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ID0907804700

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    Plenarprotokoll 9/78 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 78. Sitzung Bonn, Dienstag, den 19. Januar 1982 Inhalt: Abwicklung der Tagesordnung 4477 A Begrüßung des Präsidenten der Parlamentarischen Versammlung des Europarates und seiner Begleitung 4487 C Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1982 (Haushaltsgesetz 1982) — Drucksachen 9/770, 9/965 — Beschlußempfehlungen und Bericht des Haushaltsausschusses Einzelplan 01 Bundespräsident und Bundespräsidialamt — Drucksache 911181 — 4477 A Einzelplan 02 Deutscher Bundestag — Drucksache 9/1182 — 4477 B Einzelplan 03 Bundesrat — Drucksache 9/1183 — Borchert CDU/CSU 4477 D Einzelplan 04 Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramts — Drucksache 9/1184 — Metz CDU/CSU 4478 A Löffler SPD 4479 D Dr. Zimmermann CDU/CSU 4480 B Brandt SPD 4487 D Hoppe FDP 4494 D Dr. Abelein CDU/CSU 4501A Genscher, Bundesminister AA 4508 D Schmidt, Bundeskanzler 4515A Dr. Kohl CDU/CSU 4521 B Wischnewski SPD 4530 D Dr. Wörner CDU/CSU 4535 A Schäfer (Mainz) FDP 4541 D Dr. Apel, Bundesminister BMVg . . . 4545 B Erklärungen nach § 30 GO Dr. Abelein CDU/CSU 4549 B Wurbs FDP 4549 D Namentliche Abstimmung 4550 B Einzelplan 14 Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung — Drucksache 9/1194 — in Verbindung mit Einzelplan 35 Verteidigungslasten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt ausländischer Streitkräfte — Drucksache 9/1205 — II Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 19. Januar 1982 Dr. Stavenhagen CDU/CSU 4552 B Hansen fraktionslos 4556 A Frau Traupe SPD 4558 A Würzbach CDU/CSU 4565 B Dr. Zumpfort FDP 4570 C Einzelplan 05 Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts — Drucksache 9/1185 — Voigt (Frankfurt) SPD 4575 C Picard CDU/CSU 4577 C Frau Schuchardt FDP 4579 A Genscher, Bundesminister AA 4580 C Coppik SPD (Erklärung nach § 31 GO) 4582A Einzelplan 27 Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen — Drucksache 9/1200 — Frau Berger (Berlin) CDU/CSU 4582 D Nehm SPD 4585 C Franke, Bundesminister BMB 4587 A Nächste Sitzung 4589 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 4591*A Anlage 2 Empfehlung des britischen Staatsministers Douglas Hurd, eine gemeinsame NATO-Strategie für die Entwicklung einer „neuen Weltinformationsordnung" zu erarbeiten MdlAnfr 43 08.01.82 Drs 09/1252 Weirich CDU/CSU SchrAntw StMin Dr. Corterier AA . . . 4591* B Anlage 3 Staaten, die den Interamerikanischen Vertrag über gegenseitigen Beistand (Rio-Pakt) vom 2. September 1947 noch nicht ratifiziert haben; Angebot einer Nichtangriffserklärung der USA an Nicaragua MdlAnfr 48 08.01.82 Drs 09/1252 Dr. Hennig CDU/CSU SchrAntw StMin Dr. Corterier AA . . . 4591* C Anlage 4 Druck der Proklamation des in Polen verhängten Kriegsrechts in der Sowjetunion MdlAnfr 52 08.01.82 Drs 09/1252 Dr. Czaja CDU/CSU SchrAntw StMin Dr. Corterier AA . . . 4591* D Anlage 5 Haltung der Bundesregierung zur Lage in Polen MdlAnfr 53 08.01.82 Drs 09/1252 Milz CDU/CSU SchrAntw StMin Dr. Corterier AA . . . 4592*A Anlage 6 Auffassung der Bundesregierung über die Verantwortung der Sowjetunion für die Vorgänge in Polen; Aussagen des Bundeskanzlers Schmidt und des französischen Staatspräsidenten Mitterrand über den Vertrag von Jalta und die Teilung Europas MdlAnfr 55, 56 08.01.82 Drs 09/1252 Engelsberger CDU/CSU SchrAntw StMin Dr. Corterier AA . . . 4592* B Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 19. Januar 1982 4477 78. Sitzung Bonn, den 19. Januar 1982 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens ** 20. 1. Echternach 19. 1. Fischer (Hamburg) 19. 1. Günther 19. 1. Handlos 19. 1. Frau Dr. Hellwig 19. 1. Frau Krone-Appuhn 20. 1. Dr.-Ing. Laermann 22. 1. Dr. Mertes (Gerolstein) 22. 1. Möllemann 22. 1. Dr. Müller * 19. 1. Müller (Bayreuth) 19. 1. Reddemann ** 20. 1. Rösch ** 20. 1. Rohde 22. 1. Frau Roitzsch 22. 1. Dr. Solms 22. 1. Dr. Stark (Nürtingen) 22. 1. Graf Stauffenberg 22. 1. Walther 22. 1. Wendig 22. 1. Baron von Wrangel 22. 1. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlage 2 Antwort des Staatsministers Dr. Corterier auf die Frage des Abgeordneten Weirich (CDU/CSU) (Drucksache 9/1252 Frage 43): Ist die Bundesregierung bereit, der in der Zeitschrift „NATO REVIEW" von dem Staatsminister im britischen Außenministerium, Douglas Hurd, geäußerten Empfehlungen zu folgen, der Westen müsse im Rahmen der NATO angesichts der Versuche der Sowjetunion und der Staaten der Dritten Welt, über die UNO eine „neue Weltinformationsordnung" zu entwickeln, verstärkt eine gemeinsame Strategie erarbeiten? Auch die Bundesregierung hält eine engere Koordinierung des Westens und die Erarbeitung gemeinsamer Ziele und einer gemeinsamen Strategie durch die westlichen Staaten für notwendig, um in der Diskussion über eine „Neue Weltinformations- und Kommunikationsordnung" in der UNESCO und in den VN dem vom Westen vertretenen Grundsatz der grenzüberschreitenden Informationsfreiheit die ihm gebührende Geltung zu verschaffen. Für die Koordinierung innerhalb des Westens ist indes die NATO nur eines unter mehreren Foren; wichtig sind vor allem auch EPZ, UNESCO, VN und Europarat. Zur Verbesserung der Koordination des Westens in medienpolitischen Fragen der UNESCO - zu denen insbesondere auch die NWICO-ProbleAnlagen zum Stenographischen Bericht matik gehört - wurde auf Initiative der Bundesregierung vom Herbst 1981 in Paris eine ständige Konsultationsgruppe der westlichen Vertreter bei der UNESCO eingerichtet, die sich mit der Gesamtheit der medienpolitischen Fragen im Rahmen der UNESCO befaßt. Anlage 3 Antwort des Staatsministers Dr. Corterier auf die Frage des Abgeordneten Dr. Hennig (CDU/CSU) (Drucksache 9/1252 Frage 48): Welche amerikanischen Staaten haben den Interamerikanischen Vertrag über gegenseitigen Beistand (Rio-Pakt) vom 2. September 1947 bisher nicht ratifiziert, und hat die Bundesregierung Kenntnis von der Tatsache, daß die US-Regierung Nicaragua im August 1981 eine auf diesem Rio-Pakt basierende feierliche Nichtangriffserklärung angeboten hat, die von der nicaraguanischen Regierung nicht akzeptiert worden ist? Nach den der Bundesregierung vorliegenden Informationen haben folgende amerikanische Staaten den Interamerikanischen Vertrag über gegenseitigen Beistand von 1947 (sog. Rio-Pakt) weder unterzeichnet noch ratifiziert: Barbados, Grenada, Jamaica, Guyana, Belize, Dominicana, St. Lucia, St. Vincent und die Grenadinen, Antigua und Barbuda. Kuba hat im März 1960 bekanntgegeben, daß es sich nicht mehr an den Rio-Pakt gebunden erachte; Kanada ist dem Pakt lediglich als Beobachter beigetreten. Der Bundesregierung ist bekannt, daß die US-Regierung Nicaragua im August 1981 angeboten hat, sich gegenseitig die Zusage der Nichteinmischung und der Nichtintervention zu geben. Diese Zusage sollte für die USA in bezug auf Nicaragua, für Nicaragua in bezug auf benachbarte zentralamerikanische Länder gelten. Die nicaraguanische Regierung ist nach Wissen der Bundesregierung bisher auf dieses Angebot nicht eingegangen. Anlage 4 Antwort des Staatsministers Dr. Corterier auf die Frage des Abgeordneten Dr. Czaja (CDU/CSU) (Drucksache 9/1252 Frage 52): Welche Schlüsse zieht die Bundesregierung aus der von Präsident Reagan in seiner Fernsehansprache vom 23. Dezember 1981 bekanntgegebenen Tatsache, daß die Proklamation für das in Polen im Dezember verhängte Kriegsrecht bereits im September in der Sowjetunion gedruckt wurde? Die Bundesregierung hat keine nähere Kenntnis der Informationen, die zu der von Ihnen zitierten Äußerung des Präsidenten der Vereinigten Staaten geführt haben. Sie geht aber ebenso wie die amerikanische Regierung davon aus, daß die Sowjetunion 4592* Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 19. Januar 1982 seit langem schweren Druck auf die polnischen Reformbestrebungen ausgeübt hat. Anlage 5 Antwort des Staatsministers Dr. Corterier auf die Frage des Abgeordneten Milz (CDU/CSU) (Drucksache 9/1252 Frage 53): Trifft es zu, daß Art und Umfang der Kreditgewährung und die wirtschaftlichen Verpflichtungen gegenüber der Volksrepublik Polen u. a. Ursachen dafür sind, daß sich die Bundesregierung jetzt in ihrer Haltung zur Lage in Polen im Gegensatz zu allen führenden westeuropäischen Staaten und der USA so zurückhaltend verhält und nach Pressekommentaren eine sogenannte Politik der Leisetreterei vertritt? Die Feststellung in Ihrer Frage, daß die Bundesregierung sich gegenüber den Entwicklungen in Polen zurückhaltend verhalte, ist unzutreffend. Einen Vorwurf der „Politik der Leisetreterei" weise ich entschieden zurück. Die Bundesregierung hat nach der Verhängung des Kriegsrechts am 13. Dezember 1981 die ihr zur Verfügung stehenden und als angemessen erscheinenden Mittel eingesetzt, um der polnischen und der sowjetischen Führung die eigene Auffassung unmißverständlich darzulegen. Sie hat eindringlich dazu aufgefordert, zu einer Politik der Erneuerung und der Reform zurückzukehren bzw. diese nicht zu behindern. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf die Erklärungen von Bundeskanzler Schmidt im Deutschen Bundestag vom 18. Dezember, die Bundestags-Entschließung vom gleichen Tage, die von der Bundesregierung mitgetragen wird, sowie auf die Briefe, die Bundeskanzler Schmidt am 25. Dezember 1981 sowohl an General Jarulzelski als auch an Generalsekretär Breschnew gerichtet hat. Bundesminister Genscher hat am 30. Dezember die Auffassungen der Bundesregierung Vize-Premier Rakowski mit Nachdruck erläutert, nachdem er vorher schon die Resolution des Deutschen Bundestages dem polnischen Geschäftsträger ausführlich dargelegt hatte. Die Haltung der Bundesregierung kommt ferner in der deutsch-amerikanischen Erklärung vom 5. Januar 1982 sowie in den Abschlußerklärungen des EG-Außenministertreffens vom 4. Januar und des NATO-Außenministertreffens vom 11. Januar 1982 in aller Deutlichkeit zum Ausdruck. Auch die beiden letztgenannten Erklärungen sind unter maßgeblicher Beteiligung der Bundesregierung zustandegekommen. Anlage 6 Antwort des Staatsministers Dr. Corterier auf die Fragen des Abgeordneten Engelsberger (CDU/CSU) (Drucksache 9/1252 Fragen 54 und 55): Auf Grund welcher Erkenntnisse ist die Bundesregierung zu der von den USA und anderen NATO-Ländern abweichenden Ansicht gelangt, daß Moskau in Polen bei der Verhängung des Kriegsrechts keinen Einfluß genommen habe, und wie ist diese ursprüngliche Bewertung der Vorgänge wiederum mit der Äußerung von Bundesaußenminister Genscher in Einklang zu bringen, daß die Sowjetunion für die Vorgänge in Polen Verantwortung trage? Muß aus der Aussage von Bundeskanzler Schmidt, in Jalta sei Europa in Einflußsphären geteilt worden und jede Veränderung der bestehenden Machtverhältnisse müßte Krieg bedeuten, der Schluß gezogen werden, daß nach Ansicht des deutschen Regierungschefs die ohne Mitwirkung der osteuropäischen Völker zustandegekommene Einbeziehung in den kommunistischen Machtbereich erhalten bleiben und für die 17 Millionen Deutschen in der DDR das Wiedervereinigungsgebot des Grundgesetzes keine Gültigkeit mehr haben solle, während andererseits der französische Staatspräsident Mitterrand in seiner Neujahrsrede den Wunsch geäußert hat, den Vertrag von Jalta und die sich daraus ergebende Teilung Europas zu überwinden? Zu Frage 54: Die Bundesregierung hat von Anfang an mit großer Sorge den schweren Druck der Sowjetunion auf die innere Entwicklung in Polen beobachtet. Aus dieser Sorge heraus hat sich der Bundeskanzler bereits am 25. Dezember 1981 an Generalsekretär Breschnew gewandt und damit unmißverständlich die Verantwortung der Sowjetunion deutlich gemacht. Diese weiterhin gültige Bewertung der Vorgänge in Polen durch die Bundesregierung ist zuletzt in der von ihr mitgetragenen und unter ihrer Mitwirkung entstandenen Erklärung der NATO-Außenminister vom 11. Januar 1982 eindeutig zum Ausdruck gebracht worden. Zu Frage 55: Diese Frage beantworte ich mit „nein", ohne daß ich mir damit Ihre Wiedergabe der Äußerungen des Bundeskanzlers zu eigen mache. Die Politik der Bundesregierung zielt, und zwar in voller Übereinstimmung und mit Unterstützung aller ihrer westlichen Partner, darauf ab, die Trennungslinie, die Europa teilt, zu überwinden. Ein Meilenstein dieser Politik des friedlichen Wandels ist die Schlußakte von Helsinki. Im übrigen hält die Bundesregierung an ihrem Ziel fest, wie es im Brief zur deutschen Einheit im Zusammenhang mit dem Moskauer Vertrag und dem Grundvertrag mit der DDR seinen Niederschlag gefunden hat, auf einen Zustand des Friedens in Europa hinzuwirken, in dem das deutsche Volk in freier Selbstbestimmung seine Einheit wiedererlangt.
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    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Nach einem Jahr schwieriger weltpolitischer Entwicklungen und tiefer weltwirtschaftlicher Verwerfungen ist die Bundesrepublik insgesamt für das eben begonnene neue Jahr 1982 in keiner schlechten Ausgangslage. Wir haben schwere weltwirtschaftliche Einbrüche erlebt, aber wir haben die Voraussetzungen für einen Kurs der wirtschaftlichen Gesundung geschaffen — soweit das im nationalen Rahmen, im deutschen Rahmen, möglich ist —, siehe den Aufschwung der Exporte, siehe die schwerwiegende Einschränkung im öl- und Benzinverbrauch durch die Konsumenten, durch die Kraftfahrer, durch die Industrie, durch das Gewerbe, siehe die wesentliche Besserung der Leistungsbilanz, die eine notwendige, an sich noch nicht hinreichende, aber dringend notwendige, unverzichtbare Voraussetzung für eine Zinssenkung in unserem Land ist, die zu einem wesentlich niedrigeren Zinsniveau führen muß als in anderen Ländern. Schon heute ist das Zinsniveau in Deutschland, wie Sie alle wissen, deutlich niedriger als in den übrigen EG-Staaten und den übrigen Staaten der Atlantischen Allianz. Aber das Zinsniveau ist für unsere konjunkturelle Situation immer noch zu hoch.

    (Kittelmann [CDU/CSU]: Ja, es ist im Steigen begriffen!)

    Wir haben auch den inneren Frieden und den sozialen Konsens im Lande bewahren können.
    Mit dem Haushalt 1982, der am Freitag in dritter Lesung beschlossen werden wird, legen wir die Grundlage für eine wieder nach oben zu richtende Kurve unserer Wirtschaftsentwicklung. Übrigens sind wir, wenn ich mir alle Landeshaushalte ansehe — elf Länder, zwei haben einen Zweijahreshaushalt
    und arbeiten mit Nachträgen —, mit dem Bundeshaushalt hinsichtlich der Ausarbeitung und der Verabschiedung zeitlich an der Spitze.
    Es gab eine Bemerkung bei dem ersten Redner der Opposition, daß es dem deutschen Arbeitnehmer nichts nütze, wenn er höre, daß in anderen Ländern rund um uns herum die Arbeitslosigkeit noch größer sei. Das ist gewiß richtig, Herr Kollege Zimmermann. Der Hinweis auf das Ausland hat auch einen ganz anderen Zweck als den, den Sie ihm unterlegt haben.

    (Kittelmann [CDU/CSU]: Ablenkung!)

    Der Hinweis auf die Arbeitslosigkeitsentwicklung oder die Preisentwicklung in den USA, in Kanada, in Frankreich, Italien, England, rund um uns herum, Dänemark, Holland, was immer Sie nehmen, hat den Zweck, bei der engen Verflechtung, in der wir mit all diesen Volkswirtschaften leben, deutlich zu machen, daß es sich bei dieser Rezession nicht um ein nationales Phänomen handelt, sondern um ein internationales, ein weltweites.
    In der Welt, in der ganzen westlichen Welt — und das gilt auch für wesentliche Teile der kommunistischen Staaten; ich rede gar nicht von Polen, ich rede von Rumänien, von der Deutschen Demokratischen Republik, von der Sowjetunion, der Tschechoslowakei —, in allen diesen Staaten, hat die für uns auf das Fünfzehn- bis Zwanzigfache, in anderen Ländern auf das Zwanzig- bis Dreißigfache gehende Explosion der Ölpreise schwere strukturelle Probleme aufgeworfen. Alle diese Länder sind in Zahlungsbilanzdefizite gerutscht — einige haben ihr eigenes Öl, die haben es besser —, d. h. alle mußten sich einen wesentlichen Teil der in ihrem laufenden Wertschöpfungsprozeß benötigten Rohstoffe und Energierohstoffe aus dem Auslande leihen. Sie bedurften ausländischer Kredite.
    Zahlungsbilanzdefizit heißt auf deutsch: Finanzierung durch das Ausland. Das Ausland, das hier in Betracht kommt, versteckt sich hinter dem abstrakten Begriff der Euro-Geldmärkte oder der Euro-Kreditmärkte. Ob es Dollar sind oder D-Mark oder Sterling: letztlich sind die großen Kreditgeber bei dieser zunehmenden internationalen Verschuldung aller Öl benötigenden Volkswirtschaften die Überschuß-länder, die von ihren Ölüberschüssen nur zu einem kleineren Teil durch vermehrten Import von Gütern in ihre Länder Gebrauch machen und die zum größeren Teil ihre Überschüsse zu sehr hohen Zinsen ausleihen.
    Es besteht ein Wettbewerb der Nachfrage nach Krediten auf den Weltkreditmärkten. Wenn in Amerika zu irgendeinem Zeitpunkt 16 % Zinsen gezahlt werden, ist es ein Wunder, daß wir in Frankfurt mit 11 % Zinsen auskommen konnten. Ohne ein so großes internationales Vertrauen in die deutsche Volkswirtschaft wäre das gar nicht denkbar gewesen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Andere Staaten der Welt mußten, wenn zu einem bestimmten Zeitpunkt in Amerika 16 % Zinsen gezahlt wurden, bei den Bemühungen, ihre Zahlungsbilanzdefizite auf den Kreditmärkten der Welt finanziert



    Bundeskanzler Schmidt
    zu bekommen, ihrerseits 20, 22 und noch mehr Prozent Zinsen zahlen, damit sie den notwendigen Anteil des internationalen Kredits auf ihr Land ziehen konnten.
    Mit diesem Beispiel mache ich zugleich klar, daß die künftige Balancierung der Zahlungsbilanz, das Nicht-mehr-angewiesen-Sein auf ausländische Kredite in der Tat die dringendste Voraussetzung für die Zinssenkung ist. Und die Zinssenkung ist die dringendste Voraussetzung für die Schaffung von Investitionen und damit für die Schaffung von Arbeitsplätzen. Das hat nichts damit zu tun, Herr Kollege Zimmermann, daß man, wie Sie gemeint haben, um von sich selber abzulenken, auf andere hinweist. Es hat vielmehr damit zu tun, daß man den Gesamtzusammenhang der Welt sehen muß, in den wir bei beinahe 30 % Ex- und Importen — bezogen auf unser Sozialprodukt — eingebettet sind.
    Die Staaten, von denen ich sprach, stehen alle vor ähnlichen Problemen: vor dem strukturellen Problem ihrer Zahlungsbilanzen und vor der Aufgabe, ihre Produktion umzustellen, damit sie bei stark vermehrten Energiekosten auch zukünftig auf den Weltmärkten konkurrenzfähig sind.
    Wir haben nicht nur Energiekosten wie niemals zuvor in der Wirtschaftsgeschichte. Wir Deutschen haben außerdem mit die höchsten Lohnkosten, weil wir so ziemlich die höchsten Löhne zahlen. Wir haben die höchsten Lohnnebenkosten, weil wir mit die höchsten Sozialleistungen für unsere Menschen bereitstellen, ob sie krank, arbeitslos oder Rentner sind. Infolgedessen ist für uns der strukturelle Umbau unserer Volkswirtschaft mindestens genausowichtig wie für Engländer, Franzosen, Italiener oder Holländer, um nur unsere nächsten Nachbarn zu nennen.
    Bei den gegenwärtigen Schwierigkeiten handelt es sich um eine Kumulation von struktureller und konjunktureller Arbeitslosigkeit. Dazu kommt auf Grund des strengen Winters eine sehr hohe Saisonarbeitslosigkeit in diesem Jahr. Das Strukturproblem ist ein internationales Phänomen, also kein Phänomen, das auf Deutschland beschränkt wäre. Deswegen sind die Möglichkeiten, mit unseren eigenen, nationalen wirtschafts- und finanzpolitischen Instrumenten eine durchgreifende Verbesserung zu erzielen, nicht unbegrenzt gegeben.
    In Deutschland kommt außerdem ein besonderes Problem, ein demographisches Problem hinzu, das mit den Kriegsfolgen zu tun hat, mit dem Ausfall in den Jahrgängen, in denen während des Krieges weniger Kinder geboren wurden — diese Kinder wurden dann später geboren —, mit den Kindern der Ausländer, die bei uns leben. Sie wachsen nun heran und treten Jahrgang für Jahrgang in das erwerbsfähige Alter. Bis zum Ende dieses Jahrzehnts, in das wir eingetreten sind, kommen 750 000 deutsche Jugendliche und Hunderttausende von ausländischen Kindern dazu, die bei uns aufgewachsen sind und nunmehr in das Erwerbsalter treten. Gerade die beiden eben genannten Größenordnungen und auch der Zeitraum bis zum Ende der 80er Jahre zeigen, daß kurzlebige, auf schnelle Wirkung bedachte Arbeitsmarktprogramme hier nicht nützen und möglicherweise auf Ressourcenvergeudung hinauslaufen können.
    Eines ist hier sicher: daß im Laufe dieses Jahrzehnts gut qualifizierte Arbeitnehmer oder gut ausgebildete, fachlich erfahrene Arbeitnehmer sehr viel schneller wieder Arbeit finden als nicht qualifizierte oder Problemgruppen: ältere, gesundheitlich beeinträchtigte oder längerfristig Arbeitslose. Die nicht ausgebildeten Arbeitnehmer werden es auch bei anziehender Konjunktur schwerer haben als die Erstgenannten. Das heißt, daß man auch hier im Interesse der betroffenen Personen selbst Vorsorge treffen muß, so viele junge Menschen wie möglich in Lehrberufen auszubilden. Und nicht nur die jungen Männer, sondern ebenso die jungen Mädchen! Sonst wird es mit der Gleichberechtigung nie etwas.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Ich will gern anerkennen, daß in vielen Bereichen der Wirtschaft große Anstrengungen gemacht worden sind, zusätzliche Lehrstellen oder Ausbildungsplätze, wie es heute im Gesetz heißt, zu schaffen. Diese Anstrengungen — das sage ich an die Adresse der Wirtschaft — dürfen nicht erlahmen. Man kann niemanden wirklich zwingen, neue Lehrstellen einzurichten. Solche Ideen gibt es, davon halte ich nicht viel. Aber man muß an die Verantwortlichen appellieren.
    Und wenn die Gewerkschaften ihrerseits — ich komme darauf noch zu sprechen — in einem in der ganzen Welt bisher nicht dagewesenen Gesprächsangebot gegenüber den politischen Parteien, gegenüber den Unternehmern und Arbeitgebern, gegenüber der Bundesbank, auch gegenüber der Bundesregierung bereit sind, über manches, was ihnen eigentlich und traditionell am Herzen gelegen hat und später wieder am Herzen liegen muß, gegenwärtig mit sich reden zu lassen, dann heißt das natürlich, daß sie das nur unter der Voraussetzung können und wollen, daß auch andere gegenwärtig das tun, was im öffentlichen Wohl, was im Gemeinwohl liegt, und dazu gehören Lehrstellen und Ausbildungsplätze.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Der Haushalt 1982, wie jeder Haushalt, beruht auf einer Vorausschau künftiger Entwicklungen. Das sind immer vorläufige Einschätzungen, deren Realisierung vom gesamtwirtschaftlichen Ablauf — auch der Welt — abhängig bleibt. Das gilt für den Bund, das gilt auch für die Länder, das gilt für Steuereinnahmen und viele andere Größenordnungen. Die Bundesregierung hat die Einschätzung des Ablaufs 1982 mit der größtmöglichen Verantwortung vorgenommen. Wir haben weder nach oben noch nach unten extreme Schätzungen zur Grundlage genommen, sondern orientieren uns an einer mittleren Linie.
    Nun darf es hier aber auch keine Verzögerungen mehr geben. Wenn ich das, was einige Oppositionspolitiker öffentlich gesagt haben, richtig verstehe, so will ich darauf antworten: Eine Zurückstellung des Bundeshaushalts wäre äußerst schädlich.
    Mein Freund Willy Brandt — —

    (Zurufe von der CDU/CSU: Na, na!)




    Bundeskanzler Schmidt
    — Ich weiß nicht, ob Sie die Tradition vom Donnerstag wieder aufnehmen wollen.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der FDP — Lachen bei der CDU/CSU)

    Ich könnte das notfalls auch — das haben Sie am Donnerstag gesehen —, ich möchte es aber eigentlich nicht.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Ach nein! — Dr. Kohl [CDU/CSU]: Sie sind doch der Stifter dieser Tradition!)

    — Stifter waren diejenigen, Herr Abgeordneter Kohl, die davon sprachen, daß die Bundesregierung „feige vor der Sowjetunion am Boden rutscht". Das waren die Anstifter.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Herr Brandt hat darauf hingewiesen, daß dieser Haushalt eine Reihe von Maßnahmen in Kraft setzt, von denen Beschäftigungswirkungen ausgehen werden. Er hat die Zahlen genannt. Er hat auf die Multiplikatorwirkung hingewiesen; ich muß das hier nicht wiederholen.
    Die Bundesregierung hat die Absicht, Ihnen Anfang des nächsten Monats den Jahreswirtschaftsbericht vorzulegen und bei dieser Gelegenheit dem Bundestag auch vorzutragen, was hinsichtlich der mittelfristigen Verbesserung unserer Wirtschaftsstruktur zusätzlich geschehen kann und geschehen soll. Sie wird bei dieser Gelegenheit natürlich ebenso darlegen, welche konjunkturellen und beschäftigungspolitischen Wirkungen davon ausgehen werden. Zur Vorbereitung dafür gab es gestern — Kollege Genscher hat darüber gesprochen — das abschließende Gespräch zwischen dem Vorstand des Deutschen Gewerkschaftsbundes und der Bundesregierung. Heute wird es ein Gespräch mit den Spitzen von DGB und von Industrie, Handel, Banken, Bundesbank und Arbeitgebern geben. Ich will dem nicht vorgreifen, zum gestrigen Gespräch aber einige Punkte anmerken.
    Die Bundesregierung und die deutschen Gewerkschaften waren sich über eine Reihe internationaler oder außenwirtschaftlicher Rahmenbedingungen einig, die es zu bessern gilt. Wir sind von dem für eine Rezession einmalig hohen Zinsniveau in den Vereinigten Staaten von Amerika ausgegangen, das wir dringend gesenkt sehen möchten. Wir sind weiter von der Rohstoff-, insbesondere Energieeinfuhrabhängigkeit unseres Landes, infolgedessen von der Exportabhängigkeit unserer Wirtschaft und ihrer zukünftigen Beschäftigung ausgegangen. Wir sind ferner von der Notwendigkeit ausgegangen, das Leistungsbilanzdefizit abzubauen, das sich gegenwärtig in einem Prozeß durchgreifender Besserung befindet, damit eine etwas unabhängigere Geldpolitik, d. h. hier Zinspolitik, durch die Bundesbank ermöglicht wird. Wir waren uns ebenso einig in der dringenden Notwendigkeit, um der Beschäftigung willen — ich sage noch gar nicht: um der Weltpolitik willen — den Welthandel gegen jeden Protektionismus offenzuhalten, sei es in Europa, sei es innerhalb der EG, sei es zwischen der EG und anderen Wirt-
    schaftsräumen, sei es zwischen anderen Wirtschaftsräumen und uns.
    Einig waren wir uns auch, daß es in dieser Lage keinen Sinn hat, Strohfeuer anzuzünden, daß vielmehr eine auf mehrere Jahre berechnete Anstrengung erforderlich ist. Einig waren wir uns auch über die Notwendigkeit, in diesem Prozeß die soziale Stabilität aufrechtzuerhalten, damit die politische Stabilität gesichert wird. Hinsichtlich der Ausbildungsplätze waren wir uns natürlich auch einig.
    Ebenso — das will ich hier laut sagen — waren wir uns in dem Appell an die Bundesländer einig, die ihre Mehreinnahmen aus dem Vermittlungsausschußergebnis auf dem Feld der Wohnungswirtschaft nun allerdings zusätzlich in den Wohnungsbau stecken müssen, wie sie es versprochen haben, worauf man pochen muß.

    (Beifall bei der SPD, der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Sofern das in den Ländern oder in dem einen oder anderen Land nicht geschähe, würde hier ein Mißbrauch getrieben, den wir zwar vom Gesetz her nicht einklagen können, der aber sehr negative Folgen haben würde.

    (Vogel [Ennepetal] [CDU/CSU]: Sagen Sie das mal Herrn Posser!)

    Ich sehe mit Vergnügen, daß auch die Opposition zustimmt. Deswegen meine herzliche Bitte, daß jeder in seinem Lande und in seinem Wahlkreis aufpaßt, daß die so gewonnene Finanzmasse der Länder nicht in allgemeine Ausgaben der Länder, sondern in die Wohnungswirtschaft hineinfließt.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Wir waren uns auch einig, daß die zusätzlich zu schaffenden Arbeitsplätze vorrangig private, aber auch öffentliche Investitionen voraussetzen und daß dazu dort, wo Investitionshemmnisse bestehen, diese überwunden werden müssen.
    Wir waren uns auch darin einig — da gibt es ja demnächst ein Gespräch zwischen Ländern und Bundesregierung —, daß wir, abgesehen von begründeten Asylersuchen, unserer Wirtschaft und Gesellschaft keinen weiteren Zustrom an ausländischen Arbeitskräften mehr zumuten können,

    (Sehr wahr! bei der CDU/CSU)

    weil sonst Verhältnisse eintreten, die wir alle nicht wünschen können. Eine gewisse Ausländerfeindlichkeit, die ich vielen Briefen entnehme, die an mich gerichtet sind, macht mich besorgt. Dem deutschen Volke ist nach all den schrecklichen Konsequenzen, die der Antisemitismus mit sich gebracht hat, dringend davon abzuraten, eine Ausländerfeindlichkeit in den eigenen Reihen zu entfalten.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Für die Bundesregierung haben wir gestern abend ausgeführt, daß wir finanzpolitischen Bemühungen keineswegs unaufgeschlossen gegenüberstehen, daß wir sie nicht ausschließen. Allerdings möchten wir uns gegenwärtig in der Beanspruchung des Kapitalmarkts außerordentlich zurückhalten — nicht,



    Bundeskanzler Schmidt
    weil Sparen an sich ein gesundes Prinzip ist, sondern weil gegenwärtig Rücksicht genommen werden muß auf das dringendste Erfordernis — nämlich die Senkung der Zinsen in Deutschland.
    Ich will hinzufügen, daß in der Bundesregierung kein Zweifel besteht, daß in dieser Lage auch von den Unternehmensleitungen, auch von den Sozialpartnern eine gewisse Zurückhaltung bei den Preisen und auch bei den Löhnen und Nebenvereinbarungen erwartet werden muß — Disziplin, die dem Ganzen nützen wird.
    Vielleicht darf ich als Sozialdemokrat einfügen, daß wir uns — wie wahrscheinlich über die Reihen der Sozialdemokratie hinaus die meisten von uns — aus politischer Erfahrung, aus der Erfahrung der ersten deutschen Demokratie und aus politischer Überzeugung zum Prinzip der Einheitsgewerkschaft bekennen und an ihm festhalten möchten. Die Stetigkeit der Arbeitnehmerschaft in unserem Lande ist durch die Einheitsgewerkschaften außerordentlich gefestigt worden. Ohne diese Stetigkeit, ohne das Augenmaß dieser großen, mächtigen Organisationen und ihrer Führung wäre es der deutschen Volkswirtschaft im Laufe der letzten Jahrzehnte nicht gelungen, bei den realen Löhnen und bei den realen Renten einen der Spitzenplätze in der ganzen Weltwirtschaft zu erringen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Die Gewerkschaften in diesem Land haben in den letzten drei Jahrzehnten insgesamt das herausgeholt — einmal ein bißchen weniger, einmal auch ein bißchen zuviel —, was wirtschaftlich möglich war, ohne jemals die Kühe zu schlachten, die ja auch im nächsten und übernächsten Jahr noch Milch geben sollten, oder, um mich anders auszudrücken, ohne Arbeitsplätze zu vernichten, auf die man sich auch im nächsten und übernächsten Jahr noch angewiesen wußte.
    Es gibt zweifellos in Europa Länder, in denen sehr viel häufiger gestreikt wird. Trotzdem haben sie insgesamt für ihre Arbeitnehmer nicht denselben Lebensstandard erreicht, wie er in Deutschland besteht. Bei uns ist Augenmaß bewiesen worden, und dies wird auch in diesem Jahr geschehen. Diese wirtschaftliche Leistung muß auch in diesem Jahr durch Augenmaß auf seiten der Arbeitnehmer und auf seiten der Unternehmensleitungen honoriert werden.
    Herr Kollege Zimmermann hat so getan, als ob die Arbeitslosigkeit von deutscher Machart sei, als ob es keine internationale Krise gäbe. Er hat der Regierung vorgeworfen, sie handle nicht. Gleichzeitig sagt sein Parteivorsitzender Strauß, er werde im Bundesrat keine beschäftigungspolitische Gesetzgebung mitmachen, wie ich gestern im Fernsehen zur Kenntnis genommen habe. Herr Kollege Zimmermann, wenn ich richtig verstehe, was die CSU zur Wirtschafts-, Sozial- und Finanzpolitik sagt, dann erheben Sie Vorwürfe — einen nach dem anderen —, aber Sie sagen nirgendwo, was Sie und wie Sie und wann Sie es mit Ihrer eigenen Stimme denn anders machen wollten.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Kollege Zimmermann hat dankenswerterweise seine Rede von heute morgen inzwischen verteilen lassen. Ich habe noch einmal hineingeguckt. Ich finde da nichts, Herr Zimmermann, was sich im Sinne der Aufforderung Ihres Kollegen Kohl zu einer sofortigen Umsetzung durch Gesetzgebung eignet.
    Über die Ökonomie wird j a sicher morgen von meinen Kollegen Lambsdorff und Matthöfer noch gesprochen werden. Vielleicht darf ich mir heute aber schon erlauben, darauf hinzuweisen, daß der Finanzminister dieses Landes im Laufe der letzten Monate mit zwei Haushalten in kurzer Zeit ein außerordentliches Maß nicht nur von Arbeit, sondern auch von Verantwortungsbewußtsein auf sich genommen hat. Ich möchte dafür meinen Respekt ausdrücken.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Wenn man, wie hier gesagt wurde, gegen Steuererhöhungen und gegen Kreditaufnahme ist, gut, dann muß man für Umschichtungen im Haushalt sein, dann muß man aber auch erklären, welche konsumtiven Ausgaben man im Haushalt abschaffen will, um welche investiven Ausgaben daraus zu finanzieren.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Ich habe darüber nichts gehört.
    Ich habe nur gehört, daß Sie genau diesen Vorgang z. B. beim Kindergeld als unerhört angeprangert haben. Da ist in der Tat — das will ich einräumen — zu einem kleinen Teil von konsumtiven Ausgaben zugunsten der vielen investiven Maßnahmen umgeschichtet worden, die im Haushalt 1982 enthalten sind.
    Nun war es ja keine wirtschaftspolitische Rede, die der Kollege Zimmermann hier gehalten hat. Ich habe in den ersten 30 Minuten all die Themen mitgeschrieben: von der Polenkrise bis zum Kraftwerksbau, von der Forschung bis zum Scheidungsrecht, von der Rentengesetzgebung bis zum Strafrecht, vom öffentlichen Dienst bis zum Verfassungsgericht, von der Nordatlantischen Allianz bis zur angeblichen Anpassung der Bundesregierung an den Kommunismus — ein bißchen quer durch den Kohlgarten oder quer durch den Straußgarten

    (Heiterkeit bei der SPD)

    — sollte man hier vielleicht sagen —, von der Bundeswehr bis zur Schorfheide — oder umgekehrt, Herr Zimmermann.
    Auf einen Punkt Ihrer Rede will ich eingehen, nämlich auf Ihren Rat — und ich hatte den Eindruck, daß dies nicht Polemik war, sondern Substanz war oder sein sollte —, die Vorstellung von der Sicherheitspartnerschaft aufzugeben. Ich halte das für einen falschen Rat.

    (Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der FDP)

    Wer Abrüstung will, muß Abrüstungsverträge wollen. Und zu Verträgen gehören mindestens zwei
    Partner — einer auf jeder Seite —, die Dialog mitein-



    Bundeskanzler Schmidt
    ander halten, die verhandeln und anschließend unterschreiben.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP)

    Keiner kann allein abrüsten. Das glauben Sie nicht. Und ich glaube es auch nicht. Es gibt Menschen, die das glauben und auf einseitige Abrüstung setzen. Dazu gehören Sie nicht und ich auch nicht.

    (Dr. Hennig [CDU/CSU]: Die sitzen aber da drüben!)

    Abrüstung und Rüstungsbegrenzung bedürfen des Vertrages. Der muß ausgehandelt werden. Darüber muß man vorher miteinander geredet haben. Sie bedürfen also des Dialogs, bedürfen der Partnerschaft. Im übrigen kann kein Parlament der Welt oder — wenn ich vom Osten rede — kein Politbüro einen Abrüstungsvertrag unterschreiben, von dem sie selber nicht die Überzeugung haben, daß er ein Gleichgewicht begründet, daß also nicht der eine Vertragspartner nach Inkrafttreten stärker dasteht als der andere. Das Gleichgewichtsprinzip möchte ich genausowenig wie das Prinzip Sicherheitspartnerschaft aufgeben. Keiner kann heute in der Welt seinen Frieden allein, ohne Partner, machen. Das geht nicht.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Ich möchte in diesem Punkt der klug abwägenden Rede von Willy Brandt ganz ausdrücklich beipflichten, ebenso wie seinen Eingangsworten, mit denen er sich an die jüdischen Mitbürger gewandt hat. Ich habe gestern dem Vorsitzenden des Zentralrats der Juden in Deutschland telegraphiert, daß die Nachricht von dem abscheulichen Anschlag auf das israelische Restaurant in Berlin mich tief bestürzt gemacht hat, daß ich mich mit den Mitbürgern in der Verurteilung dieses schlimmen Verbrechens einig weiß

    (Beifall bei allen Fraktionen)

    und daß diese Tat die Bundesregierung in der festen Absicht bestärkt, jeder Art von Antisemitismus mit allen rechtsstaatlichen Mitteln entgegenzutreten.
    Ich habe natürlich auch den Betroffenen, vor allen Dingen den beiden selber schwerverletzten Eltern, die ihr Kind verloren haben, meine, unsere Anteilnahme ausgedrückt.
    Ich bin nicht ganz sicher, ob der Kollege Abelein wirklich gemeint hat, was er gesagt hat. Ich bin eben bei der Zustimmung der Opposition zu meinen Worten gegen den Antisemitismus und gegen jene Verbrecher in Berlin ganz sicher gewesen, saß sie ihre innere, ehrliche Überzeugung ausdrückte. Ich bin nicht ganz sicher, Herr Abgeordneter Kohl, ob es wirklich Ihre innere Überzeugung ist, daß angeblich nach Meinung des Bundeskanzlers Ungarn, Tschechen, Slowaken, Polen usw. unter sowjetischer Herrschaft leben sollen. Ich kann mir nicht vorstellen, daß dies Ihre Meinung ist.

    (Dr. Kohl [CDU/CSU]: Das hat er aber nicht gesagt, Herr Bundeskanzler!)

    — Ja, ich habe es inzwischen im unkorrigierten Protokoll gelesen. Wenn er es anders gemeint hat, gibt
    es Gelegenheit, es zurechtzurücken; dann wäre es gut. Wenn es nicht zurechtgerückt würde, so muß ich sagen, daß dies nicht nur unredlich, sondern auch böse ist; denn jeder weiß, daß dies das Gegenteil der moralischen Prinzipien ist, für die wir stehen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Ich bin in der Vormittagsdebatte einer mündlichen Zwischenfrage des Kollegen Kohl an den Kollegen Genscher mit großer innerer Spannung gefolgt, also es darum ging, ob sich denn — so fragte Herr Kohl — je in vergleichbarer Lage ein anderer Bundeskanzler so benommen hätte wie der gegenwärtige. Das war etwa der ungefähre Sinn der Worte; ich will sie nicht verdrehen. Herr Genscher hat — wahrscheinlich mit Recht — bezweifelt, ob es bisher mit der Polen-Krise vergleichbare Lagen gegeben habe. Aber Herr Genscher hatte auch vom 13. August 1961 gesprochen; das ist der Tag des Mauerbaus quer durch Berlin. Inzwischen habe ich aus den Unterlagen, die ich schon vorige Woche bei mir hatte, aber nicht benutzt habe — manchmal hat man etwas bei sich, was man mangels Redezeit oder mangels Duktus der Rede nicht loswerden kann —, ein Dokument herausgesucht, aus dem sich das folgende ergibt:
    Vier Tage nach dem 13. August 1961 empfing der damalige Bundeskanzler Dr. Adenauer den sowjetischen Botschafter; das war damals Herr Smirnow. Nach diesem Treffen zwischen Herrn Adenauer und Herrn Smirnow wurde am 17. August ein Kommuniqué über dies Treffen veröffentlicht. Darin heißt es, Botschafter Smirnow habe den Kanzler im Auftrag von Herrn Chruschtschow über die nächsten Absichten der Sowjetunion auf dem Gebiet der Außenpolitik und über die möglichen Wege der Entwicklung der gegenseitigen Beziehungen zwischen der Sowjetunion und der Bundesrepublik unterrichtet. Weiter heißt es wörtlich:
    Der Bundeskanzler versicherte, daß er alles vom Botschafter Vorgetragene sorgfältig prüfen wird, und wies darauf hin, daß die Regierung keine Schritte unternimmt, welche die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und der Sowjetunion erschweren und die internationale Lage verschlechtern.

    (Lebhafte Zurufe von der SPD: Hört! Hört!)

    — Das ist 20 Jahre her. Zur Emotion ist kein Anlaß. Die Schlußfolgerungen, die ich ziehe, kommen erst sehr viel später. Zunächst muß ich auch noch den letzten Satz vorlesen, damit ich mich hier keiner Geschichtsklitterung schuldig mache. Der letzte Satz in dem Teil des Kommuniqués, auf den es hier ankommt, heißt:
    Der Bundeskanzler nahm die Gelegenheit wahr, Botschafter Smirnow seine Auffassung über die Lage in Berlin darzulegen.
    Vorweg also: keine Schritte unternehmen, welche die Beziehungen zur Sowjetunion erschweren könnten.
    Am selben Tag schrieb Benno Reifenberg in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" eine Glosse un-



    Bundeskanzler Schmidt
    ter der Überschrift „Höchste Selbstbeherrschung". Da hieß es bei Reifenberg:
    In diesen Tagen, wo die meisten ungeduldig meinen, der Westen müsse auf den herausfordernden Schritt, den zu tun Ulbricht von Moskau erlaubt worden ist, entschieden und aufs heftigste reagieren, in diesen Tagen bringt der Wortführer des vornehmlich leidtragenden Volkes, nämlich des deutschen, es über sich, mit der Versicherung eines unerschütterlichen guten Willens zu antworten.
    Und etwas später in derselben Glosse:
    Dies kann nur so richtig verstanden werden: Der Kanzler sieht die deutsche und die internationale Sache eng verbunden und weiß, daß auch sein Gesprächspartner in Moskau diese Verbindung im Auge behält. Deshalb ist Selbstbeherrschung für alle Beteiligten am Platz, selbst für uns.
    So Reifenberg, der dann am Schluß seiner Meinung Ausdruck gab, „daß die Demarche des Herrn Smirnow im Auftrage des damaligen Ministerpräsidenten Chruschtschow die Vermutung zuläßt, daß Herr Chruschtschow die wachsende Unruhe in der Welt und, wenn auch noch versteckt, auch in den Vereinigten Staaten wohl beobachtet". Und er fügte hinzu: „Hoffentlich." Ende des damaligen Kommentars.
    Selbstbeherrschung wird dem damaligen Bundeskanzler attestiert. Ich will hier nicht die damalige Politik Adenauers beurteilen oder verurteilen. Die damalige Opposition hatte an mancherlei Reaktionen damals etwas auszusetzen. Das ist nicht mein Punkt. Mein Punkt lautet: Selbstbeherrschung und ruhige Hand! Nicht Aufgeregtheiten und Sterilität!

    (Lebhafter Beifall bei der SPD und der FDP)

    Uns wird so oft Dr. Adenauer in Erinnerung gerufen. Haben Sie keine Angst, Herr Kohl: Wir vergessen ihn nicht; wir haben ihn im Bundestag erlebt. Aber wenn es erlaubt ist, einmal von geschichtlichen Parallelen in Europa zu reden, dann muß ich Herrn Genscher in der Tat recht geben, der den 13. August 1961 als ein für uns Deutsche herausragendes Ereignis in einer längeren Kette bezeichnet hat. Es ist gut, sich die damaligen Reaktionen noch einmal vor Augen zu führen.
    Ich teile die Überzeugung, die der Kollege Genscher ausgesprochen hat, daß er nämlich daran glaube, daß die Menschen auch in jenen Teilen Europas, auch wenn der Prozeß lange dauert und — wie gegenwärtig in Polen — von Rückschlägen begleitet ist, eines Tages frei leben und handeln könnten. Ich glaube, daß man Sie in Ihrer Hoffnung bestärken muß.
    Herr Zimmermann, da Sie gegen meinen Besuch in der Deutschen Demokratischen Republik bei Herrn Honecker polemisiert haben: Trotz des Theaters in Güstrow halte ich daran fest — weil es für viele, viele Menschen drüben Hoffnung gemacht hat —, daß Deutsche mit Deutschen reden können.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD und der FDP)

    Seither haben wir j a viele Rentnerinnen und Rentner von drüben zu Besuch gehabt; zu Weihnachten, zu Neujahr und zum Dreikönigstag. Wir bekommen eine ganze Menge Briefe von drüben — ohne Angabe des Absenders. Die Briefe und die Besucher sagen uns, daß die Menschen das innerlich so sehen, wie ich es gesagt habe: ein Zeichen der Hoffnung.
    Ich möchte noch einmal sagen — nicht was die Deutschlandpolitik, sondern die Außenpolitik insgesamt angeht —, daß verantwortliches Handeln nicht nur im deutschen Interesse, sondern auch im Bewußtsein der globalen und gegenseitigen Abhängigkeit Mäßigung und Zurückhaltung bei der Durchsetzung der eigenen Interessen voraussetzt, daß verantwortliches Handeln für alle Staaten bedeutet: kein Streben nach Vorherrschaft, keine Einmischung in innere Angelegenheiten anderer, sondern Respektierung des Selbstbestimmungsrechts aller und die friedliche Lösung von Streitfragen.
    Unsere Politik führen wir als aktive Mitglieder der Europäischen Gemeinschaft und des westlichen Bündnisses, zu deren Stärkung und Festigung wir beachtliche und anerkannte Beiträge leisten — konzeptionell, materiell, politisch und durch den Dienst unserer Soldaten.
    Die Grundlage unserer gemeinsamen Sicherheitspolitik ist und bleibt die Politik des militärischen Gleichgewichts und der Rüstungsbegrenzungs- und Abrüstungspolitik mit dem Ziel vertraglich gesicherter Reduzierung. Deshalb setzen wir uns nachdrücklich für die Fortsetzung der Genfer Gespräche ein, für die Fortsetzung des KSZE-Prozesses in Madrid; daher unser nachdrücklicher und unmißverständlicher Appell an die Sowjetunion und an die Volksrepublik Polen, zur Beachtung der in der Schlußakte von Helsinki niedergelegten Prinzipien zurückzukehren. Das Madrider KSZE-Forum wird ein geeignetes Forum dafür sein, diesen Appell zu wiederholen.
    Zur Politik der Sicherheitspartnerschaft, der Zusammenarbeit zwischen West und Ost gehört auch die wirtschaftliche Zusammenarbeit. Sie war niemals auf einseitige Vorteile ausgerichtet. Wieso kämen wohl unsere Unternehmen dazu, Verträge zu schließen — es ist ja nicht der Staat, der diese Verträge geschlossen hat, sondern es sind unsere Unternehmen! —, die den Sowjets oder deren Behörden größere Vorteile als unseren Unternehmungen brächten?
    Wir halten die Fortführung des Dialogs für notwendig, weil nur er erlaubt, unsere Einschätzung der Lage der anderen Seite klar zu verdeutlichen, weil er hilft, gefährliche Fehleinschätzungen auf beiden Seiten zu vermeiden, weil nur er zum Verhandeln und zum Vertragschließen auf dem Felde der Abrüstung führen kann. Der Kern des Dialogs ist natürlich das Gespräch zwischen den beiden Weltmächten, wie es Ende dieses Monats zwischen den Außenministern Haig und Gromyko fortgesetzt werden soll. Wir begrüßen das.
    Im übrigen denke ich, daß es das Interesse aller Beteiligten bleibt, eine sich stetig verschärfende Konfrontation zwischen West und Ost zu vermeiden und sie auf keinen Fall in die Dritte Welt hineinzu-



    Bundeskanzler Schmidt
    tragen. Vielmehr geht es uns bei der Dritten Welt um partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Nord und Süd — in voller Anerkennung des Grundsatzes der Blockfreiheit.
    In einem Punkt möchte ich dem ersten Redner der Opposition deutlich und klar widersprechen. Er hat gesagt, der Bundeskanzler setze auf die Angst und schüre sie. Dann fuhr er sogar noch fort: er tue dies, um die Macht zu erhalten. — Ich habe mich landauf, landab gegen die Angstmacherei gewandt, und ich tue das auch heute.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Zurufe von der CDU/CSU)

    Wir müssen uns bemühen, das Land auf Kurs zu halten, damit nicht die Angst zu unkontrollierter Emotion und damit nicht die Emotion zu falschen Entschlüssen führt, die uns alle gefährden könnten.

    (Beifall bei der SPD und der FDP) Ich komme zum Abschluß:

    Erstens. Der Frieden nach außen wie nach innen bleibt das von beiden Parteien gleich wichtig genommene Herzstück sozialliberaler Politik. Wir werden mit Augenmaß, aber mit Entschlossenheit an der friedlichen Beilegung von Konflikten arbeiten.
    Zweitens. Wir setzen auf die Kraft der Vernunft, der Gesprächsbereitschaft, des Ausgleichs — unter der unverzichtbaren Voraussetzung eines stabilen militärischen Gleichgewichts, zu dem wir beitragen. Ohne die Atlantische Allianz würde Deutschland zum Spielball zwischen Ost und West.
    Drittens. Die Bundesregierung ist sich des Vertrauens sehr wohl bewußt, das diese Politik bei der Mehrheit unserer Bürger findet. Sie wird dieses Vertrauen nicht enttäuschen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Viertens. Wir sehen im Ziel einer Tendenzwende auf den Arbeitsmärkten eine internationale Herausforderung, der wir in internationaler Zusammenarbeit begegnen wollen. Aber wir sind durchaus auch bereit, uns dieser Herausforderung mit unseren nationalen Möglichkeiten zu stellen, soweit sie reichen.
    Zum Schluß: Wer auf die Leidenschaft zur Vernunft und auf den Willen zum Frieden setzt, der findet in dieser Bundesregierung einen verläßlichen Partner. Die Bundesregierung wird ihre Aufgaben mit innerer Gelassenheit lösen, und, Herr Zimmermann, der Bundeskanzler hat nicht die Absicht, von Bord zu gehen. — Herzlichen Dank.

    (Langanhaltender lebhafter Beifall bei der SPD und der FDP)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Kohl.

(Zurufe von der SPD)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Helmut Kohl


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Erlauben Sie mir zunächst, hier für die CDU/CSU-Fraktion des Deutschen Bundestages das zu tun, was wir gestern vom Parteivorstand der CDU Deutschlands aus getan haben, nämlich unser tiefes Bedauern und unsere Anteilnahme gegenüber der Familie des Opfers des Mordanschlages in einem israelischen Restaurant in Berlin zum Ausdruck zu bringen.

    (Beifall bei allen Fraktionen)

    Ich glaube — und hier stimmen wir Ihnen, Herr Bundeskanzler, und auch dem Kollegen Brandt zu —, jeder, der diesen Vorgang zur Kenntnis nahm, zur Kenntnis nehmen mußte, ist zutiefst darüber betroffen, daß verbrecherische Elemente aus blindem Haß das Leben einer Familie zerstört haben und daß sie damit wieder an eine geschichtliche Schande anknüpfen, die im deutschen Namen verbrochen wurde. Ich denke, es ist wichtig, und es ist richtig, daß der Deutsche Bundestag mit allen seinen Fraktionen seine Betroffenheit und seine Anteilnahme zum Ausdruck bringt, und es ist auch wichtig und richtig, daß wir alle Organe unseres Staates in allen Bereichen des Gemeinwesens aufrufen, mit äußerster Härte gegen solche verbrecherischen Elemente vorzugehen.

    (Beifall bei allen Fraktionen)

    Ich glaube, daß in die Generaldebatte des Bundestages zum Kanzlerhaushalt auch ein Wort der Anteilnahme hineingehört, weil ein Teil der Taten gegenüber unseren amerikanischen Freunden in unserem Land verübt wurde. Sie mußten im Ablauf der letzten sechs Monate gleich dreimal erleben, daß amerikanische Offiziere und Soldaten, die auch für unsere Freiheit in Europa einstehen, Opfer von Mordanschlägen wurden: in diesen Tagen in Paris der stellvertretende Militärattaché der dortigen Botschaft; ich denke an die Entführung des Brigadegenerals Dozier, und ich denke an den Mordanschlag gegen den Oberbefehlshaber General Kroesen. Wenn wir über deutsch-amerikanische Freundschaft sprechen, müssen wir — dies ist ganz natürlich — berücksichtigen, daß amerikanische Bürger diese schlimmen Ereignisse in Europa zur Kenntnis nehmen; sie sollen wissen, daß wir unsere volle Sympathie und unsere volle Anteilnahme den Opfern dieser verbrecherischen Anschläge zuteil werden lassen.

    (Beifall bei allen Fraktionen)

    Wir sprechen heute in der Generalaussprache über den Etat des Bundeskanzlers. Herr Bundeskanzler, es ist natürlich nicht zu rügen, daß der Kollege Zimmermann und andere bei dieser Gelegenheit die Fragen deutscher Politik ansprechen, die uns wichtig erscheinen. Ich habe auch nicht die Absicht, die außenpolitische Debatte vom Donnerstag fortzusetzen; wir werden dazu ja noch oft Gelegenheit haben.
    Aus Ihrer Antwort auf die Reden meiner Kollegen konnte ich auch nichts Neues entdecken. Die Nachricht an die Mitglieder der SPD-Fraktion, daß Sie nicht die Absicht haben, von Bord zu gehen, war eine verständliche Nachricht. Daß Sie sie hier zum Ausdruck bringen müssen, Herr Bundeskanzler, zeigt die wahre Lage, die Sie in Ihrer Fraktion haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU)




    Dr. Kohl
    Wobei natürlich ja in Ihrer Vorstellung mit dem Bild „Der Lotse geht nicht von Bord" ein völlig anderes Bild gemeint ist. Aber das ist eine Ihrer stillen, unerfüllbaren Sehnsüchte, in den direkten Vergleich mit jenem anderen Lotsen gerückt zu werden.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Aber, Herr Bundeskanzler, ich habe Ihnen schon oft sagen müssen: mit Ihren historischen Vergleichen haben Sie immer Probleme. Deswegen, meine ich, sollten Sie auch Ihre Mitarbeiter darauf hinweisen, daß sie besser das Kommuniqué von 1961 nicht hervorgezogen hätten. Denn wenn Sie die Lage in 1961 mit der Lage jetzt im Januar 1982 vergleichen, dann weiß ich wirklich nicht, was Sie reitet, daß Sie diesen Vergleich in dieser Form in die Debatte bringen.
    Wenn Sie noch einmal nachlesen, was 1961 im Deutschen Bundestag geschehen ist, dann werden Sie feststellen, daß der damalige Bundeskanzler Adenauer den Mauerbau als unmißverständliche Bankrotterklärung einer 16jährigen Gewaltherrschaft bezeichnet hat, er weist den flagranten Widerspruch der Maßnahmen zu den Vereinbarungen über Groß-Berlin nach, er mißbilligt die Zustimmung der UdSSR zu diesem Willkürakt usw. Herr Bundeskanzler, der Regierende Bürgermeister von Berlin, Willy Brandt, erklärte, das Recht auf Freizügigkeit sei brutal zertrampelt worden. Er forderte das Eingreifen internationaler Institutionen, er beschuldigte die Zonenregierung der Annexion Ost-Berlins; das Verhältnis zur Sowjetunion könne von dem empörenden Rechtsbruch nicht unbeeinflußt bleiben.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich habe dieses Thema 1961 nicht in die Debatte eingeführt. Aber wenn Sie in diesem Zusammenhang davon sprechen, daß an Hand dieses Zitats aus dem Kommuniqué mit dem damaligen Botschafter Smirnow Selbstbeherrschung festzustellen sei, nun, Herr Bundeskanzler, das ist genau das, was ich Ihnen in aller Ruhe vorhalten möchte. Sie haben in dem Interview gemeinsam mit Herrn Honecker — wörtliches Zitat aus dem deutschen Fernsehen — gegenüber dem brutalen Zerschlagen jeder Chance von Menschenrechten in Polen gesagt: „Herr Honekker ist genauso bestürzt gewesen wie ich, daß dies nun notwendig war." Herr Bundeskanzler, das ist eben keine Selbstbeherrschung gewesen, was hier deutlich geworden ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich meine eher, daß das, um es einmal freundlich zu formulieren, ein Kurzschluß war.
    Dann ein Letztes zu dem, was Sie soeben in Ihren Ausführungen gesagt haben. Ich weiß nicht, warum Sie uns immer wieder zumuten, das, was wir gerade erst erlebt haben, aus unserem Gedächtnis zu streichen. Sie erklären hier mit großem Stimmaufwand, Sie hätten sich immer gegen Angstmacherei gewandt. Aber, Herr Bundeskanzler, Sie betreiben Ihr
    politisches Geschäft doch seit Jahren mit der Angst, bei jedem Wahlkampf.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir haben das an dieser Stelle doch schon mehrmals austragen müssen. Sie haben bei der Wahl in Nordrhein-Westfalen im Frühjahr 1980 versucht, politische Geschäfte mit der blanken Kriegsangst zu machen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der CDU/CSU: Unerhört!)

    Wir alle wissen doch noch, was Sie, die Sozialdemokratische Partei, damals für Anzeigen veröffentlicht haben. Herr Wischnewski hat damals öffentlich die Verantwortung für diesen Akt politischer Schäbigkeit übernommen. Sie haben damals versucht, politische Geschäfte mit dem Leid und dem Elend von Kriegswitwen zu machen.

    (Kittelmann [CDU/CSU]: So ist es!)

    Sie haben das gleiche bei der Wahl zum Bundestag getan.
    Nun bin ich sehr erstaunt — das will ich auch dem Kollegen Genscher sagen —, daß Ihr Eideshelfer für die jeweilige politische Aussage neuerdings mein Freund Richard von Weizsäcker ist. Nun, meine Damen und Herren, nicht in grauer Vorzeit, sondern vor weniger als 9 Monaten haben Sie am Vorabend der Berliner Wahl in einer dortigen Kundgebung gesagt, daß die Bundesregierung daran interessiert sei, daß ihre Politik in Berlin unterstützt werde. Auf den Regierenden Bürgermeister Vogel könne man sich verlassen, es gebe aber berechtigte Zweifel beim CDU-Kandidaten von Weizsäcker. Sie haben dann weiter gesagt, daß der — bei allem Respekt vor den theoretischen Leistungen von Weizsäckers — für Berlin nicht zu gebrauchen sei; unter der Regierung von Weizsäcker müsse es eine neue Konfrontation geben.

    (Kittelmann [CDU/CSU]: Unerhört!)

    Weiter haben Sie dann auf einer weiteren Wahlkampfveranstaltung am Abend gesagt: Bei allem Ärger über unwichtige Dinge — ich füge hier ein: gemeint war die Korruption — darf die Stadt nicht einem Abenteuer ausgeliefert werden.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Unerhört!)

    Ja, meine Damen und Herren, Herr Bundeskanzler, wer hat denn hier Geschäfte mit der Angst gemacht?

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)

    Wie es Ihnen gerade beliebt: In der Stunde der Schwäche sprechen Sie von Gemeinsamkeit und schlüpfen in die Toga des Staatsmannes, die ich Ihnen gerne, von Herzen wünschen möchte. Aber wenn es dann draußen turbulent zugeht und wenn Sie merken, daß die Macht dahinschwindet, dann lernen wir Sie in einer ganz anderen Verfassung kennen. Bitte, verschonen Sie uns damit, daß Sie sagen, Sie würden nicht mit Angst Geschäfte machen. Es gab in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland keinen Regierungschef, der dieses Ge-



    Dr. Kohl
    schäft so betrieben hat wie Sie, Herr Bundeskanzler.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Es war zwar nicht meine Absicht gewesen, diese Themen heute wieder anzusprechen,

    (Wehner [SPD]: So!)

    aber Sie zwingen uns von Debatte zu Debatte, auf diese Vorgänge zurückzukommen.
    Heute geht es um etwas anderes; ich will mich dem eigentlichen Thema zuwenden.

    (Wehner [SPD]: Was für ein Wunder!)

    — Herr Kollege Wehner, wir bringen die Dinge hier zur Sprache, die wir für wichtig und richtig halten. Wir wollen einmal feststellen, was der Sinn dieser Debatte ist. Der Sinn dieser Debatte ist, daß die Regierung und nicht, wie Sie es verdrehen wollen, die Opposition Rechenschaft gibt.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Horn [SPD]: Aber nachdenken darf sie auch!)

    — Ich rate Ihnen doch, Herr Kollege, daß Sie nachdenken. Aber noch besser wäre, wenn Sie erst nachdächten und dann Ihren Zwischenruf machten.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der SPD: Schlaumeier!)

    Meine Damen und Herren, auch wenn Sie hier Lärmszenen inszenieren:

    (Zurufe von der SPD)

    Niemand kann darüber hinwegtäuschen, daß wir heute, zu Beginn des Jahres 1982, auch im Bereich der Innen-, der Sozial-, der Wirtschafts- und der Arbeitsmarktpolitik vor einem Scherbenhaufen stehen. Die Bundesrepublik Deutschland ist von allen vier im Stabilitäts- und Wachstums-Gesetz festgesetzten Zielen, der Preisstabilität, dem hohen Beschäftigungsstand, dem außenwirtschaftlichen Gleichgewicht und einem stetigen Angemessenen Wirtschaftswachstum, weit entfernt. Alle Versprechungen wurden nicht eingehalten. Und, Herr Bundeskanzler, von den acht Amtsjahren, die Ihnen im Amt des Kanzlers der Bundesrepublik Deutschland vergönnt waren, sind sieben dadurch gekennzeichnet, daß jeweils am Jahresende die Zahl der Arbeitslosen die 1-Million-Marke überschritten hat. Der vorliegende Haushaltsentwurf, mit dem wir uns heute beschäftigen, ist Ausdruck dieser Lage und dieser Politik.
    Die unter großen Mühen im Dezember verabschiedeten Haushaltssicherungsgesetze stopfen notdürftig einige der Haushaltslöcher, aber die bringen keine Perspektive. Niemand von uns — und auch darauf muß ich Ihnen eine Antwort geben, Herr Bundeskanzler — hat je geleugnet, daß es die Probleme der Weltwirtschaft gibt, daß es die Schwierigkeiten in der Europäischen Gemeinschaft gibt, daß wir von all dem beeinflußt sind. Sie sagten vorhin, Sie hätten die Rede des Kollegen Zimmermann aufmerksam gehört: Genau dieses hat er heute früh zum Ausdruck gebracht.
    Auch vor Ihrer Zeit als Regierungschef hatten wir Schwierigkeiten mit unseren Partnern; aber wir hatten einen größeren Vorsprung an Stabilität und Beschäftigung halten können. Und ich frage Sie ganz einfach — und Sie müssen die Frage beantworten; denn Sie sind der Leiter der Regierungsgeschäfte —: Warum ist es heute nicht mehr möglich, daß wir, ähnlich wie damals, diesen Abstand wieder halten? Es ist wahr, daß die gesamte weltwirtschaftliche Entwicklung durch die Anpassung an die Ölpreisexplosion belastet ist, aber es ist auch wahr, daß wir in der Bundesrepublik uns in den letzten Jahren die größten Leistungsbilanzdefizite geleistet haben — weil eben unter Ihrer Verantwortung und durch das Tätigsein Ihrer politischen Freunde, vor allem in der SPD, die Folgen der Ölpreisentwicklung zwar beredet, aber die Konsequenzen daraus nicht gezogen wurden. Und wahr ist auch, Herr Bundeskanzler, daß in früheren Jahren hohe Zinsen in den Vereinigten Staaten von Amerika nicht zwangsläufig wie in dem heutigen Umfang hohe Zinsen bei uns bedeuten mußten — weil wir Zahlungsbilanzüberschüsse hatten. Jetzt aber müssen wir die Leistungsbilanzdefizite durch Kapitalimporte finanzieren. Auch das ist unleugbar. Und dazu hätten Sie bitte einmal Stellung nehmen sollen.
    Daß das Vertrauen des Auslands in die Stabilität unserer wirtschaftlichen Entwicklung erschüttert wurde, liegt auf der gleichen Linie. Und außerdem — auch das ist unleugbar — sind unsere Zinssätze wesentlich durch die zu hohe Inanspruchnahme der Kreditmärkte durch die öffentliche Hand beeinflußt. Wenn Sie es mir schon nicht glauben wollen: Ähnliches hat gerade heute hier der Kollege Hoppe ebenfalls ausgeführt.
    Es ist also die Zeit gekommen, daß Sie unseren Mitbürgern die Wahrheit sagen, die Wahrheit über Ursachen und die Wahrheit über die Folgen Ihrer Politik.
    Das bedrückendste Element deutscher Gegenwart, deutscher Innenpolitik ist die hohe Arbeitslosigkeit. Im Dezember waren es 1,7 Millionen Arbeitslose, und wir müssen fürchten, daß wir in diesen Wochen die 2-Millionen-Marke erreichen werden. Herr Bundeskanzler, es ist doch bemerkenswert, daß nicht ein Sprecher der CDU/CSU, sondern der Kollege Glombig von der SPD-Fraktion zu Beginn dieses Monats, am 7. Januar, von Ihnen, der Bundesregierung, verlangte, sie solle endlich aus ihrem beschäftigungspolitischen Wartestand herauskommen. Herr Bundeskanzler, wer aufmerksam die Rede des Kollegen Brandt gehört hat, der konnte nicht nur im Bereich der Außenpolitik, sondern auch im Bereich der Fragen der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit die klaren Ohrfeigen für die Bundesregierung heute hier feststellen. Er hat Sie doch viel schärfer als irgendeiner von uns kritisiert — wenn Sie den Text seiner Rede noch einmal nachlesen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir sagen seit langem, daß ein Ausweg aus diesem Übel nur über eine Rückbesinnung auf die Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft, über die Erfahrungen möglich ist, die wir aus den Chancen gesammelt haben, die die Soziale Marktwirtschaft eröffnet. Wir kommen aus den Schwierigkeiten nur heraus, wenn die öffentlichen und vor allem die privaten In-



    Dr. Kohl
    vestitionen verstärkt werden können. Das geht nicht ohne die notwendigen Voraussetzungen. Allein in den Jahren 1980 und 1981 sind die Unternehmenseinkommen um real 25% zurückgegangen. Seit den 60er Jahren ist die Ertragsquote sogar um 40 % geschrumpft. Die Folge ist eine viel zu niedrige Eigenkapitalausstattung der deutschen Wirtschaft. Dies führt in schwierigen Zeiten bei hohem Zinsniveau notwendigerweise zu einer Vielzahl von Konkursen, wie wir sie jetzt überall erleben, und zur Vernichtung von Tausenden von Arbeitsplätzen.
    Eine Folge dieser mangelnden Investitionen ist auch, daß unser Produktionsapparat — das gehört ebenfalls zum Befund der deutschen Wirtschaft 1982 — überaltert ist. Mit einem Wort: Wir leben seit über einem Jahrzehnt von der Substanz. Wir können nicht mehr länger die Grundlagen unseres Wohlstandes verzehren, sondern wir müssen die Fundamente wieder stabilisieren. Das ist gegenwärtig die Aufgabe.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Angesichts der weltweiten Konkurrenz erfordert heute die Schaffung eines neuen Arbeitsplatzes im Durchschnitt einen Kapitalaufwand von ungefähr 100 000 DM. Jedermann kann leicht ausrechnen, wie viele hundert Milliarden DM an Kapital investiert werden müssen, um die heute dringend notwendigen Arbeitsplätze zu schaffen. Angesichts des Hereindrängens der geburtenstarken Jahrgänge in das Berufsleben gilt das für die nächsten Jahre noch viel mehr. Unser Staat, der bereits mit 530 Milliarden DM verschuldet ist, kann dies nicht aus eigener Kraft leisten. Wir müssen fähig sein, wieder eine Welle privater Investitionen in Gang zu setzen. Das zerstörte Vertrauen muß wieder aufgebaut werden. Aus diesem Grunde — das gehört in die Haushaltsdebatte — ist es das Wichtigste auf diesem Feld, daß die staatlichen Finanzen wieder solide geordnet werden.
    Herr Bundeskanzler, Sie können doch nicht erwarten, daß die Mitbürger, nicht zuletzt diejenigen, die in der Wirtschaft mitbestimmen und das Sagen haben, Vertrauen etwa in Ihre Finanz- und Haushaltspolitik haben, wenn sie in diesen Tagen die Diskussion darüber verfolgen, ob die Steuer heraufgeht oder ob sie heruntergeht. Ich bin mir in dieser Hinsicht über die Auffassung der SPD nicht im klaren. Der heutige Tag hat mich, was die Position der FDP angeht, aber eigentlich noch viel mehr verwirrt. Wenn ich es richtig verstehe, hat Herr Kollege Hoppe auf meine Frage hin eine Absage gegeben.

    (Kiep [CDU/CSU]: So ist es!)

    Wenn ich es wiederum richtig verstehe, hat danach Herr Kollege Genscher einen mittleren Weg — den ihm eigenen Weg — gewählt. Weiterhin lese ich aber, daß Herr Verheugen zur gleichen Stunde öffentlich wieder etwas ganz anderes erklärt hat. Ich wäre den Kollegen von der FDP schon dankbar, wenn sie uns, bevor dieser Tag zur Neige geht, sagten, wie sie es eigentlich nun haben wollen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wenn die Herren es nicht in die Hand nehmen, kann man das Problem vielleicht so lösen, daß die Damen — Sie haben ja couragierte Damen — ans Pult gehen und uns dann sagen, was wirklich gemacht wird. Ich habe ohnedies den Eindruck, daß das dann die richtige Linie sein könnte.

    (Heiterkeit — Wehner [SPD]: Was? Die Damen?)

    Meine Damen und Herren, ich will nicht bestreiten, daß im Haushaltsentwurf 1982 und auch im Haushaltssicherungsgesetz erste Schritte in die richtige Richtung gemacht wurden. Der Haushalt 1982, der jetzt vorliegt, verfehlt seine Aufgabe, Vertrauen neu zu begründen, aber schon deshalb, weil die Ansätze dieses Etats einfach nicht stimmen. Es ist doch eine nicht redliche Politik, wenn hier jeder Berichterstatter ans Pult tritt und für seinen Bereich nachweist, daß die Kasse so nicht stimmt. Es führt nicht zu Vertrauen bei unseren Bürgern, wenn die Geschäfte in dieser Weise besorgt werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die Milliardenrisiken sind bekannt. Ich nenne als Beispiele nur den Zuschußbedarf der Bundesanstalt für Arbeit, die zu optimistische Schätzung der Steuereinnahmen, das Milliardenloch bei der Bundesbahn, den Verteidigungshaushalt und das ungewisse Schicksal der Rentenversicherung. Es ist schwer, diesen Haushalt angesichts solcher Risiken ehrlich zu bewerten. Jede Bewertung birgt in sich schon wieder ein Investitionshemmnis.
    Außerdem sind die vorgeschlagenen oder verabschiedeten Sparmaßnahmen unzureichend, zumindest auf mittlere Sicht. Sie sind unausgegoren und in wesentlichen Teilen falsch angesetzt. Das rigorose Zusammenstreichen nahezu aller investiven Ausgaben ist vor dem Hintergrund unserer Arbeitslosigkeit unvertretbar. Wer sich die katastrophale Lage im Hoch- und Tiefbau ansieht — ich hoffe, Sie haben darüber in Ihrem Gewerkschaftsgespräch etwas von der IG Bau gehört —, der weiß, daß der Bund mit seinen Wechselbädern von Konjunkturprogrammen und Streichaktionen eine zerstörende Wirkung ausübt.
    Meine Damen und Herren, wir fordern seit langem klare Einsparungen bei den konsumtiven Ausgaben. Aber Sie haben in Ihrer Koalition dazu die Kraft nicht gefunden. Lediglich die Bevölkerungsgruppen, deren Lobby oder deren Stimmgewicht bei kommenden Wahlen für weniger bedeutsam gehalten wurden, wurden dann mit Sparmaßnahmen getroffen.
    Herr Kollege Wehner, Sie haben gerade eben dazwischengerufen. Es wird mir ewig unerfindlich bleiben, wieso die sozialdemokratischen Kollegen am Ende der Entscheidungen des Vermittlungsausschusses bei der letzten Runde im Dezember nicht bereit waren, auf unsere Vorschläge einzugehen, wieso sie bereit waren, etwa bei Rentnern im Altersheim das Taschengeld zu kürzen, aber nicht bereit waren, Schülern, die zu Hause wohnen können, ein Kürzung des BAföG zuzumuten.

    (Beifall bei der CDU/CSU)




    Dr. Kohl
    Herr Kollege Wehner, ich bin überzeugt, daß wir beide in dieser Frage völlig übereinstimmen. Ich bin überzeugt, daß ein Großteil Ihrer Kollegen in der Fraktion darin ebenfalls mit mir übereinstimmt. Das Schlimme an der Sache ist, daß aus einem reinen, nur aus dem inneren Spannungsverhältnis der Koalition heraus verständlichen Durchsetzungswillen Ihrer Fraktion beschlossen wurde, sozusagen am falschen Ende, jetzt einmal zu zeigen, daß man nicht mehr bereit ist nachzugeben. Ich finde nicht, daß dies eine kluge Politik ist. Wir sollten Gelegenheit nehmen, in der Zeit, die jetzt vor uns liegt, das, was hier geschehen ist, zum Teil zu reparieren.
    Es führt doch kein Weg daran vorbei, meine Damen und Herren, daß der Staat, unser Staat, über die Verhältnisse gelebt hat und daß nun alle Bevölkerungsgruppen, mit dem Maßstab größtmöglicher Gerechtigkeit, Einschränkungen hinnehmen müssen. Wir haben dazu im September unsere Vorschläge eingebracht.
    Ich erinnere an den Vorschlag der 5 %igen Kürzung, einen Vorschlag, der nicht so dahingesagt war. Ich lade heute noch die Kollegen der FDP ein, auf diesen Boden zu treten. Wir werden sehen, daß dabei eine Menge herauskommt. Ich bin vor allem auch ganz sicher, daß die große Mehrheit unserer Mitbürger heute durchaus bereit ist, notwendige Opfer für die Sanierung und Sicherung der Zukunft, nicht zuletzt der Arbeitsplätze, zu bringen, wenn sie Gewißheit gewinnt, daß man den Versuch unternimmt, das möglichst gerecht zu tun.
    Wir haben eine Fülle konkreter Sparvorschläge vorgelegt. An Bereitschaft zur konstruktiven Zusammenarbeit, Herr Kollege Genscher, hat es doch nun wahrlich nicht gefehlt. Sie fragen immer nach unseren Vorschlägen. Wir haben sie Ihnen doch unterbreitet.

    (Zuruf von der SPD: Wo denn?)

    — Ich werde es gleich im Detail sagen. — Herr Kollege Genscher, warum sich Sie denn nicht im Dezember, im November und im Oktober auf Ihre Vorschläge aus jenem berühmten Wende-Brief vom August des vergangenen Jahres an die Mitglieder der FDP zurückgekommen?

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich bringe Ihnen wenige konkrete Beispiele. Ich nenne noch einmal die Ausbildungsförderung für Schüler an allgemeinbildenden Schulen am Wohnort der Eltern. Es ist doch keine soziale Zumutung, wenn ein Schüler, der vor dem Abitur steht, in seinem Elternhaus bleibt, bei Vater und Mutter, obwohl er 18 Jahre und inzwischen mündig geworden ist. Ich kann nicht erkennen, daß es hier wirklich um soziale Besitzstände gehen kann, wo es sich rentiert, einen solchen Aufwand zu betreiben.
    Wir haben über den Wandel des ganzen Systems der Studentenförderung gesprochen. Es kann doch im Vergleich mit allen europäischen Ländern niemand im Ernst sagen, daß ein Umstellen des BAföG überwiegend auf Darlehensbasis nicht sozial zumutbar ist. Eine ganze Generation von deutschen Akademikern, die heute noch hier in diesem Saal sitzt,
    hat zu ihrer Zeit auf diese Weise studieren müssen. Und sie hat selbstverständlich das Ziel, das sie sich gesetzt hatte, damals erreichen können.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Herr Kollege Genscher, wir haben die Einführung eines Krankenversicherungsbeitrages vorgeschlagen, weil wir der Auffassung waren, daß die Finanzierung der Rentenversicherung dauerhaft ohne Erhöhung der Beiträge gesichert werden muß. Wir haben bei der Arbeitslosenunterstützung eine Reihe von Kürzungsvorschlägen gemacht, um zu erreichen, daß Arbeitslose am Ende nicht finanziell besser als zur Zeit vor ihrer Arbeitslosigkeit dastehen. Das ist von Ihrem Lager dann sofort mit „sozialer Demontage" und ähnlichem Feldgeschrei beantwortet worden. Nicht jene, die darüber nachsinnen, wie wir Arbeitsplätze sichern und Arbeitslose von der Straße wegbekommen, sondern jene begehen soziale Demontage, die das Netz sozialer Sicherheit in unserem Lande in listiger und brutaler Weise ausnutzen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir können uns auf die Dauer — das muß man doch aussprechen — nicht mehr leisten, als wir selbst bereit sind zu leisten. Unser Wohlstand und unsere soziale Sicherheit beruhen auf dem Fleiß und der Tüchtigkeit unserer Bürger. Deshalb ist es selbstverständlich, daß sich dieser Fleiß und diese Tüchtigkeit lohnen müssen. Deshalb darf der, der nicht arbeitet, materiell nicht gleich oder besser als der gestellt sein, der arbeitet. Ich spreche jetzt nicht von jenen, deren hartes Schicksal es ist, arbeitslos zu sein. Ich spreche von denen, die das System sozialer Sicherheit bewußt mißbrauchen, die sich Nischen geschaffen haben, in denen sie auf ihre Weise überleben, weil andere für sie arbeiten. Wenn wir diesen Mißbrauch beseitigen wollen, dann dienen wir der sozialen Gerechtigkeit, und das hat nichts mit sozialer Demontage zu tun.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich denke nicht, daß wir bei der gegebenen Lage 1982 den finanzpolitischen Handlungsspielraum haben, um jene steuerlichen Entlastungen zu verwirklichen, die zu einer wirklichen Verbesserung der Rahmenbedingungen für die private Investitionstätigkeit notwendig wären. Aber wir sollten schon jetzt verbindlich beschließen, daß wir die finanzpolitischen Möglichkeiten, die wir eventuell mittelfristig durch eine Beseitigung der strukturellen Haushaltsdefizite gewinnen können, zu entsprechenden steuerlichen Entlastungen nutzen. So schaffen wir Vertrauen und Zuversicht, und so können wir Weichen für einen neuen Aufschwung unserer Wirtschaft stellen.
    Dazu gehören auch die enormen politischen und verwaltungsmäßig bedingten Investitionshemmnisse. Meine Kollegen haben hier oft genug darüber gesprochen; ich will es nur sozusagen in Schlagworten anführen. Da ist z. B. die Beschleunigung der Genehmigungsverfahren für die Industrie. Meine Damen und Herren, Sie sind dabei, diese Verfahren noch zu erschweren,

    (Zurufe von der SPD)




    Dr. Kohl
    indem Sie etwa mit der Verbandsklage völlig neue Instrumente dieser Art einbauen. Es gibt keinen Oberbürgermeister in der Bundesrepublik, der hierin nicht meiner Meinung ist, und es gibt viele Dutzende sozialdemokratischer Oberbürgermeister, die dieser Meinung sind.

    (Zurufe von der SPD)

    Dennoch machen Sie sich auf, diesen Unsinn, der investitionshemmend ist, aus Gründen der Koalitionsarithmetik durchzusetzen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Dazu gehört die Telekommunikation, der Bau von Kohle- und Kernkraftwerken. Das alles ist oft gesagt worden.

    (Zuruf von der SPD: Das wird doch dadurch nicht richtiger!)

    Mit einer klaren Weichenstellung für den wirtschaftlichen Fortschritt müssen wir — das gehört auch in diesen Kontext — auch etwas gegen die leider zunehmende feindselige Einstellung in bestimmten Bevölkerungskreisen, nicht zuletzt auch in der jungen Generation, gegen moderne Technik schlechthin unternehmen. Dieser unselige Geist einer unsinnigen Maschinenstürmerei wird uns ein Stück wirtschaftlichen Fortschritts für die nächsten Jahrzehnte kosten. Wir haben bei steigender Arbeitslosigkeit auch von Akademikern einen wachsenden Mangel nicht nur an Facharbeitern, sondern auch an Technikern und Ingenieuren. Das System, das politische, das menschliche, das kulturelle und Bildungsgroßklima der Republik kann nicht in Ordnung sein, wenn wir Akademikerarbeitslosigkeit haben und im übrigen in Berufen, die für die Fortentwicklung der Gesellschaft von großer Bedeutung sind, Nachwuchsmangel besteht, weil diese Berufe ideologisch abgestuft wurden, weil man sie nicht ergreifen kann, weil man sich angeblich gegen die Umwelt oder sonst irgend jemand versündigt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Schon heute müssen wir mehr Patente und Lizenzen importieren als wir selbst ins Ausland verkaufen. Herr Bundeskanzler, Sie wollten einmal den Wohlstand der Republik durch den Verkauf von Blaupausen finanzieren. Da ist nicht mehr viel übriggeblieben von dieser Vision.
    Sie sprachen — zu Recht — vom Wohnungsbau. Nun, das ist auch so eine Sache. Man mußte Sie zu dieser wohnungsbaupolitisch richtigen Entscheidung im Monat Dezember förmlich hintragen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

    An dieser Entscheidung ist Ihr Anteil gleich Null.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie haben nichts, aber auch gar nichts dafür getan, daß diese Entscheidung letztlich gefallen ist. Jetzt stellen Sie sich hierher und ermuntern die Länder — was ich übrigens auch gerne tue —, dieses Geld raschestens zu investieren. Sie sehen ja: Es ist eine kluge Politik gewesen, daß man denen, die zwischen 1960 und 1970 öffentliche Wohnungsbaudarlehen erhalten haben, jetzt die Zinsen anhebt und einen Teil der Darlehen bei Rückzahlung erläßt. Wir haben bereits jetzt, nach ganz kurzer Zeit, offensichtlich rund eine Milliarde Mark in die Kasse bekommen. Das war doch unsere Idee, Herr Bundeskanzler. Ihre Leute sind doch dagegen gewesen. Man mußte sie doch förmlich hintragen.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)

    Die Kollegen von der FDP haben alle im Tornister den Brief ihres Parteivorsitzenden vom August. Da hat Hans-Dietrich Genscher unter anderem das richtige Wort geschrieben, daß sich der Einsatz von Kapital im Wohnungsbau wieder lohnen muß. Das geht eben nicht — ich führe jetzt den Satz einfach fort, Herr Kollege Cronenberg — ohne die schrittweise Einführung der Prinzipien der sozialen Marktwirtschaft auch in diesem Bereich. Und das setzt auch Mietrechtkorrekturen voraus. Sie nicken. Heute war so viel von Gemeinsamkeit die Rede. Lassen Sie uns doch hier einmal gemeinsam die Sache probieren und einen Gesetzentwurf vorlegen, meine Damen und Herren!

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Herr Kollege Cronenberg, das ist ja das Problem: Es ist ein eigen Ding mit Ihnen in der FDP. Reden halten Sie hier, als kämen Sie gerade aus der CDU/ CSU-Fraktion. Beifall bekommen Sie von der CDU/ CSU-Fraktion. Als Herr Kollege Hoppe heute hier abging, rührte sich da drüben bei der SPD keine Hand. Das war ja auch kein Wunder bei dieser Rede.

    (Lachen bei der CDU/CSU)

    Bloß — und das ist der Punkt —, wenn es darum geht, abzustimmen, dann hebt Herr Hoppe die Hand mit den Linken in der SPD, meine Damen und Herren.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir haben bei der Debatte im Oktober, wenn ich mich richtig erinnere, Graf Lambsdorff, hier miteinander auch über die Frage der Konkurrenzfähigkeit der deutschen Wirtschaft diskutiert. Sie haben auch da goldene Worte gesprochen — der Bundeskanzler hat das eben im übrigen auch gesagt; ich nehme das gerne auf nämlich daß die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Wirtschaft nicht zuletzt sehr stark beeinträchtigt wird durch das hohe Lohnniveau und die hohen Gestehungskosten, die wir bei uns haben. Wir wissen auch, daß die Belastungen der deutschen Wirtschaft unter anderem darauf zurückzuführen sind, daß die Ausfallquoten, daß der Krankenstand, daß die Fehlzeiten bei uns so hoch sind wie in ganz wenigen Ländern.

    (Zuruf von der SPD: Das stimmt doch gar nicht!)

    — Das kann man nun wirklich in der Statistik nachlesen. Darüber braucht man doch nicht zu streiten. Das bestreitet j a niemand im Deutschen Gewerkschaftsbund.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Die lesen bloß nicht!)

    Wir müssen wieder zu einem fairen Gespräch zurückkommen. Das gilt jetzt für alle, nicht nur für eine Partei. Das gilt für mich und meine Partei auch.



    Dr. Kohl
    Es kann j a sein, daß einer von Ihnen redet und recht hat. Da sollten wir ihm recht geben. Wenn wir reden und recht haben, dann können Sie uns auch recht geben. Es nützt uns allen, wenn wir uns wieder auf dieser Ebene bewegen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Es ist wahr, die Fehlzeiten bei der effektiven Arbeitszeit liegen in der Bundesrepublik durchschnittlich höher als in den meisten vergleichbaren und konkurrierenden Ländern. Darüber haben wir, meine Damen und Herren, seit dem August ja auch gesprochen. Wenn Sie mit namhaften Repräsentanten der deutschen Gewerkschaften sprechen — nicht in einer öffentlichen Diskussion —, wenn Sie mit Betriebsräten sprechen, denen die Zukunft ihres Betriebes am Herzen liegt, die selbst in Leitungsorganen oder im Aufsichtsrat tätig sind, die wissen, wie die Auftragslage ist, und die Sorge um die Arbeitsplätze haben, dann denken und reden die genauso, wie ich dies hier tue.

    (Zurufe von der SPD)

    Wir müssen darüber nachdenken. Die Bundesregierung hat erklärt, Herr Graf Lambsdorff, daß sie zum Thema „Lohnfortzahlung" Beschlüsse gefaßt habe, um bestimmte Vorgänge auch verfassungsrechtlich zu prüfen. Ich wäre sehr dankbar, wenn uns das Ergebnis dieser verfassungsrechtlichen Prüfung noch im Laufe dieses Jahres erreichen würde. Denn die Probleme, die hier anstehen, werden ganz brisant. Und jetzt ist, wie ich finde, eine gute Gelegenheit, vernünftige Gespräche darüber zu führen.
    Um gleich die Kapazität des Umdrehens dieser Formulierung draußen abzubauen, meine Damen und Herren von der SPD, sage ich: Wenn wir davon reden, daß in diesem Fall Konsequenzen zu ziehen sind, dann sind sie insgesamt zu ziehen. Dann kann man nicht etwa davon reden, bei Arbeitern die Konsequenzen zu ziehen und bei Angestellten solche Konsequenzen nicht zu ziehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Aber es lohnt sich durchaus, darüber nachzudenken, wie sich die Dinge in diesem Feld entwickelt haben und welche fatale Konsequenz das für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft hat.
    Herr Bundeskanzler, Sie haben das Thema der ausländischen Gastarbeiter und in diesem Zusammenhang auch das Thema der Asylbewerber angesprochen. Ich will dazu jetzt nicht viel sagen, weil ich hoffe, daß wir eine nachdenkliche Debatte in der nächsten Woche zu diesem Thema haben werden. Ich finde, das Thema eignet sich nach gar keiner Seite hin zu heißspornigen Reaktionen und Äußerungen. Man muß sehr unterscheiden zwischen jenen dumpfen Stimmungen, die es sicher auch gibt und die Sie zu Recht als ausländerfeindlich bezeichnet haben, und jener Realität in vielen deutschen Großstädten, die mit Ausländerfeindlichkeit überhaupt nichts zu tun hat, sondern wo ganz einfach die vitalen Interessen deutscher Familien mit der Situation ausländischer Gastarbeiterfamilien zusammenprallen. Ich kenne sehr viele deutsche Großstädte — nicht nur Berlin —, wo mitten im Stadtkern in den
    Grundschulen heute 20 oder gar nur 15 % deutscher Kinder 80 oder 85 % Ausländerkindern gegenüberstehen. Der Schulbetrieb ist — um es einmal salopp zu formulieren — dem in keiner Weise gewachsen. Damit wir nicht aneinander vorbeireden, stelle ich fest: Da gibt es keinen Unterschied zwischen den sogenannten A-Ländern und den sogenannten B-Ländern. Ist es denn eigentlich Ausländerfeindlichkeit — ich sage das ganz ruhig —, daß die Mutter eines Buben oder eines Mädchens, die möchte, daß ihr Kind einmal aufs Gymnasium geht, im dritten Grundschuljahr die Frage stellt: Packt denn mein Kind den Übertritt ins Gymnasium, wenn dieser Schulbetrieb so weitergeht? Ist es nicht rettungslos zurück? Ist hier nicht, gemessen an anderen Grundschulen, von Chancengleichheit überhaupt keine Rede mehr? — Wir haben in dieser Frage zu lange gewartet, Herr Kollege. Deswegen hoffe ich, daß es möglich ist, diesen Punkt in der Debatte der nächsten Woche so auf die Tagesordnung zu bringen, daß nach allen Seiten vernünftig miteinander diskutiert werden kann.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Im übrigen wissen wir — auch das muß man hier doch einmal sagen; es ist doch eine Etatdebatte —, daß die Entwicklung etwa im Bereich der Asylbewerber den Gemeinden und Städten — nicht dem Bund — Kosten auferlegt, die sie nicht selber verursacht haben, die aber unabsehbare Konsequenzen für die Finanzstruktur der Gemeinden haben, und daß hier nicht nur der allgemeine, sondern natürlich insonderheit auch der soziale Friede angesprochen wird.
    Ich wiederhole meine Überzeugung im Blick auf all diese Fragen, daß die große Mehrheit unserer Mitbürger bereit ist, notwendige Einschränkungen mitzutragen, wenn ein wirklicher Anfang gemacht wird. Was wir jetzt brauchen, ist nicht das Denken in sozialen Besitzständen, sondern die Solidarität der Mehrheit wie der Minderheit, die in bedrängter Lage ist. Und wichtiger als Lohnerhöhungen ist jetzt die Rückgewinnung von Arbeitsplätzen für diejenigen, die keinen Arbeitsplatz haben, und für diejenigen, die für sich allein stehen und die sozusagen nicht die Besitzenden im Blick auf Arbeitsplätze sind. Die Höhe unserer Lohnkosten ist von entscheidender Bedeutung für die Frage, wie viele Arbeitsplätze wir zusätzlich schaffen können. Deshalb müssen wir auch darüber sprechen können, inwieweit ein teilweiser Verzicht auf Einkommensteigerungen die Chance verbessert, für die heutigen Arbeitslosen einen neuen Arbeitsplatz zu schaffen.
    Man sagt — Herr Kollege Genscher, das ist eine Antwort auf die von Ihnen gestellte Frage —, dies sei angesichts der gegebenen und auch von uns bejahten und verteidigten Tarifautonomie nicht durchsetzbar. Ich bin nicht so pessimistisch. Wir haben die Lage von heute seit 1950 nicht gehabt. Ich kann nicht glauben, daß ein Akt der Vernunft, wie er in der Schweiz möglich war oder wie er in diesen Tagen bei General Motors in Detroit möglich war, wo Unternehmensleitung und Arbeitnehmer ein Abkommen geschlossen haben, nach dem die Sicherung der Arbeitsplätze den absoluten Vorrang vor Lohnerhö-



    Dr. Kohl
    hungen hat, in der Bundesrepublik Deutschland nicht möglich sein sollte.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das ist keine Einmischung in die Tarifautonomie. Aber man kann nicht über Bekämpfung der Arbeitslosigkeit diskutieren, ohne noch einmal auch auf die Kostensituation zu sprechen zu kommen. Natürlich ist die Voraussetzung einer solchen Politik, die ja Opfer von beiden Seiten verlangt, daß unsere Bürger überzeugt sind, daß der Staatschef auf dem richtigen Kurs ist. Es muß Vertrauen in die Regierung bestehen; aber da ist weit und breit keine Chance in Sicht.
    Im übrigen scheint mir unter dieser Voraussetzung ein Appell an die Vernunft der Tarifpartner nicht aussichtslos zu sein. Es liegt auf der Hand, daß mit vernünftigen Tarifabschlüssen ein wichtiger Anstoß zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit gegeben werden kann.
    Herr Kollege Genscher, ich will jetzt, da ich nicht darauf angewiesen bin, darüber in der Form einer Zwischenfrage zu sprechen, gern Ihre Anregung zum Thema Vermögensbildung aufnehmen. Ich bin sehr damit einverstanden, daß wir die jetzige Zeit nutzen, um — wir haben ja beide auf diesem Feld eine gewisse Tradition, auch aus der Zeit, die wir gemeinsam mit Ludwig Erhard zugebracht haben — auf diesem Felde wiederum einen wichtigen Schritt zu tun. Ich finde, liberale Gesinnung müßte hier möglich sein, obwohl Sie in einer Koalition mit Sozialisten sind; denn die Liberalen sagen ja, sie seien für ein freiheitliches System, und zu einem freiheitlichen System gehört auch, daß es Ihnen möglich ist, auch in einer Koalition wenigstens ab und zu außerhalb der Koalition den Pfad der Vernunft zu betreten.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das wäre der letzte Rest, der aus dem GenscherBrief vom August übriggeblieben wäre und sich realisieren könnte. Hier ist die ausgestreckte Hand der CDU/CSU-Fraktion, um in Sachen Vermögensbildung sehr schnell und für jedermann als Signal draußen erkennbar einen wesentlichen Schritt zu tun.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Herr Kollege Genscher, ich könnte mir vorstellen, daß das auch eine gewisse pädagogische Wirkung auf die sozialdemokratischen Kollegen hätte; denn unter denen gibt es eine ganze Reihe, die sich zusammen mit einem bestimmten Teil der Gewerkschaften des DGB längst auf diesem Weg in Bewegung gesetzt haben. Auf die letzten in der deutschen Sozialdemokratie können Sie nicht warten; es dauert zu lange, bis sich hier Vernunft durchsetzen wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Meine Damen und Herren, in dieser Debatte — lassen Sie mich das zum Abschluß dieses Themas wenigstens kurz ansprechen — —