Schluß der Vermittlungsausschuß noch einmal den großen Kompromißhobel angesetzt und manches noch etwas gleicher gehobelt hat, sind dabei auch Späne gefallen. Wir sollten nicht über die einzelnen Steigerungsraten räsonieren, die wir alle natürlich gern etwas höher gesehen hätten. Immerhin gibt es keinen Rückgang. In vielen anderen Ländern, vor allem in den wichtigsten Geberländern, stagniert die Entwicklungshilfe oder unterliegt starken Kürzungen. Wir liegen im guten Mittelfeld der wichtigen westlichen Geberländer.
    Der Zuschnitt dieses Haushalts als Grundlage für die entwicklungspolitische Arbeit dieses Jahres steht in voller Übereinstimmung mit den Erfordernissen, die uns die politische Situation auferlegt. Er konzentriert sich auf eine Reihe von Schwerpunkten, die uns sehr nachdrücklich als richtig attestiert worden sind: ländliche Entwicklung, Energie, Schutz der natürlichen Ressourcen. Das entspricht auch den Problemschwerpunkten von „Global 2000"
    4720 Deutscher Bundestug — 9. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Januar 1982
    Frau Luuk
    und dem Brandt-Bericht. Auch die Regionale Konzentration ist richtig. Sie hilft dem ärmsten Ländern und den ärmsten Menschen. So ist Tansania als zu der Gruppe der ärmsten Entwicklungsländer gehörig Schwerpunkt unserer Entwicklungspolitik. So konzentriert sich die Entwicklungshilfe für Brasilien — das ist ja zweifellos ein Schwellenland — auf den armen Nordosten.
    Ich meine, daß das mutige Beharren der Bundesregierung auf der Ablehnung der Lieferbindungen in der Entwicklungspolitik Respekt verdient, gerade angesichts der Haltung einiger Partnerländer. Dies hilft, die knappen Mittel der Entwicklungshilfe so gut wie möglich zu nutzen. Das DIW in Berlin hat zudem nachgewiesen, daß auch ohne derartige Lieferbindungen die vergebenen Mittel in Gestalt von Exportaufträgen wieder zurückfließen.
    Die deutsche Projektarbeit ist weltweit als gut anerkannt. Entwicklungshelfer und Experten haben ein hohes fachliches Niveau. Die Ansprüche an sie werden auch nicht zurückgeschraubt. Die Maßnahmen im Bereich der Aus- und Fortbildung finden überall Beifall. Die Qualität der deutschen Entwicklungspolitik wurde im Hearing zur deutschen Entwicklungspolitik im Ausschuß im Mai dieses Jahres bestätigt. Der gute Ruf der deutschen Entwicklungspolitik ist aus unserer Sicht wohlbegründet.

    (Beifall bei der SPD)

    Er ist begründet, weil die Vergabe von Entwicklungshilfe nicht an politisches Wohlverhalten geknüpft ist.

    (Dr. Hüsch [CDU/CSU]: Na, Na!)

    Er ist begründet, weil wir nicht unterscheiden zwischen prowestlichen und antiwestlichen Entwicklungsländern, sondern nach Bedürftigkeit und Erfolgsaussichten vorgehen.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Er ist begründet, weil wir auf den Export politischer und wirtschaftlicher Modelle verzichten und statt dessen jedem Entwicklungsland die eigene Wahl des Weges zum Fortschritt zugestehen. Allerdings meine ich, daß solche Regierungen zu bevorzugen sind, deren Politik am ehesten Verbesserungen für die Lebensbedingungen der Menschen erwarten läßt.

    (Zustimmung bei der SPD und der FDP — Schröder [Lüneburg] [CDU/CSU]: Und wer entscheidet das?)

    Ich will an dieser Stelle auch das Thema Rüstungsexport in Entwicklungsländer anschneiden. Jeder weiß, daß der enge Zusammenhang zwischen Rüstung und Entwicklung nicht bestritten werden kann und daß mehr Waffen die Menschheit nicht sicherer, sondern nur ärmer machen. Waffenexport in Entwicklungsländer ist eine Potenzierung der Konfliktgefahr und ein entwicklungspolitischer Akt der Barbarei. Obwohl es immer fraglicher ist, ob in dieser Frage ein internationaler Minimalkonsens erreicht werden kann, muß man wissen, daß wir in diesem Bereich mehr als anderswo nicht nur unsere internationale Glaubwürdigkeit in Gefahr bringen, sondern daß wir auch unsere Glaubwürdigkeit bei
    der jungen Generation in unserem Lande ruinieren können. Wer nach Ursachen des Glaubwürdigkeitsverlusts politischer Parteien fragt, findet hier eine.
    Ich darf die Zustimmung der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion zum Einzelplan 23 ankündigen, weil wir diesen Etat als konsequent und richtig in der Zielsetzung und Schwerpunktbildung gegenüber den Entwicklungsländern ansehen. Wir werden uns bemühen, sicherzustellen, daß wir zusätzliche Mittel für höhere Steigerungsraten im nächsten Jahr freibekommen.
    Es überrascht hier nicht, daß der Kollege Schröder, der im letzten Jahr bei der Einbringung des Etats noch eine „Noch-nicht-Zustimmung" angekündigt hat, jetzt zu einer Ablehnung kommt. Ich habe mir sagen lassen, daß auch in den Zeiten, als die Steigerungsraten noch recht massiv gewesen sind, die CDU/CSU dem Haushalt nicht zugestimmt hat.

    (Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU]: Das allein ist kein Maßstab! Sie finden also immer einen Grund dafür, obwohl ich, nach dem, was Herr Köhler ausgeführt hat, überhaupt keinen finde, der rechtfertigen könnte, daß Sie sich dem Ansatz und dem Inhalt unserer Entwicklungspolitik — wiederzufinden im Einzelplan 23 — verweigern. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Vohrer. Herr Präsident! Meine Damen! Meine Herren! Ich möchte zuerst kurz auf die beiden Vorredner der Opposition eingehen. Herr Schröder forderte einen phantasievolleren Haushalt. Er kritisierte die Phantasielosigkeit, und wer aufmerksam zugehört hat, der mußte feststellen, daß Sie Phantasie mit Steigerungsraten verwechseln. — Sicher! Als es um inhaltliche Phantasie ging, haben Sie auf den Kollegen Köhler verwiesen, der da mehr bringen sollte. (Schröder [Lüneburg] [CDU/CSU]: Das hat er j a auch!)


    (Beifall bei der SPD und der FDP)