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ID0907808400

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    Plenarprotokoll 9/78 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 78. Sitzung Bonn, Dienstag, den 19. Januar 1982 Inhalt: Abwicklung der Tagesordnung 4477 A Begrüßung des Präsidenten der Parlamentarischen Versammlung des Europarates und seiner Begleitung 4487 C Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1982 (Haushaltsgesetz 1982) — Drucksachen 9/770, 9/965 — Beschlußempfehlungen und Bericht des Haushaltsausschusses Einzelplan 01 Bundespräsident und Bundespräsidialamt — Drucksache 911181 — 4477 A Einzelplan 02 Deutscher Bundestag — Drucksache 9/1182 — 4477 B Einzelplan 03 Bundesrat — Drucksache 9/1183 — Borchert CDU/CSU 4477 D Einzelplan 04 Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramts — Drucksache 9/1184 — Metz CDU/CSU 4478 A Löffler SPD 4479 D Dr. Zimmermann CDU/CSU 4480 B Brandt SPD 4487 D Hoppe FDP 4494 D Dr. Abelein CDU/CSU 4501A Genscher, Bundesminister AA 4508 D Schmidt, Bundeskanzler 4515A Dr. Kohl CDU/CSU 4521 B Wischnewski SPD 4530 D Dr. Wörner CDU/CSU 4535 A Schäfer (Mainz) FDP 4541 D Dr. Apel, Bundesminister BMVg . . . 4545 B Erklärungen nach § 30 GO Dr. Abelein CDU/CSU 4549 B Wurbs FDP 4549 D Namentliche Abstimmung 4550 B Einzelplan 14 Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung — Drucksache 9/1194 — in Verbindung mit Einzelplan 35 Verteidigungslasten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt ausländischer Streitkräfte — Drucksache 9/1205 — II Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 19. Januar 1982 Dr. Stavenhagen CDU/CSU 4552 B Hansen fraktionslos 4556 A Frau Traupe SPD 4558 A Würzbach CDU/CSU 4565 B Dr. Zumpfort FDP 4570 C Einzelplan 05 Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts — Drucksache 9/1185 — Voigt (Frankfurt) SPD 4575 C Picard CDU/CSU 4577 C Frau Schuchardt FDP 4579 A Genscher, Bundesminister AA 4580 C Coppik SPD (Erklärung nach § 31 GO) 4582A Einzelplan 27 Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen — Drucksache 9/1200 — Frau Berger (Berlin) CDU/CSU 4582 D Nehm SPD 4585 C Franke, Bundesminister BMB 4587 A Nächste Sitzung 4589 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 4591*A Anlage 2 Empfehlung des britischen Staatsministers Douglas Hurd, eine gemeinsame NATO-Strategie für die Entwicklung einer „neuen Weltinformationsordnung" zu erarbeiten MdlAnfr 43 08.01.82 Drs 09/1252 Weirich CDU/CSU SchrAntw StMin Dr. Corterier AA . . . 4591* B Anlage 3 Staaten, die den Interamerikanischen Vertrag über gegenseitigen Beistand (Rio-Pakt) vom 2. September 1947 noch nicht ratifiziert haben; Angebot einer Nichtangriffserklärung der USA an Nicaragua MdlAnfr 48 08.01.82 Drs 09/1252 Dr. Hennig CDU/CSU SchrAntw StMin Dr. Corterier AA . . . 4591* C Anlage 4 Druck der Proklamation des in Polen verhängten Kriegsrechts in der Sowjetunion MdlAnfr 52 08.01.82 Drs 09/1252 Dr. Czaja CDU/CSU SchrAntw StMin Dr. Corterier AA . . . 4591* D Anlage 5 Haltung der Bundesregierung zur Lage in Polen MdlAnfr 53 08.01.82 Drs 09/1252 Milz CDU/CSU SchrAntw StMin Dr. Corterier AA . . . 4592*A Anlage 6 Auffassung der Bundesregierung über die Verantwortung der Sowjetunion für die Vorgänge in Polen; Aussagen des Bundeskanzlers Schmidt und des französischen Staatspräsidenten Mitterrand über den Vertrag von Jalta und die Teilung Europas MdlAnfr 55, 56 08.01.82 Drs 09/1252 Engelsberger CDU/CSU SchrAntw StMin Dr. Corterier AA . . . 4592* B Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 19. Januar 1982 4477 78. Sitzung Bonn, den 19. Januar 1982 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens ** 20. 1. Echternach 19. 1. Fischer (Hamburg) 19. 1. Günther 19. 1. Handlos 19. 1. Frau Dr. Hellwig 19. 1. Frau Krone-Appuhn 20. 1. Dr.-Ing. Laermann 22. 1. Dr. Mertes (Gerolstein) 22. 1. Möllemann 22. 1. Dr. Müller * 19. 1. Müller (Bayreuth) 19. 1. Reddemann ** 20. 1. Rösch ** 20. 1. Rohde 22. 1. Frau Roitzsch 22. 1. Dr. Solms 22. 1. Dr. Stark (Nürtingen) 22. 1. Graf Stauffenberg 22. 1. Walther 22. 1. Wendig 22. 1. Baron von Wrangel 22. 1. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlage 2 Antwort des Staatsministers Dr. Corterier auf die Frage des Abgeordneten Weirich (CDU/CSU) (Drucksache 9/1252 Frage 43): Ist die Bundesregierung bereit, der in der Zeitschrift „NATO REVIEW" von dem Staatsminister im britischen Außenministerium, Douglas Hurd, geäußerten Empfehlungen zu folgen, der Westen müsse im Rahmen der NATO angesichts der Versuche der Sowjetunion und der Staaten der Dritten Welt, über die UNO eine „neue Weltinformationsordnung" zu entwickeln, verstärkt eine gemeinsame Strategie erarbeiten? Auch die Bundesregierung hält eine engere Koordinierung des Westens und die Erarbeitung gemeinsamer Ziele und einer gemeinsamen Strategie durch die westlichen Staaten für notwendig, um in der Diskussion über eine „Neue Weltinformations- und Kommunikationsordnung" in der UNESCO und in den VN dem vom Westen vertretenen Grundsatz der grenzüberschreitenden Informationsfreiheit die ihm gebührende Geltung zu verschaffen. Für die Koordinierung innerhalb des Westens ist indes die NATO nur eines unter mehreren Foren; wichtig sind vor allem auch EPZ, UNESCO, VN und Europarat. Zur Verbesserung der Koordination des Westens in medienpolitischen Fragen der UNESCO - zu denen insbesondere auch die NWICO-ProbleAnlagen zum Stenographischen Bericht matik gehört - wurde auf Initiative der Bundesregierung vom Herbst 1981 in Paris eine ständige Konsultationsgruppe der westlichen Vertreter bei der UNESCO eingerichtet, die sich mit der Gesamtheit der medienpolitischen Fragen im Rahmen der UNESCO befaßt. Anlage 3 Antwort des Staatsministers Dr. Corterier auf die Frage des Abgeordneten Dr. Hennig (CDU/CSU) (Drucksache 9/1252 Frage 48): Welche amerikanischen Staaten haben den Interamerikanischen Vertrag über gegenseitigen Beistand (Rio-Pakt) vom 2. September 1947 bisher nicht ratifiziert, und hat die Bundesregierung Kenntnis von der Tatsache, daß die US-Regierung Nicaragua im August 1981 eine auf diesem Rio-Pakt basierende feierliche Nichtangriffserklärung angeboten hat, die von der nicaraguanischen Regierung nicht akzeptiert worden ist? Nach den der Bundesregierung vorliegenden Informationen haben folgende amerikanische Staaten den Interamerikanischen Vertrag über gegenseitigen Beistand von 1947 (sog. Rio-Pakt) weder unterzeichnet noch ratifiziert: Barbados, Grenada, Jamaica, Guyana, Belize, Dominicana, St. Lucia, St. Vincent und die Grenadinen, Antigua und Barbuda. Kuba hat im März 1960 bekanntgegeben, daß es sich nicht mehr an den Rio-Pakt gebunden erachte; Kanada ist dem Pakt lediglich als Beobachter beigetreten. Der Bundesregierung ist bekannt, daß die US-Regierung Nicaragua im August 1981 angeboten hat, sich gegenseitig die Zusage der Nichteinmischung und der Nichtintervention zu geben. Diese Zusage sollte für die USA in bezug auf Nicaragua, für Nicaragua in bezug auf benachbarte zentralamerikanische Länder gelten. Die nicaraguanische Regierung ist nach Wissen der Bundesregierung bisher auf dieses Angebot nicht eingegangen. Anlage 4 Antwort des Staatsministers Dr. Corterier auf die Frage des Abgeordneten Dr. Czaja (CDU/CSU) (Drucksache 9/1252 Frage 52): Welche Schlüsse zieht die Bundesregierung aus der von Präsident Reagan in seiner Fernsehansprache vom 23. Dezember 1981 bekanntgegebenen Tatsache, daß die Proklamation für das in Polen im Dezember verhängte Kriegsrecht bereits im September in der Sowjetunion gedruckt wurde? Die Bundesregierung hat keine nähere Kenntnis der Informationen, die zu der von Ihnen zitierten Äußerung des Präsidenten der Vereinigten Staaten geführt haben. Sie geht aber ebenso wie die amerikanische Regierung davon aus, daß die Sowjetunion 4592* Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 19. Januar 1982 seit langem schweren Druck auf die polnischen Reformbestrebungen ausgeübt hat. Anlage 5 Antwort des Staatsministers Dr. Corterier auf die Frage des Abgeordneten Milz (CDU/CSU) (Drucksache 9/1252 Frage 53): Trifft es zu, daß Art und Umfang der Kreditgewährung und die wirtschaftlichen Verpflichtungen gegenüber der Volksrepublik Polen u. a. Ursachen dafür sind, daß sich die Bundesregierung jetzt in ihrer Haltung zur Lage in Polen im Gegensatz zu allen führenden westeuropäischen Staaten und der USA so zurückhaltend verhält und nach Pressekommentaren eine sogenannte Politik der Leisetreterei vertritt? Die Feststellung in Ihrer Frage, daß die Bundesregierung sich gegenüber den Entwicklungen in Polen zurückhaltend verhalte, ist unzutreffend. Einen Vorwurf der „Politik der Leisetreterei" weise ich entschieden zurück. Die Bundesregierung hat nach der Verhängung des Kriegsrechts am 13. Dezember 1981 die ihr zur Verfügung stehenden und als angemessen erscheinenden Mittel eingesetzt, um der polnischen und der sowjetischen Führung die eigene Auffassung unmißverständlich darzulegen. Sie hat eindringlich dazu aufgefordert, zu einer Politik der Erneuerung und der Reform zurückzukehren bzw. diese nicht zu behindern. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf die Erklärungen von Bundeskanzler Schmidt im Deutschen Bundestag vom 18. Dezember, die Bundestags-Entschließung vom gleichen Tage, die von der Bundesregierung mitgetragen wird, sowie auf die Briefe, die Bundeskanzler Schmidt am 25. Dezember 1981 sowohl an General Jarulzelski als auch an Generalsekretär Breschnew gerichtet hat. Bundesminister Genscher hat am 30. Dezember die Auffassungen der Bundesregierung Vize-Premier Rakowski mit Nachdruck erläutert, nachdem er vorher schon die Resolution des Deutschen Bundestages dem polnischen Geschäftsträger ausführlich dargelegt hatte. Die Haltung der Bundesregierung kommt ferner in der deutsch-amerikanischen Erklärung vom 5. Januar 1982 sowie in den Abschlußerklärungen des EG-Außenministertreffens vom 4. Januar und des NATO-Außenministertreffens vom 11. Januar 1982 in aller Deutlichkeit zum Ausdruck. Auch die beiden letztgenannten Erklärungen sind unter maßgeblicher Beteiligung der Bundesregierung zustandegekommen. Anlage 6 Antwort des Staatsministers Dr. Corterier auf die Fragen des Abgeordneten Engelsberger (CDU/CSU) (Drucksache 9/1252 Fragen 54 und 55): Auf Grund welcher Erkenntnisse ist die Bundesregierung zu der von den USA und anderen NATO-Ländern abweichenden Ansicht gelangt, daß Moskau in Polen bei der Verhängung des Kriegsrechts keinen Einfluß genommen habe, und wie ist diese ursprüngliche Bewertung der Vorgänge wiederum mit der Äußerung von Bundesaußenminister Genscher in Einklang zu bringen, daß die Sowjetunion für die Vorgänge in Polen Verantwortung trage? Muß aus der Aussage von Bundeskanzler Schmidt, in Jalta sei Europa in Einflußsphären geteilt worden und jede Veränderung der bestehenden Machtverhältnisse müßte Krieg bedeuten, der Schluß gezogen werden, daß nach Ansicht des deutschen Regierungschefs die ohne Mitwirkung der osteuropäischen Völker zustandegekommene Einbeziehung in den kommunistischen Machtbereich erhalten bleiben und für die 17 Millionen Deutschen in der DDR das Wiedervereinigungsgebot des Grundgesetzes keine Gültigkeit mehr haben solle, während andererseits der französische Staatspräsident Mitterrand in seiner Neujahrsrede den Wunsch geäußert hat, den Vertrag von Jalta und die sich daraus ergebende Teilung Europas zu überwinden? Zu Frage 54: Die Bundesregierung hat von Anfang an mit großer Sorge den schweren Druck der Sowjetunion auf die innere Entwicklung in Polen beobachtet. Aus dieser Sorge heraus hat sich der Bundeskanzler bereits am 25. Dezember 1981 an Generalsekretär Breschnew gewandt und damit unmißverständlich die Verantwortung der Sowjetunion deutlich gemacht. Diese weiterhin gültige Bewertung der Vorgänge in Polen durch die Bundesregierung ist zuletzt in der von ihr mitgetragenen und unter ihrer Mitwirkung entstandenen Erklärung der NATO-Außenminister vom 11. Januar 1982 eindeutig zum Ausdruck gebracht worden. Zu Frage 55: Diese Frage beantworte ich mit „nein", ohne daß ich mir damit Ihre Wiedergabe der Äußerungen des Bundeskanzlers zu eigen mache. Die Politik der Bundesregierung zielt, und zwar in voller Übereinstimmung und mit Unterstützung aller ihrer westlichen Partner, darauf ab, die Trennungslinie, die Europa teilt, zu überwinden. Ein Meilenstein dieser Politik des friedlichen Wandels ist die Schlußakte von Helsinki. Im übrigen hält die Bundesregierung an ihrem Ziel fest, wie es im Brief zur deutschen Einheit im Zusammenhang mit dem Moskauer Vertrag und dem Grundvertrag mit der DDR seinen Niederschlag gefunden hat, auf einen Zustand des Friedens in Europa hinzuwirken, in dem das deutsche Volk in freier Selbstbestimmung seine Einheit wiedererlangt.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Helmut Schäfer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Es fällt zu dieser späten Stunde sehr schwer, in dieser Debatte noch wesentlich Neues zu sagen. Ich will mich darum bemühen, denn allmählich besteht der Eindruck einer permanenten Wiederholung von Themen, die nicht nur heute hier abgehandelt worden sind, sondern auch schon am vergangenen Donnerstag. Ich glaube, es bedarf vielleicht noch einiger, wenn Sie so wollen, Zutaten zu dem, was hier dargestellt worden ist.



    Schäfer (Mainz)

    Ich darf zunächst einmal auf das eingehen, was Herr Kollege Dr. Kohl hier an Widersprüchen bei meiner Partei, bei der FDP, festgestellt hat. Herr Dr. Kohl, es kommt vor, daß man gelegentlich laut denkt — daß die Presse das sehr schnell erfährt, wissen Sie auch aus den Sitzungen Ihres Bundesvorstandes — und daß dann der Schluß gezogen wird, man wisse nicht, was man wolle, obwohl man sich überlegt, was man will. Ich habe aber den Eindruck, daß die Widersprüche, die Sie hier dargestellt haben, nicht ganz zutreffen. Hier ist insbesondere der Generalsekretär meiner Partei erneut zitiert worden. Er hat sich ausnahmsweise weder gestern noch heute zu dem Thema der Wirtschaftspolitik geäußert, auf das Sie sich bezogen haben. Somit haben Sie ihn falsch zitiert.
    Aber, Herr Dr. Kohl, es gibt j a auch Widersprüche bei Ihnen. Herr Dr. Kohl, in der Rede, die Sie am Donnerstag hier gehalten haben, haben Sie festgestellt — und Herr Abelein und einige andere Redner haben das auch getan —, daß die deutsche Außenpolitik ach so schlimm sei. So wurde z. B. von Herrn Abelein gesagt: diese Außenpolitik ist nicht vorausschauend, sie entbehrt der Klarsicht und der Eindeutigkeit. Und es wurden alle möglichen schlimmen Vergleiche gezogen. Es wundert mich, Herr Dr. Kohl, daß der Generalsekretär der CDU gerade vor wenigen Tagen erklärt hat, wie übereinstimmend die Außenpolitik Ihrer Partei und die Außenpolitik der FDP sei. Widersprüche gibt es also auch bei Ihnen, und wir sollten sie uns hier nicht gegenseitig dauernd vorhalten.
    Herr Wörner hat hier zuletzt wieder davon gesprochen, der Zusammenhalt des Atlantischen Bündnisses sei eine ganz entscheidende Voraussetzung für die Sicherheit unseres Landes. Meine Damen und Herren, gestatten Sie mir, zu dem deutsch-amerikanischen Verhältnis, das hier immer wieder in düsterer Weise beschrieben worden ist, noch einige Ausführungen zu machen. Was hat sich eigentlich abgespielt? Es ist keine Frage, daß es im deutschamerikanischen Verhältnis atmosphärische Störungen gibt. Das bestreitet hier niemand. Aber diese Störungen haben j a eigentlich schon mit dem eingesetzt, was amerikanische Kritiker oder sogar Mitglieder der amerikanischen Regierung uns gegenüber als die „Rhetorik der frühen Monate" — „the rhetoric of the early months" — bezeichnet haben, für die sie sich entschuldigen. Es gab j a wechselseitige Verunsicherungen, ausgelöst durch widersprüchliche Aussagen amerikanischer Regierungsvertreter, Aussagen, daß es zunächst notwendig sei, die Rüstung zu verstärken und dann möglicherweise zu verhandeln. Es gab andere Aussagen. Es gab einsame Beschlüsse über die Produktion der Neutronenbombe. All das hat hier natürlich schon zu gewissen Verunsicherungen geführt. Es gab dann natürlich auch — das ist noch gar nicht angesprochen worden; ich darf deshalb einmal darauf zurückkommen — Verunsicherungen durch die neue Politik der Vereinigten Staaten gegenüber der Dritten Welt.
    Meine Damen und Herren, es ist sehr schwierig, wenn sich bei jedem Wechsel eines amerikanischen Präsidenten die Außenpolitik zunächst einmal über ein Jahr gar nicht bewegt und dann möglicherweise
    in genau der entgegengesetzten Richtung zu der Politik, die der frühere Präsident verfolgte. Es fällt auch den Bündnispartnern schwer, sich ständig darauf einzustellen. Ich habe hier in einer Rede schon einmal gesagt: Ich glaube, unser Verhältnis zu den Vereinigten Staaten ist ein bißchen anders als das Verhältnis unseres östlichen Nachbarn zur Sowjetunion. Ich glaube, daß wir auch Kontroversen mit einem Freund austragen können, dann nämlich, wenn Grundsätze unserer Politik — und ich darf nachher noch etwas sagen zur Politik gegenüber der Dritten Welt — in den Vereinigten Staaten plötzlich nicht mehr so gesehen werden wie noch unter der Regierung Carter.
    Die Regierung Reagan ist angetreten mit dem Grundsatz: „Wir wollen die Verstimmungen mit den Europäern, die es bei Carter gegeben hat, in Zukunft vermeiden." Leider ist das nicht eingetreten. Dazu haben, glaube ich, nicht nur wir beigetragen. Wenn z. B. der frühere Sicherheitsberater des amerikanischen Präsidenten die Entspannung einen „totalen Fehlschlag" genannt hat, kann er natürlich nicht erwarten, daß wir bereit sind, ihm zu folgen. Ich habe festgestellt, daß er inzwischen ja auch nicht mehr diese Position einnimmt; das mag man hier vielleicht auch einmal frecherweise sagen dürfen.
    Wenn sich frühere Sicherheitsberater amerikanischer Präsidenten jetzt hervortun, sich profilieren wollen durch eine Kritik an Deutschland, wenn gesagt wird, es gebe bei uns wieder einen neuen Nationalismus, wir bewegten uns weg aus dem Atlantischen Bündnis, wir wollten die Wiedervereinigung möglicherweise auf Kosten unserer Mitgliedschaft in der NATO, dann sollte man vielleicht — ein Rat an die deutsche Bundesregierung — den Herren Gelegenheit geben, dieses Land einmal zu besuchen, sich hier mal umzutun und nicht vom grünen Tisch ihrer Universitäten aus solche Urteile zu fällen. Ich habe den Eindruck: Wenn sich Herr Brzezinski, Herr Allen und auch Herr Kissinger mal wieder in der Bundesrepublik Deutschland umtäten und vielleicht Gespräche führten, kämen sich zu dem Schluß, daß sie sich nicht ständig an kleinen Minderheiten orientieren dürfen, sondern orientieren sollten an der Mehrheit dieses Volkes. Und es gibt doch überhaupt keinen Zweifel, daß die Mehrheit der deutschen Bevölkerung nach wie vor steht zum Atlantischen Bündnis und zur Freundschaft mit den Vereinigten Staaten.
    Meine Damen und Herren, die Kritik an den Demonstrationen in der Bundesrepublik ist sicher berechtigt, wenn man sagt: Es wird gegen noch nicht aufgestellte Raketen demonstriert, es wird aber nicht gegen bereits aufgestellte Raketen demonstriert. All das hören wir drüben, und wir haben auch versucht, deutlich zu machen, daß hier bestimmte Zusammenhänge mit der Angst bestehen, Herr Wörner, die natürlich nicht von ungefähr kommt. Ich glaube, in dem Zusammenhang muß man einmal sehr deutlich sagen — das sagen nicht nur wir, sondern das sagen auch amerikanische Journalisten, die sich mit der amerikanischen Politik kritisch auseinandersetzen —: Es wäre natürlich sehr gut und sehr wohltuend für die kritischen jungen Leute hier



    Schäfer (Mainz)

    in diesem Lande und in den Vereinigten Staaten, wenn die amerikanische Regierung auch einmal ein Zeichen der Entschlossenheit bei der Verteidigung der Menschenrechte in einigen Ländern setzen würde, die ihnen benachbart sind.
    Vielleicht haben Sie die Ausführungen gelesen, die der amerikanische Journalist Anthony Lewis in diesen Tagen in der „New York Times" veröffentlicht hat. Auch in Amerika mehren sich die Stimmen, die die Glaubwürdigkeit des westlichen Bündnisses gefährdet sehen, aber nicht etwa dadurch, daß wir gegenüber Polen nicht einheitlich reagieren, sondern dadurch, daß Reaktionen gegenüber ähnlichen Ereignissen in der Dritten Welt, speziell auch in Latein- und Mittelamerika, bis zur Stunde leider ausgeblieben sind. Ich möchte hier den Lewis-Vergleich wiederholen: Es geht darum, daß ein Militärregime versucht, die Mehrheit der Bevölkerung zu knebeln, und einen Kriegszustand ausruft. Man darf das natürlich nicht nur bei Polen brandmarken, sondern man muß das auch im Fall El Salvador tun, oder man könnte einen Vergleich zwischen Polen und Guatemala ziehen. Heute vormittag haben Vertreter der katholischen Kirche in El Salvador, wie Sie den Nachrichten entnehmen konnten, in einem Interview in Mexiko festgestellt, daß seit dem Regierungsantritt der Militärjunta in diesem Land 30 000 Menschen ermordet worden sind, sicher nicht nur von der Militärjunta, aber zum großen Teil mit ihrer Billigung. Da muß man sich die Frage stellen, wie wir als westliches Bündnis erscheinen, die wir auch ethische Forderungen stellen — Freiheit, Recht zu verteidigen —, wenn wir auf der einen Seite sagen, daß wir härtere Maßnahmen, Sanktionen gegen Polen ergreifen müßten — darüber kann man streiten — und auf der anderen Seite zu Vorkommnissen schweigen, die schlimmer als das sind, was sich in Polen abspielt?

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Das hat hier noch niemand gesagt, und ich glaube, wir sollten das einmal sehr deutlich zum Ausdruck bringen.
    Das gilt auch für den sogenannten Boykott. Es gibt, glaube ich, hier im Hause, Einvernehmen darüber, daß z. B. ein totaler wirtschaftlicher Boykott gegen die Republik Südafrika nicht in Frage kommen kann. Ich darf Ihnen sagen, daß ich vor wenigen Tagen in Afrika mit einem afrikanischen Außenminister gesprochen habe, der mir folgendes gesagt hat: Sie vertreten jetzt wieder den Standpunkt, daß der Wirtschaftsboykott gegen Südafrika nichts nutzen wird, daß wir langsam, gemessenen Schrittes, besonnen, wie Sie sagen, bemüht sein sollten, die unerträglichen Zustände in diesem Staat abzubauen. Er hat mir dann die Frage gestellt: Warum sind Sie dann eigentlich für einen Boykott gegenüber der Sowjetunion und gegenüber Polen, wenn Sie auf der anderen Seite erklären, daß ein Wirtschaftsboykott ineffektiv ist? Ich möchte diese Frage an die CDU weitergeben, und ich möchte sie mit einer Wiederholung der Frage verbinden, Herr Wörner, die der Herr Bundesaußenminister an Sie vorhin gestellt hat, die Sie nicht beantwortet haben. Sie haben auf die Frage, was Sie unter der „Aussetzung" von Verträgen
    verstehen, ob damit ein Eingriff in bestehende Verträge gemeint ist, keine Antwort gegeben. Ich möchte die Frage an die CDU/CSU wiederholen: Was wollen Sie mit Ihrem Antrag, was meinen Sie mit dem Begriff „Aussetzung"? Herr Wörner, was meinen Sie mit dem Begriff „Tatenlosigkeit"? Wir sind für Kritik und auch für Gemeinsamkeit immer dankbar. Nur frage ich mich, warum Sie hier nicht ein bißchen konkreter werden und sagen, welche konkreten Taten Sie eigentlich erwarten, um die Situation in Polen zu verbessern.

    (Daweke [CDU/CSU]: Was meint denn das NATO-Kommuniqué?)

    Diese Antwort hat Herr Kohl nicht gegeben. Ich habe seine Rede sehr genau nachgelesen. Er hat davon gesprochen, man müsse hier wirtschaftliche und politische Maßnahmen treffen. Aber es genügt in diesen Fragen einfach nicht, zu zitieren, auf Herrn Adenauer, dieses und jenes zu verweisen und die Antworten auf das schuldig zu bleiben, was nun eigentlich konkret geschehen soll. Bitte sagen Sie uns das! Wir lassen gern mit uns reden.

    (Daweke [CDU/CSU]: Was meint denn das NATO-Kommuniqué, Herr Schäfer?)

    Meine Damen und Herren, wenn in der heutigen Diskussion ausschließlich von Polen und vom Bündnis mit den Vereinigten Staaten die Rede war, wenn es um Außenpolitik gegangen ist, sollte man auch die Frage stellen: Was können wir tun, um die atmosphärischen Störungen, die sich natürlich auch auf Grund der Ereignisse in Polen eingestellt haben, zu verbessern? Ich bin der Auffassung, daß eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten sicher nicht dadurch verbessert werden kann, daß der amerikanische Etat ausgerechnet an Stellen gekürzt wird, wo Möglichkeiten bestehen, den Austausch zwischen Politikern und Institutionen zwischen der Bundesrepublik, zwischen Europa und den Vereinigten Staaten zu fördern.
    Wir haben das den Amerikanern in Gesprächen gesagt auf die Frage: „Was können wir tun, um diese sogenannte antiamerikanische Stimmung in Europa wirksamer zu bekämpfen?" Wir haben gesagt: „Bitte, kürzen Sie nicht Ihr Budget, ermöglichen Sie es mehr Studenten, mehr Professoren und mehr Politikern, miteinander ins Gespräch zu kommen, damit unsinnige Vorurteile, wie sie von bestimmten Journalisten immer wieder angeheizt werden, verschwinden!"
    Es muß in dem Zusammenhang auch einmal gesagt werden, daß es in den Vereinigten Staaten zwischen Journalisten und Journalisten Unterschiede gibt. Es ist doch nicht so, als hätte die amerikanische Presse geschlossen die Feststellung getroffen, daß sich die Europäer abwendeten. Leider wirkt sich — und ich sage das hier mit einem gewissen Gefühl des Bedauerns — bei einigen Journalisten die Tatsache, daß ihnen die europäische Nah-Ost-Politik seit Venedig nicht mehr paßt, auf das aus, was sie jetzt über Deutschland schreiben. Das muß man einmal sehr deutlich sagen. Ich finde das sehr bedauerlich. Ich will hier nicht deutlicher werden. Aber ich glaube, daß es in den Vereinigten Staaten immer noch Jour-



    Schäfer (Mainz)

    nalisten genug gibt, die durchaus differenziert urteilen und die wissen, daß die Angst, die Friedensbewegung und die Bewegung gegen Nuklearwaffen und Atomreaktoren keineswegs auf Europa beschränkt sind. In Amerika bilden sich solche Organisationen auch. Es wäre vielleicht eine Entlastung für uns, wenn diese Organisationen, die zum Teil an europäischen Vorbildern ausgerichtet sind, die amerikanische Regierung vor genau die gleichen Probleme stellten wie uns. Ich glaube, man kann nicht einfach so tun, als gäbe es Friedensangst nur in Europa und als gäbe es in den Vereinigten Staaten grundsätzliche Befürwortung aller Tendenzen der Politik des gegenwärtigen Präsidenten. Das ist nicht richtig.
    Meine Damen und Herren, mich hat natürlich auch ein bißchen beunruhigt, wenn ich heute z. B. lese, daß man im Kongreß wieder überlegt, im nächsten Jahr über 800 Millionen Dollar zur Verfügung zu stellen, um B- und C-Waffen verstärkt herzustellen. Das sind doch die Aussagen, die hier in Deutschland zu dieser Verunsicherung führen, Herr Wörner! Mir wäre es sehr lieb, wenn man einmal feststellen könnte, wieviel Geld verwendet wird, um die katastrophalen Wirkungen von B- und C-Waffen zu verhindern, statt ständig neue Waffen zu produzieren und damit natürlich genau den Kräften in der Bundesrepublik und in der Welt Auftrieb zu geben, die Sie zu Recht kritisch angesprochen haben.

    (Zustimmung bei Abgeordneten der FDP und der SPD)

    Ich glaube, unter Verbündeten muß doch auch einmal die Frage erlaubt sein und gestellt werden, ob das dazu beitragen wird, daß solche Störungen, daß Demonstrationen vermieden werden können. Ich glaube, das ist ein Punkt, der viel zu wenig diskutiert wird.
    Meine Damen und Herren, wir sollten, ausgehend von der Bemühung um Verständnis zwischen den Vereinigten Staaten und uns, jede Chance nutzen, und wir sollten uns nicht nur an den kritischen Stimmen orientieren, sondern wir sollten hier auch Vertrauen haben, daß deutsche Außenpolitik in den Vereinigten Staaten zum Teil sehr positiv beurteilt wird, gerade auch die Dritte-Welt-Politik. Ich meine, es ist sehr unrichtig, wenn hier von Kreisen der Opposition gesagt wird, diese Außenpolitik sei schlecht, oder gar, sie sei gescheitert. Ich kann immer nur den Rat geben: Erkundigen Sie sich doch bitte einmal in den Ländern der Dritten Welt, wie sich die Beurteilung der deutschen Außenpolitik wohltuend abhebt von der Beurteilung der Außenpolitik anderer Staaten im westlichen Bündnis.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Es ist hier sehr viel von Gemeinsamkeiten gesprochen worden. Ich bin sehr dankbar, daß auch Herr Kohl und die anderen Redner der Opposition gesagt haben: Der Entspannungsprozeß muß weitergehen. Das würde ihnen möglicherweise von einigen amerikanischen Kritikern schon gar nicht mehr so positiv angerechnet. Das heißt natürlich — und ich glaube, da kann man heute Einverständnis feststellen —, daß eben die Verhandlungen in Genf weitergehen sollen, daß heißt, daß der KSZE-Prozeß nicht abgebrochen werden darf; und das heißt natürlich auch, daß es in einer solchen Stunde des Zusammenhaltens und des Zusammenstehens in Europa darauf ankommt, daß nationale Egoismen in der Europäischen Gemeinschaft vor dem geschlossenen Handeln dieser Gemeinschaft, Europa nach vorn zu bringen, zurücktreten: hier hat der Bundesaußenminister mit seiner Initiative, seinem Versuch, Europa auch politisch wieder stärker nach vorn zu bringen, einen, wie ich glaube, beachtlichen Schritt getan. Es kommt jetzt darauf an, daß sich die Außenminister einigen, daß der sich abzeichnende Kompromiß zustande kommt und daß solche nationalen Egoismen zurücktreten. Sonst sind all die Beschwörungen von Gemeinsamkeit im Grund genommen leere Floskeln.

    (Daweke [CDU/CSU]: Wie meinen Sie das?)

    Ich habe vorhin gesagt, es wäre sehr gut, wenn wir gelegentlich ein Zeichen der Entschlossenheit hätten, die Menschenrechte auch dort zu verteidigen, wo keine Kommunisten regieren, und wenn wir in der Presse nicht nur unserer Länder, sondern auch der Vereinigten Staaten nicht nur über den Fall Sacharow lesen würden, sondern vielleicht gelegentlich auch einmal etwas über die Frau des seit 20 Jahren inhaftierten südafrikanischen Führers Mandela, die gerade aus dem Bann entlassen, am selben Tag wieder verhaftet und in den Bann gesetzt worden ist. Davon lesen Sie hier leider wenig. Wenn Sie in die Dritte Welt reisen, müssen Sie sich immer wieder fragen lassen: Ist das wirklich eine eindeutige Politik, oder ist das nicht doppelte Moral, wenn der Westen hier schweigt und sich in seiner Kritik an der Nichtbeachtung der Menschenrechte ausschließlich an die kommunistischen Staaten wendet — was wir j a tun, indem wir anprangern, was aber nicht ausreicht, um uns als glaubwürdig erscheinen zu lassen, wenn wir das in der Dritten Welt immer wieder nur sehr zahm tun.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Und bei allen Beschwörungen, die wir hier veranstalten, genügt es, glaube ich, nicht, uns — gerade beim Dialog mit der Jugend — auf Sicherheit und Freiheit und auf all diese Begriffe zurückzuziehen, so schön sie sind, so wichtig sie für uns sind, so sehr wir entschlossen sind, Herr Wörner, sie zu verteidigen, und so sehr wir natürlich auch für diese Bundeswehr eintreten. Ich glaube, es kommt für diese Jugend darauf an, daß der Westen glaubwürdig agiert und daß dieses NATO-Bündnis in seinem ethischen Gehalt überall und nicht nur an einer Stelle entschieden vertreten wird.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    In diesem Zusammenhang müssen wir uns auch überlegen, inwieweit wir hier noch voller Geduld warten können, bis z. B. die Republik Südafrika sich geneigt zeigt, die Freiheit Namibias herzustellen. Ich sage das ganz bewußt, weil das ein Punkt ist, der zur Zeit vielleicht bei uns nicht so sehr im Vordergrund steht, aber auf anderen Kontinenten — Herr Kollege Köhler ist inzwischen gekommen; er wird mir das als großer Afrikakenner sicher freundlicher-



    Schäfer (Mainz)

    weise bestätigen können — nach wie vor eine ganz entscheidende Rolle spielt, etwa wenn Sie sich mit Politikern dieses Kontinentes unterhalten.
    Ich glaube, wir können nicht mehr lange zögern. Die Ungeduld in diesen Ländern wächst. Der Westen muß auch hier Tatendrang zeigen, Herr Kollege Wörner, damit wir nach langen Bemühungen und Kompromißvorschlägen jetzt dahin kommen, daß endlich ein Ende abzusehen ist und daß dieses Land als letztes Land Afrikas unabhängig wird. Wir müssen uns mit der Republik Südafrika auch mit den geeigneten Mitteln auseinandersetzen, damit endlich Rassismus und Kolonialismus verschwinden und damit in Südafrika die gleichen Menschenrechte gelten, wie sie die Staaten des NATO-Bündnisses verteidigen. Ich glaube, das dürfen wir gegenüber einem befreundeten Staat doch noch mehr fordern, als wir es gegenüber kommunistischen Staaten hier Tag für Tag tun.

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Zuruf des Abg. Jäger [Wangen] [CDU/CSU])

    Ich weiß, Herr Kohl hat gesagt, Sie seien weder auf dem rechten noch auf dem linken Auge blind. Ich bin dafür dankbar, Herr Jäger, obwohl ich bei Ihnen gelegentliche Blindheiten feststelle. Aber ich hoffe und ich weiß ja auch von unserer gemeinsamen Arbeit im Auswärtigen Ausschuß, daß die Gegensätze, die hier im Plenum so lauthals beschworen werden, merkwürdigerweise im Ausschuß gar nicht mehr so deutlich sind und daß die sachliche Zusammenarbeit im Ausschuß viel klarer ist. Ich bin immer wieder überrascht, wenn die Herren, die keinem Ausschuß angehören, hier die großen Gegensätze entfalten und wir das hinterher in mühseliger Kleinarbeit auszubaden haben.
    Meine Damen und Herren, der große Appell an die Gemeinsamkeit dieses Hauses — ich schließe mich ihm an — muß eben auch heißen: Gemeinsamkeit in einer schwierigen außenpolitischen Lage, statt zu versuchen, diese außenpolitische Situation wiederum als Wahlkampfthema zu mißbrauchen und für innenpolitische Spielchen zu benutzen. Ich glaube, die Lage ist dazu zu ernst.
    Insofern meine ich, daß wir heute am Abend, nachdem sich die Situation etwas entspannt hat und es nicht wie bei der erregten Polen-Debatte Pfuirufe gegeben hat, vielleicht einen neuen Anfang suchen sollten. Zumindest in unserem Ausschuß wird diese sachliche Arbeit, davon bin ich überzeugt, fortgesetzt. Ich glaube nicht, daß in diesem Ausschuß solche Gegensätze herrschen, wie sie hier ständig an die Wand gemalt werden. — Vielen Dank!

    (Beifall bei der FDP und der SPD)



Rede von Georg Leber
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Als nächster Redner hat der Bundesminister der Verteidigung das Wort.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hans Apel


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen! Meine Herren! Herr Abgeordneter Wörner, Sie haben gesagt, wir sollten mit äußerster Sorgfalt argumentieren. Ich wäre sehr froh gewesen, wenn es Ihnen gegeben gewesen wäre, diesem eigenen Vorsatz gerecht zu werden. Denn in der Tat kommt es darauf an — nicht nur im Verhältnis zu den Vereinigten Staaten, sondern auch hinsichtlich der Fähigkeiten, der Einsatzbereitschaft der Bundeswehr und ihrer Probleme —, mit äußerster Sorgfalt zu argumentieren, nicht zuletzt deswegen, damit wir keine falschen Signale geben, weder in die eine noch in die andere Richtung.
    Nun werde ich mich nicht mit dem auseinandersetzen, was Abfallprodukt des Dokumentenberges des Untersuchungsausschusses Tornado ist. Stichworte wie „25 Milliarden DM Kürzung" oder „Planungsprobleme" sind Dinge, die aus dem Zusammenhang herausgerissen sind. Sie gehören in den Kontext Tornado und werden in dem Zusammenhang sicherlich im März hier im Deutschen Bundestag zu besprechen sein.
    Herr Abgeordneter Dr. Wörner, ich möchte jetzt konkret werden, und insofern leite ich zu einer detaillierteren Betrachtung des Verteidigungshaushalts über. Ich möchte mit Ihnen, meine Damen, meine Herren, konkret darüber reden, was wir auf der Hardthöhe darüber meinen, wie die Einsatzbereitschaft der Bundeswehr zu beurteilen ist, wie es mit dem Ausbildungsstand heute und in der Zukunft steht.
    Es kann doch überhaupt nicht bestritten werden, daß Ausbildungsstand, Einsatzbereitschaft und Motivation unserer Soldaten heute wie in der Vergangenheit — und zwar nicht nur national, sondern auch international — als gut, j a sogar als sehr gut bezeichnet werden.
    Diese Aussage stützt sich auch auf Fakten. Es kann nicht bestritten werden — wer will es eigentlich bestreiten —, daß wir den Verteidigungsetat im letzten Jahrzehnt Jahr für Jahr nominal angehoben haben. Gewiß gab es dabei beträchtliche Schwankungen. Dies liegt aber daran, daß sich — Herr Abgeordneter Wörner, da muß ich auf ein ökonomisches Problem aufmerksam machen, das Sie falsch sehen — natürlich auch die Verteidigungsausgaben in die Haushaltssituation einpassen müssen.
    Verteidigungsminister Strauß hat im Haushaltsjahr 1968 in der Großen Koalition die Verteidigungsausgaben nominal um 12,6 % abgesenkt.

    (Daweke [CDU/CSU]: Der war Finanzminister! Bei Ihnen geht alles durcheinander!)

    In dem Jahrzehnt von 1970 bis heute hat es niemals eine nominale Absenkung gegeben. Im Gegenteil, wir haben in diesem Jahrzehnt unsere Verteidigungsausgaben Jahr für Jahr real durchschnittlich um 2,8 % gesteigert.

    (Daweke [CDU/CSU]: Jetzt ist es richtig!)

    Insofern ist der Gegensatz, nämlich jetzt finanzwirtschaftlich und nicht mehr bedrohungsgerecht und früher allein bedrohungsgerecht geplant, doch konstruiert. Es hat niemals eine Situation gegeben, in der nur bedrohungsgerecht geplant und dann auch finanziert werden konnte, weder bei Herrn Strauß noch bei seinem Vorgänger. Es hat niemals eine Situation gegeben, in der der Verteidigungsetat ausschließlich finanzwirtschaftlich gestaltet wurde.



    Bundesminister Dr. Apel
    Nehmen Sie doch nur das Haushaltsjahr 1982. Nehmen Sie doch bitte zur Kenntnis: Der Gesamtetat steigt um 2,8 v. H. nominal. Um das Haushaltsdefizit in Grenzen halten zu können, wird sogar in soziale Besitzstände eingeschnitten. Der Verteidigungsetat steigt um nominal 5,2 %. Hier wiederholt sich das Bild des Haushaltsjahres 1981: In schwierigster ökonomischer und sozialer Umgebung steigen die Verteidigungsausgaben deutlich überproportional: 2,8 % Steigerungsrate des Gesamthaushalts 1982, 5,2 % bei der Verteidigung. Da kann ich den Vorwurf überhaupt nicht akzeptieren, hier werde nur finanzwirtschaftlich geplant.
    Ich komme zum Ergebnis, daß die Bundeswehr, wenn auch unter erschwerten Bedingungen — das wird im einzelnen noch darzustellen sein —, ihrem Auftrag entsprechen kann.
    Herr Wörner, ich werde Sie nicht auf die Anträge ansprechen, die hier fehlen. Sie sagten, ich werde das wohl tun. Ich tue das nicht.

    (Dr. Hennig [CDU/CSU]: Das haben Sie schon!)

    Aber ich möchte einen anderen Widerspruch ansprechen. Man kann doch nicht vormittags in der Haushaltsberatung den Grundsatz verkünden, die konsumtiven Ausgaben müßten herunter und die investiven Ausgaben hinauf — das sei das hehre Prinzip der Haushalts- und der Finanzpolitik der Unions-Parteien —, und dann nachmittags, wenn es um die Verteidigungsausgaben geht, plötzlich völlig anders argumentieren.
    Außerdem muß ich fragen: Wo sind denn eigentlich die grundsätzlichen Ansätze Ihrer Haushaltspolitik gewesen? Möchten Sie mehr für Soldaten und weniger für Waffen ausgeben? Möchten Sie mehr für den Betrieb und weniger für Waffen ausgeben? Wie stehen Sie zu den Strukturproblemen des Verteidigungsetats? Hierzu hat es von Ihnen bisher keine Aussage gegeben — das mag in der Debatte ja noch kommen —, aber das ist wichtig. Ich wünsche mir jedenfalls, daß Sie Ihre Pflichten als Opposition ernst nehmen und uns Auskunft über Ihre Vorstellungen hinsichtlich der Struktur des Verteidigungsetats heute und in der Zukunft geben.
    Herr Abgeordneter Dr. Wörner, dann kam wieder das Horrorgemälde über die Bundeswehr. Erinnern wir uns doch einmal an das zurückliegende Haushaltsjahr. Da war es doch auch so, daß im Plenum ununterbrochen verkündet wurde, bei der Bundeswehr lägen in Kürze Räder, Ketten, Turbinen, Schiffe still, wir entsprächen nicht unseren vertraglichen NATO-Verpflichtungen, wir müßten Übungen absagen, auf Ausbildung verzichten. Heute wissen wir, Herr Wörner, daß das Polemik, Panikmache war.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Abg. Dr. Wörner [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

    — Ich darf noch einen Satz hinzufügen. — Es war Panikmache im Interesse parteipolitischer Polemik, und sicherlich war es nicht zum Nutzen der Bundeswehr und auch nicht ihres internationalen Ansehens; denn das, was Sie hier sagen, reflektiert sich natürlich auch in Amerika.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)