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ID0907807000

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    Plenarprotokoll 9/78 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 78. Sitzung Bonn, Dienstag, den 19. Januar 1982 Inhalt: Abwicklung der Tagesordnung 4477 A Begrüßung des Präsidenten der Parlamentarischen Versammlung des Europarates und seiner Begleitung 4487 C Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1982 (Haushaltsgesetz 1982) — Drucksachen 9/770, 9/965 — Beschlußempfehlungen und Bericht des Haushaltsausschusses Einzelplan 01 Bundespräsident und Bundespräsidialamt — Drucksache 911181 — 4477 A Einzelplan 02 Deutscher Bundestag — Drucksache 9/1182 — 4477 B Einzelplan 03 Bundesrat — Drucksache 9/1183 — Borchert CDU/CSU 4477 D Einzelplan 04 Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramts — Drucksache 9/1184 — Metz CDU/CSU 4478 A Löffler SPD 4479 D Dr. Zimmermann CDU/CSU 4480 B Brandt SPD 4487 D Hoppe FDP 4494 D Dr. Abelein CDU/CSU 4501A Genscher, Bundesminister AA 4508 D Schmidt, Bundeskanzler 4515A Dr. Kohl CDU/CSU 4521 B Wischnewski SPD 4530 D Dr. Wörner CDU/CSU 4535 A Schäfer (Mainz) FDP 4541 D Dr. Apel, Bundesminister BMVg . . . 4545 B Erklärungen nach § 30 GO Dr. Abelein CDU/CSU 4549 B Wurbs FDP 4549 D Namentliche Abstimmung 4550 B Einzelplan 14 Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung — Drucksache 9/1194 — in Verbindung mit Einzelplan 35 Verteidigungslasten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt ausländischer Streitkräfte — Drucksache 9/1205 — II Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 19. Januar 1982 Dr. Stavenhagen CDU/CSU 4552 B Hansen fraktionslos 4556 A Frau Traupe SPD 4558 A Würzbach CDU/CSU 4565 B Dr. Zumpfort FDP 4570 C Einzelplan 05 Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts — Drucksache 9/1185 — Voigt (Frankfurt) SPD 4575 C Picard CDU/CSU 4577 C Frau Schuchardt FDP 4579 A Genscher, Bundesminister AA 4580 C Coppik SPD (Erklärung nach § 31 GO) 4582A Einzelplan 27 Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen — Drucksache 9/1200 — Frau Berger (Berlin) CDU/CSU 4582 D Nehm SPD 4585 C Franke, Bundesminister BMB 4587 A Nächste Sitzung 4589 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 4591*A Anlage 2 Empfehlung des britischen Staatsministers Douglas Hurd, eine gemeinsame NATO-Strategie für die Entwicklung einer „neuen Weltinformationsordnung" zu erarbeiten MdlAnfr 43 08.01.82 Drs 09/1252 Weirich CDU/CSU SchrAntw StMin Dr. Corterier AA . . . 4591* B Anlage 3 Staaten, die den Interamerikanischen Vertrag über gegenseitigen Beistand (Rio-Pakt) vom 2. September 1947 noch nicht ratifiziert haben; Angebot einer Nichtangriffserklärung der USA an Nicaragua MdlAnfr 48 08.01.82 Drs 09/1252 Dr. Hennig CDU/CSU SchrAntw StMin Dr. Corterier AA . . . 4591* C Anlage 4 Druck der Proklamation des in Polen verhängten Kriegsrechts in der Sowjetunion MdlAnfr 52 08.01.82 Drs 09/1252 Dr. Czaja CDU/CSU SchrAntw StMin Dr. Corterier AA . . . 4591* D Anlage 5 Haltung der Bundesregierung zur Lage in Polen MdlAnfr 53 08.01.82 Drs 09/1252 Milz CDU/CSU SchrAntw StMin Dr. Corterier AA . . . 4592*A Anlage 6 Auffassung der Bundesregierung über die Verantwortung der Sowjetunion für die Vorgänge in Polen; Aussagen des Bundeskanzlers Schmidt und des französischen Staatspräsidenten Mitterrand über den Vertrag von Jalta und die Teilung Europas MdlAnfr 55, 56 08.01.82 Drs 09/1252 Engelsberger CDU/CSU SchrAntw StMin Dr. Corterier AA . . . 4592* B Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 19. Januar 1982 4477 78. Sitzung Bonn, den 19. Januar 1982 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens ** 20. 1. Echternach 19. 1. Fischer (Hamburg) 19. 1. Günther 19. 1. Handlos 19. 1. Frau Dr. Hellwig 19. 1. Frau Krone-Appuhn 20. 1. Dr.-Ing. Laermann 22. 1. Dr. Mertes (Gerolstein) 22. 1. Möllemann 22. 1. Dr. Müller * 19. 1. Müller (Bayreuth) 19. 1. Reddemann ** 20. 1. Rösch ** 20. 1. Rohde 22. 1. Frau Roitzsch 22. 1. Dr. Solms 22. 1. Dr. Stark (Nürtingen) 22. 1. Graf Stauffenberg 22. 1. Walther 22. 1. Wendig 22. 1. Baron von Wrangel 22. 1. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlage 2 Antwort des Staatsministers Dr. Corterier auf die Frage des Abgeordneten Weirich (CDU/CSU) (Drucksache 9/1252 Frage 43): Ist die Bundesregierung bereit, der in der Zeitschrift „NATO REVIEW" von dem Staatsminister im britischen Außenministerium, Douglas Hurd, geäußerten Empfehlungen zu folgen, der Westen müsse im Rahmen der NATO angesichts der Versuche der Sowjetunion und der Staaten der Dritten Welt, über die UNO eine „neue Weltinformationsordnung" zu entwickeln, verstärkt eine gemeinsame Strategie erarbeiten? Auch die Bundesregierung hält eine engere Koordinierung des Westens und die Erarbeitung gemeinsamer Ziele und einer gemeinsamen Strategie durch die westlichen Staaten für notwendig, um in der Diskussion über eine „Neue Weltinformations- und Kommunikationsordnung" in der UNESCO und in den VN dem vom Westen vertretenen Grundsatz der grenzüberschreitenden Informationsfreiheit die ihm gebührende Geltung zu verschaffen. Für die Koordinierung innerhalb des Westens ist indes die NATO nur eines unter mehreren Foren; wichtig sind vor allem auch EPZ, UNESCO, VN und Europarat. Zur Verbesserung der Koordination des Westens in medienpolitischen Fragen der UNESCO - zu denen insbesondere auch die NWICO-ProbleAnlagen zum Stenographischen Bericht matik gehört - wurde auf Initiative der Bundesregierung vom Herbst 1981 in Paris eine ständige Konsultationsgruppe der westlichen Vertreter bei der UNESCO eingerichtet, die sich mit der Gesamtheit der medienpolitischen Fragen im Rahmen der UNESCO befaßt. Anlage 3 Antwort des Staatsministers Dr. Corterier auf die Frage des Abgeordneten Dr. Hennig (CDU/CSU) (Drucksache 9/1252 Frage 48): Welche amerikanischen Staaten haben den Interamerikanischen Vertrag über gegenseitigen Beistand (Rio-Pakt) vom 2. September 1947 bisher nicht ratifiziert, und hat die Bundesregierung Kenntnis von der Tatsache, daß die US-Regierung Nicaragua im August 1981 eine auf diesem Rio-Pakt basierende feierliche Nichtangriffserklärung angeboten hat, die von der nicaraguanischen Regierung nicht akzeptiert worden ist? Nach den der Bundesregierung vorliegenden Informationen haben folgende amerikanische Staaten den Interamerikanischen Vertrag über gegenseitigen Beistand von 1947 (sog. Rio-Pakt) weder unterzeichnet noch ratifiziert: Barbados, Grenada, Jamaica, Guyana, Belize, Dominicana, St. Lucia, St. Vincent und die Grenadinen, Antigua und Barbuda. Kuba hat im März 1960 bekanntgegeben, daß es sich nicht mehr an den Rio-Pakt gebunden erachte; Kanada ist dem Pakt lediglich als Beobachter beigetreten. Der Bundesregierung ist bekannt, daß die US-Regierung Nicaragua im August 1981 angeboten hat, sich gegenseitig die Zusage der Nichteinmischung und der Nichtintervention zu geben. Diese Zusage sollte für die USA in bezug auf Nicaragua, für Nicaragua in bezug auf benachbarte zentralamerikanische Länder gelten. Die nicaraguanische Regierung ist nach Wissen der Bundesregierung bisher auf dieses Angebot nicht eingegangen. Anlage 4 Antwort des Staatsministers Dr. Corterier auf die Frage des Abgeordneten Dr. Czaja (CDU/CSU) (Drucksache 9/1252 Frage 52): Welche Schlüsse zieht die Bundesregierung aus der von Präsident Reagan in seiner Fernsehansprache vom 23. Dezember 1981 bekanntgegebenen Tatsache, daß die Proklamation für das in Polen im Dezember verhängte Kriegsrecht bereits im September in der Sowjetunion gedruckt wurde? Die Bundesregierung hat keine nähere Kenntnis der Informationen, die zu der von Ihnen zitierten Äußerung des Präsidenten der Vereinigten Staaten geführt haben. Sie geht aber ebenso wie die amerikanische Regierung davon aus, daß die Sowjetunion 4592* Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 19. Januar 1982 seit langem schweren Druck auf die polnischen Reformbestrebungen ausgeübt hat. Anlage 5 Antwort des Staatsministers Dr. Corterier auf die Frage des Abgeordneten Milz (CDU/CSU) (Drucksache 9/1252 Frage 53): Trifft es zu, daß Art und Umfang der Kreditgewährung und die wirtschaftlichen Verpflichtungen gegenüber der Volksrepublik Polen u. a. Ursachen dafür sind, daß sich die Bundesregierung jetzt in ihrer Haltung zur Lage in Polen im Gegensatz zu allen führenden westeuropäischen Staaten und der USA so zurückhaltend verhält und nach Pressekommentaren eine sogenannte Politik der Leisetreterei vertritt? Die Feststellung in Ihrer Frage, daß die Bundesregierung sich gegenüber den Entwicklungen in Polen zurückhaltend verhalte, ist unzutreffend. Einen Vorwurf der „Politik der Leisetreterei" weise ich entschieden zurück. Die Bundesregierung hat nach der Verhängung des Kriegsrechts am 13. Dezember 1981 die ihr zur Verfügung stehenden und als angemessen erscheinenden Mittel eingesetzt, um der polnischen und der sowjetischen Führung die eigene Auffassung unmißverständlich darzulegen. Sie hat eindringlich dazu aufgefordert, zu einer Politik der Erneuerung und der Reform zurückzukehren bzw. diese nicht zu behindern. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf die Erklärungen von Bundeskanzler Schmidt im Deutschen Bundestag vom 18. Dezember, die Bundestags-Entschließung vom gleichen Tage, die von der Bundesregierung mitgetragen wird, sowie auf die Briefe, die Bundeskanzler Schmidt am 25. Dezember 1981 sowohl an General Jarulzelski als auch an Generalsekretär Breschnew gerichtet hat. Bundesminister Genscher hat am 30. Dezember die Auffassungen der Bundesregierung Vize-Premier Rakowski mit Nachdruck erläutert, nachdem er vorher schon die Resolution des Deutschen Bundestages dem polnischen Geschäftsträger ausführlich dargelegt hatte. Die Haltung der Bundesregierung kommt ferner in der deutsch-amerikanischen Erklärung vom 5. Januar 1982 sowie in den Abschlußerklärungen des EG-Außenministertreffens vom 4. Januar und des NATO-Außenministertreffens vom 11. Januar 1982 in aller Deutlichkeit zum Ausdruck. Auch die beiden letztgenannten Erklärungen sind unter maßgeblicher Beteiligung der Bundesregierung zustandegekommen. Anlage 6 Antwort des Staatsministers Dr. Corterier auf die Fragen des Abgeordneten Engelsberger (CDU/CSU) (Drucksache 9/1252 Fragen 54 und 55): Auf Grund welcher Erkenntnisse ist die Bundesregierung zu der von den USA und anderen NATO-Ländern abweichenden Ansicht gelangt, daß Moskau in Polen bei der Verhängung des Kriegsrechts keinen Einfluß genommen habe, und wie ist diese ursprüngliche Bewertung der Vorgänge wiederum mit der Äußerung von Bundesaußenminister Genscher in Einklang zu bringen, daß die Sowjetunion für die Vorgänge in Polen Verantwortung trage? Muß aus der Aussage von Bundeskanzler Schmidt, in Jalta sei Europa in Einflußsphären geteilt worden und jede Veränderung der bestehenden Machtverhältnisse müßte Krieg bedeuten, der Schluß gezogen werden, daß nach Ansicht des deutschen Regierungschefs die ohne Mitwirkung der osteuropäischen Völker zustandegekommene Einbeziehung in den kommunistischen Machtbereich erhalten bleiben und für die 17 Millionen Deutschen in der DDR das Wiedervereinigungsgebot des Grundgesetzes keine Gültigkeit mehr haben solle, während andererseits der französische Staatspräsident Mitterrand in seiner Neujahrsrede den Wunsch geäußert hat, den Vertrag von Jalta und die sich daraus ergebende Teilung Europas zu überwinden? Zu Frage 54: Die Bundesregierung hat von Anfang an mit großer Sorge den schweren Druck der Sowjetunion auf die innere Entwicklung in Polen beobachtet. Aus dieser Sorge heraus hat sich der Bundeskanzler bereits am 25. Dezember 1981 an Generalsekretär Breschnew gewandt und damit unmißverständlich die Verantwortung der Sowjetunion deutlich gemacht. Diese weiterhin gültige Bewertung der Vorgänge in Polen durch die Bundesregierung ist zuletzt in der von ihr mitgetragenen und unter ihrer Mitwirkung entstandenen Erklärung der NATO-Außenminister vom 11. Januar 1982 eindeutig zum Ausdruck gebracht worden. Zu Frage 55: Diese Frage beantworte ich mit „nein", ohne daß ich mir damit Ihre Wiedergabe der Äußerungen des Bundeskanzlers zu eigen mache. Die Politik der Bundesregierung zielt, und zwar in voller Übereinstimmung und mit Unterstützung aller ihrer westlichen Partner, darauf ab, die Trennungslinie, die Europa teilt, zu überwinden. Ein Meilenstein dieser Politik des friedlichen Wandels ist die Schlußakte von Helsinki. Im übrigen hält die Bundesregierung an ihrem Ziel fest, wie es im Brief zur deutschen Einheit im Zusammenhang mit dem Moskauer Vertrag und dem Grundvertrag mit der DDR seinen Niederschlag gefunden hat, auf einen Zustand des Friedens in Europa hinzuwirken, in dem das deutsche Volk in freier Selbstbestimmung seine Einheit wiedererlangt.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Hans-Jürgen Wischnewski


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Wir wären nicht Mitglied der Vereinten Nationen, Herr Kollege Dr. Kohl, und wir würden als Bundesrepublik Deutschland deshalb auch an wichtigen internationalen Verhandlungen überhaupt nicht beteiligt sein,

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Wir waren vorher bei allen Unterorganisationen!)

    wie z. B. an der Seerechts-Konferenz, die für unser Land von entscheidender Bedeutung ist.

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Wo sich die Bundesregierung ganz schlecht verhalten hat! Ohne deren Beteiligung wären die Ergebnisse auch nicht schlechter!)

    Und wir würden die Länder der Dritten Welt in erster Linie in gute und in böse Länder einteilen. Und wir würden unsere Meinung in dieser Frage auch von heute auf morgen, ganz schnell, verändern. Wenn Sie Beispiele haben wollen, bin ich gerne bereit, Ihnen eine Vielzahl von Beispielen dafür zu bringen.
    In dieser Debatte ist geredet worden über Gemeinsamkeit in der Außenpolitik und insbesondere über Gemeinsamkeit in bezug auf unser Verhältnis zur kritischen und tragischen Situation in Polen. Es gibt auch den Appell des Außenministers vom Ende
    der vergangenen Woche. Lassen Sie mich deshalb dazu bitte ein ganz grundsätzliches Wort sagen: Jedes Land sollte glücklich darüber sein, wenn es in der Lage ist, seine Außenpolitik so weit wie möglich gemeinsam zu vertreten. Gerade bei einer so tragischen Situation wie in Polen sollte es besonders notwendig sein, um Gemeinsamkeit bemüht zu sein. Die „Zeit" hat in der vergangenen Woche einen Aufsatz gebracht, in dem schon in der Überschrift die Rede von der Konfrontationspolitik der CDU/CSU ist. Ich sage Ihnen hier in aller Deutlichkeit: Bei Konfrontationspolitik in diesem schwierigen Bereich gibt es keine Gemeinsamkeit.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Es kann Gemeinsamkeit geben, wenn wir uns gemeinsam darum bemühen wollen, den Menschen in Polen zu helfen. Es kann Gemeinsamkeit geben, wenn wir uns darum bemühen, alles zu tun, damit die Krise, die gegeben ist, nicht noch weiter verschärft wird.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Was heißt denn das?)

    Es kann Gemeinsamkeit geben, wenn wir alles tun, um in einer schwierigen Situation dem Frieden und der Entspannung zu dienen. Für Anheizen, meine sehr verehrten Damen und Herren, gibt es keine Gemeinsamkeit.

    (Beifall bei der SPD — Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Was soll denn das?)

    Und deshalb gibt es auch für den Katalog der Maßnahmen gegenüber Polen und der Sowjetunion, der hier vorgetragen worden ist, keine Gemeinsamkeit — um das in aller Deutlichkeit zu sagen.

    (Dr. Hennig [CDU/CSU]: Obgleich das im Kommuniqué der NATO steht!)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, Sie sollten in dem Zusammenhang auch ein wenig zurückdenken an Ihre eigene Geschichte, an die Zeit, als Sie den Bundeskanzler in diesem Land stellten,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das waren noch Zeiten!)

    oder auch an die Zeit, in der wir die Große Koalition hatten.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Schlimme Zeit!)

    Ich möchte drei Dinge in besonderem Maße erwähnen, die Ihre frühere Haltung zu Sanktionen zeigen: Im Jahre 1954,

    (Zuruf von der SPD: Das großartige Röhrenembargo!)

    — warten Sie erst ab —

    (Dr. Hennig [CDU/CSU]: Das war einer von Ihnen! — Dallmeyer [CDU/CSU]: Der soll auch abwarten!)

    also im Jahr nach dem 17. Juni, gab es mit Hilfe der damaligen Bundesregierung die größte Ausweitung des innerdeutschen Handels mit der Deutschen Demokratischen Republik, den es jemals in der Ge-



    Wischnewski
    schichte unserer Handelsbeziehungen gegeben hat. Die Ausweitung von 1953 zu 1954 betrug 56,4 %.

    (Dr. Hennig [CDU/CSU]: Da kommt es aber auf die Ausgangsbasis an!)

    Von Sanktionen war dort keine Rede, sondern es gab eine Ausweitung um 56,4 %. Im Jahre 1957, d. h. ein Jahr nach Ungarn betrug die Ausweitung des Handels mit der DDR 23 %. Im Jahre 1969, d. h. im Jahr nach dem Einmarsch der Truppen des Warschauer Paktes in die CSSR betrug die Ausweitung des innerdeutschen Handels 36,8 %.

    (Dr. Hennig [CDU/CSU]: Ist das nun ein Lob oder ein Tadel?)

    — Das ist eine sachliche Feststellung und mehr nicht. Wer heute nach Sanktionen schreit, soll über seine eigene Haltung, als er die politische Verantwortung getragen hat, nachdenken. Ich kritisiere das nicht, was hier gemacht worden ist. Ich bemühe mich, einen Beitrag zu leisten, um in dieser Situation die Auseinandersetzung, die wir um diese Frage haben, zu versachlichen.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist auch über die Haltung meiner Partei zum Bündnis und zu den Vereinigten Staaten gesprochen worden. Deshalb möchte ich dazu einige kurze Bemerkungen machen. Die Sozialdemokratische Partei ist ein Spiegelbild der Gesellschaft, in der wir leben. In ihr gibt es natürlich — das ist auch zwingend notwendig
    — eine Diskussion auch der Probleme, die in unserer Gesellschaft insgesamt diskutiert werden.

    (Dr. Probst [CDU/CSU]: Sie sind da in einer komischen Gesellschaft!)

    — Vielleicht ist das in Ihrer Partei anders. Dann müssen Sie über die Frage nachdenken, ob Sie Ihrer Aufgabe als politische Partei nachkommen.
    Es gibt eine Vielzahl von Fragen, über die wir miteinander diskutieren und auch hart miteinander diskutieren. Es gibt ein paar Grundsatzfragen, über die es gar keine Diskussionen in der Sozialdemokratischen Partei gibt.

    (Dr. Probst [CDU/CSU]: Welche denn? — Kiep [CDU/CSU]: An der Regierung zu bleiben!)

    Wir streiten nicht über die Notwendigkeit des militärischen Gleichgewichts, aber wir wollen es auf einer möglichst niedrigen Stufe haben. Wir streiten nicht über die Notwendigkeit des Bündnisses, aber wir wollen, daß dieses Bündnis bei Rüstungskontrollpolitik, Rüstungsbegrenzung und Abrüstung eine aktive Rolle spielt.
    Weil dieses unsere Grundhaltung ist, werden wir der Bundeswehr heute 43,5 Milliarden DM bewilligen, 43,5 Milliarden DM für die Soldaten, für die Waffen, die notwendig sind, und für die Verpflichtungen im Bündnis. In dieser Frage unterscheiden wir uns von Ihnen ganz wesentlich, denn Sie werden heute abend den Beweis dafür erbringen, daß Sie der Bundeswehr und dem Bündnis nicht eine einzige Mark zur Verfügung stellen. Das ist der Unterschied zwischen Ihnen und uns in dieser Frage.

    (Lachen bei der CDU/CSU)

    Nun ein Wort über unser Verhältnis zu den Vereinigten Staaten. Wir wissen alle, daß unser Verhältnis zu den Vereinigten Staaten für uns eine Lebensfrage ist. Wir wissen, daß die 237 000 Soldaten, Unteroffiziere und Offiziere aus den Vereinigten Staaten notwendig sind, um Sicherheit in Europa möglich zu machen. Wir sind jedem dankbar, der hier in der Bundesrepublik als Soldat der Vereinigten Staaten seinen Dienst tut.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Ich gehöre zu der Generation derjenigen, die 1933 elf Jahre alt waren, zu der Generation, die nach 1945 die Chance gehabt hat, von der amerikanischen Demokratie auch viel für unsere Demokratie und für unsere politische Arbeit zu lernen. Das ist unser Grundverhältnis. Aber dieses kann uns nicht daran hindern, dort, wo es notwendig ist, unsere Meinung gegenüber einem Partner und gegenüber einem Freund deutlich zu sagen. Denn nur dann kann von Partnerschaft die Rede sein.
    Konrad Adenauer hat das wie folgt ausgedrückt:
    Wenn ich in Münster auf eine Pauke geschlagen habe, die auch in Washington gehört wird, dann habe ich das mit voller Absicht getan. Ich bin zwar von meinen eigenen Parteifreunden dafür gescholten worden, doch ich wollte die Augen der Öffentlichkeit auf Genf richten, wo unser Schicksal entschieden wird.
    — Heute wieder einmal auf Genf!
    Wir haben den Amerikanern viel zu verdanken, und wir sind eng miteinander befreundet. Aber unter Freunden muß man auch ein offenes Wort sprechen können ...
    — sagte der CDU-Chef —... Der amerikanische Außenminister Rusk hat sich über meine Äußerungen sehr geärgert. Aber dieses sollte er auch.
    Dies ist ein Zitat von Konrad Adenauer in einer Frage, in der es um die Interessen der Bundesrepublik Deutschland ging und er Wert darauf gelegt hat, seine Meinung gegenüber den Vereinigten Staaten ganz deutlich zu sagen.
    In dieser Woche gibt es in einer der Wochenzeitungen der Bundesrepublik ein sehr wichtiges Interview des Senators Biden. Der Kollege Kiep kennt ihn sehr gut. Er ist Mitglied des Auswärtigen Ausschusses des amerikanischen Senats, eine ganze Reihe von Jahren war er Vorsitzender des Europa-Unterausschusses des Auswärtigen Ausschusses des Senats. Auf die Frage der Journalistin, ob sein Bild nicht zu optimistisch sei, hat Biden wie folgt geantwortet:
    Ganz und gar nicht. Ich bin sehr viel optimistischer, und zwar was deutsche Entschlossenheit und deutsche Fähigkeit angeht. Ich glaube nicht, daß die Deutschen vor den Russen kuschen. Was wir Amerikaner in der Bundesrepublik sehen, ist die echte und fundierte Befürchtung, daß die USA gegenüber der Sowjetunion zu keiner eindeutigen politischen Haltung gefunden haben. Und denkt man an die unglaubli-



    Wischnewski
    chen Erklärungen und Äußerungen, die von seiten dieser Regierung
    — der Regierung der Vereinigten Staaten —
    in den letzten neun Monaten gekommen sind, dann versteht man, warum es solche Unzufriedenheit in der Bundesrepublik gegeben hat. Ein Außenminister, der von einem „nuklearen Demonstrationsschlag in Europa", und eine Regierung, die von einem „auf Europa begrenzten Atomkrieg" spricht und solcherlei mehr, das ist doch grotesk. Deshalb glaube ich, daß diese Befürchtungen in Deutschland nicht aus Angst vor der Sowjetunion und nicht aus einem neuen Pazifismus heraus entstanden sind, sondern aus echter Besorgnis und wegen Zweifeln an der Fähigkeit der Vereinigten Staaten, eine einheitliche und einfühlsame Politik gegenüber Moskau zu formulieren und zu betreiben.
    Ich möchte hier ausdrücklich feststellen, daß ich mir die Meinung dieses in der amerikanischen Außenpolitik wichtigen Senators nicht zu eigen mache. Aber es besteht aller Anlaß, über die Formulierungen nachzudenken. Wir werden uns darum bemühen müssen, die Kontakte zu den Vereinigten Staaten unabhängig von Regierung und vom Parlament, wie das jetzt geschieht, durch die beiden Beauftragten, insbesondere für die jüngeren Menschen in den Vereinigten Staaten und in unserem Lande, für diejenigen, die die Nachkriegsgeschichte nicht erlebt haben, in ganz starkem Maße auszubauen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Auch die Frage der Europäischen Gemeinschaft ist hier angesprochen worden. Lassen Sie mich dazu bitte ein Wort sagen. Europa hat sich in den letzten Monaten besonders schwer getan. Die ökonomischen Schwierigkeiten, die uns belasten, belasten unsere europäischen Partner in noch weit stärkerem Maße. Das hat Auswirkungen auf die europäische Entwicklung insgesamt. Wir, die Bundesrepublik Deutschland, waren nicht das langsamste Schiff im Geleitzug. Wir haben in diesen Jahren unter den Bundeskanzlern Willy Brandt und Helmut Schmidt und den Außenministern Genscher und Scheel in der europäischen Entwicklung entscheidende Schritte nach vorn machen können. In diesen Jahren wurde die Europäische Politische Zusammenarbeit geschaffen, und ich bin dem Bundesaußenminister dafür dankbar, daß er darum bemüht ist, diese Europäische Politische Zusammenarbeit weiter auszubauen.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Diese Europäische Politische Zusammenarbeit hat oft den Beweis erbracht, daß wir mit christdemokratischen Kollegen in anderen Parlamenten Europas mehr als mit Ihnen übereinstimmen.

    (Kiep [CDU/CSU]: Das geht uns auch mit einigen Sozialisten so!)

    Das haben Sie jedesmal zum Ausdruck gebracht, wenn es eine gemeinsame Erarbeitung einer europäischen Position in einer schwierigen Frage gegeben hat, wo sich unser Außenminister mit seinen
    Kollegen abgestimmt hat, es aber hier die Zustimmung von Ihrer Seite dafür nicht gegeben hat.
    In dieser Zeit ist die Europäische Gemeinschaft von 6 auf 9, dann von 9 auf 10 Mitglieder erweitert worden, und bald werden der Europäischen Gemeinschaft 12 Länder angehören. In dieser Zeit haben wir die Direktwahl des Europäischen Parlaments und die Einführung des Europäischen Währungssystems erreicht, und die Bundesrepublik Deutschland hat große materielle Leistungen im Rahmen der europäischen Solidarität erbracht.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    Unsere Ausgaben für Europa haben im Jahr 1971 2,7 Milliarden DM und im vergangenen Jahr 14,2 Milliarden DM betragen. Dabei ist aber gleich auch in aller Deutlichkeit zu sagen, daß hier das Ende unserer Leistungsfähigkeit erreicht worden ist. Deshalb sind die notwendigen Reformen im Rahmen der europäischen Politik unverzichtbar. Ich hoffe, daß wir gemeinsam in der Lage sein werden, die Dinge hier einen Schritt voranzutreiben.
    Der Kollege Zimmermann hat ein Thema angesprochen, zu dem ich eine Bemerkung machen muß, auch wenn er nicht mehr da ist. Ich kann das so nicht stehenlassen. Ich meine den Untersuchungsausschuß zum Fall Rauschenbach. Er hat hier gesagt, da sich die Bundesregierung weigere, die Akten auf den Tisch zu legen, bleibe kein anderer Weg, als das Verfassungsgericht anzurufen.

    (Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Genau so ist es!)

    Deshalb muß ich hier um eine Klarstellung bemüht sein. Alle Beteiligten wissen,

    (Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Jetzt kommt es!)

    daß es sich um ein sehr diffiziles Problem handelt. Dieses diffizile Problem betrifft erstens die Sicherheit unserer Nachrichtendienste und zweitens ein menschliches Schicksal. Wir tragen mit an Verantwortung. Wir werden uns das nicht leicht machen. Und weil das so ist,

    (Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Mir kommen die Tränen!)

    — das sollte lieber nicht der Fall sein —, hat der Untersuchungsausschuß in Übereinstimmung festgelegt, daß bestimmte diffizile Akten dem Ausschußvorsitzenden und seinem Stellvertreter vorgelegt werden. Der Ausschußvorsitzende ist ein Mitglied Ihrer Fraktion, meine sehr verehrten Damen und Herren. Alle Akten haben bei dem Ausschußvorsitzenden bereits auf dem Tisch gelegen. Nur haben es die Kollegen der CDU/CSU abgelehnt, daß der Ausschußvorsitzende diese Möglichkeit wahrnehmen kann. Die Akten sind auch an den Bundestag übergeben worden, allerdings mit der Einschränkung, daß so verfahren wird, wie ich das hier gesagt habe. Es kann also gar keine Rede davon sein, daß die Bundesregierung die Herausgabe der Akten verweigert, allerdings mit der Einschränkung, die ich hier gesagt habe, wie sie vom Ausschuß in Übereinstimmung vorgeschlagen worden ist.
    Sie werden jetzt zum Gericht gehen. Wir wünschen Ihnen für diesen Gang viel Erfolg. Ich bedaure



    Wischnewski
    das auch insofern, als natürlich die Arbeiten des Ausschusses dadurch jetzt vorerst sicher für längere Zeit unterbrochen werden. Es wäre im Interesse der Sache, die Arbeit so bald wie möglich hinter uns zu bringen.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich werde daran erinnert, daß meine Redezeit zu Ende geht. Lassen Sie mich abschließend folgendes sagen. Dieser Kanzler hat unser Vertrauen, dieser Vizekanzler hat unser Vertrauen,

    (Beifall bei der SPD und der FDP) diese Bundesregierung hat unser Vertrauen.


    (Daweke [CDU/CSU]: Und was ist mit der Opposition? — Heiterkeit bei der CDU/CSU — Wehner [SPD]: Ist im Wartestand!)

    Wir werden unseren Beitrag leisten, unserem Lande bei der Überwindung einer schwierigen Wegstrecke zu helfen. Wir werden dabei unsere Pflicht und Schuldigkeit tun.

    (Beifall bei der SPD)



Rede von Georg Leber
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Wörner.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Manfred Wörner


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Liebe Kollegen! Der flammende Appell des Kollegen Wischnewski

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: So flammend war der auch nicht!)

    erinnert mich eher an das Pfeifen eines Kindes im dunklen Walde. Er hätte besser weniger vom Vertrauen und mehr von der Leistung dieser Regierung gesprochen. Wäre er auf die Leistung dieser Regierung zu sprechen gekommen,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Dann wäre er viel schneller fertig gewesen!)

    dann wäre es ihm sicher sehr viel schwerer gefallen, eine solche positive Einstellung hier zum besten zu geben.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die Sorge um den Frieden hat die öffentliche Diskussion der letzten Monate beherrscht. Dabei ist die Frage nach unserer Sicherheit mehr und mehr in den Hintergrund getreten. Das hat sich seit Polen geändert. Nicht von ungefähr ist die Friedensbewegung seit den polnischen Ereignissen verstummt, sieht man einmal von der einsamen Stimme Bölls ab. Dafür fragen sich immer mehr Bürger in unserem Land — mit Recht —: Wie steht es um unsere Sicherheit — um diese Sicherheit, die uns ein Leben in Frieden, ein Leben in Ruhe, in Wohlstand und vor allem ein Leben in Freiheit ermöglicht hat?
    Ohne diese Sicherheit geht nichts. Diese Sicherheit hängt von drei ganz entscheidenden Faktoren ab. Der erste ist der Zusammenhalt und die Stabilität des Atlantischen Bündnisses. Der zweite ist unsere Verteidigungskraft und damit im wesentlichen die Einsatzbereitschaft und die Abschreckungskraft unserer Bundeswehr. Ich möchte gerade an dieser Stelle noch einmal deutlich machen: Es gibt keinen Gegensatz zwischen Sicherheit und Freiheit, zwischen Bundeswehr und unseren Verteidigungsanstrengungen und dem Frieden. Es hätte keinen Frieden gegeben und es gibt keinen Frieden ohne den Dienst unserer Soldaten in der Bundeswehr.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Löffler [SPD]: Das bezweifelt auch niemand!)

    Drittens hängt unsere Sicherheit auch von der inneren Standfestigkeit unserer Bevölkerung ab, von ihrem Friedenswillen, aber auch von ihrer Entschlossenheit zur Erhaltung und Verteidigung unserer Freiheit.
    In allen diesen drei Bereichen gibt es bedenkliche Entwicklungen. Ich glaube, wir von der CDU/CSU sind in unseren Sorgen über diese drei Bereiche nicht allein. Wenn wir diesen bedenklichen Entwicklungen in diesen drei Bereichen nicht entschlossener begegnen, dann könnte unser Land diese mühsam errungene Sicherheit sehr wohl verspielen.
    Was sind die Entwicklungen in diesen drei Bereichen? Ich möchte mich mit ihnen in meiner Rede beschäftigen. Die eine Entwicklung ist die zunehmende transatlantische und insbesondere die deutsch-amerikanische Entfremdung. Die zweite ist die spürbare Verringerung unserer Verteidigungskraft. Die dritte ist die innere Verunsicherung unserer Bevölkerung bis hin zur Erschütterung des Wertbewußtseins in Teilen unseres Volkes. Im übrigen halte ich bis zum heutigen Tag die Erschütterung des Wertbewußtseins, das Nicht-mehr-sicher-Wissen, wofür man steht, für die ernsteste Bedrohung unserer Sicherheit überhaupt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Alle diese Entwicklungen haben viele Gründe. Es wäre sicher ungerecht und unangemessen, sie allein der Bundesregierung in die Schuhe zu schieben. Dennoch, an allen diesen Entwicklungen tragen Sie, Herr Bundeskanzler, und trägt die Bundesregierung ein gerüttelt Maß an Verantwortung mit.

    (Frau Traupe [SPD]: Warum bringen Sie immer die gleiche Platte?)

    — Warum wir immer das gleiche bringen, Frau Traupe? Das ist eine ganz einfache Sache: Weil das deutsch-amerikanische Verhältnis mit Sicherheit das Schicksal der Bundesrepublik Deutschland bis zum Rest dieses Jahrtausends bestimmen wird. Es gehört zu den schwersten und bedenklichsten Entwicklungen für unseren Frieden, für die Sicherheit unserer Bürger, daß es in diesem Vertrauensverhältnis zwischen Deutschen und Amerikanern zu so ernsten Störungen gekommen ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das ist doch keine Erfindung der CDU/CSU oder etwa von böswilligen Journalisten. Ich erinnere nur daran, daß schon im Frühjahr 1981 die vier wesentlichen westlichen Sicherheitsinstitute, darunter das deutsche, aus Sorge über das, was sie transatlantische Krise genannt haben, sehr beachtliche Vorstellungen veröffentlicht haben. Ich sage noch einmal: Niemand kann sich darüber freuen, am allerwenigsten die CDU/CSU.



    Dr. Wörner
    Was mich besonders bedenklich stimmt — und das darf ich hier einmal darstellen —, ist, daß der tiefste Grund dieser Entfremdung wohl darin besteht, daß eine so verschiedene Grundströmung in beiden Ländern zum Tragen kommt. Während sich die USA auf ihre Stärken besinnen — moralische, wirtschaftliche, auch militärische —, bestimmen bei uns mehr und mehr Furcht, Schwäche, Anpassung bis hin zur Beschwichtigung unsere Politik, auch gegenüber dem Ostblock.
    Ich sage noch einmal: Ich möchte das nicht alles auf die Schultern des Bundeskanzlers abladen. Aber wer um den heiklen Zustand der deutsch-amerikanischen, der europäisch-amerikanischen Beziehungen weiß, von dem kann man, von dem muß man erwarten, daß er alles daransetzt, die Krise zu überwinden, anstatt sie durch eine Politik zu verschärfen, die Zweifel an der Position der Bundesrepublik Deutschland im Spannungsfeld zwischen Ost und West begründet.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Genau dies ist geschehen. Ich hoffe, es unpolemisch zu sagen: Die Standortbestimmung der deutschen Politik ist undeutlich geworden.
    Natürlich ist vieles an den Vorwürfen übertrieben, die Sie in der ausländischen Presse lesen können. Deswegen will ich hier nicht nachkarten. Aber eines muß doch jeder von uns wissen: Wenn es eine Sicherheit für uns gibt, wenn es einen Halt für uns gibt, wenn es einen festen Boden für uns gibt, auf dem sich überhaupt nur Politik nach Ost und West machen läßt, dann ist es das Vertrauen der freien Welt in die Verläßlichkeit und Stetigkeit des freien Deutschlands als eines Bündnispartners des freien Westens. Genau dies ist mit durch Ihr Zutun ins Rutschen gekommen. Das reicht wesentlich tiefer als bis in die Amtsstuben; sonst könnte man es ja mit Kommuniqués korrigieren. Es reicht tief hinab in die Grundstimmung der Völker. Deswegen wird es Langzeitwirkungen haben. Deswegen müssen wir mit äußerster Sorgfalt und äußerster Entschiedenheit die Prioritäten der deutschen Politik wieder in Ordnung bringen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Westpolitik muß wieder vor Ostpolitik rangieren.
    Da hat es doch keinen Sinn, die Journalisten anzuklagen. Es hat doch keinen Sinn, auf das Fieberthermometer einzuschlagen, wenn das Fieber steigt.
    Herr Bundeskanzler, ich sage noch einmal jenseits aller Polemik: Wenn Sie das Jahr 1961 und die Reaktionen Adenauers darauf hier zum Vergleich heranziehen, dann kann ich — neben allen anderen Unterschieden, die es gibt — nur sagen: Adenauer konnte so reagieren; denn niemand hatte an seiner Verläßlichkeit, an seiner Stetigkeit auch nur den leisesten Zweifel.

    (Beifall bei der CDU/CSU) Er hatte Vertrauen.

    Sie müssen sich fragen, ob Sie es nicht selber mit zu verantworten haben, daß dieses Vertrauen ins Rutschen gekommen ist. Da geht es nicht um die eine oder andere Meinungsverschiedenheit; lassen
    Sie mich auch das klar sagen. Meinungsverschiedenheiten sind unter freien Nationen selbstverständlich. Meinungsverschiedenheiten hat es zu allen Zeiten gegeben. Man kann sie aushalten und ertragen unter einer Voraussetzung: daß der Grundkonsens stimmt.
    Aber an diesem Grundkonsens gibt es eben jene Zweifel, an diesem Grundkonsens, den Haig in seiner Berliner Rede so klassisch formuliert hat. — Ich muß Ihnen ganz offen sagen, ich habe mich ein bißchen geschämt, daß ein Amerikaner nach Europa kommen mußte, auf den Kontinent, in dem sich die Idee der Freiheit über Jahrhunderte unter Leid, unter Tränen, unter Opfern Bahn gebrochen hat, um den Europäern Voltaire mit seinem klassischen Satz in Erinnerung zu rufen: Auch wenn Sie eine andere Meinung vertreten, werden wir Ihr Recht zur freien Meinungsäußerung bis zum Tod verteidigen. — Sehen Sie, dies ist die gemeinsame Haltung. Das ist der Grundkonsens, der uns über alle Meinungsverschiedenheiten trägt, der uns verbindet und der nicht weniger wichtig ist als die Kraft der Waffen im Atlantischen Bündnis. Den dürfen wir in unserem Volk nicht verschütten lassen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Jetzt komme ich zu den Ausführungen des Herrn Außenministers. Schauen Sie, es geht — das sage ich auch Herrn Brandt, den ich im Augenblick leider nicht sehe — doch nicht um die Frage, ob wir einen Kurs der Besonnenheit in der Außenpolitik treiben sollten oder nicht. Niemand ist gegen einen Kurs der Besonnenheit. Aber Besonnenheit kann Eindeutigkeit der deutschen Politik nicht ersetzen. Hieran hat es gefehlt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Es geht auch nicht um die Frage Lautstärke oder nicht, sondern es geht um die Frage Deutlichkeit in der Ansprache des Unrechts und der Unfreiheit.
    Schade, daß der Kollege Brandt nicht da ist.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wo ist er denn?)

    Er, der heute in einer völlig verschobenen Frontstellung so sehr gegen Lautstärke zu Felde zieht, war es, der 1961 — kommen wir noch einmal auf das Beispiel des Bundeskanzlers zu sprechen — erklärt hat:
    Aber die Regierung der Sowjetunion darf nicht glauben, uns ins Gesicht schlagen zu können, und wir lächelten noch dazu.
    Das Protokoll verzeichnet lebhaften Beifall bei der SPD.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Heute nicht!)

    Oder noch klassischer damals in der Reaktion auf den sowjetischen Mauerbau:
    Der Regierende Bürgermeister von Berlin kann nur vor einer Haltung warnen, die eine Prämie für Vertragsbruch, eine Belohnung für Gewalt sein würde. Sie wäre eine Einladung für Ulbricht, die Politik der vollendeten Tatsachen fortzusetzen.



    Dr. Wörner
    Jetzt kommt der geradezu klassische Satz, an den man den Kollegen Brandt heute erinnern müßte:
    Die Spannung wird nicht verschärft, indem man die Wahrheit sagt, sondern die Spannung wird verschärft, indem einseitige Akte des Unrechts begangen werden.
    Das genau ist der Kern unserer Auseinandersetzung um die Reaktion auf die von der Sowjetunion zu verantwortende Militärintervention.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Marx [CDU/CSU]: Wer hat sich denn da geändert und warum?)

    Herr Genscher, Besonnenheit — für die die CDU/ CSU ist — darf doch nicht die Ausrede für Tatenlosigkeit werden. Die CDU/CSU ist jetzt eben der Meinung — das ist genau der wesentliche Unterschied; um ihn brauchen wir nicht herumzureden —, daß nicht nur geredet, sondern daß vom Westen einheitlich und geschlossen auch gehandelt werden muß. Denn wie anders wollen wir die kommunistischen Machthaber dort zum Einlenken bewegen, wenn wir ihnen nicht die Preise deutlich machen, die sie für die anhaltende Unterdrückung zu zahlen haben?

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das kann doch nur darin bestehen, daß wir abgestimmt, abgestuft und dosiert Maßnahmen anwenden. Da höre ich Herrn Wischnewski vorher sagen: Wer heute nach Sanktionen schreit, ... Sehen Sie, genau das ist es j a, Herr Wischnewski: Ihre Regierung, Herr Genscher und auch Herr Schmidt, unterschreibt in der NATO ein Kommuniqué, in dem ganz eindeutig Sanktionen angekündigt sind. Herr Brandt und Sie wenden sich jedoch am selben Tag gegen die Sanktionen. Und dann verlangen Sie von uns Gemeinsamkeit, wo Ihr eigener Kurs unklar und widersprüchlich ist!

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Herr Genscher, ich habe Herrn Brandt sehr aufmerksam zugehört. Ich habe von den Maßnahmen nichts gehört, von denen Sie behaupten, daß er sie vorgeschlagen hat. Er hat Trauer zum Ausdruck gebracht. Ich möchte das nicht ironisieren; ich möchte es respektieren. Ich nehme es diesem Mann ab; nicht nur ihm. Glauben Sie im übrigen, daß irgendeiner bei uns dieses Gefühl der Trauer nicht empfindet? Nur, die Trauer allein kann doch nicht die Reaktion auf diese Verletzung der Akte von Helsinki sein. Herr Genscher, ich bin Ihnen ja dankbar, daß Sie Helsinki zur Sprache gebracht, in die Debatte eingeführt haben. Nicht Jalta, Helsinki ist das Schlüsselwort, auf das sich die deutsche Politik berufen muß.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Es ist doch unbestreitbar, daß das, was die polnischen Machthaber tun, Helsinki nun wirklich ins Gesicht schlägt.

    (Wischnewski [SPD]: Deswegen haben Sie die Schlußakte damals auch abgelehnt?!)

    — Herr Wischnewski, jetzt kommen Sie wieder mit
    Ihrem alten Singsang. Sie haben doch die NATO abgelehnt, den deutschen Verteidigungsbeitrag abgelehnt, die europäische Einigung abgelehnt, und wir reden doch auch nicht immer davon, wenn Sie sich heute darauf berufen. Hören Sie doch endlich mit Ihrer Vergangenheitsbewältigung auf! Sorgen Sie dafür, daß sich die Polen an Helsinki halten, gerade weil Sie es unterschrieben haben! Das ist doch die entscheidende Frage.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Noch eines, Herr Genscher: Es gibt zwischen uns gar keine Meinungsverschiedenheit darüber, daß die Verhandlungen in Genf fortgesetzt werden sollen. Es gibt im übrigen auch keine Meinungsverschiedenheiten darüber, daß der KSZE-Prozeß fortgesetzt werden soll. Allerdings erwarten wir natürlich, daß auf dieser Konferenz jetzt auch die polnischen Verhältnisse mit der hinreichenden Deutlichkeit angesprochen werden.
    Den Bundeskanzler hätte ich gern gebeten, jetzt endlich diesen einen Pappkameraden ein für allemal abzuräumen, den er garade wieder aufgebaut hat, indem er so getan hat, als ob die CDU/CSU gegen Abrüstungsverträge mit der Sowjetunion sei. Ich kann nur sagen: Wer die deutsche Nachkriegsgeschichte liest, wer die Noten Adenauers, wer die Reden Adenauers, wer die Noten Erhards, wer die Noten Kiesingers liest, weiß, daß es keine politische Kraft in diesem Land gibt, die so wie die CDU/CSU leidenschaftlich für Rüstungskontrolle und Abrüstung eingetreten ist. Das ist doch nicht an uns gescheitert; das ist doch an den Sowjets gescheitert, die bis zum heutigen Tag aufrüsten, während sie mit uns über Abrüstung reden.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir haben doch auch Vorleistungen erbracht. Darüber gibt es überhaupt keinen Zweifel.