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ID0907909300

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 9/79 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 79. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 20. Januar 1982 Inhalt: Fortsetzung der zweiten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1982 (Haushaltsgesetz 1982) — Drucksachen 9/770, 9/965 — Beschlußempfehlungen und Bericht des Haushaltsausschusses Einzelplan 08 Geschäftsbereich des Bundesministers der Finanzen — Drucksache 9/1188 — in Verbindung mit Einzelplan 32 Bundesschuld — Drucksache 9/1203 — in Verbindung mit Einzelplan 60 Allgemeine Finanzverwaltung — Drucksache 9/1207 — in Verbindung mit Einzelplan 20 Bundesrechnungshof — Drucksache 9/1197 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Der Finanzplan des Bundes 1981 bis 1985 — Drucksachen 9/771, 9/967, 9/1261 — in Verbindung mit Einzelplan 09 Geschäftsbereich des Bundesministers für Wirtschaft — Drucksache 9/1189 — Carstens (Emstek) CDU/CSU 4593 D Westphal SPD 4601A Gärtner FDP 4606 C Matthöfer, Bundesminister BMF . . . 4612A Dr. Riedl (München) CDU/CSU 4618A Grobecker SPD 4624 B Frau Matthäus-Maier FDP 4626 D Glos CDU/CSU 4630 C Frau Simonis SPD 4637 C Dr. Haussmann FDP 4642 B Kiep CDU/CSU 4644 C Dr. Graf Lambsdorff, Bundesminister BMWi 4651 C Reuschenbach SPD 4657 D Dr. Hackel CDU/CSU 4661 C Hoffmann (Saarbrücken) SPD 4664 B Funke FDP 4667 B II Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Januar 1982 Einzelplan 10 Geschäftsbereich des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — Drucksache 9/1190 — Schmitz (Baesweiler) CDU/CSU . . . 4668 B Frau Zutt SPD 4674 C Bredehorn FDP 4677 D Ertl, Bundesminister BML 4679 D Einzelplan 12 Geschäftsbereich des Bundesministers für Verkehr — Drucksache 9/1192 — Schröder (Lüneburg) CDU/CSU . . . 4685A Wieczorek (Duisburg) SPD 4688A Dr. Zumpfort FDP 4692 C Einzelplan 13 Geschäftsbereich des Bundesministers für das Post- und Fernmeldewesen — Drucksache 9/1193 — Dr. Friedmann CDU/CSU 4695 C Paterna SPD 4697 C Merker FDP 4700 B Einzelplan 25 Geschäftsbereich des Bundesministers für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau — Drucksache 9/1199 — Hauser (Bonn-Bad Godesberg) CDU/CSU 4701 C Sieler SPD 4704 A Frau Noth FDP 4706 D Einzelplan 23 Geschäftsbereich des Bundesministers für wirtschaftliche Zusammenarbeit — Drucksache 9/1198 — Schröder (Lüneburg) CDU/CSU . . . 4709 C Esters SPD 4713A Gärtner FDP 4713 D Dr. Köhler (Wolfsburg) CDU/CSU . . . 4716 B Frau Luuk SPD 4718 D Dr. Vohrer FDP 4720 D Offergeld, Bundesminister BMZ . . . 4723 A Dr. Pinger CDU/CSU 4725 B Nächste Sitzung 4726 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 4727*A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 4727* B Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 79. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 20. Januar 1982 4593 79. Sitzung Bonn, den 20. Januar 1982 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens* 20. 1. Feinendegen 21. 1. Frau Huber 22. 1. Dr. Köhler (Duisburg) 20. 1. Frau Krone-Appuhn 20. 1. Dr.-Ing. Laermann 22. 1. Lemmrich 20. 1. Dr. Mertes (Gerolstein) 22. 1. Mischnick 20. 1. Möllemann 22. 1. Dr. Müller* 20. 1. Müller (Bayreuth) 20. 1. Reddemann* 20. 1. Rösch* 20. 1. Rohde 22. 1. Frau Roitzsch 22. 1. Dr. Solms 22. 1. Dr. Stark (Nürtingen) 22. 1. Graf Stauffenberg 22. 1. Walther 22. 1. Baron von Wrangel 22. 1. für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Vorsitzende des Ausschusses für Forschung und Technologie hat mit Schreiben vom 14. Januar 1982 mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen hat: Entwurf für einen Beschluß des Rates über eine konzertierte Aktion der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft auf dem Gebiet der landseitigen Hilfen für die Navigation und Empfehlung für einen Beschluß des Rates zur Ermächtigung der Kommission, eine Vereinbarung über die Durchführung einer konzertierten Aktion „Hilfssysteme für die Seeschifffahrt von der Küste aus" zwischen der Gemeinschaft und den an der Europäischen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der wissenschaftlichen und technischen Forschung (COST) beteiligten Drittstaaten auszuhandeln (Drucksache 9/934 Nr. 32) Vorschlag für einen Beschluß des Rates zur Festlegung einer konzertierten Aktion der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft betreffend die Auswirkungen von Behandlungen auf die physikalischen Eigenschaften von Lebensmitteln (Aktion COST 90 bis) (Drucksache 9/934 Nr. 33)
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    Rede von Ingrid Matthäus-Maier


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir befinden uns heute in der Haushaltsdebatte. Ich habe das Gefühl, diese Diskussion krankt wie die meisten Diskussionen in den letzten Monaten — aber die heute ganz besonders — an einem Mißstand, nämlich daran, daß die Opposition diesen Haushalts nicht detailliert, sachlich, konkret, im einzelnen kritisiert und Vorschläge macht, wo man etwas anders machen könnte, sondern die Regierung wieder frontal angreift.

    (Kolb [CDU/CSU]: Sie brauchen auch immer Hilfsaggregate!)

    Herr Carstens, Sie haben heute morgen gesagt: Es wird sich nichts ändern, bevor diese Regierung nicht abgelöst ist.

    (Demonstrativer Beifall bei der CDU/ CSU)

    Diese Bewertung muß ich Ihnen überlassen. Sie können allerdings ruhig so fortfahren; denn mir scheint folgendes klar zu sein: Erstens wird die Strategie, die Ihr Fraktions- und Bundesvorsitzender Herr Kohl zu Beginn dieser Legislaturperiode ausgegeben hat, nämlich detaillierte, sachliche, konkrete Oppositionsarbeit zu leisten, damit ad absurdum geführt. Zweitens ist es meine feste Überzeugung — insofern ist das für mich ganz beruhigend —: Je länger Sie diese Frontalangriffe reiten, statt zu konkreter, sachlicher Oppositionsarbeit



    Frau Matthäus-Maier
    überzugehen, um so länger werden Sie die Bänke der Opposition drücken.

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Kolb [CDU/CSU]: Wir erwarten von Ihnen konkrete Arbeit!)

    Übrigens zwingen Sie die Koalition damit, die Oppositionsarbeit, die j a sinnvoll ist, in den eigenen Reihen der Koalition selber vollführen zu müssen. Das ist kein einfaches Stück Arbeit, aber wir haben das bereits getan und werden das auch zukünftig mit erledigen. Sie wissen, daß wir diese Oppositionsarbeit oft genug durch Kritik an der eigenen Koalition und an der eigenen Regierung wahrgenommen haben.
    Sie haben zweitens gesagt, dieser Haushalt sei der schlechteste, der jemals vorgelegt worden sei — Sie werden jetzt wieder klatschen, weil ich wiederhole, was Herr Carstens gesagt hat; das führt uns aber auch nicht weiter —, er sei miserabel. Auch hier möchte ich Sie in Ihrem eigenen Interesse warnen. Wer derart übertreibt, wer derart überzieht, kann nicht damit rechnen, daß ihm draußen geglaubt wird. Irgendwann einmal haben Sie keine Steigerungsform mehr. Wenn etwas immer das Schlechteste war, kann ja etwas Schlechteres nicht mehr kommen. Dann merken die Bürger, daß etwas nicht stimmt.

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Kolb [CDU/CSU]: In der Schuldenaufnahme überbieten Sie sich jedes Jahr aufs neue!)

    Ein Drittes, Herr Carstens. Sie haben kritisch gesagt, um diesen Haushalt so vorzulegen, wie es geschehen ist, habe es eines umfangreichen ArtikelGesetzes mit 37 Gesetzesänderungen bedurft. Was soll das denn eigentlich? Wir haben ein Haushaltsstrukturgesetz verabschiedet; übrigens mit Ihrer Hilfe. Alle haben Ihnen für Ihre Mitwirkung gedankt. Das tue ich auch. Ich füge aber noch hinzu: Sie haben durch Ihre Mitwirkung am Artikel-Gesetz, am Haushaltskonsolidierungsgesetz leider dazu beigetragen, daß wir insgesamt 1,2 Milliarden DM weniger eingespart haben, als wir einsparen wollten.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das stimmt ja gar nicht! Das wissen Sie doch!)

    — Das ist richtig.
    Überlegen Sie sich doch einmal, welche Strategie Sie nun verfolgen wollen. Wenige Minuten nach Ihnen kommt nämlich Herr Riedl hierher und sagt: Sie haben noch viel zuwenig gespart, die Schulden sind noch viel zu hoch, Sie müssen mit dem Sparen weitermachen. Sie hingegen diffamieren dieses Haushaltsstrukturgesetz, weil mit ihm in so vielen Einzelpositionen etwas eingespart wird. Beides zusammen geht nun einmal nicht.
    Wir sollten dieses Haushaltsstrukturgesetz als das bewerten, was es trotz aller Kritik an Einzelpunkten, die auch ich habe, die ich auch öffentlich geäußert habe, ist: eine ganz beachtliche Leistung, um Subventionen, Mißbräuche, Transfergesetze einzuschränken, um die Devise Umschichtung von
    konsumtiven in investive Bereiche in die Wirklichkeit umzusetzen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Daß das auch Erfolge zeitigt, können Sie aus dem neuesten Subventionsbericht ersehen, den wir ja noch beraten werden. In ihm ist dankenswerterweise einmal die sogenannte Subventionsquote dargestellt worden, also das Verhältnis der Subventionen zum Bruttosozialprodukt. Es stellt sich heraus, daß diese Subventionsquote — nach jahrelangem dauernden Ansteigen — in den Jahren 1981/82 zum erstenmal stagniert, ja sogar sinkt.

    (Carstens [Emstek] [CDU/CSU]: Wir wollten sie um 5 % senken!)

    Das ist doch zweifellos ein Erfolg dieser Konsolidierungspolitik.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Wenn wir mit dem Haushaltsstrukturgesetz erreicht haben, daß wir die Neuverschuldung im Rahmen dieses Haushalts unter der Marke von 27 Milliarden DM halten, können wir uns das alles zwar nicht als endgültigen Erfolg — denn wir werden weitermachen müssen —, aber doch als Zwischenerfolg zugute halten.
    Ein Wort zur Kreditaufnahme. Sie wissen, daß wir als Liberale immer wieder betont haben — diese Aussage besteht auch heute —: Wir sind der Ansicht, daß der bequeme Weg über eine Erhöhung der Neuverschuldung zur Finanzierung von noch so sinnvollen Ausgaben kein guter Weg ist.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Warum halten wir daran so fest? — Wir halten daran nicht fest, weil wir, wenn ich es einmal so ausdrücken darf, Fiskalisten sind, die nur den Haushalt und die Nettokreditaufnahme sehen, nicht aber die gesamtwirtschaftlichen Notwendigkeiten.

    (Zuruf des Abg. Glos [CDU/CSU])

    Wir glauben, daß diese Aussage richtig ist, weil nach unserer Ansicht zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine Zinssenkung der wichtigste beschäftigungspolitische Impuls ist, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Kolb [CDU/CSU]: Also weniger Kreditaufnahme! — Kittelmann [CDU/CSU]: Kein Beifall bei der SPD!)

    Wenn Sie berücksichtigen, daß die deutsche Wirtschaft mit über 700 Milliarden DM verschuldet ist

    (Kolb [CDU/CSU]: Weshalb?)

    — es fehlt nur, daß Sie, Herr Kollege, sagen, daran seien wir auch noch schuld; darüber könnte ich nur lachen —, dann können Sie sich ausrechnen, was eine Zinssenkung um nur einen einzigen Prozentpunkt bedeuten würde.

    (Kolb [CDU/CSU]: Schauen Sie einmal die Eigenkapitalquote an!)

    Dies setzt mehr Geld frei, das sinnvoll für Investitionen genutzt werden kann, als jedes staatliche Ausgabenprogramm es tun könnte. Um diese Politik aufrechtzuerhalten, ist es notwendig, daß auch in den
    4628 Deutscher - Bundestag 9 Wahlperiode 79 Sitzung Bonn, Mittwoch den 20. Januar 1982
    Frau Matthäus-Maier
    kommenden Monaten und Jahren der Staat Zurückhaltung auf den Kapitalmärkten übt.
    Meine Damen und Herren, aller Voraussicht nach werden die Zinsen in den Vereinigten Staaten leider hoch bleiben. Die Bewegungsfreiheit der Bundesbank wird von dieser Seite her also weiter eingeengt. Soll dennoch eine Zinssenkung möglich bleiben, so braucht die Zentralbank Unterstützung von der Finanzpolitik,

    (Carstens [Emstek] [CDU/CSU]: Sehr wahr!)

    d. h. straffe Haushaltsführung und Begrenzung der Kreditaufnahme. Wir haben das unsrige dazu beigetragen.
    Eine Entscheidung in den nächsten Wochen, die Kreditaufnahme des Bundes über die geplanten knapp 27 Milliarden DM hinaus anzuheben, um damit z. B. Beschäftigungsmaßnahmen zu finanzieren, würde auf den Finanzmärkten als Signal verstanden, die Bundesregierung gehe von ihrem Kurs der Konsolidierung ab, und das wäre nicht gut.

    (Beifall bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Deswegen bringt es auch nichts, wenn wir, wie in früheren Jahren, als es sinnvoll war, kreditfinanzierte Konjunkturprogramme auflegen. Ich betone das, weil es Kollegen gibt, die meinen, nur weil es heute nicht richtig ist, war dies immer falsch; eine solche Politik lehne ich ab. Was hilft es denn der Wirtschaft und uns allen, wenn wir kreditfinanzierte Milliarden an Aufträgen in die Wirtschaft geben, um anzukurbeln, und gleichzeitig die dadurch höheren Zinsen dazu führen, daß die Erträge bei den Unternehmen genauso sind wie vorher? Das konterkariert ein solches Ziel.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Carstens [Emstek] [CDU/CSU]: Das war vor fünf Jahren auch schon so!)

    Andererseits, meine Damen und Herren, wissen wir: Wir brauchen eine Ausweitung der privaten und der öffentlichen Investitionen. Da gibt es ja auch noch genug zu tun, sowohl im privaten als auch im öffentlichen Bereich. Ich erinnere an die Fernwärmeversorgung, an einen verbesserten Lärmschutz, an die Abwasserbeseitigung, an Müllverwertung und Müllverbrennung, an Investitionen der Bundesbahn, an den Ausbau von Nahverkehrssystemen, an die Energieeinsparung in privaten Haushalten wie in den Industriebetrieben. All das brauchen wir. Wir brauchen nur Investitionen, in erster Linie privater, aber auch öffentlicher Art.
    Die Frage kann also doch nur lauten: Wie können wir dies finanzieren? Ich muß Ihnen sagen: Ich halte für einen sehr attraktiven und interessanten Vorschlag, was der Sachverständigenrat unter der Überschrift „Alternative" hier vorgelegt hat. Kurz zusammengefaßt besagt diese Alternative folgendes.
    Erstens. Diese Regierung und diese Koalition leiten so schnell wie möglich weitere Konsolidierungsmaßnahmen für die Folgejahre ein.
    Zweitens. Bei den Tarifabschlüssen erreichen wir eine maßvolle Lohnpolitik. — Ich darf daran erinnern, daß 1 % Änderung bei der Tarifrunde rund 8 Milliarden DM an Mehr- oder Minderkosten bedeuten. Ich füge hier hinzu: Das setzt natürlich auch eine Preisdisziplin der Unternehmen voraus. Ich wehre mich dagegen, immer nur auf die Arbeitnehmer zu starren, ohne zu sagen, daß Arbeitgeber und Unternehmer hier ebenfalls eine Aufgabe haben.

    (Beifall bei der FDP und der SPD und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Der Sachverständigenrat sagt weiter: Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, die Konsolidierungsmaßnahmen aber erst 1983/84 greifen können, weil der Gesetzgeber vorher gar nicht fertig werden kann, ist es erlaubt, im Jahre 1982 im Vorgriff auf das, was 1983 an Konsolidierung geschieht, eine höhere Kreditaufnahme in Kauf zu nehmen, um öffentliche und private Investitionen in Gang zu setzen bzw. zu stimulieren. Deswegen kann unter diesem Gesichtspunkt die Grenze von knapp 27 Milliarden DM Neuverschuldung kein Tabu sein.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Ich habe das hier so sorgfältig dargelegt, weil ich gelernt habe, daß es leider in den Nachrichten und im Rundfunk oft so läuft: Aha, FDP fällt um, Kreditfinanzierung ist weiter möglich.
    Ich meine, unter diesen genau spezifizierten Bedingungen in der gegenwärtigen Wirtschaftslage wäre dieser Vorschlag des Sachverständigenrates ein Modell, mit dem alle leben können — die Gewerkschaften, die Unternehmen, wir in der Politik und die Deutsche Bundesbank. Das politische Ziel der FDP wird es sein, darauf hinzuarbeiten. Unter der Überschrift „Umschichten von konsumtiv auf investiv" werden wir in den nächsten Monaten und Jahren unsere Volkwirtschaft umstrukturieren müssen und damit auch mehr Arbeitsplätze schaffen.
    Dies setzt natürlich weiteren Subventionsabbau voraus, meine Damen und Herren. Ich werde das an dieser Stelle nicht vertiefen. Ich habe das sehr oft getan, wie Sie wissen. Aber eines lassen Sie mich hier richtigstellen. Herr Matthöfer zitierte aus dem Brief von Herrn Kohl an ihn betreffend die von der Opposition geforderte 5%-Absenkung bei den Subventionen. Dort wird in einem kleinen Nebensatz so nebenbei gesagt, unter diese fünfprozentige Kürzung fielen, da Ausgaben zu kürzen und nicht Steuern zu erhöhen seien, nicht steuerliche Tatbestände. Das muß ich natürlich zurückweisen.

    (Löffler [SPD]: Mit Recht!)

    Soll denn Kürzung von Subventionen, soll denn Konsolidierung heißen, daß wir nur an die Leistungsgesetze im Sozialbereich herangehen und daß die ganzen steuerlichen Subventionen, die steuerlichen Vergünstigungen im Unternehmensbereich unangetastet bleiben?

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Dr. Riedl [München] [CDU/CSU]: Kein Tabu für uns!)

    — Herr Riedl, so geht das natürlich nicht. Im Finanz-
    ausschuß und anderswo sagen Ihre Kollegen immer:
    Vergünstigungen im Bereich der Wirtschaft zur Be-



    Frau Matthäus-Maier
    lebung und aus sonstigen Gründen dürfen möglichst nicht über direkte Finanzhilfen gegeben werden, sondern der bessere Weg ist die Steuervergünstigung. Wir sind da anderer Ansicht, das wissen Sie. Aber Sie sagen das. Gleichzeitig sagen Sie in diesem Brief: Da jede Streichung von Steuervergünstigungen eine Steuererhöhung wäre, dürfen wir das nicht tun. Das heißt, erst treiben Sie die steuerlichen Vergünstigungen hoch, halten das für das richtige Mittel, und dann sind Sie nicht bereit, da wieder abzubauen. Das ist natürlich eine Umverteilung zu Lasten der Arbeitnehmer, die in erster Linie von Kürzungen im Sozialbereich betroffen sind. Das können wir nicht akzeptieren.

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Zurufe von der CDU/CSU)

    Abschließend folgendes zu diesem Bereich. Die FDP — das wiederhole ich hier — ist bereit, solche Konsolidierungsmaßnahmen mit in Gang zu setzen und zu initiieren und auch Maßnahmen in die Diskussion einzubringen, die ihr selber recht unangenehm sind. Ich glaube, die Bevölkerung ist bereit, auf diesem Weg weiterzumachen, jedenfalls viel mehr bereit als viele Funktionäre von Verbänden.

    (Beifall bei der FDP)

    Wenn ich denn da lese, daß z. B. in der jetzigen Tarifrunde im öffentlichen Dienst die kommunalen Arbeitgeber ihre Bereitschaft signalisiert haben, möglicherweise aus der gemeinsamen Front der öffentlichen Arbeitgeber auszubrechen, um Herrn Klunkker hier entgegenzukommen — ich will es sehr vorsichtig sagen, weil das ja eine schwebende Angelegenheit ist —, dann kann ich davor nur warnen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Jawohl!)

    Erstens wäre ein solches Aufbröckeln der öffentlichen Arbeitgeber das erste Mal seit vielen, vielen Jahren. Zweitens würde es die Position der Regierung schwächen, nicht nur der Bundesregierung — das wäre dem Herrn Lorenser vielleicht egal —, sondern das schwächt doch auch die Position der Landesregierungen, die von der CDU/CSU geführt sind. Das schwächt die Verwaltung in den Kommunen. Wenn hier noch einmal Kommunalpolitiker hinkommen und uns Bundespolitikern erzählen wollen, ihre Haushalte seien so schlecht in Schuß, weil wir bei der Bundespolitik angeblich auf ihre Kosten sparten, und wenn ich nun sehe, was der Herr Lorenser als kommunaler Arbeitgeber schon zuzugestehen bereit ist, dann kann ich nur sagen, sie sollen lieber nicht kommen, ich würde ihnen schon die passenden Worte entgegenhalten.

    (Beifall bei allen Fraktionen und Zurufe von der CDU/CSU)

    — Ich bedanke mich ausdrücklich dafür, daß hier auch die Opposition klatscht. Ich wäre dankbar, wenn dieser Beifall bis zu Herrn Lorenser durchdringen könnte.

    (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Das wird es wohl auch! — Kolb [CDU/CSU]: Warten wir mal auf den starken Baum, gnädige Frau!)

    Nun komme ich zu der anderen Möglichkeit der Finanzierung, nämlich zur Mehrwertsteuererhöhung, die in den letzten Tagen eine größere Rolle gespielt hat. Sie wissen — es ist hier mehrfach zitiert worden —, das FDP-Präsidium hat eine Einführung einer Investitionszulage, finanziert durch eine 1 %ige Mehrwertsteuererhöhung in der zweiten Hälfte des Jahres 1983, als diskussionswürdiges Modell bezeichnet. Wenn der Wirtschaftsminister einen solchen Vorschlag in die Welt gesetzt oder darüber laut nachgedacht hat, dann ist es wohl nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht eines Parteigremiums, so etwas in der gegenwärtigen politischen Landschaft sehr genau zu prüfen und die Argumente pro und kontra sorgfältig abzuwägen.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Ein paar Tage vorher haben Sie noch etwas anderes gesagt!)

    Das Nachdenken darf in diesem Lande doch wohl nicht verboten werden.
    Lassen Sie mich aber auch folgendes deutlich sagen. Ich meine — dies ist auch die Meinung des Bundesvorsitzenden der FDP —, die Argumente, die für eine solche Mehrwertsteueranhebung sprechen, wiegen nicht so stark wie die Argumente, die dagegen sprechen. Ich glaube also, die Kontra-Argumente sind stärker. Lassen Sie mich einige nennen: Natürlich würden die Lebenshaltungskosten deutlich ansteigen. Auswirkungen, die wir nicht wünschen, auf die Tarifrunde wären zu erwarten. Und bei der Kaufkraft würde eine deutliche Abschöpfung vorgenommen, die konjunkturell gar nicht wünschenswert ist. Es führt nämlich konjunkturell nicht zu einem Aufschwung, wenn wir Brötchen, Möbel, Automobile, Maschinen, was Bürger und Unternehmen durchaus kaufen sollen, verteuerten. Und zusätzlich: Es ist nicht nur konjunkturell, sondern auch strukturell nich sinnvoll. z. B. Wärmepumpen, Solaranlagen, wärmedämmende Maßnahmen, Umsteigen auf Diesel-PKW, Einbau energieeinsparender Heizungsanlagen zu verteuern.


Rede von Georg Leber
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Frau Kollegin, erlauben Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Kühbacher?

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Ingrid Matthäus-Maier


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Bitte schön.