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ID0907810400

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    Plenarprotokoll 9/78 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 78. Sitzung Bonn, Dienstag, den 19. Januar 1982 Inhalt: Abwicklung der Tagesordnung 4477 A Begrüßung des Präsidenten der Parlamentarischen Versammlung des Europarates und seiner Begleitung 4487 C Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1982 (Haushaltsgesetz 1982) — Drucksachen 9/770, 9/965 — Beschlußempfehlungen und Bericht des Haushaltsausschusses Einzelplan 01 Bundespräsident und Bundespräsidialamt — Drucksache 911181 — 4477 A Einzelplan 02 Deutscher Bundestag — Drucksache 9/1182 — 4477 B Einzelplan 03 Bundesrat — Drucksache 9/1183 — Borchert CDU/CSU 4477 D Einzelplan 04 Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramts — Drucksache 9/1184 — Metz CDU/CSU 4478 A Löffler SPD 4479 D Dr. Zimmermann CDU/CSU 4480 B Brandt SPD 4487 D Hoppe FDP 4494 D Dr. Abelein CDU/CSU 4501A Genscher, Bundesminister AA 4508 D Schmidt, Bundeskanzler 4515A Dr. Kohl CDU/CSU 4521 B Wischnewski SPD 4530 D Dr. Wörner CDU/CSU 4535 A Schäfer (Mainz) FDP 4541 D Dr. Apel, Bundesminister BMVg . . . 4545 B Erklärungen nach § 30 GO Dr. Abelein CDU/CSU 4549 B Wurbs FDP 4549 D Namentliche Abstimmung 4550 B Einzelplan 14 Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung — Drucksache 9/1194 — in Verbindung mit Einzelplan 35 Verteidigungslasten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt ausländischer Streitkräfte — Drucksache 9/1205 — II Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 19. Januar 1982 Dr. Stavenhagen CDU/CSU 4552 B Hansen fraktionslos 4556 A Frau Traupe SPD 4558 A Würzbach CDU/CSU 4565 B Dr. Zumpfort FDP 4570 C Einzelplan 05 Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts — Drucksache 9/1185 — Voigt (Frankfurt) SPD 4575 C Picard CDU/CSU 4577 C Frau Schuchardt FDP 4579 A Genscher, Bundesminister AA 4580 C Coppik SPD (Erklärung nach § 31 GO) 4582A Einzelplan 27 Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen — Drucksache 9/1200 — Frau Berger (Berlin) CDU/CSU 4582 D Nehm SPD 4585 C Franke, Bundesminister BMB 4587 A Nächste Sitzung 4589 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 4591*A Anlage 2 Empfehlung des britischen Staatsministers Douglas Hurd, eine gemeinsame NATO-Strategie für die Entwicklung einer „neuen Weltinformationsordnung" zu erarbeiten MdlAnfr 43 08.01.82 Drs 09/1252 Weirich CDU/CSU SchrAntw StMin Dr. Corterier AA . . . 4591* B Anlage 3 Staaten, die den Interamerikanischen Vertrag über gegenseitigen Beistand (Rio-Pakt) vom 2. September 1947 noch nicht ratifiziert haben; Angebot einer Nichtangriffserklärung der USA an Nicaragua MdlAnfr 48 08.01.82 Drs 09/1252 Dr. Hennig CDU/CSU SchrAntw StMin Dr. Corterier AA . . . 4591* C Anlage 4 Druck der Proklamation des in Polen verhängten Kriegsrechts in der Sowjetunion MdlAnfr 52 08.01.82 Drs 09/1252 Dr. Czaja CDU/CSU SchrAntw StMin Dr. Corterier AA . . . 4591* D Anlage 5 Haltung der Bundesregierung zur Lage in Polen MdlAnfr 53 08.01.82 Drs 09/1252 Milz CDU/CSU SchrAntw StMin Dr. Corterier AA . . . 4592*A Anlage 6 Auffassung der Bundesregierung über die Verantwortung der Sowjetunion für die Vorgänge in Polen; Aussagen des Bundeskanzlers Schmidt und des französischen Staatspräsidenten Mitterrand über den Vertrag von Jalta und die Teilung Europas MdlAnfr 55, 56 08.01.82 Drs 09/1252 Engelsberger CDU/CSU SchrAntw StMin Dr. Corterier AA . . . 4592* B Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 19. Januar 1982 4477 78. Sitzung Bonn, den 19. Januar 1982 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens ** 20. 1. Echternach 19. 1. Fischer (Hamburg) 19. 1. Günther 19. 1. Handlos 19. 1. Frau Dr. Hellwig 19. 1. Frau Krone-Appuhn 20. 1. Dr.-Ing. Laermann 22. 1. Dr. Mertes (Gerolstein) 22. 1. Möllemann 22. 1. Dr. Müller * 19. 1. Müller (Bayreuth) 19. 1. Reddemann ** 20. 1. Rösch ** 20. 1. Rohde 22. 1. Frau Roitzsch 22. 1. Dr. Solms 22. 1. Dr. Stark (Nürtingen) 22. 1. Graf Stauffenberg 22. 1. Walther 22. 1. Wendig 22. 1. Baron von Wrangel 22. 1. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlage 2 Antwort des Staatsministers Dr. Corterier auf die Frage des Abgeordneten Weirich (CDU/CSU) (Drucksache 9/1252 Frage 43): Ist die Bundesregierung bereit, der in der Zeitschrift „NATO REVIEW" von dem Staatsminister im britischen Außenministerium, Douglas Hurd, geäußerten Empfehlungen zu folgen, der Westen müsse im Rahmen der NATO angesichts der Versuche der Sowjetunion und der Staaten der Dritten Welt, über die UNO eine „neue Weltinformationsordnung" zu entwickeln, verstärkt eine gemeinsame Strategie erarbeiten? Auch die Bundesregierung hält eine engere Koordinierung des Westens und die Erarbeitung gemeinsamer Ziele und einer gemeinsamen Strategie durch die westlichen Staaten für notwendig, um in der Diskussion über eine „Neue Weltinformations- und Kommunikationsordnung" in der UNESCO und in den VN dem vom Westen vertretenen Grundsatz der grenzüberschreitenden Informationsfreiheit die ihm gebührende Geltung zu verschaffen. Für die Koordinierung innerhalb des Westens ist indes die NATO nur eines unter mehreren Foren; wichtig sind vor allem auch EPZ, UNESCO, VN und Europarat. Zur Verbesserung der Koordination des Westens in medienpolitischen Fragen der UNESCO - zu denen insbesondere auch die NWICO-ProbleAnlagen zum Stenographischen Bericht matik gehört - wurde auf Initiative der Bundesregierung vom Herbst 1981 in Paris eine ständige Konsultationsgruppe der westlichen Vertreter bei der UNESCO eingerichtet, die sich mit der Gesamtheit der medienpolitischen Fragen im Rahmen der UNESCO befaßt. Anlage 3 Antwort des Staatsministers Dr. Corterier auf die Frage des Abgeordneten Dr. Hennig (CDU/CSU) (Drucksache 9/1252 Frage 48): Welche amerikanischen Staaten haben den Interamerikanischen Vertrag über gegenseitigen Beistand (Rio-Pakt) vom 2. September 1947 bisher nicht ratifiziert, und hat die Bundesregierung Kenntnis von der Tatsache, daß die US-Regierung Nicaragua im August 1981 eine auf diesem Rio-Pakt basierende feierliche Nichtangriffserklärung angeboten hat, die von der nicaraguanischen Regierung nicht akzeptiert worden ist? Nach den der Bundesregierung vorliegenden Informationen haben folgende amerikanische Staaten den Interamerikanischen Vertrag über gegenseitigen Beistand von 1947 (sog. Rio-Pakt) weder unterzeichnet noch ratifiziert: Barbados, Grenada, Jamaica, Guyana, Belize, Dominicana, St. Lucia, St. Vincent und die Grenadinen, Antigua und Barbuda. Kuba hat im März 1960 bekanntgegeben, daß es sich nicht mehr an den Rio-Pakt gebunden erachte; Kanada ist dem Pakt lediglich als Beobachter beigetreten. Der Bundesregierung ist bekannt, daß die US-Regierung Nicaragua im August 1981 angeboten hat, sich gegenseitig die Zusage der Nichteinmischung und der Nichtintervention zu geben. Diese Zusage sollte für die USA in bezug auf Nicaragua, für Nicaragua in bezug auf benachbarte zentralamerikanische Länder gelten. Die nicaraguanische Regierung ist nach Wissen der Bundesregierung bisher auf dieses Angebot nicht eingegangen. Anlage 4 Antwort des Staatsministers Dr. Corterier auf die Frage des Abgeordneten Dr. Czaja (CDU/CSU) (Drucksache 9/1252 Frage 52): Welche Schlüsse zieht die Bundesregierung aus der von Präsident Reagan in seiner Fernsehansprache vom 23. Dezember 1981 bekanntgegebenen Tatsache, daß die Proklamation für das in Polen im Dezember verhängte Kriegsrecht bereits im September in der Sowjetunion gedruckt wurde? Die Bundesregierung hat keine nähere Kenntnis der Informationen, die zu der von Ihnen zitierten Äußerung des Präsidenten der Vereinigten Staaten geführt haben. Sie geht aber ebenso wie die amerikanische Regierung davon aus, daß die Sowjetunion 4592* Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 19. Januar 1982 seit langem schweren Druck auf die polnischen Reformbestrebungen ausgeübt hat. Anlage 5 Antwort des Staatsministers Dr. Corterier auf die Frage des Abgeordneten Milz (CDU/CSU) (Drucksache 9/1252 Frage 53): Trifft es zu, daß Art und Umfang der Kreditgewährung und die wirtschaftlichen Verpflichtungen gegenüber der Volksrepublik Polen u. a. Ursachen dafür sind, daß sich die Bundesregierung jetzt in ihrer Haltung zur Lage in Polen im Gegensatz zu allen führenden westeuropäischen Staaten und der USA so zurückhaltend verhält und nach Pressekommentaren eine sogenannte Politik der Leisetreterei vertritt? Die Feststellung in Ihrer Frage, daß die Bundesregierung sich gegenüber den Entwicklungen in Polen zurückhaltend verhalte, ist unzutreffend. Einen Vorwurf der „Politik der Leisetreterei" weise ich entschieden zurück. Die Bundesregierung hat nach der Verhängung des Kriegsrechts am 13. Dezember 1981 die ihr zur Verfügung stehenden und als angemessen erscheinenden Mittel eingesetzt, um der polnischen und der sowjetischen Führung die eigene Auffassung unmißverständlich darzulegen. Sie hat eindringlich dazu aufgefordert, zu einer Politik der Erneuerung und der Reform zurückzukehren bzw. diese nicht zu behindern. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf die Erklärungen von Bundeskanzler Schmidt im Deutschen Bundestag vom 18. Dezember, die Bundestags-Entschließung vom gleichen Tage, die von der Bundesregierung mitgetragen wird, sowie auf die Briefe, die Bundeskanzler Schmidt am 25. Dezember 1981 sowohl an General Jarulzelski als auch an Generalsekretär Breschnew gerichtet hat. Bundesminister Genscher hat am 30. Dezember die Auffassungen der Bundesregierung Vize-Premier Rakowski mit Nachdruck erläutert, nachdem er vorher schon die Resolution des Deutschen Bundestages dem polnischen Geschäftsträger ausführlich dargelegt hatte. Die Haltung der Bundesregierung kommt ferner in der deutsch-amerikanischen Erklärung vom 5. Januar 1982 sowie in den Abschlußerklärungen des EG-Außenministertreffens vom 4. Januar und des NATO-Außenministertreffens vom 11. Januar 1982 in aller Deutlichkeit zum Ausdruck. Auch die beiden letztgenannten Erklärungen sind unter maßgeblicher Beteiligung der Bundesregierung zustandegekommen. Anlage 6 Antwort des Staatsministers Dr. Corterier auf die Fragen des Abgeordneten Engelsberger (CDU/CSU) (Drucksache 9/1252 Fragen 54 und 55): Auf Grund welcher Erkenntnisse ist die Bundesregierung zu der von den USA und anderen NATO-Ländern abweichenden Ansicht gelangt, daß Moskau in Polen bei der Verhängung des Kriegsrechts keinen Einfluß genommen habe, und wie ist diese ursprüngliche Bewertung der Vorgänge wiederum mit der Äußerung von Bundesaußenminister Genscher in Einklang zu bringen, daß die Sowjetunion für die Vorgänge in Polen Verantwortung trage? Muß aus der Aussage von Bundeskanzler Schmidt, in Jalta sei Europa in Einflußsphären geteilt worden und jede Veränderung der bestehenden Machtverhältnisse müßte Krieg bedeuten, der Schluß gezogen werden, daß nach Ansicht des deutschen Regierungschefs die ohne Mitwirkung der osteuropäischen Völker zustandegekommene Einbeziehung in den kommunistischen Machtbereich erhalten bleiben und für die 17 Millionen Deutschen in der DDR das Wiedervereinigungsgebot des Grundgesetzes keine Gültigkeit mehr haben solle, während andererseits der französische Staatspräsident Mitterrand in seiner Neujahrsrede den Wunsch geäußert hat, den Vertrag von Jalta und die sich daraus ergebende Teilung Europas zu überwinden? Zu Frage 54: Die Bundesregierung hat von Anfang an mit großer Sorge den schweren Druck der Sowjetunion auf die innere Entwicklung in Polen beobachtet. Aus dieser Sorge heraus hat sich der Bundeskanzler bereits am 25. Dezember 1981 an Generalsekretär Breschnew gewandt und damit unmißverständlich die Verantwortung der Sowjetunion deutlich gemacht. Diese weiterhin gültige Bewertung der Vorgänge in Polen durch die Bundesregierung ist zuletzt in der von ihr mitgetragenen und unter ihrer Mitwirkung entstandenen Erklärung der NATO-Außenminister vom 11. Januar 1982 eindeutig zum Ausdruck gebracht worden. Zu Frage 55: Diese Frage beantworte ich mit „nein", ohne daß ich mir damit Ihre Wiedergabe der Äußerungen des Bundeskanzlers zu eigen mache. Die Politik der Bundesregierung zielt, und zwar in voller Übereinstimmung und mit Unterstützung aller ihrer westlichen Partner, darauf ab, die Trennungslinie, die Europa teilt, zu überwinden. Ein Meilenstein dieser Politik des friedlichen Wandels ist die Schlußakte von Helsinki. Im übrigen hält die Bundesregierung an ihrem Ziel fest, wie es im Brief zur deutschen Einheit im Zusammenhang mit dem Moskauer Vertrag und dem Grundvertrag mit der DDR seinen Niederschlag gefunden hat, auf einen Zustand des Friedens in Europa hinzuwirken, in dem das deutsche Volk in freier Selbstbestimmung seine Einheit wiedererlangt.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Karl-Heinz Hansen


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gerade nach dem vorhergehenden Beitrag würde es mich sehr reizen, den vorliegenden Verteidigungshaushalt in seinen wesentlichen Aspekten sehr gründlich zu kritisieren. Dann wäre beispielsweise zu reden über die Verteidigungsruinen aus den fetten beschaffungsfreudigen Jahren, die heute ganz gewiß kein in sich geschlossenes plausibles Verteidigungskonzept erkennen lassen. Tornado ohne Roland-Abwehrsystem, AWACS als Gastgeschenk auf dem Altar der deutsch-amerikanischen Erbfreundschaft, die strukturpolitische Meisterleistung „Fregattenbau" und anderes mehr.

    (Würzbach [CDU/CSU]: Zählen Sie auch auf der anderen Seite einmal etwas auf!)

    — Zu Ihnen — ich meine: zu Ihnen als Opposition — sage ich gleich auch noch etwas.
    Genauer einzugehen wäre auf die Tatsache, daß die Kürzungen in den Haushalten „Jugend, Familie und Gesundheit" und „Arbeit und Soziales" — also beim Kindergeld und anderen Sozialleistungen — zusammen genau die Mehrausgaben im Verteidigungshaushalt ausmachen — ein Beleg dafür, daß militärische Aufrüstung immer mehr mit sozialer Abrüstung bezahlt werden muß.
    Zu unterstreichen wäre vor allem die gemeinsame Verantwortung von Oppositions- und Regierungsparteien für das Tornado-Debakel, das auch durch ihre Spiegelfechtereien im Untersuchungsausschuß nicht zu verschleiern war und ist. Schon vor 1974 haben jedenfalls einzelne gewußt, daß dieses Projekt militärisch zweifelhaft und finanziell untragbar sein würde; denn schon damals war das Ende von bemannten, mit komplizierter Avionik und Elektronik vollgestopften Kampfflugzeugen zugunsten von unbemannten Flugkörpern wie eben z. B. den cruise missiles abzusehen. Schon damals war die Entwicklung zum wahrscheinlichen Endsystempreis von 110
    Millionen DM pro Einzelstück Tornado erkennbar.
    Es wäre auch darüber zu reden, wie Fraktionen und Parlamentsausschüsse bei der Entscheidung über die Serienfertigung des Tornado-Flugzeuges von der Exekutive durch Unterdrücken von Beurteilungsgrundlagen hintergangen worden sind.
    Zu diskutieren wäre andererseits der fahrlässige Verzicht des Verteidigungsausschusses auf wirksame parlamentarische Kontrolle bei Rüstungsbeschaffungen überhaupt. Die große Koalition der Sicherheitspolitiker in diesem Hause hätte dann die Frage zu beantworten, wann sie den Verteidigungsausschuß endlich aus einer Verwaltungsaußenstelle der Hardthöhe, aus einem Notariat der Exekutive zu einem Gremium machen will, in dem wirklich politisch diskutiert und entschieden wird, beispielsweise über wegen der Finanzmisere immer notwendiger werdende Alternativen in Form von rein defensiven Verteidigungskonzepten.
    Die mir zugemessene knappe Redezeit zwingt mich aber zur Konzentration auf eine Stelle im Verteidigungshaushalt — denn meine Fraktion kann hier ja noch nicht verlängerte Redezeit beantragen —, die einerseits von größtem öffentlichem Interesse ist, andererseits aber vom Grauschleier der Geheimniskrämerei umhüllt wird. Sie ist auch einer der Gründe, aus denen ich den Verteidigungshaushalt insgesamt ablehne.
    Meine Damen und Herren, Ihnen liegt auf Drucksache 9/1281 ein Änderungsantrag vor, der zum Ziel hat, die vertragsgemäßen Beiträge der Bundesrepublik Deutschland für die gemeinsamen Infrastrukturanlagen der NATO zu sperren. Der Anteil der Bundesrepublik am NATO-Infrastrukturprogramm für die Jahre 1980 bis 1984 beträgt 2,3 Milliarden DM. Darin verbergen sich einige zig Millionen — wenn nicht mehr — für konkrete Vorbereitungen der im NATO-Aufrüstungsbeschluß von 1979 vorgesehenen Stationierung von 572 amerikanischen cruise missiles und Pershing II auf dem Boden der Bundesrepublik und anderer europäischer NATO-Länder.
    Wenn ich sage „konkrete Vorbereitungen", dann im wahrsten Sinne des Wortes, denn im Englischen heißt das ja „concrete", das bedeutet „Beton", und hier wird angefangen zu betonieren. Allein im Jahre 1982 sollen etwa 20 Millionen DM für den Bau von Abschußbasen in Großbritannien und Italien ausgegeben werden.
    Wann die Arbeiten auf dem Gebiet der Bundesrepublik beginnen, scheint noch nicht festzustehen — ich sage: es scheint —, aber daß weder die Fachausschüsse des Bundestages noch die betroffene Bevölkerung Genaueres wissen, ist ein politischer Skandal. Es gibt nur eine Erklärung für den Versuch der Bundesregierung, die finanziellen und politischen Aspekte dieser Infrastrukturmaßnahmen möglichst zu verheimlichen: Die Bundesregierung ist von der Unabwendbarkeit der Aufstellung der neuen amerikanischen Atomraketen überzeugt. Sie hat sich damit abgefunden, fürchtet aber öffentliche Reaktionen.



    Hansen
    Ein frühes Zeichen für diese Unabwendbarkeit war schon die von Anfang an deutliche Entschlossenheit der Reagan-Administration, aus der nach ihrer Einschätzung in der Ära der Entspannung entstandenen militärischen Unterlegenheit durch „Wiederaufrüstung" herauszukommen. Dazu gehörte auch, die vom deutschen Bundeskanzler entdeckte eurostrategische Raketenlücke zu schließen, um das angeblich gestörte militärische Gleichgewicht in Europa wiederherzustellen. Erst danach wären die USA überhaupt gewillt und bereit, effektive Verhandlungsergebnisse in den Genfer Abrüstungsgesprächen anzustreben.
    Ein Beweis für diese Strategie ist nicht zuletzt die von Außenminister Haig und anderen Vertretern der Reagan-Regierung wiederholt bekundete feste Absicht, in den Genfer Verhandlungen nur einen Vorschlag zu machen, den die Sowjetunion anzunehmen oder zu lassen hat — Take it or leave it —, und auf keinen Fall andere Varianten oder Optionen nachzuschieben.
    Es gehört meines Erachtens schon eine gehörige Portion Dreistigkeit dazu, der Öffentlichkeit die Reagansche sogenannte Null-Option — von der ja einige sagen „Null ist besser als nichts" — als ein ernstzunehmendes Verhandlungsangebot und darüber hinaus als einen Erfolg der Bundesregierung zu verkaufen. Dieses Angebot ist eine Farce, weil die USA den Abbau vorhandener Mittelstreckenwaffen in Europa allein von der Sowjetunion fordern, nicht jedoch die Reduzierung vorhandener Nuklearwaffen gleicher Gefährlichkeit auf seiten der NATO. Es ist ein Angebot, das der Bundeskanzler schon im Juli 1980 als mit den Sicherheitsinteressen der Sowjetunion unvereinbar bezeichnet hatte.
    Aber nicht nur die Bundesregierung, sondern auch die Außenpolitiker der Regierungsparteien haben sich offenkundig mit der Stationierung von cruise missiles und Pershing II vor Ergebnissen in Genf endgültig abgefunden. Wie ist sonst zu verstehen, was Sie dem Leiter des US-Amtes für Waffenkontrolle und Abrüstung, Eugene Rostow, bei seinem Besuch in der Bundesrepublik im Oktober vorigen Jahres mit auf den Weg gaben! Diesem Herrn Rostow, dessen Ernennung zum Abrüstungsbeauftragten amerikanische Wissenschaftler als ein großes Unglück für alle Bemühungen um Abrüstung ansehen, wurde nämlich sinngemäß gesagt: „Wenn die Stationierung schon nicht zu vermeiden ist, sorgen Sie doch bitte mit dafür, daß die Pershing II als letzte aufgestellt werden. Die Bundesregierung kommt sonst unter großen Druck eines wachsenden Teils der Bevölkerung in der Bundesrepublik. Stationieren Sie erst die cruise missiles in den anderen NATO-Ländern." Damit sind wir wieder bei den NATO-Infrastrukturmaßnahmen zur Stationierungsvorbereitung. Hier schließt sich der Kreis.
    Die entscheidende Frage ist, warum die Bundesregierung nicht offenlegen will, was es mit den Millionen im NATO-Infrastrukturprogramm auf sich hat. Die Frage ist, warum die Bundesregierung wieder einmal den Eindruck erweckt, ihre Entscheidung an Parlament und Öffentlichkeit vorbeimogeln zu wollen. Es ist höchste Zeit, daß die Bundesregierung erklärt — hier einmal erklärt —, warum das Parlament bei solchen Entscheidungen offensichtlich nicht mehr gefragt ist. Sie sollte die Gelegenheit — —


Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Haase (Kassel)?

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Lothar Haase


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Verehrter Herr Kollege, im Zusammenhang mit Ihrer Bemerkung, die Bundesregierung betreibe ihr Geschäft am Parlament vorbei, darf ich fragen: sind Sie gewillt zur Kenntnis zu nehmen, daß sich hinter den gegenwärtigen, hier im Ansatz ausgewiesenen Beträgen keine Mittel für den Bau oder die Errichtung von Anlagen zum Abschuß von cruise missiles befinden?