Rede:
ID0907912600

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 7
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. der: 1
    5. Abgeordnete: 1
    6. Dr.: 1
    7. Haussmann.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 9/79 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 79. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 20. Januar 1982 Inhalt: Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1982 (Haushaltsgesetz 1982) — Drucksachen 9/770, 9/965 — Beschlußempfehlungen und Bericht des Haushaltsausschusses Einzelplan 08 Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen — Drucksache 9/1188 — in Verbindung mit Einzelplan 32 Bundesschuld — Drucksache 9/1203 — in Verbindung mit Einzelplan 60 Allgemeine Finanzverwaltung — Drucksache 9/1207 — in Verbindung mit Einzelplan 20 Bundesrechnungshof — Drucksache 9/1197 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1981 bis 1985 — Drucksachen 9/771, 9/967, 9/1261 — in Verbindung mit Einzelplan 09 Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft — Drucksache 9/1189 — Carstens (Emstek) CDU/CSU 4593 D Westphal SPD 4601A Gärtner FDP 4606 C Matthöfer, Bundesminister BMF . . . 4612A Dr. Riedl (München) CDU/CSU 4618A Grobecker SPD 4624 B Frau Matthäus-Maier FDP 4626 D Glos CDU/CSU 4630 C Frau Simonis SPD 4637 C Dr. Haussmann FDP 4642 B Kiep CDU/CSU 4644 C Dr. Graf Lambsdorff, Bundesminister BMWi 4651 C Reuschenbach SPD 4657 D Dr. Hackel CDU/CSU 4661 C Hoffmann (Saarbrücken) SPD 4664 B Funke FDP 4667 B II Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Januar 1982 Einzelplan 10 Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — Drucksache 9/1190 — Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU . . . 4668 B Frau Zutt SPD 4674 C Bredehorn FDP 4677 D Ertl, Bundesminister BML 4679 D Einzelplan 12 Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr — Drucksache 9/1192 — Schröder (Lüneburg) CDU/CSU . . . 4685A Wieczorek (Duisburg) SPD 4688A Dr. Zumpfort FDP 4692 C Einzelplan 13 Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen — Drucksache 9/1193 — Dr. Friedmann CDU/CSU 4695 C Paterna SPD 4697 C Merker FDP 4700 B Einzelplan 25 Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau — Drucksache 9/1199 — Hauser (Bonn-Bad Godesberg) CDU/CSU 4701 C Sieler SPD 4704 A Frau Noth FDP 4706 D Einzelplan 23 Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit — Drucksache 9/1198 — Schröder (Lüneburg) CDU/CSU . . . 4709 C Esters SPD 4713A Gärtner FDP 4713 D Dr. Köhler (Wolfsburg) CDU/CSU . . . 4716 B Frau Luuk SPD 4718 D Dr. Vohrer FDP 4720 D Offergeld, Bundesminister BMZ . . . 4723 A Dr. Pinger CDU/CSU 4725 B Nächste Sitzung 4726 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 4727*A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 4727* B Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Januar 1982 4593 79. Sitzung Bonn, den 20. Januar 1982 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens* 20. 1. Feinendegen 21. 1. Frau Huber 22. 1. Dr. Köhler (Duisburg) 20. 1. Frau Krone-Appuhn 20. 1. Dr.-Ing. Laermann 22. 1. Lemmrich 20. 1. Dr. Mertes (Gerolstein) 22. 1. Mischnick 20. 1. Möllemann 22. 1. Dr. Müller* 20. 1. Müller (Bayreuth) 20. 1. Reddemann* 20. 1. Rösch* 20. 1. Rohde 22. 1. Frau Roitzsch 22. 1. Dr. Solms 22. 1. Dr. Stark (Nürtingen) 22. 1. Graf Stauffenberg 22. 1. Walther 22. 1. Baron von Wrangel 22. 1. für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Vorsitzende des Ausschusses für Forschung und Technologie hat mit Schreiben vom 14. Januar 1982 mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen hat: Entwurf für einen Beschluß des Rates über eine konzertierte Aktion der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft auf dem Gebiet der landseitigen Hilfen für die Navigation und Empfehlung für einen Beschluß des Rates zur Ermächtigung der Kommission, eine Vereinbarung über die Durchführung einer konzertierten Aktion „Hilfssysteme für die Seeschifffahrt von der Küste aus" zwischen der Gemeinschaft und den an der Europäischen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der wissenschaftlichen und technischen Forschung (COST) beteiligten Drittstaaten auszuhandeln (Drucksache 9/934 Nr. 32) Vorschlag für einen Beschluß des Rates zur Festlegung einer konzertierten Aktion der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft betreffend die Auswirkungen von Behandlungen auf die physikalischen Eigenschaften von Lebensmitteln (Aktion COST 90 bis) (Drucksache 9/934 Nr. 33)
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Heide Simonis


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Wer denn noch? Genscher, Brandt, wer denn noch?

    (Kolb [CDU/CSU]: Man muß oben anfangen!)

    Herr Kollege Glos, soweit war ich gar nicht wie Sie. Bis Japan war ich noch gar nicht gekommen. Machen Sie es doch zuerst einmal untereinander aus, wer es alles gesagt haben soll. Jedenfalls war es Ihre Partei, die es gesagt hat.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich habe dem Kollegen Riedl j a schon angeboten, entsprechende Presseartikel zusammensuchen zu lassen. Ich schicke Ihnen davon gern eine Kopie.

    (Zuruf des Abg. Vogel [Ennepetal] [CDU/ CSU])

    Herr Glos, Sie waren heute morgen weit weg, nicht ich. Sie waren fernöstlich, Sie waren in Japan und haben das dortige Beispiel als Musterbeispiel für die deutsche Wirtschaftspolitik herangezogen. Sie waren sogar noch so tollkühn zu sagen, in Japan ginge alles so gut, weil die Leute mehr Vertrauen in die Wirtschaft ihres Landes haben.
    Nein, in Japan geht alles so gut, weil dort eine soziale Sicherheit aufgebaut worden ist, die gleich Null ist. In Japan geht alles so gut, weil dort kein Mensch von Marktwirtschaft auch nur träumt, weil dort Unternehmer, Regierung und Banken eine ganz scharfe Planwirtschaft betreiben.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Eine andere Planwirtschaft!)

    Wenn Sie das wollen, können wir uns darüber unterhalten. Nur: Es ist ein schlechtes Beispiel, für uns ausgerechnet Japan zu nennen, wenn Sie dauernd Eucken im Munde führen und predigen, daß wir uns an ihn halten sollen.

    (Beifall bei der SPD — Gansel [SPD]: Außerdem zeigt Japan, daß es auch ohne die CDU geht! — Glos [CDU/CSU]: Der Präsident sollte Ihnen eine Reise dahin genehmigen!)

    — Ich möchte nicht dorthin fahren. Sie können einmal dorthin fahren und sich dann um die Probleme dort kümmern.

    (Kolb [CDU/CSU]: Dann wissen Sie wieder nicht, wovon Sie reden! — Glos [CDU/CSU]: Wir fahren miteinander hin!)

    In der Tat steht die deutsche Wirtschaft vor einem Anpassungsprozeß nicht geahnten Ausmaßes. Sie



    Frau Simonis
    haben heute morgen die Tatsache der internationalen Verflechtungen bestritten und in einer Art Stammtischmanier einer anökonomisierte Betrachtungsweise des Wirtschaftskreislaufs vorgetragen, der in umgekehrter Richtung als sonst vorgetragen lief. Das hätte eigentlich dazu führen müssen, daß einer aus Ihrer Partei aufsteht und sagt: Das kann doch alles nicht stimmen, was Sie heute morgen hier vorgetragen haben.
    Da wird behauptet, daß die hohen Zinsen nicht vom Ausland beeinflußt sind, obgleich jeder weiß, daß eine so exportorientierte Wirtschaft wie die deutsche sich natürlich am amerikanischen Zinsniveau orientieren muß

    (Kolb [CDU/CSU]: Sie muß nicht, sie wird gezwungen!)

    — sie muß nicht; die Bundesbank macht das —, damit nicht die Unternehmer ihr Geld ins Ausland bringen, statt in der Bundesrepublik zu investieren.

    (Beifall bei der SPD)

    Das, was Sie heute morgen beschrieben haben, Herr Kollege Glos, ist genau unser Problem, nämlich daß die Unternehmer zu faul sind, um zu investieren, sondern lieber zu ihrem Anlageberater bei der Bank gehen und fragen: Wo kann ich denn am zinsgünstigsten mein Geld in Staatspapieren anlegen?

    (Beifall bei der SPD)

    Das ist der Schumpetersche Unternehmer, von dem Sie dauernd reden! Ich meine, ein bißchen Risikofreudigkeit wäre vielleicht schon ganz angebracht, wenn man hier von einem wirklich wagemutigen Unternehmer sprechen möchte.
    Herr Kollege Glos, ich habe Sie nicht persönlich gemeint. Ich weiß, daß Sie Ihre Mühle natürlich immer durch gute Investitionen auf der Höhe der Zeit halten.

    (Abg. Glos [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

    — Im Moment bitte nicht; später vielleicht gern wieder.
    Meines Erachtens sind nicht die beklagten, angeblich zu hohen Lohnabschlüsse der Konjunkturkiller Nummer eins, sondern die Zinsen. Welcher Unternehmer wird denn bei diesem prohibitiven Zinsniveau überhaupt auf die Idee kommen zu investieren? Obendrein kommt hinzu, daß die Deutsche Bundesbank abwechselnd sowohl an der Zinsschraube als auch an der Wechselkursschraube als auch an der Geldmengenschraube dreht.

    (Glos [CDU/CSU]: Keine Bundesbankbeschimpfung!)

    Man kann sich im Grunde genommen bei dieser Gemengelage auf kein einziges Datum verlassen, das von dort als Signal herüberkommt.
    Dies ist übrigens nicht nur meine Meinung, sondern das sonst normalerweise mit mir nie übereinstimmende Kieler Institut für Weltwirtschaft ist derselben Meinung. Es findet in einem der letzten Gutachten sogar ziemlich scharfe Worte zu der etwas
    merkwürdigen Politik der Bundesbank. Wir sollen sie j a nicht angreifen, aber wir dürfen sie j a ein bißchen kritisieren.

    (Löffler [SPD]: Ja, das dürfen wir schon!)

    Heute morgen ist wiederholt von Ihnen das amerikanische Beispiel vorgetragen worden, das wir als Rezeptur für die deutsche Wirtschaft gebrauchen sollten. Sind Sie ernsthaft der Meinung, daß das etwas ist, dem man nacheifern kann? In Amerika steigen die Zinsen, seit 1981 ist die Industrieproduktion um 6,5 % zurückgegangen, und das Bruttosozialprodukt hat im letzten Quartal des vorigen Jahres um 3 % abgenommen. Es steigt nicht nur die Inflationsrate, sondern es steigen auch die Arbeitslosenzahlen. Nach einer, fast muß man schon sagen, dramatischen Notsitzung westlicher Finanzminister hat nun auch die amerikanische Geschäftswelt leise Zweifel, ob der monetaristische Ansatz, an den Reagan offensichtlich genauso unbeirrbar wie Madame Thatcher glaubt, wirklich das Richtige ist. Eins zeichnet beide aus: Eine gewisse Dickköpfigkeit und Lernunfähigkeit, aus Daten und Signalen der Wirtschaft eine Art Trendwende der eigenen Politik herbeizuführen.

    (Glos [CDU/CSU]: Sollen die bei Herrn Brandt Ökonomie lernen?)

    Diese Dickköpfigkeit scheint auch die CDU auszuzeichnen, wenn sie nicht begreifen will, daß das keine Rezeptur ist, die man unserer Wirtschaft überstülpen und dabei hoffen kann, daß auf diese Art und Weise sozialer Friede und Demokratie gewahrt bleiben können.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich hatte die Ansteckungsgefahr einer solchen Argumentation für geringer gehalten; denn immerhin beruht ja das Wissen über die Soziale Marktwirtschaft auf Theorien, die in Deutschland entwickelt wurden und die in der Tat das Gewicht mehr auf die Nachfrageseite — selbst bei Ordoliberalen —, nicht nur auf die Angebotsseite, gelegt hatte. Lohn und Einkommen sind nicht nur Kostenfaktoren, Lohn und Einkommen sind auch Nachfragefaktoren. Wer soll denn die schönen Produkte, die mit den angeblich billigen Löhnen und den billigen Zinsen produziert werden, kaufen, wenn wir nicht die entsprechende Nachfragekraft auf der anderen Seite schaffen? Die Kette kann doch nur heißen: Geringe Löhne, Produkte, die nicht verkauft werden, auf denen man dann sitzen bleibt, geringere Gewinnerwartung, und daraus schließen Sie: Dann müssen wieder die Löhne sinken. Der Kreislauf läuft und läuft und läuft. Ich halte dies für die falsche Rezeptur. Ich bin der Meinung, daß es genau umgekehrt laufen muß

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    — damit stehe ich übrigens nicht allein —, daß der Lohn ein Nachfragefaktor ist, der auf dem Markt den Unternehmern hilft, wieder zu kalkulieren, was sie verkaufen können, welche Marktanteile sie bei ihren Dispositionen auf die Dauer halten können.

    (Glos [CDU/CSU]: Sie leben von den alten Irrtümern! — Dr. Freiherr Spies von Büllesheim [CDU/CSU]: Immer noch auf dem falschen Dampfer!)




    Frau Simonis
    — Ich bin überhaupt auf keinem Dampfer, ich stehe hier auf dem Podium vor dem Deutschen Bundestag.

    (Beifall bei der SPD — Zuruf von der CDU/ CSU: Sie sitzen im falschen Paddelboot!)

    Im übrigen werde ich auf Dampfern normalerweise so seekrank, daß ich nicht freiwillig darauf steigen würde.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Geisterschwimmer!)

    Sie empfehlen uns als Rezeptur die Exporte, die j a in der Vergangenheit tatsächlich eine gewisse stabilisierende Wirkung gehabt haben; aber ich finde, daß dies nicht sehr realistisch ist. Immerhin hat uns Reagan bereits eine Art von Handelskrieg angedroht, natürlich in seiner vornehm zurückhaltenden Art und Weise, nicht sofort: Er läßt uns noch ein bißchen Zeit, Besserung zu zeigen. Aber immerhin, er sagt, er sehe sich zu Sanktionen gezwungen, wenn nicht Japaner und Europäer sofort und auf schnellstem Wege ihre Märkte für amerikanische Produkte öffneten. Das ist dann die „freie" Wirtschaft, wie sie in Amerika praktiziert wird, die Partner zu bedrohen und sich mit Sanktionen den Weg für die eigenen Waren frei zu machen, die man offensichtlich sonst nicht verkaufen kann.

    (Glos [CDU/CSU]: Die bösen Amerikaner!)

    — Natürlich, die „bösen" Amerikaner auf diesem Gebiet. Wer Handelskriege macht, und mit Sanktionen droht, der ist, wirtschaftspolitisch gesehen, tatsächlich ein „böser" Amerikaner.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Da sind die Russen viel besser!)

    Das ist wahr. Ich sehe das auch so.
    Wir hängen in der Tat — auch dies ist heute morgen geleugnet worden, und ich möchte gerne einmal wissen, woher Sie diese Zahlen wieder haben — in noch viel zu starkem Maße von Importen von Ö1 aus den Ölländern ab. Der Anteil der Rechnung hat in diesem Jahr 4,5 % unseres Bruttosozialproduktes betragen, während er noch vor ein paar Jahren nur 1 % betrug. Der Anpassungsprozeß „Weg vom Öl", wie ihn die Kollegin Matthäus-Maier heute morgen als den einzig richtigen Weg bezeichnet hat, ist durch die künstliche Wechselkurspolitik der Bundesbank lange Zeit erschwert worden. Eine ganze Zeitlang wurden Importe verbilligt, auch Ölimporte, so daß es gar nicht nötig war, sich vom Öl wegzubewegen. Man konnte es noch relativ billiger einkaufen, und wir haben noch heute mit den strukturellen Schwierigkeiten zu kämpfen. Leider Gottes hat auch die öffentliche Hand diesen Anpassungsprozeß nicht schnell genug vorangetrieben. Der Ausbau von Fernwärme ist leider Gottes immer nur als ein Restposten im Haushaltsetat des Wirtschaftsministers stehengeblieben und nicht in genügendem Maße angelaufen.
    Offensichtlich haben diese strukturellen Schwierigkeiten die Wirtschaftsinstitute, die uns j a beraten sollen, dazu verleitet, uns alle Vierteljahr eine neue Prognose auf den Tisch zu legen. Dann wird es natürlich nicht ganz einfach zu wissen, welchen Weg
    man eigentlich einschlagen sollte. Hieß es heute noch: auf keinen Fall ein Programm, heißt es plötzlich: doch ein Beschäftigungsprogramm. Hieß es gestern: keine öffentliche Verschuldung, heißt es plötzlich: natürlich öffentliche Verschuldung. Waren gestern die Zinsen zu niedrig, sind sie heute plötzlich zu hoch. Wer um Gottes willen soll sich denn in diesem Zickzack und Hühott, Hin und Her zurechtfinden.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    — Es handelt sich im übrigen, damit Sie nicht an der falschen Stelle klatschen,

    (Glos [CDU/CSU]: Das war einmal die richtige Stelle!)

    immer um die gleichen Zahlen und die gleichen Institute, die lediglich jedes Vierteljahr bei gleichem Tatbestand zu einer anderen Erkenntnis kommen. Das macht es schwierig. Es kann sein, daß Sie jetzt Ihren Applaus zurückziehen.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Es mag verständlich sein, daß sich innerhalb dieses Zickzacks auch die CDU nicht mehr zurechtgefunden hat. Da ruft der Kollege Kiep den Kollegen Stoltenberg ganz energisch zurück, der vorsichtig anklingen ließ, daß er für eine höhere Nettoverschuldung und für ein Beschäftigungsprogramm sei. Dieser wiederum konnte glauben, daß ihn der Kollege Albrecht unterstützen würde; denn er hatte j a signalisiert, er würde im Bundesrat nicht widersprechen. Beide sahen sich plötzlich mit einer ganz neuen vermögenspolitischen Initiative des Kollegen Späth konfrontiert. Dann sagt Herr Kiep: Njet, da findet überhaupt nichts statt.

    (Löffler [SPD]: Und dann hat Franz Josef Strauß gesagt: Jetzt machen wir ein Beschäftigungsprogramm!)

    Ich nehme an, Sie waren alle zusammen wieder ein bißchen verwirrt, hatten den Abstimmungsprozeß noch nicht zu Ende gebracht, und es ging hier um zwei Denkschulen, nämlich die der Pragmatiker, die genau wissen, daß man etwas tun muß — sowohl Stoltenberg als auch Albrecht sind leider Gottes pleite, was ich bedauere —, und die der Generalisten, die hier versammelt sind,

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    die natürlich um des Prinzips willen hier nein sagen mußten.
    Im übrigen mußte der Kollege Kiep nein sagen; denn er war da einmal im Kabinett. Was „Die Welt", die sich sonst immer damit beschäftigt, unsere Wirtschaftspolitik zu kritisieren, über die Wirtschaftspolitik des Landes Niedersachsen gesagt hat, reicht von „erschreckend" bis „katastrophal". Daran sind Sie noch mit schuld. Sie sind noch nicht lange genug hier, um zu sagen: Ich wasche meine Hände in Unschuld. Das können Sie vielleicht in vier Jahren sagen. An der katastrophalen Wirtschaftspolitik des Landes Niedersachsen, lieber Kollege Kiep, sind auch Sie mit beteiligt, und deswegen mußten Sie nein sagen und Presseartikel zurückweisen, die sich sehr kritisch mit der Wirtschaftspolitik des Landes



    Frau Simonis
    Niedersachsen auseinandersetzen. Es geht hier nicht um Denkschulen, sondern um das Abdunkeln einer Initiative des Kollegen Stoltenberg, der als Pragmatiker sehr wohl weiß, was er wollte.
    Sie fördern einen Attentismus bei „Ihren Leuten", bei den Unternehmern. Diese Unternehmer brauchen bloß darauf zu warten, wer sich durchsetzt: Kiep oder Stoltenberg, Albrecht oder Späth. Passieren wird auf jeden Fall etwas — das wissen sie —, und auch Sie werden eines Tages nachgeben. Die Unternehmer werden sich hüten, jetzt zu investieren, wenn offensichtlich schon von gewichtigen Kollegen der CDU signalisiert wird, daß irgend etwas gemacht werden wird, wie es auch immer aussieht; es könnte eine Art von Beschäftigungs- oder Konjunkturprogramm werden. Deswegen kann man es ihnen nicht einmal zum Vorwurf machen, wenn sie in Ruhe abwarten, wann endlich die letzte Bastion des Widerstandes hier im Bundestag, nämlich die CDU/CSU, gegen die Integration von Arbeitslosen fallen wird.

    (Kolb [CDU/CSU]: Das ist aber eine ganz böse Unterstellung! — Glos [CDU/CSU]: Das ist unglaublich! Glauben Sie das wirklich selbst? — Zuruf von der CDU/CSU: Der FDP bleibt wirklich nichts erspart! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    — Ich rede von Ihnen und Ihrer Wirtschaftspolitik, die nämlich im Zickzack läuft und zwischen Hü und Hott wechselt.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Wir haben uns wenigstens bemüht, einen Pfad zu finden.
    Ich sagte schon, daß es die einzige Entschuldigung, die ich dafür finden konnte, war, daß sich innerhalb der Daten, die uns von den wirtschaftswissenschaftlichen Instituten geliefert wurden, niemand so richtig zurechtfinden konnte. Im übrigen sind wir durch alle Parteien hindurch eigentlich alle der Meinung, daß zunächst die Unternehmer aufgefordert sind, für Arbeitsplätze zu sorgen. Das kann aber nicht so gehen, wie es uns heute morgen aus alarmierenden Nachrichten aus der Presse und in Telegrammen bekanntgegeben wurde, daß die fristlose Entlassung von über 1 000 Kollegen in Ulm womöglich noch als unternehmerische Initiative gefeiert werden wird, um sich zu sanieren und um so die verfehlte Politik dieses Unternehmens zu beenden. Nicht durch solche kurzfristigen Maßnahmen, auch nicht durch die dauernde Wiederholung, die Regierung müsse zurücktreten, auch nicht durch Hü und Hott, sondern nur durch eine Wirtschaftspolitik, die auf Grund sich verstetigender Daten Signale dort setzt, wo wir gern Aktivitäten hätten, können wir auf Dauer dafür sorgen, daß die 1,7 Millionen Arbeitslosen wieder untergebracht werden können.

    (Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU]: Aktionismus!)

    — Sagen Sie doch einmal dem einen Arbeitslosen, den Herr Riedl heute morgen erwähnt hat, daß Sie alles, was Beschäftigungspolitik heißt, als Aktionismus abtun. Dann machen Sie sich bitte die Mühe
    und machen den Herrn ausfindig, den Herr Riedl uns heute morgen „vorgeführt" hat!

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Ich denke, bevor wir uns jetzt lange über Aktionismus streiten, sollten die Chancen dieses Haushalts wahrgenommen werden. Gerade im Haushalt des Wirtschaftsministers befinden sich ja einige Titel, mit denen man ganz gezielt strukturell, sektoral helfen kann. Angefangen bei der Gemeinschaftsaufgabe „Regionalpolitik" bis hin zum Ausbau der Fernwärme könnten Mittel, die Jahr für Jahr stehenbleiben, direkt in die Wirtschaft hineinfließen und helfen, daß dort Arbeitsplätze geschaffen werden.
    Warum dagegen beispielsweise immer noch Gelder eingesetzt werden, um deutschen Unternehmern bei der schnellen Einführung energiesparender Technologien und Produktionsprozesse zu helfen, will mir nicht ganz einleuchten. Das muß doch eines Tages mal aufhören. Angesichts einer sich dauernd verteuernden Energie glaube ich nicht, daß der Staat verpflichtet ist, weiterhin Gelder dafür auszugeben, daß Unternehmer aus ihrer Energierechnung endlich die richtigen Schlußfolgerungen ziehen, nämlich Energie zu sparen, bestimmte Technologien einzusetzen und sich das nicht immer erst durch Gelder aus dem Bundeshaushalt finanzieren zu lassen.

    (Beifall bei der SPD)

    Ein bißchen Lernwilligkeit wird man doch wohl auch bei deutschen Unternehmern unterstellen dürfen, auch ein bißchen Lernfähigkeit.
    Die Diskussion über die Verschuldung der öffentlichen Hände nahm heute morgen zum Teil, finde ich, die Form von „Kunst an sich", l'art pour l'art an, weil nicht mehr diskutiert wurde, warum und wieso diese Verschuldung entstanden ist. Der Vorwurf, die Bundesregierung hätte in Zeiten besserer Konjunktur ihren Haushalt konsolidieren sollen, zeugt eigentlich nur von der Kurzlebigkeit politischer Geschehnisse. Jeder von uns fühlte sich geschmeichelt, als auf dem Weltwirtschaftsgipfel die Deutschen plötzlich zur „Lokomotive" erklärt wurden und die die Weltkonjunktur wieder auf die Beine stellen sollten. Und wir sind darauf reingefallen, weil wir nämlich auf dem OECD-Weltwirtschaftsgipfel in Bremen den Kladderadatsch vermeiden und nicht mit der Bundeshaushaltsordnung sagen wollten: wir müssen jetzt sparen. Wir sind darauf hereingefallen und haben gesagt: Na gut, dann machen wir eben die „Lokomotive". Ich kann nur sagen: Wir hätten es lieber nicht machen sollen, wir hätten besser die anderen gezwungen, ihre eigenen Ideen, ihren eigenen Kopf, ihren eigenen wirtschaftlichen Sachverstand einzusetzen.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir haben die „Lokomotive" gemacht, statt mit der Konsolidierung die Mittel freizuschaufeln, die wir heute nötig hätten, um Arbeitsmarktprogramme zu finanzieren und damit vielleicht die Beschäftigung wieder anzukurbeln.
    Ich kann mir vorstellen, daß der Bremer Weltwirtschaftsgipfel dann sehr viel unfreundlicher verlaufen wäre. Nun haben wir heute mit den Folgen zu



    Frau Simonis
    kämpfen. Das bedeutet auch, daß uns eine ganze Generation von Jugendlichen eines Tages fragen wird: Was habt ihr eigentlich getan, damit wir unsere Lebenschancen durch eine qualifizierte und vernünftige Ausbildung wahrnehmen konnten, um einmal selber unseren Lebensunterhalt verdienen zu können?
    Und nebenbei: Von diesem Haushalt ging noch 1981 — so jedenfalls die Berechnungen des DIW — immerhin Nachfrageimpulse in Höhe von 14 Milliarden DM auf die deutsche Wirtschaft aus, deren Wirksamkeit doch nicht zu leugnen sind. Das einzige Problem war: sie wurden nicht gebündelt zur Bekämpfung der Rezession eingesetzt, sondern zerstreuten sich über den ganzen Haushalt und haben daher auch nicht geballt in bestimmten Sektoren wirken können.
    Wenn der wirtschaftliche Sachverständigenrat in seinem jüngsten Gutachten dafür plädiert, daß wir weiterhin konsolidieren und gleichzeitig Kredite aufnehmen, so wird das ein bißchen schwierig. Er meint damit wohl eine Umstrukturierung der Schulden. Der Sachverständigenrat kann damit aber nicht meinen, daß wir durch blindes Streichen ausgerechnet jene Nachfrageimpulse kaputtmachen. Vielmehr müssen wir sie verstärken. Ich nehme an, genau dieser Zusammenhang, daß auch Schulden in bestimmten Situationen ihre positiven Wirkungen haben, wurde von dem von Ihnen so sehr verehrten und so oft zitierten Schumpeter gesehen, als er sagte: „Auf Schulden reitet das Genie zum Erfolg."

    (Lachen bei der CDU/CSU — Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU]: Welche Genies haben wir doch hier! — Dr. Kohl [CDU/CSU]: Schumpeter-Schüler Matthöfer!)

    Wir hoffen, daß dieser Genius die Regierung beflügeln wird und daß sich der wirtschaftliche Erfolg im nächsten Jahr einstellen wird.
    Ich darf Sie bitten, dem Haushalt des Wirtschaftsministers zuzustimmen. — Herzlichen Dank.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU]: Das war eine Märchenstunde! — Zuruf von der CDU/ CSU: Das war zumindest ein genialer Schluß!)



Rede von Heinrich Windelen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Haussmann.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Prof. Dr. Helmut Haussmann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Vor dem Essen noch starker bayerischer Tobak: Herr Glos nähert sich jetzt doch immer mehr dem Bayernkurier an. Ich möchte einfach einmal die kleinen Unverschämtheiten gegen den Bundeswirtschaftsminister zurückweisen.

    (Glos [CDU/CSU]: Sagen Sie nichts Schlechtes über den Bayernkurier!)

    Was an dem Beitrag meiner verehrten Kollegin bedauerlich war — ich versuchte es im letzten Jahr schon etwas zu ändern —, war das Tempo. Ich habe
    bemerkt, daß die Süddeutschen nicht mehr in der Lage waren, ihre Zwischenrufe unterzubringen.

    (Heiterkeit — Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Das ist so, wenn man schneller spricht, als man denkt!)

    Nach mir wird kein geringerer als Herr Kiep, der Koordinator der Wirtschaftspolitik der Union, reden. Ich möchte ihm einige Fragen stellen,

    (Dr. Riedl [München] [CDU/CSU]: Sie sollten besser die Regierung fragen!)

    weil die deutsche Wirtschaft natürlich nicht nur über verschiedene Aussagen der Koalition, sondern auch der Opposition, lieber Herr Riedl, verunsichert ist. Ich habe gelesen, daß Herr Stoltenberg zunächst für eine beschränkte Neuverschuldung wäre, Herr Albrecht Beschäftigungsprogramme nicht blockieren möchte und Herr Kiep das Ganze wieder eingesammelt hat. Zu guter Letzt hat sich dann Herr Rommel aus meinem Heimatland Baden-Württemberg gemeldet. Er hat den Gemeinden den Freibrief für eine Gewerbesteuererhöhung in Aussicht gestellt.

    (Dr. Riedl [München] [CDU/CSU]: Das haben die Oberbürgermeister so an sich!)

    Meine Damen und Herren, ich kann nur hoffen, daß die mittelständischen Wirtschaftsverbände ihren Mitgliedern diese CDU-Politik zur Kenntnis bringen. Es ist hochinteressant, was hier gesagt wurde.

    (Beifall bei der FDP)

    Aber damit nicht genug. Herr Rommel hat nicht nur uns, sondern auch den Sozialdemokraten gleichzeitig noch gezeigt, was eine Harke ist. Er hat nämlich flugs eine Sondersteuer für die besser Verdienenden ins Gespräch gebracht, etwa nach dem Motto: Diejenigen, die jetzt eigentlich investieren sollten, werden vorher noch einmal steuerlich bestraft. Es gibt also viel zu tun, Herr Kiep.
    Ich denke in diesem Zusammenhang auch daran, daß Herr Abelein gestern sehr undifferenziert Wirtschaftssanktionen und insbesondere das Erdgasgeschäft der westeuropäischen Länder praktisch zur Diskussion gestellt hat. Er hat uns aufgefordert, von diesem Geschäft abzurücken. Ich persönlich bin der Meinung, Sie sollten als CDU-Politiker dem Deutschen Bundestag nachher sagen, wo die Union gerade in dieser zentralen Frage der Wirtschaftssanktionen steht.
    Meine Damen und Herren, leider gibt es auch in der Koalition Mißverständnisse und Aufgeregtheiten.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU — Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU]: Mehr als das! Sie sind doch zertritten!)

    Dies ist angesichts der Herausforderungen des Arbeitsmarkts, die die FDP sieht, höchst bedauerlich und darf so nicht bleiben. Ich glaube, es ist daher an dieser Stelle wichtig, daß ich — wie meine Kollegin Frau Matthäus-Maier — die Position der FDP nochmals verdeutliche.

    (Kiep [CDU/CSU]: Das ist notwendig!)




    Dr. Haussmann
    — Ja, wir haben das Bedürfnis, das an dieser Stelle zu tun.

    (Glos [CDU/CSU]: Ihre Linie ist eine Schlangenlinie!)

    Wir sind nach wie vor — dies wird auch so bleiben — gegen jegliche kurzfristigen beschäftigungspolitischen Programme,

    (Zustimmung des Abg. Glos [CDU/CSU])

    weil sie unserer Wirtschaft in ihrer gegenwärtigen strukturellen Anpassungskrise nicht helfen können.

    (Zustimmung bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Wir sind nicht bereit, uns einem auch noch so kunstvoll arrangierten Handlungszwang zu beugen, nur weil etwas getan werden müßte, wie so oft gesagt wird.

    (Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU]: Ich bin gespannt, wann Sie umfallen!)

    Wir sind der Meinung, nicht derjenige tut etwas für die Beschäftigung, der angesichts leerer Kassen täglich nach dem Staat ruft, sondern eher derjenige, der konsequent mit der Leidenschaft der Vernunft,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Max Weber!)

    wie der Kanzler zu sagen pflegt, daran arbeitet, daß eine Zinssenkung möglich wird und daß mehr private Investitionen in Gang kommen. Dies ist und bleibt die FDP-Position.

    (Beifall bei der FDP — Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU]: Wie lange?)

    Es ist doch ein schlechter Witz, daß einzelne CDU-und SPD-Politiker bereits in der Wirtschaftspause, Entschuldigung, in der Weihnachtspause — —

    (Heiterkeit — Zuruf von der CDU/CSU: Der Unterschied ist unerheblich! — Weitere Zurufe)

    — Meine Damen und Herren, dieser Versprecher eben ist mir deshalb unterlaufen, weil ich in der viel zu kurzen Mittagspause das gesamte Präsidium eines Wirtschaftsverbandes zu Gast hatte und auf die Frage, ob ich nicht die vier Gänge mitessen wolle, sagen mußte: Nein, Weihnachten wirft nach wie vor seine Falten.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    — Ich höre da eine Menge billiger Zwischenrufe, die ich nicht nur aus Zeitgründen nicht beantworten möchte.
    Ich fahre fort: Meine Damen und Herren, es ist ein schlechter Witz, daß bereits in der Weihnachtspause neue, zusätzliche Beschäftigungsschritte vom Staat gefordert wurden, obwohl die letzten Entscheidungen erst am 18. Dezember — ich wiederhole: am 18. Dezember — des letzten Jahres von uns selbst getroffen wurden. Dieses blinde Ankündigen schadet gewaltig und untergräbt darüber hinaus das Vertrauen in unser parlamentarisches Handeln: daß wir selbst nicht bereit sind, die Wirkungen unserer eigenen Entscheidungen überhaupt abzuwarten. Wie soll sich denn z. B. eine Verbesserung der Abschreibungsmöglichkeiten nach § 7 b des Einkommensteuergesetzes nach zwei Wochen auswirken? Da muß man eben etwas Geduld haben und warten, was aus dieser Abschreibungserleichterung im Laufe des Sommers wird.
    Ich möchte daher, was die Beschäftigungsdiskussion angeht, zumindest für meine Person, hier sagen,

    (Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU]: Nicht für die FDP?)

    — ich glaube, nach der ausführlichen Diskussion in der letzten Woche in meiner Fraktion spreche ich auch für die FDP-Fraktion —,

    (Beifall bei der FDP)

    daß wir weder Anlaß noch Sinn darin erkennen können, weitere staatliche finanzwirksame Beschäftigungsprogramme zu erwägen, bevor nicht feststeht, welchen Beitrag der öffentliche Dienst und die Tarifabschlüsse in der privaten Wirtschaft leisten werden, um die Beschäftigungssituation zu verbessern.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Richtig!)

    Dort liegt im Moment der Schlüssel für mehr Beschäftigung. Dies ist die Verantwortlichkeit und die richtige zeitliche Reihenfolge. Die Freien Demokraten können nur vor der Illusion warnen, daß staatliche Steuer- und Ausgabenpolitik nachträglich falsche Tarifabschlüsse im öffentlichen Dienst und in der Privatwirtschaft wieder ausgleichen könnte.
    An dieser Stelle muß aber auch an das erinnert werden, was Herr Genscher gestern gesagt hat. Er hat gesagt, eine beschäftigungsfreundliche Tarifpolitik führe zu schwierigen Verteilungsfragen,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Was sagt er denn heute?)

    die dringender denn je durch eine aktive Vermögensbildung gelöst werden müssen. Ich füge hinzu: Dazu gehört ebenso eine maßvolle Preispolitik der Unternehmer. Es ist nicht in Ordnung, wenn inzwischen dreimal im Jahr in bestimmten Branchen die Preise erhöht werden, einmal wegen der Lohnabschlüsse, dann wegen der Materialpreise, dann wegen der Zinsen. Das gehört in diese Diskussion.

    (Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU]: Herr Kollege, wie ist es denn mit der Bundesbahn?)

    Viele Arbeitnehmer und Gewerkschaftler, meine Herren und Damen, sind zu diesem Opfer in der Tarifpolitik um so eher bereit, je sicherer sie sein können, daß dies von der Bundesbank durch Zinssenkungen und damit die Chance zu mehr Beschäftigung vergolten wird.
    Lassen Sie mich diesen Haushalt des Wirtschaftsministers zum Anlaß nehmen, noch auf eine weitere große Sorge meiner Fraktion hinzuweisen. Ich meine die ständig steigende Konzentration, die letztlich zu größeren Unternehmen, zu weniger Arbeitsplätzen führt. Leider gibt es für diese Konzentration sehr viele Ursachen: sicher auch eine von uns mit verursachte Zinspolitik, die eigenkapitalschwache Unternehmen zur Aufgabe zwingt, auch eine



    Dr. Haussmann
    staatliche und bankenmäßige Überlebensgarantie für viele große Unternehmen, während kleinen und mittleren Unternehmen von Banken und Landesregierungen oft nur noch eine höfliche Sterbehilfe gewährt wird,

    (Beifall bei Abgeordneten der FDP und der CDU/CSU — Weiskirch [Olpe] [CDU/CSU]: Nicht gut! — Weiterer Zuruf von der CDU/ CSU: Leider wahr!)

    sowie eine Branchenpolitik, z. B. staatlich sanktionierte Stahlpreiserhöhungen, die die Großen von schmerzlichen Umstellungs- und Nachschußpflichten zum Teil entlastet und den kleinen und mittleren Stahlverarbeitern gewaltige Opfer aufbürdet.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Kolb [CDU/ CSU]: Was haben Sie dagegen unternommen?)

    Dies führt zur Konzentration, meine Damen und Herren. Wir, Herr Kolb, können hier nur bedingt gegensteuern. Das sind ja immer große Koalitionen, an denen Ihre Kollegen ebenfalls beteiligt sind.
    Wir können deshalb in diesem Haushalt des Wirtschaftsministers — darauf möchte ich abschließend noch zu sprechen kommen — nur zwei Dinge tun:

    (Tillmann [CDU/CSU]: Krokodilstränen weinen!)

    Wir können zum einen die Starthilfen für neue Unternehmen — ich meine konkret das Eigenkapitalhilfeprogramm — verbessern. Die Verbesserungen, die die FDP-Fraktion angeregt hat und die inzwischen erfolgt sind, werden begrüßt. Vergessen wir aber bei aller Pflege von neuen Unternehmen nicht, daß viele Unternehmen in hartem Wettbewerb stehen. Lassen Sie uns gemeinsam darüber nachdenken, durch welche Verbesserungen der ertragsunabhängigen Steuerbestandteile wir die viel zu schmale Eigenkapitalbasis verbessern können.
    Zum anderen können wir etwas im Bereich der Forschungsförderung tun. Meine Damen und Herren, es ist ein großer Erfolg; daß wir die 390 Millionen DM für die Personalkostenzuschüsse auch in der mittelfristigen Finanzplanung halten können. Ich möchte deshalb die Kollegen der Union herzlich auffordern, dies in ihren Wahlkreisen nicht als Kürzung zu bezeichnen, sondern zuzugeben, daß der Erfolg dieses Programms uns dazu gezwungen hat, die Voraussetzungen für dieses Programm zu ändern, d. h. die Größengrenze für die Unternehmen, die in den Genuß dieser Personalzulage kommen, herabzusetzen. Ich sage ganz ehrlich: Man hätte auch andere Anpassungen vornehmen können. Ich habe dazu konkrete Vorschläge gemacht. Leider wurde die Diskussion sowohl von der Opposition als auch von den Wirtschaftsverbänden, die sich heute darüber beklagen, verschlafen.
    Meine Damen und Herren, am Ende möchte ich zweifachen Dank aussprechen: Ich möchte zum einen den drei Berichterstattern, den Mitarbeitern des Wirtschaftsministeriums sowie dem Wirtschaftsminister danken, daß sie auf Einsparmöglichkeiten im Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft hingewiesen haben — das ist nicht bei allen
    Einzelhaushalten geschehen — und auch bereit waren, diese schmerzlichen Eingriffe zu vollziehen. Ich möchte zum anderen dem Wirtschaftsminister für seinen ständigen Einsatz gegen Protektionismus danken, meine Damen und Herren. Wenn man die aufgeregte nationale, deutsche Diskussion verfolgt, so könnte man glauben, daß das Heil nur noch in nationalen staatlichen Maßnahmen liegt. Viel mehr für die Beschäftigung wird aber auf vielen internationalen und europäischen Konferenzen getan, auf denen gegen Protektionismus vorgegangen wird. Hierzu, lieber Graf Lambsdorff, wünsche ich Ihnen weiter gute Nerven und die Unterstützung des gesamten Deutschen Bundestages. — Vielen Dank.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)