Rede von
Dr.
Rainer
Barzel
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Wir gehen hier weiter. Wir unterstützen das mit dem Datum — ich habe jetzt dreimal versucht, Sie danach zu fragen —, wie es aus gutem Grund die NATO, die USA und der Bundeskanzler wollen. Wir kommen uns als Union langsam komisch vor, da wir die einzigen sind, die hier ge-
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Dr. Barzel
schlossen und einstimmig die Position des Bundeskanzlers in dieser Frage unterstützen.
— Nein, nein, er ist ausgewichen, er läßt die Zweifel.
— Herr Kollege Brandt, hier wird eine Debatte entstehen. Wenn diese Zweifel nicht beseitigt werden, Kollege Ehmke, werden wir alle die, die diese Zweifel bewirken, nähren, fördern, nicht wegnehmen, so nennen, wie es sich dann gehört, nämlich Abrüstungsverhinderer.
Wir beschäftigen uns hier gerade ein bißchen miteinander, Herr Kollege Brandt. Ich habe hier früher einmal gesagt — es hat nicht allen gepaßt; da waren Sie nicht da —, daß viele der Schwierigkeiten in der Bundesrepublik Deutschland und innerhalb der Koalition auf den Zustand der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands zurückgehen und daß die SPD ihre Probleme auf den Staat übeträgt. Ich habe damals auf eine Rede von Carlo Schmid hingewiesen, die ich jetzt mitgebracht habe, von der ich damals nur einen Satz aus dem Gedächtnis zitiert habe. 1948 hat Carlo Schmid auf dem SPD-Parteitag gesagt — nachdem der Kanzler heute morgen wieder Schmid zitiert hat, werden wir das auch dürfen —:
Eine Partei wie die unsrige steht und fällt mit der Fähigkeit ihrer Mitglieder zur Parteidisziplin. Wenn die Partei zur Aktion übergeht, gibt es nur die Einheit der Aktion.
Jetzt wissen Sie, warum Sie zur Zeit mehr fallen als stehen. Wie soll die Disziplin in die Partei einkehren, wenn sich deren Vorsitzender so verhält, wie wir dies soeben erlebt haben?
Meine Damen und Herren, ich möchte einen dritten Punkt behandeln, der hiermit zusammenhängt. Wir werden in kurzer Zeit die Gelegenheit haben, über einen Ihnen nach der Mitberatung des Verteidigungsausschusses und federführend vom Auswärtigen Ausschuß behandelten Antrag über Vorschläge zur kontrollierten Abrüstung der biologischen, chemischen und atomaren Waffen — ich hoffe einstimmig — abzustimmen. Dieser Antrag geht auf die CDU/CSU-Fraktion im Hause zurück. Ich will davon sprechen. Ich will ihn nicht im einzelnen behandeln; das werden wir noch tun. Da heißt es in dem Bericht, den der Abgeordnete Voigt, Obmann der Sozialdemokraten im Auswärtigen Ausschuß, gegeben hat — ich zitiere einen Satz —: „Alle Fraktionen ließen sich dabei von der Überzeugung leiten, daß es in der derzeitigen rüstungskontrollpolitischen Situation vor allem darauf ankomme, die deutschen Interessen durch eine von allen Fraktionen getragene Stellungnahme zu unterstreichen." Ich finde, das gilt nicht nur für diesen Antrag. Wir haben den Antrag dann einstimmig beschlossen. Herr Kollege Wehner, Sie haben mich neulich persönlich auf die Funktion angesprochen, die ich in
dem Ausschuß habe. Sie sehen, dabei kommt manchmal auch etwas Vernünftiges heraus.
Ich möchte Ihnen aber gern aus der Begründung der antragstellenden Fraktion der CDU/CSU aus der Drucksache 9/200 ein paar Sätze vorlesen, weil ich glaube, daß sie wichtig sind und in diese Debatte und dieses Protokoll gehören. Ich zitiere:
Das oberste Gut, das es für alle Deutschen zu wahren gilt, ist Friede. In Deutschland weiß man, daß die naturwissenschaftlichen und technischen Fortschritte, die seit dem letzten Krieg gemacht worden sind, den Menschen Möglichkeiten der Vernichtung in die Hand geben, an die wir nur mit Schaudern denken können. Schließlich weiß jedermann in Deutschland, daß die geographische Lage unseres Landes uns im Falle eines bewaffneten Konfliktes besonders gefährden würde.
Neue Mittel zum Austrag von Differenzen und Konflikten müssen gefunden werden, Mittel, die internationale Zusammenarbeit zur Grundlage haben. Das alles ist für uns nicht Traum oder Theorie. Wo immer die Politik meiner Regierung eine Gelegenheit fand, danach zu handeln, hat sie es getan. Ich darf erinnern, daß die Bundesrepublik Deutschland aus freien Stücken in den Defensiv-Verträgen, die sie abgeschlossen hat, auf die Herstellung atomarer, biologischer und chemischer Waffen verzichtet hat. Friede darf aber, wenn er seinen vollen Segen stiften soll, nicht gefährdet sein; er muß gesichert sein.
Ich denke vor allem an den Gewaltverzicht, an die Verwirklichung von Bündnisrechten gegenüber dem Angegriffenen, aber auch an Rüstungsbegrenzungen und ihre Kontrolle, wie wir sie uns auferlegt haben.
Dieses Zitat aus der Begründung stammt aus der Rede des Bundeskanzlers Dr. Konrad Adenauer anläßlich seines Besuchs in Moskau, mit dem er die Kriegsgefangenen dort freigeholt hatte.
Dies muß man einmal für die Geschichte festhalten. Die Politik von Sicherheit und Rüstungskontrolle hat j a nicht erst jetzt begonnen; die Friedenspolitik schon gar nicht.
Ich komme auf einen vierten Punkt, meine Damen und Herren. Ich hoffe, daß das, was ich hier zu sagen die Absicht habe, nicht — wer heute morgen die Zeitungen aufgeschlagen hat, wird verstehen, was ich meine —, von einer geradezu brennenden Aktualität werden könnte. Im Zusammenhang mit dem Besuch aus Moskau wurde viel über das Erdgas-RöhrenGeschäft gesprochen. Dies war auch heute morgen der Fall. Ich möchte in diesem Zusammenhang für uns alle festhalten, daß der Bundeswirtschaftsminister zur Vorbereitung dieser Sache in Moskau im September 1981 Erklärungen abgegeben hat. Diese möchte ich hier gern festgehalten wissen. Ich zitiere nach dpa:
Unter Hinweis auf Polen und Afghanistan wies
Minister Lambsdorff während seiner Gesprä-
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che in Moskau und auf seiner Reise durch Sibirien mehrfach darauf hin, daß die politische Großwetterlage stimmen müsse, damit die Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern weiter wachsen könne.
Das ist das eine Zitat. Das andere lautet:
Bundesminister Lambsdorff verließ nach eigenen Worten die UdSSR in der Überzeugung, daß auf sowjetischer Seite der Zusammenhang zwischen dem Westhandel und der Polenpolitik Moskaus klar gesehen wird. Er habe lebhaftes Interesse auf sowjetischer Seite festgestellt, auch deshalb einen Einmarsch in Polen möglichst zu vermeiden.
Ich wünsche dies hier in die Debatte einzubeziehen, weil man in Moskau nicht nur von unserer Festigkeit in Sachen Nachrüstung überzeugt sein muß, sondern auch davon, daß wirklich nur in einer bestimmten politischen Landschaft, zu der auch die Lage in der DDR gehört — ich komme gleich darauf —, diese ganze ökonomische, humanitäre, soziale und politische Zusammenarbeit möglich ist.
Mein fünfter Punkt kann kurz sein, weil zum europäischen Gipfel in London Kollege Kohl heute morgen gesagt hat, was zu sagen war. Wir werden ja demnächst eine Debatte haben, wenn wir über unseren Antrag auf Drucksache 9/951 sprechen. Ich möchte nur die Bundesregierung auffordern, doch einen Beitrag dazu zu leisten, daß man nicht anfängt, Europa allein als ein Haushaltsproblem zu betrachten, daß man die Vorteile, die wir haben, nicht nur mit Nettozahlen, Bruttotransfer und wie die Vokabeln alle heißen betrachtet. Europa ist sehr viel mehr. Wir haben einen großen Vorteil davon. Die Hälfte unseres Handels wickeln wir innerhalb dieser Gemeinschaft ab. Ich möchte nur diese eine Zahl nennen. Ich glaube, das sollte im Zusammenhang hier auf den Tisch, damit unter dem Stichwort „Europa" nicht nur eine solche Kassenwartsmentalität hochkommt.
Ich möchte aber, meine Damen und Herren, aus gutem Grund noch von einer Frage sprechen, die dort in Europa auch eine große Rolle gespielt hat und die doch in den Zusammenhang mit dieser Friedensdebatte gehört. Die Gefahr, in der wir leben, kommt ja nicht nur aus dem Ost-West-Konflikt. Ich glaube, daß wir das weitgehend im Griff haben, wenn die Abschreckung weiter funktioniert. Die Gefahr entstünde doch, wenn irgend jemand imstande wäre, außer dem Ost-West-Konflikt einen NordSüd-Konflikt auszulösen, also Berlin plus Erdöl, um es sehr deutlich zu sagen.
So geht uns Europäer im eigenen Interesse natürlich das etwas an, was sich z. B. im Nahen Osten ereignet. Wir haben zu der Erklärung der Europäischen Gemeinschaft von Venedig, die gerade wieder im Zusammenhang mit der Entsendung einer Friedenstruppe auf den Sinai eine Rolle spielt, unsere kritische Beurteilung dieses Beschlusses hier vorgetragen. Diese Kritik hat nun auch durch den Vorsitzenden der sozialdemokratischen Fraktion, Herrn
Wehner — wenn die Zeitungen richtig über ein Gespräch berichten, das er mit „Jerusalem Post" geführt hat —, Zuspruch erhalten. Das freut uns natürlich in der Sache.
Aber, meine Damen und Herren, was ist das eigentlich für eine Lage, in der der Vorsitzende der stärksten Regierungsfraktion eine für die Bundesregierung fundamentale Politik jetzt, fast zwei Jahre später, öffentlich kritisiert? In welche Situation kommen wir hier eigentlich? Das ist doch wie mit den U-Booten für Chile, das ist wie mit den Panzern für Saudi-Arabien, das ist wie mit der Situation erst bezüglich Griechenlands, dann bezüglich der Türkei. Es war immer eine Gruppe auf der linken Seite des Hauses, die die Regierung daran gehindert hat, das zu tun, was sie für richtig und vernünftig hält.
Ich erinnere wie schon vor wenigen Wochen noch einmal daran: Es kann doch keinen von uns heiter stimmen, daß wir im, glaube ich, siebten Monat keinen Botschafter Saudi-Arabiens haben. Das geschieht doch nicht aus dortigem Mangel an Persönlichkeiten für Bonn, sondern das ist ein Protest, weil man dort Erwartungen gestärkt hat, die man einzulösen nun nicht imstande oder gewillt ist — und das wieder aus Rücksicht auf einige deutsche Sozialisten.
Wir erleben in diesen Tagen — ich möchte das doch sagen — im Zusammenhang mit der Entsendung einer Friedenstruppe auf den Sinai einen sehr wichtigen Vorgang. Vier Mitgliedsländer der Europäischen Gemeinschaft beteiligen sich an dieser Truppe — Großbritannien, Frankreich, Italien und die Niederlande —, und die Zehn billigen das ausdrücklich, also wir auch. Wir können uns daran wegen unserer Verfassungslage nicht beteiligen. Wir haben die Bundeswehr nur zur Verteidigung, und sie darf nur innerhalb des Bündnisses Aufgaben übernehmen. Aber schon diese Zustimmung ist natürlich ein mittelbares Engagement. Ich wünsche, deutlich zu sagen, daß das die Grenze dessen markiert, was uns Deutschen in solchen Dingen möglich ist. Das sollte man wissen.
Bei allem, was im Nahen Osten geschieht, sollte uns jetzt auch niemand veranlassen, etwa irgendwelche Überschriften über Prozesse oder so etwas zu wählen. Die Beteiligung der vier dient — so ist amtlich vorgetragen worden — alleine der Realisierung, der Durchführung des ägyptisch-israelischen Friedensvertrages. Insoweit wird sie von der Bundesregierung, glaube ich, gebilligt; und insoweit kann man dem zustimmen.
Ich will jetzt keine Israel-Debatte anfangen. Aber ich glaube, daß dieses Land in mancher Betrachtung hier doch zu kurz kommt. Ich möchte deshalb ausdrücklich zitieren — auch damit es in das Protokoll kommt —, was der Generalsekretär der Arabischen Liga, Herr Klibi, am 6. Mai dieses Jahres bei einem offiziellen Besuch in Bonn gesagt hat. Er sagte:
Wir haben Verständnis dafür, daß die gewaltige Last der jüngsten Geschichte die deutsche Politik gegenüber Israel im Sinne einer breiten Sympathie bestimmt hat. Wir verstehen das. Wir bewundern sogar hierin die Größe eines
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Volkes, das sich seiner moralischen Verantwortung immer gestellt hat.
Ich kann nur sagen: In der arabischen Welt wird am ehesten auf den gehört, der auch in Israel Gehör findet. In der arabischen Welt gewinnt man keine neuen Freunde, indem man alte Freunde etwa verläßt. Ich glaube, das sollte hier gesagt werden.
Ich möchte zu einem sechsten Punkt kommen. Der Bundeskanzler hat j a mitgeteilt, daß er in die DDR fährt. Das gehört eigentlich nicht in eine außenpolitische Debatte, aber es ist die letzte Gelegenheit, ihm dazu etwas zu sagen.
Herr Bundeskanzler — ich weiß nicht, ob er da ist; er wird sich das schon erzählen lassen —, vor einiger Zeit, nämlich am 11. Dezember 1979, sahe es schon einmal so aus, als ob Sie Anfang 1980 dorthinfahren würden. Ich habe damals für unsere Fraktion hier sprechen dürfen und eine ganze Reihe sehr konkreter Vorschläge für die Lösung der innerdeutschen Fragen gemacht. Damals stand der Kanzler auf — ich bitte, im Protokoll nachzulesen — und sagte: Das ist j a eigentlich ganz vernünftig; schreiben Sie das doch einmal auf, geben Sie mir das, und dann können wir darüber reden.
Wir haben das dann aufgeschrieben — ich habe die ganze Akte hier —, mit einem höflichen Brief dem Kanzler geschickt, und er hat sich dafür höflich bedankt.
Warum erinnere ich daran? Weil der Bundeskanzler seine Meinung in dieser Frage vollkommen geändert hat. Das ist unakzeptabel.
Er erklärte in einem Interview mit der „Bild"-Zeitung wörtlich:
Es ist eine der Ungezogenheiten der deutschen Opposition, der Bundesregierung vor Gesprächen mit Moskau oder mit der DDR vorzuschreiben: Darüber habt ihr zu reden, das habt ihr zu regeln und wenn nicht, darfst du gar nicht erst fahren. Auf diesen Blödsinn darf sich eine Regierung nicht einlassen ...
Es ist jetzt also ungezogen, wenn ich nach bestem Wissen und Gewissen im Namen meiner Freunde für alle Deutschen einen Vorschlag mache. Ich denke, Demokratie heißt miteinander reden, um voneinander zu lernen; nicht: kommandieren.
Ich will den Blödsinn nicht einfach zurückgeben.
— Aber ich bitte Sie, es wird uns doch noch erlaubt sein, das zu sagen, was wir denken. Die Regierung kann j a sagen, daß sie anderer Meinung sei. Aber was hat sich da verändert! In den Akten hat sie unseren Stufenplan, — und laut erklärt sie, wir seien un-
gezogen und blödsinnig. So sollte man miteinander nicht umgehen.
Ich möchte aber gerne folgendes sagen — ich möchte das auf Bitten meiner Freunde und unseres Vorsitzenden in die Debatte einführen —: Wenn es dieses Gespräch gibt — wir begrüßen es, und wir wünschen Erfolg —,
muß man natürlich auch wissen, was nicht geht. Der Staatsratsvorsitzende hat in Gera eine große Rede gehalten und dort vier Forderungen erhoben. Sie betreffen die Staatsangehörigkeit, den Austausch von Botschaftern, die Regelung der Elbe-Grenze und die Dienststelle in Salzgitter. Verehrte Damen und Herren, diese Rede und diese Forderung sind ein Angriff auf den Inhalt und die Qualität des innerdeutschen Vertrages.
Dieser Vertrag ermöglicht einen Modus vivendi, nicht mehr und nicht weniger; so hat es auch das Bundesverfassungsgericht festgestellt. Es ist keinem deutschen Kanzler erlaubt, in den drei großen Fragen etwa nachzugeben.
Nachdem ich zu Salzgitter, zur Elbe-Grenze und zum Botschafteraustausch in einer der letzten Debatten unsere Meinung gesagt habe, will ich hier jetzt nur noch zur Staatsangehörigkeitsfrage ein Argument hinzufügen, weil es draußen eine Rolle spielt: Meine Damen und Herren, wir hindern keinen Deutschen, der in der DDR lebt, mit seinem Paß, mit dem Paß der DDR, zu reisen. Wir wollen aber auch diesen Deutschen das Recht erhalten, sich überall in Deutschland zu Hause zu fühlen, es auch zu sein und jedwede amtliche Hilfe hier oder draußen durch unsere Dienststellen in Anspruch zu nehmen. Dieses Stück gesamtdeutscher Freizügigkeit und Selbstbestimmung werden wir nicht aufgeben. Diese gemeinsame deutsche Staatsangehörigkeit ist, wie Professor Scheuner damals sagte, die „offene Tür". Hier ist keiner befugt — weder rechtlich noch menschlich, also auch nicht politisch —, diese Tür etwa zu verschließen.
Was Honecker hier verlangt — ich zitiere frei Gottfried Zieger —,
... ist eine Forderung, die nicht als rechtliches Argument, sondern als politisches Instrument zu werten ist, und zwar als ein Instrument, das seine Abgrenzungspolitik fortsetzen soll.
Unsere Aufgabe ist aber nicht, zu trennen und abzugrenzen, sondern zusammenzuführen, miteinander zu leben und selbst zu bestimmen. Allein das ist unsere Politik.
Was die Dienststelle in Salzgitter betrifft, so muß ich ein Wort mehr sagen, weil inzwischen die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage von uns gerade vorliegt; ich habe sie heute auf dem Tisch. Die Antwort ist unbefriedigend und läßt manche Hintertür auf. Wir wünschen, daß Salzgitter bleibt, weil sich mancher Funktionär in der DDR
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dreimal überlegt, Unrecht zu tun, da er befürchten muß, daß dies in Salzgitter registriert wird und er dafür eines Tages zur Rechenschaft gezogen wird.
Das ist ein Stück Menschenrechtsschutz, wenn er auch nicht jeden Tag wirksam ist. Aber allein die Registrierung veranlaßt manchen drüben, sich etwas genauer zu überlegen, ob er dies oder jenes tun kann.
Meine Damen, meine Herren, hier ist vom Frieden gesprochen worden, auch vom Bundesaußenminister. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Reise des Kollegen Bahr, daran, daß er in Ost-Berlin versucht hat, mit der Volkskammer über Abrüstung zu sprechen. Ich hörte da heute so eine ganze Menge: vom Kollegen Möllemann und eben auch vom Bundesaußenminister. Also, man muß natürlich auch mit Herrn Honecker über alles sprechen, nur: Raketen hat der keine. Wir müssen mit dem zuerst über die Minen, die Selbstschußanlagen, die Mauer, den Stacheldraht und die Verweigerung von Menschenrechten sprechen.
Dieses Thema darf nicht vom Tisch. Ich finde es nicht gut, Herr Kollege Wehner, daß Sie gestern abend, falls ich das richtig im Gedächtnis habe, im Fernsehen auf die Fragen nach dem Zwangsumtausch gesagt haben: Natürlich muß das — — Sie haben nicht gesagt: weg; man wird es nicht ganz schaffen, haben Sie gesagt. Das finde ich nicht gut; das stört doch die Verhandlungsposition der Regierung. Der Regierende Bürgermeister von Berlin — ich habe Ihnen damals hier die Zahl mitgeteilt — hat doch die Zahl genannt, die diese Mauer aus Geld, die Finanzmauer an unterlassenen Reisen bewirkt. Daß Sie vor der Reise des Bundeskanzlers hingehen und darüber reden, daß man sie vielleicht ein bißchen wegkriegt, aber nicht wieder ganz, das ist genau dieselbe Geschichte wie diese merkwürdigen Haltungen, die ich vorhin im Hinblick auf Moskau hier anzusprechen versucht habe.
Meine Damen, meine Herren, wir werden uns also nicht von dem wirklichen Thema ablenken lassen: Der Lage. der Deutschen in Deutschland. Darüber wird zu sprechen sein, daran werden wir dann auch Erfolg oder Mißerfolg dieser Reise messen. Nun etwa die innerdeutschen Gespräche nur zu benutzen, um auch da allgemeine, fernsehwirksame Abrüstungsreden zu halten — das werden wir nicht durchgehen lassen.
In diesen Zusammenhang gehört noch eins: Uns hat beschwert, daß wir in dem Kommuniqué über den Besuch des Generalsekretärs Breschnew von Deutschland nichts gelesen haben. Die Sowjetunion ist eine der Vier Mächte. Sie ist die Macht, die dafür zuständig ist, daß es die DDR gibt, daß der Schießbefehl da ist usw.; das hat uns beschwert. Dies beschwert uns um so mehr, als wir von den Westmächten immer wieder — mit Recht — Bekenntnisse ver-
langen, auf dem Deutschland-Vertrag zu bestehen, zuletzt — das haben wir j a unterstützt — in dem Kommuniqué von Ankara. Das war vor der Bundestagswahl. Da ist alles das von der deutschen Einheit, von unseren Hoffnungen usw. zu lesen. Von den Westmächten verlangt man dies also, und gegenüber den Moskauern macht man das nicht. Ich finde das, meine Damen und Herren, zumindest unausgewogen, nicht fair und eigentlich verdächtig.
Ich möchte gern noch ganz kurz einen letzten Punkt anschneiden. Präsident Reagan hat in seiner Rede, von der hier j a schon oft die Rede war, also am 18. November, folgendes erklärt — ich möchte das gern in die Debatte einführen —:
Die Verteidigungserfordernisse der Sowjetunion machen es wohl kaum nötig, daß sie heute in Ostdeutschland mehr Kampfdivisionen unterhält, als die gesamte alliierte Invasionsstreitmacht zählte, die am Invasionstag in der Normandie landete. Die Sowjetunion könnte keinen überzeugenderen Beitrag zum Frieden in Europa und in der ganzen Welt leisten, als zuzustimmen, ihre konventionellen Streitkräfte wesentlich zu reduzieren und das Potential für eine plötzliche Aggression zu beschränken.
Das würde ich auch einmal gerne aus dem Munde des deutschen Bundeskanzlers hören.
Ich muß noch einmal auf den Herrn Kollegen Brandt zurückkommen, weil er heute früh dem Kollegen Kohl gesagt hat, er solle sich „Quatsch abschminken",
und damit meinte er unsere Sorge wegen Antiamerikanismus in der Bundesrepublik Deutschland. Ja, Herr Kollege Brandt, ich meine wirklich, daß es hier nun sehr ernst wird. Wenn ich mir überlege, welches Ansehen Sie haben, frage ich mich manchmal — Sie müssen mir das schon erlauben, Sie können j a heraufkommen und sagen, das sei eine Unverschämtheit —, ob Sie alle Ihre Möglichkeiten genutzt haben, z. B. in der Sache Nachrüstungsbeschluß bei unseren europäischen Nachbarn die Politik der Bundesregierung voll zu unterstützen. Das würde ich fragen.
Ich frage mich manchmal auch, ob Sie bei Ihrer Position voll zur Kenntnis genommen haben, daß die USA nun wirklich ernsthaft über das besorgt werden, was sich hier ereignet. Ich zitiere zunächst aus der Rede, die Herr Burt Ende September, wie Sie wissen, in Brüssel gehalten hat. Das war nicht eine Rede aus Anlaß eines anderen Besuchs, sondern Anlaß des Besuches war nur diese Rede vor ausgesuchten Diplomaten und Journalisten. Ich zitiere:
Die nukleare Debatte in Europa ist heute zu einem Kampf um die Seele Europas geworden. Die Alternative ist klar. Der Westen kann seinen Glauben an die kollektive Verteidigung, an die Abschreckung und an eine ernsthafte Rüstungskontrolle bekräftigen und damit frei bleiben, oder Amerika kann sich sich selbst zuwen-
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den, und Europa kann seine Hoffnungen auf Sicherheit und die Aussichten auf Frieden auf dem guten Willen der Sowjets beruhen lassen.
Ich denke, dieses Zitat bedarf keines Kommentars und macht deutlich, um was es hier geht.
Wer glauben sollte, dies sei nur flüchtig, irrt. Ich bin ja nun auch von Anfang an hier, zwar erst auf dieser Bank, aber ich habe es nicht erlebt, daß der Botschafter der USA — und das ist immerhin unsere Schutzmacht Nummer eins — hier eine Rede hält, wie das in diesen Tagen der gegenwärtige Botschafter der USA getan hat. Dieser Botschafter, Herr Burns, hat in seinem ersten Satz gesagt: Er spreche offiziell als Botschafter der Vereinigten Staaten — damit jedem nur ganz klar ist, hier hält er nicht nur mal so einen Vortrag, sondern hier sprechen die USA; so heißt das im Klartext. Da sagt er, das, was wir schon immer erklärt haben — ich zitiere zunächst nur diesen Satz; er spricht da von den Truppen, die hier sind —: „Sie werden nicht bleiben, wenn sie nicht willkommen sind." Das muß doch einen Anlaß haben. Und es ist doch kein „Quatsch", wenn unser Vorsitzender hier von diesen Sorgen spricht. Es ist doch ein ernster Anlaß.
Ich zitiere weiter den Botschafter der USA, Herrn Burns, und das ist dann eigentlich auch — wenigstens aus meiner Sicht — die Zusammenfassung dessen, was in der Debatte zu sagen war —:
Die Geschichte lehrt uns deutlich, daß die Bereitschaft, unsere ethischen, kulturellen und politischen Werte zu schützen, die Bereitschaft, wenn notwendig, für sie zu kämpfen, der einzig gangbare Weg ist, um sicher zu sein, daß wir nicht für sie zu kämpfen brauchen werden.
Das ist, so denke ich, die Philosophie des Westens. Wenn wir diese Philosophie einhalten und zu der Geschlossenheit kommen, um die der Bundesaußenminister eben gebeten hat, dann sollte es möglich sein für uns alle, einen Abrüstungserfolg in Genf zu erreichen. Ich möchte noch einmal den Kollegen Brandt nachdrücklich auffordern, in der Frage des Termindrucks und des Termins sich hier unmißverständlich zu dem zu bekennen, was die Bundesregierung hier gesagt hat.