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ID0907802700

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    6. Bundesaußenminister.\n: 1
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    Plenarprotokoll 9/78 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 78. Sitzung Bonn, Dienstag, den 19. Januar 1982 Inhalt: Abwicklung der Tagesordnung 4477 A Begrüßung des Präsidenten der Parlamentarischen Versammlung des Europarates und seiner Begleitung 4487 C Zweite Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1982 (Haushaltsgesetz 1982) — Drucksachen 9/770, 9/965 — Beschlußempfehlungen und Bericht des Haushaltsausschusses Einzelplan 01 Bundespräsident und Bundespräsidialamt — Drucksache 911181 — 4477 A Einzelplan 02 Deutscher Bundestag — Drucksache 9/1182 — 4477 B Einzelplan 03 Bundesrat — Drucksache 9/1183 — Borchert CDU/CSU 4477 D Einzelplan 04 Geschäftsbereich des Bundeskanzlers und des Bundeskanzleramts — Drucksache 9/1184 — Metz CDU/CSU 4478 A Löffler SPD 4479 D Dr. Zimmermann CDU/CSU 4480 B Brandt SPD 4487 D Hoppe FDP 4494 D Dr. Abelein CDU/CSU 4501A Genscher, Bundesminister AA 4508 D Schmidt, Bundeskanzler 4515A Dr. Kohl CDU/CSU 4521 B Wischnewski SPD 4530 D Dr. Wörner CDU/CSU 4535 A Schäfer (Mainz) FDP 4541 D Dr. Apel, Bundesminister BMVg . . . 4545 B Erklärungen nach § 30 GO Dr. Abelein CDU/CSU 4549 B Wurbs FDP 4549 D Namentliche Abstimmung 4550 B Einzelplan 14 Geschäftsbereich des Bundesministers der Verteidigung — Drucksache 9/1194 — in Verbindung mit Einzelplan 35 Verteidigungslasten im Zusammenhang mit dem Aufenthalt ausländischer Streitkräfte — Drucksache 9/1205 — II Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 19. Januar 1982 Dr. Stavenhagen CDU/CSU 4552 B Hansen fraktionslos 4556 A Frau Traupe SPD 4558 A Würzbach CDU/CSU 4565 B Dr. Zumpfort FDP 4570 C Einzelplan 05 Geschäftsbereich des Auswärtigen Amts — Drucksache 9/1185 — Voigt (Frankfurt) SPD 4575 C Picard CDU/CSU 4577 C Frau Schuchardt FDP 4579 A Genscher, Bundesminister AA 4580 C Coppik SPD (Erklärung nach § 31 GO) 4582A Einzelplan 27 Geschäftsbereich des Bundesministers für innerdeutsche Beziehungen — Drucksache 9/1200 — Frau Berger (Berlin) CDU/CSU 4582 D Nehm SPD 4585 C Franke, Bundesminister BMB 4587 A Nächste Sitzung 4589 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . 4591*A Anlage 2 Empfehlung des britischen Staatsministers Douglas Hurd, eine gemeinsame NATO-Strategie für die Entwicklung einer „neuen Weltinformationsordnung" zu erarbeiten MdlAnfr 43 08.01.82 Drs 09/1252 Weirich CDU/CSU SchrAntw StMin Dr. Corterier AA . . . 4591* B Anlage 3 Staaten, die den Interamerikanischen Vertrag über gegenseitigen Beistand (Rio-Pakt) vom 2. September 1947 noch nicht ratifiziert haben; Angebot einer Nichtangriffserklärung der USA an Nicaragua MdlAnfr 48 08.01.82 Drs 09/1252 Dr. Hennig CDU/CSU SchrAntw StMin Dr. Corterier AA . . . 4591* C Anlage 4 Druck der Proklamation des in Polen verhängten Kriegsrechts in der Sowjetunion MdlAnfr 52 08.01.82 Drs 09/1252 Dr. Czaja CDU/CSU SchrAntw StMin Dr. Corterier AA . . . 4591* D Anlage 5 Haltung der Bundesregierung zur Lage in Polen MdlAnfr 53 08.01.82 Drs 09/1252 Milz CDU/CSU SchrAntw StMin Dr. Corterier AA . . . 4592*A Anlage 6 Auffassung der Bundesregierung über die Verantwortung der Sowjetunion für die Vorgänge in Polen; Aussagen des Bundeskanzlers Schmidt und des französischen Staatspräsidenten Mitterrand über den Vertrag von Jalta und die Teilung Europas MdlAnfr 55, 56 08.01.82 Drs 09/1252 Engelsberger CDU/CSU SchrAntw StMin Dr. Corterier AA . . . 4592* B Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 19. Januar 1982 4477 78. Sitzung Bonn, den 19. Januar 1982 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens ** 20. 1. Echternach 19. 1. Fischer (Hamburg) 19. 1. Günther 19. 1. Handlos 19. 1. Frau Dr. Hellwig 19. 1. Frau Krone-Appuhn 20. 1. Dr.-Ing. Laermann 22. 1. Dr. Mertes (Gerolstein) 22. 1. Möllemann 22. 1. Dr. Müller * 19. 1. Müller (Bayreuth) 19. 1. Reddemann ** 20. 1. Rösch ** 20. 1. Rohde 22. 1. Frau Roitzsch 22. 1. Dr. Solms 22. 1. Dr. Stark (Nürtingen) 22. 1. Graf Stauffenberg 22. 1. Walther 22. 1. Wendig 22. 1. Baron von Wrangel 22. 1. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union Anlage 2 Antwort des Staatsministers Dr. Corterier auf die Frage des Abgeordneten Weirich (CDU/CSU) (Drucksache 9/1252 Frage 43): Ist die Bundesregierung bereit, der in der Zeitschrift „NATO REVIEW" von dem Staatsminister im britischen Außenministerium, Douglas Hurd, geäußerten Empfehlungen zu folgen, der Westen müsse im Rahmen der NATO angesichts der Versuche der Sowjetunion und der Staaten der Dritten Welt, über die UNO eine „neue Weltinformationsordnung" zu entwickeln, verstärkt eine gemeinsame Strategie erarbeiten? Auch die Bundesregierung hält eine engere Koordinierung des Westens und die Erarbeitung gemeinsamer Ziele und einer gemeinsamen Strategie durch die westlichen Staaten für notwendig, um in der Diskussion über eine „Neue Weltinformations- und Kommunikationsordnung" in der UNESCO und in den VN dem vom Westen vertretenen Grundsatz der grenzüberschreitenden Informationsfreiheit die ihm gebührende Geltung zu verschaffen. Für die Koordinierung innerhalb des Westens ist indes die NATO nur eines unter mehreren Foren; wichtig sind vor allem auch EPZ, UNESCO, VN und Europarat. Zur Verbesserung der Koordination des Westens in medienpolitischen Fragen der UNESCO - zu denen insbesondere auch die NWICO-ProbleAnlagen zum Stenographischen Bericht matik gehört - wurde auf Initiative der Bundesregierung vom Herbst 1981 in Paris eine ständige Konsultationsgruppe der westlichen Vertreter bei der UNESCO eingerichtet, die sich mit der Gesamtheit der medienpolitischen Fragen im Rahmen der UNESCO befaßt. Anlage 3 Antwort des Staatsministers Dr. Corterier auf die Frage des Abgeordneten Dr. Hennig (CDU/CSU) (Drucksache 9/1252 Frage 48): Welche amerikanischen Staaten haben den Interamerikanischen Vertrag über gegenseitigen Beistand (Rio-Pakt) vom 2. September 1947 bisher nicht ratifiziert, und hat die Bundesregierung Kenntnis von der Tatsache, daß die US-Regierung Nicaragua im August 1981 eine auf diesem Rio-Pakt basierende feierliche Nichtangriffserklärung angeboten hat, die von der nicaraguanischen Regierung nicht akzeptiert worden ist? Nach den der Bundesregierung vorliegenden Informationen haben folgende amerikanische Staaten den Interamerikanischen Vertrag über gegenseitigen Beistand von 1947 (sog. Rio-Pakt) weder unterzeichnet noch ratifiziert: Barbados, Grenada, Jamaica, Guyana, Belize, Dominicana, St. Lucia, St. Vincent und die Grenadinen, Antigua und Barbuda. Kuba hat im März 1960 bekanntgegeben, daß es sich nicht mehr an den Rio-Pakt gebunden erachte; Kanada ist dem Pakt lediglich als Beobachter beigetreten. Der Bundesregierung ist bekannt, daß die US-Regierung Nicaragua im August 1981 angeboten hat, sich gegenseitig die Zusage der Nichteinmischung und der Nichtintervention zu geben. Diese Zusage sollte für die USA in bezug auf Nicaragua, für Nicaragua in bezug auf benachbarte zentralamerikanische Länder gelten. Die nicaraguanische Regierung ist nach Wissen der Bundesregierung bisher auf dieses Angebot nicht eingegangen. Anlage 4 Antwort des Staatsministers Dr. Corterier auf die Frage des Abgeordneten Dr. Czaja (CDU/CSU) (Drucksache 9/1252 Frage 52): Welche Schlüsse zieht die Bundesregierung aus der von Präsident Reagan in seiner Fernsehansprache vom 23. Dezember 1981 bekanntgegebenen Tatsache, daß die Proklamation für das in Polen im Dezember verhängte Kriegsrecht bereits im September in der Sowjetunion gedruckt wurde? Die Bundesregierung hat keine nähere Kenntnis der Informationen, die zu der von Ihnen zitierten Äußerung des Präsidenten der Vereinigten Staaten geführt haben. Sie geht aber ebenso wie die amerikanische Regierung davon aus, daß die Sowjetunion 4592* Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 78. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 19. Januar 1982 seit langem schweren Druck auf die polnischen Reformbestrebungen ausgeübt hat. Anlage 5 Antwort des Staatsministers Dr. Corterier auf die Frage des Abgeordneten Milz (CDU/CSU) (Drucksache 9/1252 Frage 53): Trifft es zu, daß Art und Umfang der Kreditgewährung und die wirtschaftlichen Verpflichtungen gegenüber der Volksrepublik Polen u. a. Ursachen dafür sind, daß sich die Bundesregierung jetzt in ihrer Haltung zur Lage in Polen im Gegensatz zu allen führenden westeuropäischen Staaten und der USA so zurückhaltend verhält und nach Pressekommentaren eine sogenannte Politik der Leisetreterei vertritt? Die Feststellung in Ihrer Frage, daß die Bundesregierung sich gegenüber den Entwicklungen in Polen zurückhaltend verhalte, ist unzutreffend. Einen Vorwurf der „Politik der Leisetreterei" weise ich entschieden zurück. Die Bundesregierung hat nach der Verhängung des Kriegsrechts am 13. Dezember 1981 die ihr zur Verfügung stehenden und als angemessen erscheinenden Mittel eingesetzt, um der polnischen und der sowjetischen Führung die eigene Auffassung unmißverständlich darzulegen. Sie hat eindringlich dazu aufgefordert, zu einer Politik der Erneuerung und der Reform zurückzukehren bzw. diese nicht zu behindern. Ich verweise in diesem Zusammenhang auf die Erklärungen von Bundeskanzler Schmidt im Deutschen Bundestag vom 18. Dezember, die Bundestags-Entschließung vom gleichen Tage, die von der Bundesregierung mitgetragen wird, sowie auf die Briefe, die Bundeskanzler Schmidt am 25. Dezember 1981 sowohl an General Jarulzelski als auch an Generalsekretär Breschnew gerichtet hat. Bundesminister Genscher hat am 30. Dezember die Auffassungen der Bundesregierung Vize-Premier Rakowski mit Nachdruck erläutert, nachdem er vorher schon die Resolution des Deutschen Bundestages dem polnischen Geschäftsträger ausführlich dargelegt hatte. Die Haltung der Bundesregierung kommt ferner in der deutsch-amerikanischen Erklärung vom 5. Januar 1982 sowie in den Abschlußerklärungen des EG-Außenministertreffens vom 4. Januar und des NATO-Außenministertreffens vom 11. Januar 1982 in aller Deutlichkeit zum Ausdruck. Auch die beiden letztgenannten Erklärungen sind unter maßgeblicher Beteiligung der Bundesregierung zustandegekommen. Anlage 6 Antwort des Staatsministers Dr. Corterier auf die Fragen des Abgeordneten Engelsberger (CDU/CSU) (Drucksache 9/1252 Fragen 54 und 55): Auf Grund welcher Erkenntnisse ist die Bundesregierung zu der von den USA und anderen NATO-Ländern abweichenden Ansicht gelangt, daß Moskau in Polen bei der Verhängung des Kriegsrechts keinen Einfluß genommen habe, und wie ist diese ursprüngliche Bewertung der Vorgänge wiederum mit der Äußerung von Bundesaußenminister Genscher in Einklang zu bringen, daß die Sowjetunion für die Vorgänge in Polen Verantwortung trage? Muß aus der Aussage von Bundeskanzler Schmidt, in Jalta sei Europa in Einflußsphären geteilt worden und jede Veränderung der bestehenden Machtverhältnisse müßte Krieg bedeuten, der Schluß gezogen werden, daß nach Ansicht des deutschen Regierungschefs die ohne Mitwirkung der osteuropäischen Völker zustandegekommene Einbeziehung in den kommunistischen Machtbereich erhalten bleiben und für die 17 Millionen Deutschen in der DDR das Wiedervereinigungsgebot des Grundgesetzes keine Gültigkeit mehr haben solle, während andererseits der französische Staatspräsident Mitterrand in seiner Neujahrsrede den Wunsch geäußert hat, den Vertrag von Jalta und die sich daraus ergebende Teilung Europas zu überwinden? Zu Frage 54: Die Bundesregierung hat von Anfang an mit großer Sorge den schweren Druck der Sowjetunion auf die innere Entwicklung in Polen beobachtet. Aus dieser Sorge heraus hat sich der Bundeskanzler bereits am 25. Dezember 1981 an Generalsekretär Breschnew gewandt und damit unmißverständlich die Verantwortung der Sowjetunion deutlich gemacht. Diese weiterhin gültige Bewertung der Vorgänge in Polen durch die Bundesregierung ist zuletzt in der von ihr mitgetragenen und unter ihrer Mitwirkung entstandenen Erklärung der NATO-Außenminister vom 11. Januar 1982 eindeutig zum Ausdruck gebracht worden. Zu Frage 55: Diese Frage beantworte ich mit „nein", ohne daß ich mir damit Ihre Wiedergabe der Äußerungen des Bundeskanzlers zu eigen mache. Die Politik der Bundesregierung zielt, und zwar in voller Übereinstimmung und mit Unterstützung aller ihrer westlichen Partner, darauf ab, die Trennungslinie, die Europa teilt, zu überwinden. Ein Meilenstein dieser Politik des friedlichen Wandels ist die Schlußakte von Helsinki. Im übrigen hält die Bundesregierung an ihrem Ziel fest, wie es im Brief zur deutschen Einheit im Zusammenhang mit dem Moskauer Vertrag und dem Grundvertrag mit der DDR seinen Niederschlag gefunden hat, auf einen Zustand des Friedens in Europa hinzuwirken, in dem das deutsche Volk in freier Selbstbestimmung seine Einheit wiedererlangt.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Manfred Abelein


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Ermahnung des Parteivorsitzenden Willy Brandt, sich in diesen Debatten keine Entgleisungen zu leisten, war wohl eine Ermahnung an seinen Parteikollegen Helmut Schmidt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Was passiert ist, läßt sich nun schlecht rückgängig machen. Aber ich nehme an, Sie haben das auf den heutigen Tag bezogen und für den Fall gemeint, daß er in dieser Debatte das Wort ergreifen sollte.
    Ihre Ausführungen über Frankreich habe ich sehr aufmerksam verfolgt. Sie meinten, in Frankreich sei vielleicht eine gewisse Stimmung vorhanden, den Deutschen wegen ihres Auftretens in der Vergangenheit eins auszuwischen. Ich vermute, dabei haben Sie wieder an Ihren Parteikollegen Helmut Schmidt gedacht. Wer sich so lange als Führer der westlichen Welt aufspielt und dann in einer gegenwärtigen Krise so kläglich versagt, braucht sich nicht zu wundern, wenn das Ausland diese Gelegenheit für eine derartige Kritik nutzt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, ich möchte mich der Außenpolitik zuwenden, weniger dem finanziellen Teil. Der finanzielle Teil sieht hier natürlich genauso katastrophal aus wie die finanzielle Lage überhaupt.

    (Bundesaußenminister Genscher: Doch, er ist hier!)

    erneut Gemeinsamkeiten gewünscht, hauptsächlich in der Polenfrage; aber ich nehme an, Sie meinten das wohl generell. Wir sind eigentlich von vornherein einer solchen Bitte um Gemeinsamkeit überhaupt nicht verschlossen. Denn wir waren es ja, die Ende des letzten Jahres die Basis für eine gemeinsame Entschließung des Bundestages geschaffen haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wieso sollte das im Laufe dieser Debatte oder in Zukunft nicht wieder möglich sein?
    Nur frage ich mich, Herr Genscher: War denn der Appell zu einer Gemeinsamkeit in der Außenpolitik an uns gerichtet, oder war er nicht vielmehr an Ihren Koalitionspartner und an viele Ihrer eigenen Parteifreunde gerichtet? Denn die Schwierigkeiten für eine gemeinsame Außenpolitik liegen doch nicht bei uns. Wir haben es oft erlebt — auch im Auswärtigen Ausschuß in Ihrer Gegenwart —, daß wir Ihre treuesten Unterstützer waren und daß die eigentliche Opposition gegen Sie dort drüben saß.

    (Beifall bei der CDU/CSU) So ist es hier wieder.

    Wenn Sie diese Bitte um Gemeinsamkeit aussprechen, dann muß es im übrigen eine überzeugende Bitte von seiten der Regierung sein. Es darf nicht so sein wie in der letzten Sitzung, daß Sie eine solche Bitte oder einen solchen Wunsch aussprechen, während Herr Schmidt ein Verhalten an den Tag legt,
    das eine solche Gemeinsamkeit von vornherein unmöglich macht.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wenn wir angesichts eines solchen Verhaltens auch noch Gemeinsamkeit anbieten würden, dann käme das ja einer Anbiederung gleich. Das können Sie uns nicht zumuten.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Auf Ihrer Seite müßte eigentlich einmal klargestellt werden, ob Sie Gemeinsamkeit mit uns überhaupt wollen, ob es eine von Ihnen allen gemeinsam getragene Bitte ist. Wenn j a, dann sind wir bereit, darüber zu reden.

    (Zuruf von der SPD: Auch über den Inhalt?)

    — Natürlich geht es auch um den Inhalt. Darauf komme ich noch zu sprechen. Wir haben Ihnen im übrigen in den letzten Jahren oft genug Gemeinsamkeit auf wichtigen Gebieten angeboten. Sie haben sie letztlich immer zurückgewiesen.
    Aber wichtiger ist folgendes. Angenommen, Sie wollten mit uns Gemeinsamkeit und wir wären bereit, mit Ihnen Gemeinsamkeit zu demonstrieren, dann stellt sich natürlich die erhebliche Frage: Mit wem und womit sollen wir eigentlich Gemeinsamkeit demonstrieren? Mit Genscher-Brandt, Bahr, Eppler oder mit Schmidt? Jede dieser personell umrissenen Positionen unterscheidet sich von der anderen. Die eine oder die andere liegt vielleicht dazwischen, hat mehr einen fluktuierenden Charakter, wie vielleicht bei Helmut Schmidt. Aber die anderen schließen sich gegenseitig aus.
    Die Bundesregierung muß zuerst überzeugend, glaubwürdig und verbindlich darstellen, welches eigentlich der Inhalt ihrer Außenpolitik ist. Dann, bin ich überzeugt, wird es nicht schwierig sein, gemeinsame Punkte zu finden, über die wir uns einigen können. Ich vermute allerdings, diese Schwierigkeiten beginnen bereits auf der Ebene Schmidt/ Genscher, ganz zu schweigen von den Schwierigkeiten zwischen den anderen Gruppen, die ich vorher genannt habe.
    Das Entsetzen Genschers, die Polen-Krise könnte zu einer Krise der westlichen Welt werden, ist nur allzu verständlich. Ich kann mir gut vorstellen, welche Genugtuung die Kreml-Führung erfaßt hat, als sie wohl zu ihrem eigenen Erstaunen feststellte, daß diese Polen-Krise, die brutale Ausrufung des Kriegsrechts in Polen, zu einer höchst verwirrenden Wirkung im westlichen Lager und besonders in der Bundesrepublik Deutschland, innerhalb dieser Regierungskoalition geführt hat. Diese unangenehme Überraschung, vor die sich die Bundesregierung gestellt sah, ist nicht von der Opposition herbeigeredet worden. Sie geht auch nicht auf eine mächtige negative Propaganda der Opposition zurück; so einflußreich sind wir weder im Inland noch im Ausland. Verwunderlich ist allenfalls, daß der außenpolitische Schaden nicht noch viel größer ist angesichts der Erfahrungen, die wir gemacht haben, nachdem sich Helmut Schmidt in den letzten Wochen und Monaten im empfindlichen Porzellanladen der auswärti-



    Dr. Abelein
    gen Beziehungen zu unseren westlichen Partnern elefantengleich bewegt hatte.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der SPD: Das gilt doch für Sie!)

    Vor Jahren ist ein sehr bekanntes Buch erschienen, nämlich „The Ugly American", das zum Ausdruck brachte, welch äußerst schlechtes Ansehen die Amerikaner in vielen Teilen der Welt hatten. Heute könnte man ein solches Buch über The Ugly German, über den häßlichen Deutschen schreiben. In den letzten Wochen treten in erschreckender Weise im westlichen Ausland alte Ressentiments gegen die Deutschen wieder hervor.

    (Dr. Ehmke [SPD]: Und Sie machen sie sich noch zu eigen!)

    — Ich rede nicht vom östlichen, sondern vom westlichen Ausland. — Man wirft uns angesichts der polnischen Krise vor, daß wir nicht eindeutig gegen die Unterdrückung der polnischen Freiheit eingetreten seien, daß uns der Osthandel wichtiger sei als das Schicksal der Freiheit von Millionen Polen. Die Rücksicht auf die Sowjetunion gehe allem anderen voran, besonders aber der Einheit im Lager der westlichen Verbündeten.
    Diese Kritik trifft die Bundesregierung zweifellos generell. Aber sie trifft insbesondere die SPD und ihren Vorsitzenden. Ich muß Ihnen gestehen, Herr Brandt: Sie haben mich in der Vermutung, daß diese Kritik zutreffen könnte, durch Ihre heutigen Ausführungen eigentlich eher bestärkt, als daß ich davon abgekommen wäre.

    (Sehr wahr! bei der CDU/CSU)

    Die Vorwürfe kommen im übrigen aus allen maßgeblichen westlichen Hauptstädten — von Washington über London, Paris bis Rom — und auch aus allen politischen Lagern.

    (Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

    Es fehlt die Zeit, all die vielen Stimmen aufzuzählen. Nehmen wir beispielsweise das britische Massenblatt „The Sun", eher Ihnen zuneigend, also eher ein Sympathisant unserer linken Bundesregierung. Es meint, wir, die die Polen einstmals unterdrückt hätten, hätten ihnen eigentlich als erste beistehen müssen. Dabei war nicht nur gemeint, Herr Brandt, mit Lebensmittelpaketen, sondern auch mit politisch wirksamen und mit moralischen Aktionen,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    d. h. nicht nur mit Verständnis für die schwierige Situation des gegenwärtigen polnischen Regimes. Es geht so weit, daß gewichtige politische Stimmen des Auslandes die Haltung dieser Bundesregierung bereits als friedensgefährdend darstellen.
    Bezeichnend ist, daß sich Ausläufer dieser antideutschen Stimmung jetzt bereits in Polen zeigen, wo es Stimmen gibt, die die deutschen Lebensmittelpakete eher als eine Entschuldigung, als ein Alibi qualifizieren mit Blick auf die politische und moralische Unterstützung, die wir ihnen weitgehend vorenthalten. Angesichts der Haltung der Bundesregierung, Zurückhaltung zu demonstrieren — Sie nannten es „Besonnenheit"; in der Sache ist es genau dasselbe —, vielleicht sogar so etwas wie Verständnis für die russische und polnische Militärdiktatur zu zeigen, denen ja eigentlich gar nichts anderes übrigblieb und die das noch relativ humanste Mittel zur Beseitigung einer gefährlichen Unruhe in Polen ergriffen haben — gefährlich, wie Sie meinen, hauptsächlich für uns, vielleicht weniger für die Polen —, kommen manche Polen zu dieser Meinung.
    In der Tat muß man sich in diesem Zusammenhang fragen: Wo bleiben denn die mächtigen Massendemonstrationen beispielsweise des Herrn Eppler in der gegenwärtigen Situation?

    (Sehr wahr! bei der CDU/CSU — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Wenn ein General in Südamerika oder in Asien hustet, dann ergreift die Bundesregierung und die SPD eine seltsame Erregung.

    (Zuruf von der SPD: Das ist nicht zu vergleichen!)

    Jetzt zeigen Sie vielleicht Ärger oder Unbehagen darüber, daß es nicht mehr so gelingt, die Bevölkerung hier in der Bundesrepublik Deutschland über die tatsächliche Weltsituation und unsere Bedrohung hinwegzutäuschen. Sie sind darüber aufgebracht, weil die so schön angefachte antiamerikanische Stimmung jetzt in eine antideutsche Stimmung umzuschlagen droht.
    Das Entsetzen Genschers, die polnische Krise könnte zu einer Krise des westlichen Bündnissystems werden, sein Wunsch nach Gemeinsamkeit der politischen Parteien in dieser Situation sind sehr wohl zu verstehen. Der Scherbenhaufen der deutschen Außenpolitik ist groß. Er war noch nie so groß, seit es die Bundesrepublik Deutschland gibt. All die atemberaubenden außenpolitischen Aktivitäten, Herr Außenminister, die schönen Reisen — und jetzt ist alles umsonst.

    (Glos [CDU/CSU]: Hört! Hört! — Löffler [SPD]: Das ist ein Stil, in dem unsere Außenpolitik hier behandelt wird! Und das von einem deutschen Professor!)

    Daß Sie wie bei allem versuchen, dem Ausland und uns die Schuld in die Schuhe zu schieben, ändert daran nichts.
    Im übrigen muß ich sagen: Wenn sich Helmut Schmidt im Ausland genauso aufführt wie hier im Bundestag, dann kann ich das Wort vom „häßlichen Deutschen" sehr wohl verstehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Brandt [SPD]: Stichwortgeber! — Weitere Zurufe von der SPD)

    Wichtige Zeitungen und Zeitschriften in Amerika und Frankreich meinen — fast wörtlich —, eine andere Bundesregierung wäre besser für das westliche Bündnis. Diesen Äußerungen wollen wir uns uneingeschränkt anschließen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Löffler [SPD]: Lassen Sie sich vom Ausland vorschreiben, welche Regierung wir haben müssen? Das entscheidet unser Volk!)




    Dr. Abelein
    Meine Damen und Herren, der bedeutende Historiker und Geschichtsphilosoph Helmut Schmidt,

    (Lachen bei der CDU/CSU)

    auf der Suche nach tieferem Verständnis für den schwierigen Verlauf der aktuellsten Zeitgeschichte und ihrer betrüblichen Auswirkungen für die Bundesregierung, hat Konferenz und Abkommen von Jalta entdeckt. Daß seine Interpretation ganz offensichtlich völlig falsch ist, tut ihrer Bedeutung keinerlei Abbruch. Aber sie ist auch schlimm; sie ist in ihrer Außenwirkung verheerend. Sie wäre schlimm genug, wenn sie nur uns Deutsche beträfe, wenn sie damit gleichsam international legalisierte, daß ein großer Teil des deutschen Volks nach wie vor in Unterdrückung und Abhängigkeit leben muß.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Aber sie ist in der gegenwärtigen Situation noch schlimmer wegen ihrer außenpolitischen Wirkung, denn sie betrifft jetzt besonders die Polen, die Tschechen, die Ungarn, die Deutschen — kurz: alle, die unter der Diktatur der Sowjetunion leben müssen

    (Brandt [SPD]: Und Schmidt ist daran schuld?!)

    und nach Schmidts Interpretation doch auch ganz offensichtlich leben sollen,

    (Lebhafter Widerspruch bei der SPD — Brandt [SPD]: Unerhört!)

    weil ihre Freiheit, j a ihre Sehnsucht nach Freiheit ganz offensichtlich die Friedensordnung von Jalta gefährdet.

    (Wehner [SPD]: Ist das christlich, diese Lügen zu verbreiten? — Dr. Spöri [SPD]: Dreckschleuder! — Weitere lebhafte Zurufe von der SPD)

    — Ich kann mir gut vorstellen, daß Ihnen diese Dinge äußerst unangenehm sind. Sie sind es wirklich.
    Mit anderen Worten: Wir dürfen zwar die Unterdrückung der Polen durch kommunistische Generale und die Russen verbal verurteilen, aber bitte recht milde, mit durchklingendem Verständnis für ihre schwierige Lage, aber bitte kein politischer Druck, keine Aktion, und schon gar nicht zusammen mit den Amerikanern, denn das wäre wohl für Sie das Kompromittierendste.
    Nehmen wir den jüngsten Brandt — denn er redet ja auf verschiedenen Tribünen anders —, den Brandt von diesem Wochenende. Er sagte laut Presseberichten wörtlich:
    Es gibt gute Gründe für die Annahme, daß das polnische Militär in eigener Verantwortung gehandelt hat, weil das Land in einer schier ausweglosen Situation stand.
    Aber das ist doch genau das Gegenteil von dem, was diese Bundesregierung sagt! Das ist doch genau das Gegenteil von dem, was in der Resolution steht, die Sie zum Ausgangspunkt einer gemeinsamen Aktion machen mußten!

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Deswegen sage ich: Klären Sie doch bitte einmal im Rahmen Ihrer Regierungskoalition, was bei Ihnen tatsächlich gilt.

    (Zuruf von der SPD: Er ist nicht zitierfähig!)

    — Sie meinen Brandt? Es ist sicher schwer, ihn zu zitieren, aber leider hat er das gesagt.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das Schlimme ist, daß er so denkt!)

    Ich zitiere weiter Brandt:
    Polen erschien nicht mehr regierbar. Das alte Regime hatte vollständig abgewirtschaftet, und die junge Gewerkschaft konnte der Situation nicht gewachsen sein.
    Das ist j a hochinteressant! Weil das alte Regime abgewirtschaftet hat, hat Polen jetzt ein neues Regime, das der Lage offensichtlich gewachsen ist; die Gewerkschaften waren es j a nicht.

    (Dr. Ehmke [SPD]: Mein Gott!)

    Hier kommt zum Ausdruck, daß die Militärdiktatoren in Polen — gleichsam dankenswerterweise — das Land aus einer ausweglosen Situation gerissen haben. Zwar zeigen Sie jetzt, wie Sie gesagt haben, Trauer, aber das ist auch alles.

    (Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: Der letzte Heuler!)

    Mit einer solchen Haltung können Sie von uns nicht Gemeinsamkeit verlangen!

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Noch einmal zurück zu Helmut Schmidt und zu Jalta, weil das Sie ja so empört hat.

    (Zuruf von der SPD: Sie müssen weiter zurückgehen!)

    — Es macht die Sache nicht besser, wenn ich bei Ihnen oder bei ihm noch weiter zurückgehe.

    (Löffler [SPD]: Bei Ihnen wird die Sache nicht besser! — Weiterer Zuruf von der SPD: Weiter können Sie nicht!)

    Meine Damen und Herren, es gab j a Gespräche zwischen Helmut Schmidt und Mitterrand. Mitterrand hat offensichtlich ganz andere Vorstellungen bespielsweise zu Jalta. Auch er hat sich dazu geäußert. Er will von Jalta heraus, Sie wollen nach Jalta hinein.

    (Lachen bei der SPD)

    Einen fundamentaleren Gegensatz gibt es überhaupt nicht mehr.

    (Zurufe von der SPD)

    Hier zeigen sich im übrigen — und Sie, Herr Brandt, haben j a davon gesprochen — sehr grundlegende Risse auch in den Beziehungen zwischen der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch diese Bundesregierung, und den Franzosen.

    (Zuruf von der SPD: Der alternative Außenminister! — Weitere Zurufe von der SPD)




    Dr. Abelein
    — Ich finde Ihren Lärm und Ihre Unruhe völlig unangebracht. Es stört mich weiter nicht,

    (Löffler [SPD]: Wir wollen Sie auch gar nicht stören!)

    aber es zeigt Ihre innere Einstellung. Noch ein Wort zu Polen:

    (Löffler [SPD]: Sie sollen das ruhig so verkünden, daß jeder es mitbekommt!)

    Wir sagen uneingeschränkt ja zu jeder Art von Hilfe, die direkt der Bevölkerung zugute kommt, wir haben aber große Bedenken gegenüber Hilfeleistungen, die kommunistischen Regierungen zugute kommen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Weitere Zurufe von der SPD)

    Die Bundesregierung muß das ganze System wirtschaftlicher Hilfeleistungen — ich meine, das System der gesamten Wirtschaftsbeziehungen mit dem Osten überhaupt — überdenken. Wir sind bereit, mit Ihnen zusammen auch praktikable Lösungen zu finden. Unwiederbringliche Kreditleistungen in Milliardenhöhe zu Lasten des deutschen Steuerzahlers, ohne daß es zu einer wirksamen Sanierung sowjetischer bzw. kommunistischer Gesellschaften käme, können jedenfalls kein wirksames Mittel künftiger Politik mehr sein.
    Die Forderungen nach Aufhebung des Kriegsrechts, nach Entlassung der politischen Gefangenen, nach Aufnahme der Gespräche zwischen Regierung, Kirche und Gewerkschaften sind kein Gegenstand von Streit zwischen uns; sie werden von uns natürlich voll mitgetragen. Aber was nützt es, wenn es bei diesen verbalen Demonstrationen bleibt? Selbst ein kurzfristiges taktisches Entgegenkommen von sowjetischer oder von polnischer Seite nützt im Grunde gar nichts. Leider drängt sich uns die Vermutung auf, daß die Bundesregierung gegenwärtig dabei ist, das Ganze wieder nach Schema F ablaufen zu lassen: uneinheitliche, von Moskau nicht ernstgenommene verbale Proteste, Zeitgewinn, Spekulation auf das ermüdende Interesse des politischen Publikums, und dann bleibt alles beim alten. So war es bisher immer, so war es bei Afghanistan. Dann kann ja die durch Jalta legalisierte Friedhofsruhe im Osten wiederhergestellt werden. Jalta ist ein fatales Wort, weil wir uns nämlich dem Verdacht aussetzen, daß die Unfreiheit und die wirtschaftliche Not der anderen der Preis dafür sind, daß wir in Frieden, Freiheit und Wohlstand leben können. Dann brauchen wir uns nicht darüber zu wundern, wenn auch in den Kreisen der östlichen Völker jetzt über uns schlecht gedacht wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    Man nehme nur Stimmen aus Ihrer eigenen Koalition. Ich könnte Sie unendlich lange weiter zitieren. Beispielsweise ein Wort aus Führungsgremien der FDP: man müsse Jaruzelski Vertrauen entgegenbringen, man müsse ihm Zeit lassen.

    (Haase [Kassel] [CDU/CSU]: Wie seinerzeit Gierek!)

    All das wollen die Sowjets. Denn alles das war ja schon einmal: bei Polen, bei Ungarn, der Tschechoslowakei, der DDR, jetzt wieder Polen, bei Afghanistan.

    (Zurufe von der SPD)

    Wir wehren uns dagegen, daß es so in alle Zukunft weitergehen soll.
    Das soll jetzt mehr ein Wort direkt an die außenpolitische Administration sein. Planung ist für die Bundesregierung j a ein großes Wort. In dieser Bundesregierung wird alles prospektiv geplant. Große Planungsinstitutionen sind eingerichtet worden. Ein Instrumentarium ist entwickelt worden, Krisenstäbe analysieren Szenarien. In der Zwischenzeit ist die Bundesregierung ja selber ein ständiger Krisenstab geworden — angesichts der Krise innenpolitisch und außenpolitisch auf allen Gebieten. Wieso haben Sie eigentlich nicht ein wirtschaftliches und politisches Instrumentarium für die Polenkrise entwickelt? Denn das Ganze kam j a nicht überraschend. Sie haben uns doch seit Wochen und Monaten die polnische Entwicklung vorgetragen. Sie haben doch erwartet, daß etwas kam, teilweise noch viel Schlimmeres. Wieso sind Sie jetzt so maßlos überrascht? Im Grunde haben Sie j a doch gewußt, was passiert. Daran ändern auch die in meinen Augen beschämenden Erklärungen von Helmut Schmidt und Honecker bei seinem Besuch in der DDR nichts.

    (Zurufe von der SPD)

    Denn die undifferenzierte Art, in der Schmidt sich hier auf die gleiche Basis mit Honecker stellte, zeigt eine komplette Verschiebung alter außenpolitischer Werte.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Man braucht sich nicht zu wundern, wenn darüber das westliche Ausland irritiert ist. Man hat den Eindruck, Sie stehen taumelnd und überrascht einer außenpolitischen Krise nach der anderen gegenüber. Während der Krieg in Afghanistan noch andauert, wird bereits das Kriegsrecht in Polen praktiziert. Morgen kommt der nächste Überfall auf ein anderes Volk, und die Bundesregierung ist immer überrascht.

    (Voigt [Frankfurt] [SPD]: Sagen Sie, auf welches!)

    Von irgendeiner Form vorausschauender Außenpolitik auf der Grundlage eines einheitlichen Konzeptes kann jedenfalls bei dieser Bundesregierung überhaupt keine Rede sein.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Nehmen wir beispielsweise das Erdgasgeschäft, das die Bundesregierung mit der Sowjetunion abgeschlossen hat. Die Bundesregierung schließt unter kräftiger Verstimmung der USA ein Abkommen mit der Sowjetunion ab — mit der Sowjetunion, die nach den eigenen Aussagen dieser Bundesregierung für den Kriegszustand in Polen hauptverantwortlich ist —, ein Abkommen, das dieser sowjetischen Regierung jährlich Milliardenbeträge bringt, die dann nachher — es ist jedenfalls nicht auszuschließen —



    Dr. Abelein
    direkt oder indirekt wieder zu unserer Bedrohung eingesetzt werden.

    (Graf Huyn [CDU/CSU]: So ist es!)

    Durch dieses gigantische Gas-Röhren-Geschäft, das die Bundesregierung entgegen den Bedenken der Regierung in Washington abgeschlossen hat, hat die Bundesregierung beispielsweise die amerikanische Führungsrolle eindeutig herausgefordert und in Frage gestellt. Die neuen Abhängigkeiten, um die es sich hier handelt — denn rund ein Drittel des deutschen Gasbedarfs soll ja jetzt aus der Sowjetunion kommen —, vermindern die Aussichten, Bonn werde sich in Zukunft jemals zur Anwendung wirtschaftlicher Sanktionen bewegen lassen, leider zusätzlich.
    Auf Sicherheitsbedenken von seiten der Opposition hingewiesen, erklärte der zuständige Minister, natürlich stünden Abschluß und Durchführung des Erdgasgeschäftes im Zusammenhang und hingen von dem Verhalten der Sowjets in Afghanistan und in Polen ab.

    (Graf Huyn [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

    Für den unvoreingenommenen Beobachter kann das nur heißen: Solange die Sowjetunion in Afghanistan Krieg führt und Kriegszustand in Polen herrscht, gibt es kein Geschäft, das der Sowjetunion Milliardenbeträge zuführt, weil eben die Geschäftsgrundlage nicht mehr besteht. Aber weit gefehlt: Die Bundesregierung tut so, als habe es diesen Zusammenhang nie gegeben, als habe sie etwas Ähnliches nie gesagt. Die Sowjetunion hat diese Drohung von seiten der Bundesregierung — davon gehe ich aus — ohnehin nicht ernst genommen — zu Recht nicht. Denn man kann diese Bundesregierung im Grunde nicht mehr ernst nehmen.

    (Lachen bei der SPD)

    Außenwirtschaft und Außenpolitik gehören nämlich zusammen. Das zeigen jetzt beispielsweise die Polenkredite,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    die zu einem der größten Desaster der westlichen und damit auch der bundesrepublikanischen Bankenwelt auszuarten drohen. Es war im übrigen interessant, in diesem Zusammenhang zu hören, daß wir dann — eine Drohung, ausgesprochen gegenüber Bundesrepublik und Bundesregierung —, wenn wir in der Polenkrise nicht entsprechendes Wohlverhalten zeigen würden, selbst die finanziellen Konsequenzen wegen der notleidenden Kredite zu tragen hätten.

    (Carstens [Emstek] [CDU/CSU]: So weit ist es gekommen!)

    Diese Erfahrungen dürfen bei künftigen Wirtschaftsmaßnahmen gegenüber sozialistischen Staaten nicht mehr außer acht gelassen werden.
    Zugegeben: Der gegenwärtige Zeitpunkt für eine transatlantische Diskussion über Sanktionen gegenüber Polen und der Sowjetunion ist angesichts dieser Diskussion nicht mehr sehr günstig. Aber hier liegen schwerwiegende Versäumnisse der Bundesregierung vor. Es wäre besser gewesen, hinsichtlich der Problematik von gemeinsamen Wirtschaftssanktionen als eines den Frieden nicht gefährdenden, aber eine deutlich fühlbare Warnung aussprechenden Mittels unbelastet vom Druck einer akuten Krise zu überlegen und zu entscheiden; das haben Sie versäumt. Aber jetzt muß gehandelt werden, wenn in den transatlantischen Beziehungen der Bundesrepublik Deutschland nicht noch größerer Schaden entstehen soll, als er ohnehin schon vorliegt. Denkbare Möglichkeiten dafür sind: keine weiteren staatlichen oder privatwirtschaftlichen Kredite an Polen und an die Sowjetunion, Aussetzung der Umschuldungsverhandlungen bezüglich der Polenkredite, verschärftes Embargo für Technologietransfer mit militärischer oder auch militärisch-ziviler Nutzungsmöglichkeit, Aussetzung des wissenschaftlichen Austausches mit der Sowjetunion und Polen und — eventuell — Beschränkung der Aktionsmöglichkeiten sowjetischer und polnischer Diplomaten und Journalisten im Westen — nur den dortigen Beschränkungen entsprechend.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU — Zurufe von der SPD)

    In diesen Tagen findet die Bundesregierung — ich habe es bereits kurz angesprochen — eine ausländische Presse wie nie zuvor. Die Vorwürfe lauten: mangelnde Solidarität mit dem Westen, Unzuverlässigkeit, Anmaßung, Rückfall in außenpolitische Verhaltensweise des Dritten Reiches, Nationalismus, Neutralismus. Ob sie alle zu Recht oder zu Unrecht bestehen, darauf will ich nachher noch kurz eingehen.

    (Wehner [SPD]: Hauptsache, Sie zitieren sie, damit Sie etwas gegen uns haben!)

    Aber dieses Meinungsbild ist ein Politikum in sich selbst, wofür diese Bundesregierung und ihr Verhalten in hohem Maße ursächlich sind.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Brandt [SPD]: Sie sind ein fabelhafter nationaler Mann!)

    Eine der schlimmsten Darstellungen — ich glaube, sie wurde schon einmal angesprochen — findet sich in einer bekannten französischen Zeitschrift, in der Helmut Schmidt — vor dem Hintergrund Adolf Hitlers und Stalins, die 1939 Polen teilten — dargestellt wird, wie er, vor Breschnew kniend, diesem die Stiefel putzt.

    (Brandt [SPD]: Was sagen Sie dazu?)

    Das ist sicher eine maßlos überzogene und weitgehend auch unzutreffende Darstellung, vor der man Helmut Schmidt in Schutz nehmen muß,

    (Brandt [SPD]: Ach so! — Wehner [SPD]: Wie gnädig!)

    weil er unser Bundeskanzler ist, auch wenn er ein schlechter Bundeskanzler ist. Davor muß man ihn in Schutz nehmen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Wehner [SPD]: Verleumden, aber bei Gelegenheiten heucheln! Das nenne ich Strolchewismus, was Sie machen!)




    Dr. Abelein
    — Herr Wehner, vielleicht sollte man ihn auch vor Ihnen in Schutz nehmen. Aber das ist eine innerparteiliche Angelegenheit der SPD.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Wehner [SPD]: Sie sind doch Heuchler!)

    Das Bezeichnende an dieser Karikatur ist aber die böse Stimmungslage, die darin gegen Deutschland zum Ausdruck kommt. Sie wird, Herr Außenminister, den Aktionsradius und die Möglichkeiten der deutschen Außenpolitik in Zukunft erheblich und empfindlich erschweren. Deswegen ist Ihre Besorgnis angesichts dieser Situation schon angebracht. Nach so viel Mühen so viel Scherben, das ist für Sie in der Tat schwer zu ertragen.

    (Löffler [SPD]: Schwer zu ertragen ist vor allen Dingen Ihre Rede, damit man mal klarstellt, was schwer zu ertragen ist!)

    An dieser trostlosen Situation ändern auch Gespräche zwischen Schmidt und Reagan, die eigentlich nur deutlich machen, daß man sich über die wichtigsten Punkte nicht einig ist, überhaupt nichts. Eine Pressestimme: „Es war, wie wenn zwei aus einem Haufen von Scherben die noch unbeschädigten Geschirrteile heraussuchen." Oder eine französische Stimme — sie ließen sich endlos vermehren; es sind nur ganz wenige Beispiele — gab ihren Eindruck bezeichnenderweise so wieder: „Kein Beobachter kann leugnen, daß das Treffen Schmidt/Reagan zur großen Freude der Sowjets die Abkoppelung Europas von den Vereinigten Staaten bedeutete."

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU) Das ist eine böse Stimmung.

    Daß Sie, Herr Außenminister, als Zeuge in dieses Gespräch und damit in die Verantwortung mit verwickelt, Ihren Kabinettskollegen nicht kompromittieren möchten und etwas anderes sagen, ist nur allzu verständlich. Nur eines: Man kann nicht gleichzeitig in einer Person zum gleichen Zeitpunkt Zeuge und Komplize sein.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Auch die Blitz-Visite auf Grund einer Selbsteinladung von Helmut Schmidt beim französischen Staatspräsidenten mit einem schweigenden Mitterrand, und einem ein einseitiges Einmütigkeitskommuniqué herausgebenden Helmut Schmidt förderte nichts Besseres zutage; denn sie waren sich eigentlich in den fundamentalen Fragen — davon habe ich bereits gesprochen — uneinig. Und heute ist es so, daß eine französische Regierung, bestehend aus Sozialisten und Kommunisten — man stelle sich einmal die Schwierigkeiten dieser Regierung vor —,

    (Lachen bei der SPD — Dr. Ehmke [ SPD]: Ach nein!)

    dennoch den Amerikanern näher steht als diese gegenwärtige Bundesregierung, jedenfalls ist das der internationale Eindruck von der gegenwärtigen Situation.
    Eines jedenfalls steht fest:

    (Wehner [SPD]: Sie stehen fest! — Löffler [SPD]: So unterstützen Sie die Kommunisten in Frankreich! Das können die bei der nächsten Wahl natürlich zitieren!)

    Die außenpolitischen Beziehungen zu unseren wichtigsten Bündnispartnern sind empfindlich gestört.

    (Unruhe bei der SPD)

    Sie, Herr Außenminister, fordern natürlich eindringlich, aus der polnischen Krise doch bitte keine westliche Krise entstehen zu lassen. Wenn Sie doch zutreffender formuliert hätten: keine westliche Krise offenbar werden zu lassen! Denn diese Krise besteht natürlich schon seit langem. Sie war vielleicht nur nicht allen so sichtbar, wie sie es heute ist.
    Die Beschlüsse der europäischen Außenministerkonferenz und der NATO zeigen mattes Bemühen auf der Grundlage des kleinsten gemeinsamen Nenners. Alle verbalen Forderungen nach Aufhebung des Kriegsrechts, Entlassung der in den Konzentrationslagern Schmachtenden, Wiederaufleben des Dialogs in Polen zwischen Gewerkschaft, Kirche und Staat verhüllen eigentlich kaum den Zweck, Zeit zu gewinnen. Man will nichts, was der Sowjetunion empfindlich sein könnte, unternehmen. Infolgedessen wird man auch niemanden beeindrucken, die Sowjetunion zu allerletzt.

    (Zuruf von der SPD: Der letzte kalte Krieger!)

    Wieso hat denn die Bundesregierung mit den Amerikanern nicht ernsthaft über Nutzen und Art von Sanktionen verhandelt, ohne den Eindruck zu erwecken, partout eigene Wege gehen zu wollen?
    Die Meinungsunterschiede über Polen haben die Verstimmung zwischen Amerika und der Bundesrepublik Deutschland zwar verschärft, aber vorhanden waren sie schon lange. Die von großen Teilen, von allen Teilen der Koalition — allerdings hauptsächlich von der einen Seite — mit getragene und teilweise ausgelöste Pazifismuswelle und die Kritik breiter Kreise der Regierungskoalition — bis hinein in die Reihen der Mitglieder der Bundesregierung — an der nuklearen Nachrüstung haben schon vorher die Beziehungen nachhaltig getrübt. In der Zwischenzeit gibt es längst fundamentale Zweifel daran, ob die außenpolitischen Interessen der Bundesrepublik Deutschland, die wir verfolgen, und die Interessen der Vereinigten Staaten von Amerika tatsächlich noch die gleichen sind. Die ständige Kritik an einer angeblich zu risikofreudigen Politik Reagans und die dem amerikanischen Präsidenten angelastete Gefahr eines Nuklearkrieges auf deutschem Boden konnten amerikanische Befürchtungen einer Abkehr der Deutschen vom Bündnis nur nähren. Diese Entwicklung läuft schon lange. Sie reicht auch in Zeiten vor der gegenwärtigen Administration in Amerika zurück.
    Die europäische Säule der deutschen Außenpolitik ist in der Zwischenzeit ebenfalls am Wanken. Einstmals war sie das Paradepferd der deutschen Außenpolitik. Europa bietet ein Bild des Jammers. Das ist kein Wunder. Nachdem sich die Bundesregierung überwiegend ostpolitisch betätigt hat,



    Dr. Abelein
    braucht sie sich über die europäische Stimmung nicht zu wundern. Auch eine Europäische Akte, Herr Außenminister, so verdienstvoll sie in ihrer Absicht sein mag, ändert daran wenig. Sie kann eine tatkräftige Europapolitik nicht ersetzen. Sie kann eine solche auch nicht vortäuschen. Europäische Akte statt europäischer Taten — das ist letztlich die Überschrift, die über dieser Europapolitik steht. Ich will es mir jetzt angesichts der vorgeschrittenen Zeit ersparen, auch diese Meinung durch viele ausländische Stimmen zu unterbauen. Längst haben die europäischen Regierungen Zweifel an der Zuverlässigkeit der Bundesregierung erfaßt. Es wird offen — beispielsweise im „Quotidien" vom 16. Januar 1982 — der Vorwurf gemacht, sich bei der Wahl zwischen der Ostpolitik und der westlichen Solidarität für die Ostpolitik entschieden zu haben: „Bei der Wahl zwischen den nationalen Interessen und den Beziehungen zur freien Welt hat die Bundesrepublik die nationalen Interessen gewählt."

    (Abg. Löffler [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

    — Ich beantworte keine Fragen.

    (Löffler [SPD]: Das kann ich mir vorstellen!)

    — Sie haben sich so benommen, daß ich während dieser Sitzung keine Fragen mehr beantworte.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Lachen bei der SPD — Wehner [SPD]: Nehmen Sie wenigstens die Hand aus der Tasche! Sie Taschenspieler!)

    Die Bundesregierung übersieht in diesem Zusammenhang, daß sie, wenn sie ihre nationalen Interessen in den Vordergrund stellt, letztlich auch diesen nationalen Interessen schadet. So kompliziert sind die Zusammenhänge.

    (Löffler [SPD]: Zitieren Sie doch einmal den „Figaro" vom gleichen Tag!)

    Über Europa breitet sich nicht zuletzt wegen der Haltung der Bundesregierung Lähmung aus. Es besteht die Gefahr, daß sie sich noch über Europa hinaus ausdehnt. Für die Bundesregierung besteht jetzt die Gefahr, daß sie nicht nur gegenüber dem Osten, sondern auch gegenüber dem Westen in eine Isolierung gerät, der zu entgehen angeblich eines der Hauptziele Ihrer neuen Außenpolitik war. So schließt sich der Zirkel.
    Kommt das alles überraschend? Trifft es die Bundesregierung plötzlich und unverdient? Haben das Ausland und die Opposition denn keinen Anlaß, diese Fragen zu stellen?

    (Brandt [SPD]: In dieser Reihenfolge: Ausland und Opposition!)

    Es gibt leider mehr als genug Anlässe. Ich komme wieder auf Sie zu sprechen, Herr Brandt; warten Sie es bitte ab.

    (Wehner [SPD]: Die Tasche wieder!)

    Ihr Verhalten ist ein Politikum. Sie sind ja seit 1976
    in Personalunion Chef der Sozialistischen Internationale, und Sie haben nicht nur Ihre Partei, sondern
    auch die Sozialistische Internationale auf die schiefe Ebene dirigiert.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die Abgrenzung vom internationalen Kommunismus, jahrelang eigentlich der stolze Ausweis sozialdemokratischer Parteien, geriet unter Ihnen mehr und mehr ins Verschwimmen.

    (Lachen bei der SPD)

    Sie suchten eine Position der Blockfreiheit zwischen Ost und West. Sie traten ein für den Antiimperialismus, der für weite Teile Ihrer Partei und — das muß ich hinzufügen — auch der FDP längst zum Antiamerikanismus geworden ist.

    (Sehr wahr! bei der CDU/CSU — Zuruf von der FDP: Wo leben Sie?)

    Für große Teile Ihrer Parteien sitzen die Vereinigten Staaten von Amerika heute auf der Anklagebank, stellvertretend für alle westlichen Industrienationen. Und leider ist der Hang bei Ihnen auch heute noch überdeutlich, Ostpolitik vor atlantische Bündnispolitik zu stellen. In der Zwischenzeit haben Sie eine Position gefunden, die sich links von den Eurokommunisten befindet.

    (Lachen bei der SPD)

    Giorgio Napolitano, der Fraktionsführer der Kommunisten in Rom, meinte:
    Die Gegensätze zwischen verschiedenen Konzeptionen des Sozialismus haben einen Punkt erreicht, an dem sich die Wege trennen.
    Das stimmt, denn Ihr Weg führt noch weiter nach links.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Ehmke [SPD]: Pfui! — Weitere Zurufe von der SPD)

    Im Grunde lag diese Entwicklung schon in den Anfängen der Politik dieser Bundesregierung beschlossen. Diese Bundesregierung hat zwar schon einige Male versucht, sich in der Tradition Adenauers darzustellen, nicht zuletzt anläßlich der Feiern zu seinem 100. Geburtstag.

    (Zuruf von der SPD: Der stand auch links von Ihnen!)

    Adenauer, im Gegensatz zu den heute Regierenden ein wahrhaft bedeutender Mann,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    hat es für seine erste Pflicht gehalten, für Deutschland den Ruf der Zuverlässigkeit zu gewinnen, und Sie sind dabei, diesen Ruf der Zuverlässigkeit wieder zu verspielen.

    (Erneuter Beifall bei der CDU/CSU)

    Adenauer lehnte es entschieden ab, eine Schaukelpolitik zwischen Ost und West zu betreiben, um Deutschland dadurch in eine angeblich günstigere Lage zu bringen. Er wollte die Bundesrepublik Deutschland fest in Europa verankern und Europa im westlichen atlantischen Bündnis, weil er glaubte, auf diese Weise erhalte der deutsche Nationalismus, mitursächlich für eine der größten Katastrophen un-



    Dr. Abelein
    serer Geschichte, keine Chance mehr. Und jetzt haben wir auch wieder den deutschen Nationalismus.
    Gerade davor hat das westliche Ausland so Angst. Zwischen Ost und West zu manövrieren war das Wesen einer nationalistischen deutschen Außenpolitik.

    (Dr. Linde [SPD]: Sie sollten Ihre Vorlesung beenden!)

    Es gibt Traditionen, in denen die gegenwärtige Bundesregierung steht. Darüber hinaus leidet sie auch noch an einem Fehlen tieferer Bindungen — jedenfalls zum Westen. Emotionale Bindungen zum Osten sind schon vorhanden. Das Herz schlägt eben links, und die alten linken Schlachtrösser traben lieber nach Osten als nach Westen. Daran hat sich nichts geändert.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

    Es ist aufschlußreich, einmal nachzulesen, was ein maßgeblicher außenpolitischer Akteur der letzten Jahre, nämlich Kissinger, über einen anderen maßgeblichen Akteur der deutschen Ostpolitik, eine Zeitlang Deutschlands geheimer Außenminister, schreibt:
    Er
    — Bahr ist gemeint, wie leicht zu verstehen ist —
    gehört zu den Leuten, die immer geglaubt haben, Deutschland könne seiner nationalen Bestimmung nur gerecht werden, wenn es freundschaftliche Beziehungen zum Osten unterhielte ... Ganz offensichtlich war Bahr kein überzeugter Anhänger der westlichen Gemeinschaft wie die Politiker aus den früheren deutschen Regierungen. Er war auch frei von allen gefühlsmäßigen Bindungen an die Vereinigten Staaten.
    Er fährt dann fort, aber das spielt keine Rolle:
    Was seine angebliche Verschlagenheit betraf, so neigte ich zu der Auffassung Metternichs, daß nichts schwieriger ist, als mit einer absolut ehrlichen Persönlichkeit Verhandlungen zu führen.
    Diese Schwierigkeiten wird Kissinger mit Bahr ohnehin nicht gehabt haben.
    Meine Damen und Herren, Neutralismus und Nationalismus sind also recht frühe Ingredienzien der Außenpolitik dieser Bundesregierung, die ebenso früh Mißtrauen bei unseren westlichen Partnern hervorrief, auch wenn die internationale Courtoisie diese Meinungen nicht immer zum Gegenstand offizieller Demarchen machte.
    Als Dritter im Bunde der Bestandteile Ihrer Außenpolitik ließ der Sozialismus nicht lange auf sich warten. Nationalismus und Sozialismus gehen nicht das erste Mal eine Verbindung miteinander ein,

    (Dr. Ehmke [SPD]: Sie haben einen schweren Dachschaden, Herr Abelein! Unglaublich!)

    und von da an ist es dann nur noch ein kleines Schrittchen zum Antiamerikanismus.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Wehner [SPD]: § 51!)

    Gegen diese Entwicklung in seinen eigenen Reihen anzugehen fällt dem Bundeskanzler Helmut Schmidt, selbst wenn er es wollte, immer schwerer.

    (Zurufe von der SPD)

    Genscher ist vielleicht, wahrscheinlich widerwillig, längst Gefangener einer Außenpolitik geworden, aus der er sich nicht mehr lösen kann.
    Die Zeitung „Economist" schildert Helmut Schmidt — sie meint das repräsentativ für die gesamte deutsche Bundesregierung — als einen Politiker, der die Rolle des „go between" sucht, d. h. auf gut deutsch eines Maklers, Vermittlers zwischen den Welten, wenn schon nicht des Führers der Welt, was er am liebsten sehen würde, dann wenigstens ihres Schiedsrichters. Aber „go between" hat auch noch eine andere fatale Bedeutung; denn man kann so zwischen die Parteien gehen, daß man nachher zwischen allen Stühlen sitzt. Diese Gefahr droht uns.
    Aber noch einmal zum Schluß zurück zu Polen.

    (Wehner [SPD]: „Noch einmal zum Schluß"!)

    Wir dürfen nicht resignieren.

    (Lachen bei der SPD)

    Vielleicht finden wir doch noch eine schmale Brücke der Gemeinsamkeit.

    (Wehner [SPD]: In der Tasche!)

    Laßt uns alle gemeinsam alle Parteien, Kirchen, Gewerkschaften, Jugendverbände und gesellschaftliche Organisationen auffordern,

    (Zurufe von der SPD)

    am Samstag, dem 30. Januar 1982, in einer mächtigen Demonstration zusammen mit den anderen Ländern des freien Westens unsere Verbundenheit mit dem polnischen Volk zum Ausdruck zu bringen! Mit einer öffentlichen Schweigeminute,

    (Zuruf von der SPD: Das wäre gut für Sie!)

    mit Verkehrsstopp, dem Geläute der Kirchenglokken und Kundgebungen in allen Städten sollten wir zeigen, daß wir die Freiheit auf der ganzen Welt bei allen Meinungsverschiedenheiten, die Freiheit auf der ganzen Welt, auch in Polen, noch nicht aufgegeben haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Wehner [SPD]: Junge, Junge, das war ein dicker Hund!)



Rede von Richard Wurbs
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Herr Bundesaußenminister.

(Wischnewski [SPD]: Nicht Abelein kaputtmachen! Wir brauchen ihn noch! — Heiterkeit bei der SPD)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Hans-Dietrich Genscher


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Her-



    Bundesminister Genscher
    ren! Der Herr Kollege Dr. Abelein hat recht — daß ich ihm allgemein recht gebe, können Sie nach dieser Rede nicht erwarten —,

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    wenn er sich darauf beruft, daß ich am Ende der letzten Woche den Wunsch zum Ausdruck gebracht habe, diese Debatte möge die Gelegenheit bieten, gerade in unserem Verhältnis zu den Vorgängen in Polen das, was gemeinsam vorhanden ist, auch zum Ausdruck zu bringen. Ich habe damals gesagt, Herr Kollege Abelein:
    Ich rufe meine eigenen Parteifreunde, meinen Koalitionspartner und die Opposition auf, den am Donnerstag entstandenen Eindruck nicht über die Haushaltsdebatte der nächsten Woche hinaus bestehenzulassen. Die Donnerstagsdebatte darf nicht das letzte Wort gewesen sein. Wir sind es uns schuldig, wir sind es dem polnischen Volk schuldig, wir sind es auch dem Nordatlantischen Bündnis und der Europäischen Gemeinschaft schuldig.
    Als ich heute morgen die Rede des Herrn Kollegen Willy Brandt gehört habe, hatte ich verstanden, daß er mit dieser Rede, sowohl was unsere innenpolitische Lage und die Sorgen um die Arbeitsplätze als auch was die Außenpolitik angeht, den Versuch unternehmen wollte, das, was gemeinsam vorhanden ist, hier auch zum Ausdruck zu bringen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Da Sie, Herr Kollege Dr. Abelein, nicht der letzte Redner Ihrer Fraktion waren, gebe ich die Hoffnung nicht auf, daß der heutige Tag das noch bringen möge. Sie haben sich hier zu Reaktionen und zu dem, was Sie an möglichen Reaktionen auf die Ereignisse in Polen für notwendig halten, geäußert. Ohne jede Polemik möchte ich Sie bitten, einmal zurückzublicken — das dürfte Ihnen nicht schwerfallen — und sich zu erinnern, wie die Reaktionen in diesem Lande in einer Zeit aussahen, in der Sie die Kanzler stellten — im Jahre 1953 nach der Niederschlagung des Volksaufstandes in der DDR, 1956 nach der sowjetischen Intervention in Ungarn, 1968 nach der sowjetischen Intervention in der Tschechoslowakei und nach dem 13. August 1961, dem Tag, den ich für den schwärzesten unserer Nachkriegsgeschichte halte, nämlich dem Tag des Baus der Mauer. Ich will nicht kritisieren, was damals bei uns geschehen ist. Ich will nur eines sagen: Auch damals haben wir die Grenzen unserer Möglichkeiten erkennen müssen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Abg. Dr. Kohl [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

    — Darf ich den Gedanken zu Ende führen, Herr Dr. Kohl! — Was die Reaktion sein muß, ist doch auch, darüber nachzudenken, wie man zukünftig die Politik beeinflussen kann. Hier bitte ich Sie, sich zu fragen, ob die Entscheidung der Bundesregierung im Jahre 1975, die Schlußakte von Helsinki zu unterzeichnen — sie machte die Schlußakte erst möglich —, den Völkern im kommunistischen Machtbereich nicht wirklich ein Stück mehr real, noch mehr
    aber Perspektive eigener Entwicklung, eröffnet hat, auch wenn es dabei immer wieder Rückschläge gibt.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Wenn das zutrifft, dann müßten Sie selbst die Frage beantworten, ob es richtig war, daß Sie damals im Deutschen Bundestag den Antrag stellten, diese Schlußakte nicht zu unterzeichnen.

    (Sehr wahr! bei der SPD)

    Wenn Sie von Isolierung unseres Landes sprechen, die Sie heute vermuten — ich werde dazu nachher noch eine Menge zu sagen haben —, dann denken Sie bitte darüber nach, ob die Tatsache, daß wir dann als einziges Land in Helsinki nicht unterzeichnet hätten, nicht die schwierigste Isolierung für unser Land überhaupt gewesen wäre.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)