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ID0906800200

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    Plenarprotokoll 9/68 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 68. Sitzung Bonn, Freitag, den 27. November 1981 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 3955 A Beratung der Großen Anfrage der Abgeordneten Biehle, Dallmeyer, Francke (Hamburg), Frau Geier, Handlos, Frau Krone-Appuhn, Löher, Dr. Marx, Dr.-Ing. Oldenstädt, Petersen, Weiskirch (Olpe), Wimmer (Neuss), Dr. Wörner, Würzbach und der Fraktion der CDU/CSU Zum inneren Zustand der Bundeswehr und zur Lage der Soldaten in den Streitkräften — Drucksachen 9/675, 9/873 — Biehle CDU/CSU 3955 B Neumann (Stelle) SPD 3960 D Möllemann FDP 3963 B Dr. Apel, Bundesminister BMVg . . . 3967 C Berger (Lahnstein) CDU/CSU 3972 D Möhring SPD 3975 C Francke (Hamburg) CDU/CSU 3978 A Jung (Kandel) FDP 3980 D Dr. Klejdzinski SPD 3982 C Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD und FDP Verlängerung des Welttextilabkommens — Drucksache 9/1044 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU Welttextilabkommen — Drucksache 9/1072 — Rapp (Göppingen) SPD 3984 D Dr. Schwörer CDU/CSU 3987 B Dr. Haussmann FDP 3989 C Dr. Graf Lambsdorff, Bundesminister BMWi 3991 D Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 20. August 1981 zur Änderung des Vertrages zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Französischen Republik zur Regelung der Saarfrage — Drucksache 9/899 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft — Drucksache 9/1066 — 3994A Nächste Sitzung 3994 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 3995*A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 3995*C Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 68. Sitzung. Bonn, Freitag, den 27. November 1981 3955 68. Sitzung Bonn, den 27. November 1981 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Amling 27. 11. Bahner 27. 11. Becker (Nienberge) 27. 11. Bredehorn 27. 11. Brunner 27. 11. Dr. Bugl 27. 11. Dörflinger 27. 11. Dr. Dollinger 27. 11. Eickmeyer* 27. 11. Eimer (Fürth) 27. 11. Engelsberger 27. 11. Engholm 27. 11. Eymer (Lübeck) 27. 11. Dr. Faltlhauser 27. 11. Frau Fuchs 27. 11. Glombig 27. 11. Dr. Haack 27. 11. Haase (Fürth) 27. 11. Handlos 27. 11. Hauck 27. 11. Höffkes 27. 11. Horstmeier 27. 11. Jansen 27. 11. Kiep 27. 11. Kolb 27. 11. Dr. Kreile 27. 11. Lampersbach 27. 11. Dr. Mertes (Gerolstein) 27. 11. Dr. Meyer zu Bentrup 27. 11. Dr. Mitzscherling 27. 11. Müller (Bayreuth) 27. 11. Neuhaus 27. 11. Neumann (Bramsche) 27. 11. Frau Dr. Neumeister 27. 11. Frau Noth 27. 11. Dr.-Ing. Oldenstädt 27. 11. Rainer 27. 11. Reschke 27. 11. Frau Roitzsch 27. 11. Schmidt (Hamburg) 27. 11. Schmidt (Würgendorf) 27. 11. Schreiner 27. 11. Schröder (Wilhelminenhof) 27. 11. Dr. Schwarz-Schilling 27. 11. Dr. Solms 27. 11. Graf Stauffenberg 27. 11. Frau Steinhauer 27. 11. Stockleben 27. 11. Vogt (Düren) 27. 11. Dr. Warnke 27. 11. Weiskirch (Olpe) 27. 11. Frau Dr. Wex 27. 11. Wissmann 27. 11. Wolfgramm (Göttingen) 27. 11. Baron von Wrangel 27. 11. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Präsident des Deutschen Bundestages hat gemäß § 80 Abs. 3 der Geschäftsordnung die nachstehende Vorlage überwiesen: Bericht der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung und Forschungsförderung zur Förderung der Grundlagenforschung in der Bundesrepublik Deutschland (Drucksache 9/962) zuständig: Ausschuß für Forschung und Technologie (federführend) Ausschuß für Bildung und Wissenschaft Haushaltsausschuß Unterrichtung durch die Bundesregierung a) Empfehlung zur internationalen Vereinheitlichung der Statistiken über die öffentliche Finanzierung kultureller Tätigkeiten b) Empfehlung zum Schutz und zur Erhaltung bewegter Bilder c) Empfehlung über die Stellung des Künstlers (Drucksache 9/963) zuständig: Innenausschuß (federführend) Auswärtiger Ausschuß Ausschuß für Bildung und Wissenschaft Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit Weiterer Bericht der Bundesregierung über Erfahrungen bei der Anwendung des § 12a des Tarifvertragsgesetzes - TVG - (Artikel II § 1 des Heimarbeitsänderungsgesetzes) (Drucksache 9/993) zuständig: Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Unterrichtung durch die Bundesregierung betr. Empfehlung Nr. 162 der Internationalen Arbeitsorganisation betreffend ältere Arbeitnehmer (Drucksache 9/1059) zuständig: Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung (federführend) Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit Unterrichtung durch die deutsche Delegation in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates über die Tagung der Parlamentarischen Versammlung des Europarates vom 30. September bis 8. Oktober 1981 in Straßburg (Drucksache 9/929) zuständig: Auswärtiger Ausschuß Bericht der Bundesregierung über die Entwicklung der Finanzhilfen und Steuervergünstigungen für die Jahre 1979 bis 1982 gemäß § 12 des Gesetzes zur Förderung der Stabilität und des Wachstums der Wirtschaft (StWG) vom 8. Juni 1967 (Achter Subventionsbericht) (Drucksache 9/986) zuständig: Haushaltsausschuß (federführend) Finanzausschuß Ausschuß für Wirtschaft Der Präsident des Deutschen Bundestages hat gemäß § 92 der Geschäftsordnung die nachstehende Vorlage überwiesen: Aufhebbare Achtundvierzigste Verordnung zur Änderung der Ausfuhrliste - Anlage AL zur Außenwirtschaftsverordnung - (Drucksache 9/1060) Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte, den Bericht dem Plenum möglichst bis zum 4. März 1982 vorzulegen Der Vorsitzende des Haushaltsausschusses hat mit Schreiben vom 25. November 1981 mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen hat: Vorlage der Kommission der Europäischen Gemeinschaften für außergewöhnliche Interventionen der Gemeinschaft zugunsten der in Griechenland vom Erdbeben betroffenen Gebiete (Drucksache 9/782 Nr. 57) Vorschlag für eine Verordnung Haushaltsordnung zur Änderung der Haushaltsordnung vom 21. Dezember 1977 für den Gesamthaushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften (EGKS-EWG-Euratom) (Drucksache 9/782 Nr. 59)
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    Rede von Alfred Biehle


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Verehrte Kollegen! Über die Einsatzfähigkeit und den Zustand der Bundeswehr sowie über die Lage der Soldaten in den Streitkräften wurde in der Vergangenheit sowohl im Verteidigungsausschuß als auch in diesem Hohen Hause vielfach debattiert. Aber noch niemals, so meine ich, geschah das vor einem so düsteren Hintergrund, wie es gerade heute der Fall ist.

    (Würzbach [CDU/CSU]: Leider ist das so!) Die Staatsfinanzen sind restlos zerrüttet.


    (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Wie alles!)

    Die Hardthöhe und ihr Minister stolpern von einer Finanzmisere in die andere. Heute abgegebene Prognosen sind morgen von der Entwicklung überholt und haben dann nur noch Makulaturwert.
    Wirft es da nicht ein ganz bezeichnendes Licht auf den Zustand dieser Regierungskoalition, wenn z. B. der Wirtschaftsminister Graf Lambsdorff zu den Vermutungen, er trage sich mit Rücktrittsabsichten — analog kann man das heute auch über den Bundesminister der Verteidigung lesen —, erklärt, diese Meldungen seien im Kern richtig, weil die Bundesregierung wegen der Auseinandersetzungen um die Haushaltssanierung einen Verlust an Glaubwürdigkeit erlitten habe?

    (Zuruf des Abg. Dr:-Ing. Kansy [CDU/ CSU])

    Apropos Glaubwürdigkeit: Dies ist j a nicht nur ein Problem des Grafen im Ministeramt. Verteidigungsminister Apel setzt dabei sogar immer noch voll Stolz den Joker.
    Die unkontrollierten und unqualifizierten Rundumschläge dieser Koalitionsregierung täuschen nicht darüber hinweg, daß die aus dem Regierungslager kommenden Verwirrungen zu einer tiefen Resignation und zu einem bisher ungekannten Vertrauensverlust in unserem Volk geführt haben.

    (Wiefel [SPD]: Den reden Sie herbei!)

    Schließlich sind Resignation und Mangel an Vertrauen aber auch genau die Grundstimmung, die, mehr und mehr um sich greifend, heute auf allen Ebenen unserer Streitkräfte festzustellen ist.
    Hierüber kann auch die Antwort der Bundesregierung auf unsere Große Anfrage zum inneren Zustand der Bundeswehr und zur Lage der Soldaten in den Streitkräften absolut nicht hinwegtäuschen. Diese Antwort, die uns und damit der Öffentlichkeit gegeben wurde, gibt ein sehr unvollständiges Bild von der wirklichen Situation in der Bundeswehr und geht über viele Probleme hinweg, wobei in der Öffentlichkeit immer der Eindruck einer heilen Welt erweckt werden soll.
    Dieser Eindruck ist aber völlig falsch und völlig wirklichkeitsfremd. Jedes Gespräch mit jedem Soldaten bestätigt dies jeden Tag um so mehr. In der Truppe herrscht eine tiefe Enttäuschung. Sie spürt, daß diese Regierung einfach nicht mehr in der Lage ist, ihr die Unterstützung zu geben, die sie zur Erfül-



    Biehle
    lung ihrer echten und eigentlichen Aufgaben braucht.

    (Dallmeyer [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    Der Verteidigungsminister hat jegliche Übersicht verloren;

    (Berger [Lahnstein] [CDU/CSU]: Wie gehabt!)

    ihm sind die Zügel entglitten. Der Herr Minister — lassen Sie mich auch dies mit Deutlichkeit sagen — läßt jegliche Führungsqualität vermissen.

    (Würzbach [CDU/CSU]: Er will sie nicht einmal haben!)

    Herr Minister, ich sage Ihnen: Auch die Truppe hat die Schnauze voll,

    (Berger [Lahnstein] [CDU/CSU]: Nicht nur der Kanzler!)

    um es einmal im Jargon des Soldaten zu sagen. Diese Armee, unsere Bundeswehr, hat mit den Bündnispartnern der NATO einen Auftrag. Dieser orientiert sich an der Bedrohung durch ungeheure Rüstungen im Warschauer-Pakt-Bereich und am Erhalt des Friedens. Es ist die verdammte Schuldigkeit des Verteidigungsministers und damit dieser Regierung, die Bundeswehr auch an dieser Bedrohungslage und an diesem Friedensauftrag zu orientieren

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    und nicht, wie es laufend mit Hilfe des Rotstiftes geschieht, an Ideologie, als sei die Bundeswehr das Hobbypferdchen dieser Regierung oder einiger Ideologen.
    Daß diese mißliche Lage in der Bundeswehr eingetreten ist, kann auch nicht mit dem Hinweis auf kurzfristige Entwicklungen abgetan werden. Denn seit 1969 haben wir, wenn sie so wollen, inzwischen drei Generationen von SPD-Verteidigungsministern erlebt: Kanzler Schmidt selbst

    (Dallmeyer [CDU/CSU]: Er hat ein Gastspiel gegeben!)

    als ersten sozialdemokratischen Verteidigungsminister von 1969 bis 1972, danach Leber, und seit 1978 residiert „unser" Dr. Apel auf der Hardthöhe.

    (Berger [Lahnstein] [CDU/CSU]: Aber mit Schmidt fing es an!)

    Seit gestern abend wissen wir — leider, Herr Minister —, daß Ihre Koalition, die SPD/FDP-Koalition, im Haushaltsausschuß erneut Hand an den Verteidigungshaushalt gelegt hat. Neben den schon in der letzten Woche bekanntgewordenen 200 Millionen DM soll der Verteidigungshaushalt um weitere 186 Millionen DM gekürzt werden, wobei 50 Millionen DM davon noch in der Schwebe sein sollen.

    (Würzbach [CDU/CSU]: Zusätzlich! — Dallmeyer [CDU/CSU]: Aber er schwebt auch über der Fahnenstange!)

    Sie haben sich in dieser Sitzung, wie man dort erleben und hören konnte, gegen diese Kürzungen gar nicht so verhement gewehrt. Aber das ist eine altbekannte Tatsache. Denn Sie haben auch die ersten Kürzungen in Höhe von 200 Millionen DM im Kabinett nur zur Kenntnis genommen, ohne daß Sie sich dagegen verwahrt haben. Das, was man heute in Zeitungen lesen kann: „Apel droht: Helmut, ich gehe!", ist die gleiche Schaumschlägerei, wie wir sie in unserem Lande seit Monaten immer wieder erleben.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Würzbach [CDU/CSU]: Wie gut wäre es für die Bundeswehr, wenn er es täte!)

    Als ich heute morgen ins Bundeshaus ging, sprach mich ein Bekannter an und übergab mir ein Präsent, das ich Ihnen geben sollte; ich will das nach dieser Rede auch tun. Angesichts der Finanz- und Gesamtmisere, die wir in der Bundeswehr haben, sollten Sie die Bundeswehr auf Blasrohr mit Zielfernrohr umstellen und dazu auch die Erbsen nehmen, und zwar nicht nur zum Blasrohr,

    (Wehner [SPD]: Wir sind hier doch nicht in einer Karnevalsveranstaltung, Herr!)

    sondern auch um die Mengenlehre hinsichtlich der Aufrüstungstendenz in der Sowjetunion und der mangelnden Präsenz bei uns in der Bundesrepublik

    (Wehner [SPD]: Und auch im Bundestag, nicht? — Weiterer Zuruf von der SPD)

    bzw. im NATO-Bereich zu lernen.
    Ich verstehe j a

    (Wehner [SPD]: Sie verstehen viel, ja!)

    Ihre Enttäuschung, Herr Minister, gegenüber den eigenen Genossen, die Sie da zum Ausdruck bringen. Dennoch frage ich Sie: Hat denn das schon bei früheren Haushaltskürzungen für 1982 von Ihnen geäußerte Wort, wonach das Ende der Fahnenstange erreicht sei, jetzt noch Gültigkeit?

    (Dr. Wörner [CDU/CSU]: Sehr gut!)

    Haben Sie nicht gesagt, der ursprüngliche Verteidigungsetat sei bereits auf Rand genäht? Ich habe Ihnen schon im Verteidigungsausschuß gesagt, Sie sollten lieber formulieren: auf Hohlsaum genäht. Was halten Sie denn selbst von Ihren eigenen Worten im Juni 1981 anläßlich eines Interviews mit der Zeitschrift „IG Metall", in dem Sie im Blick auf den Haushalt 1982 gesagt haben — ich zitiere mit Genehmigung der Frau Präsidentin —:
    Noch einmal den Verteidigungsminister über Monate als August der Nation dastehen zu lassen, das werde ich nicht mit mir machen lassen, und das kann sicherlich mit mir auch nicht mehr gemacht werden.
    Wie lange wollen Sie denn dies noch aufrechterhalten? Wenn ich noch das hinzunehme, was der Bundesrechnungshof in seinem letzten Bericht vor wenigen Tagen über Ihr Amt gesagt hat, dann ist der Skandal perfekt. Das Verschleudern von vielen Steuer-Millionen ist der gravierendste Vorwurf, der Ihnen dort gemacht worden ist. Auch die Vorsitzende des Petitionsausschusses im Deutschen Bundestag hat Ihnen eine lange Liste von Beanstandungen über die Verhältnisse in Ihrem Hause vorgelegt. Dies ist doch, wenn Sie so wollen, die Folge Ihrer Plan- und Konzeptlosigkeit. Denn Ihre Militärs und



    Biehle
    zivilen Mitarbeiter sind bereit und willens, tatkräftig mitzuarbeiten. Nur fehlt bei Ihnen die Orientierung.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Und so honorieren Sie einen ehemaligen General der Bundeswehr mit Ruhestandsbezügen, obwohl dieser Ehemalige, der aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig entlassen wurde, den Eindruck strotzender Gesundheit macht und mit genauso strotzenden Kraftausdrücken gegen die Bundeswehr und den Staat vom Leder zieht.

    (Berger [Lahnstein] [CDU/CSU]: Ein sogenannter Panzergeneral! — Würzbach [CDU/CSU]: Den hat er hier im Plenum noch verteidigt!)

    Die „Kölner Rundschau" schrieb gestern, am 26. November, dazu — lassen Sie mich ein paar Sätze zitieren —:
    „Kennzeichnend für den von der politischen Leitung des Bundesverteidigungsministeriums geprägten Ungeist an chauvinistischer Voreingenommenheit". So sprach der im vorzeitigen Ruhestand lebende Generalmajor Gert Bastian am Wochenende in Dortmund bei der Großkundgebung des „Krefelder Appells" von „seinem Verteidigungsminister".
    „Die Soldaten müssen von uns vor dem Minister und seiner Politik geschützt werden", sagte der General ...
    Da kann ich nur fragen, Herr Minister: Wie lange wollen Sie diesen Mißstand noch weiter zur Kenntnis nehmen?

    (Beifall bei der CDU/CSU — Würzbach [CDU/CSU]: Das ist Wehners General!)

    Wie lange wollen Sie den Steuerbürger noch die Pension für einen solchen General zahlen lassen, und wie lange wollen Sie eigentlich den Soldaten dieser Bundeswehr dieses schauerliche Beispiel noch zumuten?

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Im übrigen sind Sie j a mit den Generalen in der Vergangenheit gar nicht so zimperlich umgegangen. Wo bleibt denn hier die Konsequenz für diesen ehemaligen Panzergeneral?
    Dagegen werfen Sie — lassen Sie mich auch dies hier kurz anführen — einem ehrenwert ausgeschiedenen General, dem ehemaligen Generalinspekteur Wust, vor, er habe vor dem Tornado-Untersuchungsausschuß die Unwahrheit gesagt. Demgegenüber behauptet Wust, sein Rücktritt sei deshalb erfolgt, weil Sie mit der Auflösung des Planungssystems einen totalen Bruch der Planungskontinuität veranlaßten und außerdem seitherige Planungsgrundlagen und zugeordnete Zuständigkeiten nicht mehr akzeptierten. Neue Initiativen seien von Ihnen aber überhaupt erst gar nicht entfaltet worden. Als der General dann den Beweis für seine Behauptungen auch durch die Vorlage seines Entlassungsschreibens erbracht hat, hatten Sie nur noch die Erklärung parat, dies sei wohl ein Irrtum im Ministerium gewesen. Da kann ich Ihnen nur sagen: Das war kein Irrtum, sondern das war wieder einmal ein leichtfertiger Umgang mit der Wahrheit, wie wir das seit langer Zeit gewohnt sind.

    (Zuruf von der SPD: Bei wem?)

    In diesem Zusammenhang erinnert man sich auch an Ihr eigenes auf dem Evangelischen Kirchentag in Frankfurt am 12. Juni 1975 abgegebenes Bekenntnis, Herr Minister; ich zitiere auch wieder aus Ihrem Redemanuskript. Es heißt dort:
    Als demokratischer Politiker schließe ich Kompromisse, die auch faul sein können. Ich kämpfe manchmal unfair für den Erhalt der Macht meiner politischen Truppe, weil ich davon überzeugt bin, daß das für unser Land gut ist. Ich sage nicht immer die Wahrheit.

    (Berger [Lahnstein] [CDU/CSU]: Wer hat das gesagt?)

    — Dies hat der Verteidigungsminister Apel auf dem Evangelischen Kirchentag in Frankfurt am 12. Juni 1975 vor aller Öffentlichkeit festgestellt.

    (Würzbach [CDU/CSU]: Und sich immer danach verhalten!)

    So, Herr Minister, können Sie doch vor der Öffentlichkeit, vor Ihren Soldaten, vor Ihren Mitarbeitern keinen Anspruch auf Glaubwürdigkeit erheben.
    Wenn wir in der Union auch die Methode verurteilen, mit der Ihr Auftreten von militanten und radikalen Gruppen selbst in einer Hamburger Kirche gestört wird, so enthebt es Sie bei all dem nicht der Pflicht, Ihr Amt mit mehr Sorgfalt und vor allen Dingen mit mehr Engagement wahrzunehmen. Es ist vor allen Dingen notwendig, daß Sie in allen Bereichen der Verteidigung endlich Prioritäten setzen, damit man in unserem Lande merkt, wo es eigentlich langgeht und damit auch die Soldaten endlich wieder eine Orientierung haben.
    Sicherlich ist es auch fehlende Orientierung, wenn z. B. junge Reservisten ihre Wehrpässe in aller Öffentlichkeit verbrennen. Dabei geht es gar nicht so sehr um dieses Spektakulum, und hier geht es auch gar nicht darum, daß kleine graue Büchlein verbrannt worden sind, nein, hier sollen der Staat und unsere Demokratie getroffen werden. Der Bürger — ob in Zivil oder in Uniform — fragt zu Recht: Was will denn dieser Staat eigentlich noch alles hinnehmen, ehe hier entsprechende Konsequenzen gezogen werden? Diese Beispiele ließen sich endlos fortsetzen.
    Lassen Sie mich nach diesen generellen Bemerkungen noch auf einige weitere Beispiele eingehen, die den inneren Zustand der Bundeswehr und die Lage unserer Soldaten in den Streitkräften so deutlich belegen. Ein ganz zentrales Problem, dessen Auswirkungen sicher von Jahr zu Jahr spürbarer werden, das einer schleichenden Krankheit gleicht und die Einsatzbereitschaft unserer Bundeswehr vorn inneren Gefüge her ganz entscheidend beeinträchtigt, ist, so meine ich, der Verwendungs- und Beförderungsstau.
    Ein vorn Sozialwissenschaftlichen Institut der Bundeswehr bereits 1979 erstelltes Gutachten besagt — ich zitiere —:



    Biehle
    Etwa seit 1976 entwickelt sich in der Bundeswehr ein Verwendungs- und Beförderungsstau. Neben einem auf Grund geburtenschwacher Jahrgänge verminderten Aufkommen an Wehrpflichtigen gehören der Stau und seine Folgen zu den schwerwiegendsten Problemen der Wehr- und Personalstruktur der Bundeswehr in der nächsten Zukunft.
    Ein Divisionskommandeur schrieb dazu erst jüngst
    — auch hier zitiere ich —:
    So hat die Tatsache, daß auf Grund der finanziell angespannten Haushaltslage zur Lösung des Verwendungsstaus in der Bundeswehr in diesem Haushaltsjahr nur wenig zu erwarten ist, bei unseren Offizieren und Unteroffizieren große Unruhe ausgelöst. Da dies ein Problem ist, das sich auf die Einsatzbereitschaft der Truppe auswirkt,
    — dies wird von Ihnen j a immer wieder bestritten; aber hier spricht ein Kommandeur —
    sehe ich hierfür Lösungen als dringend geboten an.
    So die vornehme Umschreibung der Lage durch einen Divisionskommandeur.
    Sie, Herr Minister, und der Kanzler wissen ja seit langem, daß es bei den betroffenen Soldaten nicht nur unter der Oberfläche brodelt, sondern die Folgen dieses Staus immer stärker die Einsatzbereitschaft der Betroffenen lähmen.
    Sie selbst, Herr Minister Apel, haben zu diesem Problem noch im April 1980 erklärt:
    Wir müssen 1981 vorankommen.
    In einem Rundfunkinterview Ende 1980 sagten Sie:
    Ich sehe die Probleme des Verwendungsstaus genauso dramatisch an wie der Bundeswehrverband und der Generalinspekteur.
    Selbst der Bundeskanzler hat darauf in seiner Regierungserklärung Bezug genommen und darauf hingewiesen, daß man sich dieses Problems bewußt sei.
    Entscheidende Initiativen zur Schaffung wirksamer Abhilfe blieben jedoch aus. Das ist bis zum heutigen Tage so. Es bietet sich, wenn Sie so wollen, ein Bild der Ratlosigkeit und der Unentschlossenheit. Nur einschneidende Maßnahmen, so meinen wir, können noch die notwendige Abhilfe bringen, wobei es das Ziel sein muß, möglichst kurzfristig eine Ausgewogenheit des Alterskegels der Bundeswehr zu schaffen. Ein erster Schritt in die richtige Richtung wäre schon die Zurücknahme der besonderen Dienstaltersgrenze für Berufssoldaten auf die Regelung vor dem sogenannten Haushaltsstrukturgesetz 1975.
    Natürlich sind wir uns darüber im klaren, daß solche Maßnahmen kostenwirksam sind. Es gibt aber auch Maßnahmen, die ohne große Kosten oder fast ohne Kosten durchführbar sind. Ich denke dabei an die Einführung des Spitzendienstgrades, vom Verteidigungsausschuß seit Jahren gefordert und gewollt. Es gilt, nach einem Gesamtkonzept endlich
    Prioritäten zu setzen. Meine Fraktion drängt seit Jahren die Bundesregierung und Sie, Herr Minister Apel, das Problem entschlossen zu lösen.
    Wenn man sieht, daß gerade im Rahmen des Haushalts 1982, der in diesen Wochen beraten wird, die Post 6 000 neue Arbeitskräfte einstellt, dann muß man auf der anderen Seite für die Sicherheitspolitik feststellen, daß bei der Bundeswehr, täglich neu finanziell zusammengestrichen wird, wie das auch in der vergangenen Nacht durch Ihre Genossen wieder der Fall war.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Würzbach [CDU/CSU]: Die anderen Minister kümmern sich um ihre Ressorts!)

    Folgende Zahlen sprechen für sich: Von 6 000 Hauptleuten des Truppendienstes erfüllen über 2 000 Offiziere alle Voraussetzungen für eine Beförderung zum Major. Das sind mehr als 30 % aller Hauptleute des Truppendienstes. Über 2 800 Oberleutnante des militärfachlichen Dienstes befinden sich im Beförderungsstau. Bis 1985 werden es sogar etwa 5 500 sein. Bei den Unteroffizieren befinden sich 3 000 Oberfeldwebel im Verwendungs- und Beförderungsstau. Bis 1985 wird diese Zahl auf über 5 000 steigen. Ist es denn ein Wunder, Herr Minister, wenn die Dienstfreude und das persönliche Engagement dieser Soldaten in fast nicht mehr zu vertretender Weise beeinträchtigt werden?

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das Vertrauen in die Führung, ich sagte es bereits, ist erschüttert, was im übrigen auch in einem Papier zu lesen ist, das im März 1981 in Ihrem Hause, Herr Minister, erarbeitet wurde. Darin ist von Neigung zur Resignation und zum Fatalismus die Rede. Ist ein solches Eingeständnis eigentlich nicht schlimm, zudem dies auch noch in Ihrem eigenen Hause so festgestellt wird? Dabei hoffe ich, Sie nicht auffordern zu müssen, diese Denkschrift — so möchte ich sie einmal bezeichnen — nachzulesen; denn sie hat nur 20 Seiten, während wir im Tornado-Ausschuß von Ihrem Problem hörten, 40 Seiten durchlesen zu müssen.

    (Berger [Lahnstein] [CDU/CSU]: Nachträglich wurde es auf „Geheim" gestempelt!)

    — Sie haben völlig recht, Herr Kollege: Nachträglich kam noch der „Geheim"-Stempel darauf, damit dies ja nicht an die Öffentlichkeit kommt.
    Auch dieser Denkschrift kann man im übrigen entnehmen, daß die Frustration der vom Verwendungsstau betroffenen Offiziere und Unteroffiziere sich bis zum letzten Soldaten auswirkt, denn — ich zitiere aus diesem Bericht — „für die meisten Grundwehrdienstleistenden ist die Person des Vorgesetzten ausschlaggebend dafür, in welche Richtung sich ihre Einstellung zum Wehrdienst entwikkelt". Man kann sich vorstellen, wie ein mißmutiger Vorgesetzter auf seine Soldaten wirkt und wie er sie dann motiviert.
    Ein weiteres Problem stellt die hohe Dienstzeitbelastung einschließlich des Wachdienstes für einen großen Teil unserer Soldaten dar. Während es für fast alle Staatsbürger die 40-Stunden-Woche gibt, ist



    Biehle
    für viele Soldaten eine Dienstzeit von teilweise 60 oder 70 Wochenstunden keine Seltenheit. Das hat natürlich seine Auswirkungen, auch auf die negative Personalentwicklung der Bundeswehr; denn die hohe Dienstzeitbelastung mit der daraus resultierenden ständigen Überforderung macht es für junge Menschen nicht gerade attraktiv, sich längerfristig für den Dienst in der Bundeswehr zu entscheiden.
    Auch hierzu gibt es ein jüngstes Beispiel von Doppelzüngigkeit. Im Verteidigungsausschuß haben Sie uns auf Vorhalt aufgefordert, wir sollten gemeinsam die vorgesehene Streichung von 20 Millionen DM für das zivile Wachpersonal rückgängig machen. Als es dann zur Tat kam, haben ihre eigenen Genossen im Ausschuß einen Rückzieher gemacht, und die Sache ist zu Fall gekommen.

    (Würzbach [CDU/CSU]: Da hat der Minister geschwiegen!)

    Der Minister hat dazu keinen Kommentar abgegeben.
    Im übrigen steht natürlich außer Frage, daß unsere Soldaten wissen, daß sie ihre Aufgaben nicht in einer gesetzlich geregelten Arbeitszeit ableisten können. Ich meine, die Soldaten haben die Bereitschaft zum Dienen immer wiederbewiesen. Sie nehmen auch die vielen Belastungen hin, die ihnen abverlangt werden müssen, und dies auch mit Verständnis. Aber sie wollen natürlich auch nicht auf Dauer von den sozialen Fortschritten und Errungenschaften der Gesellschaft restlos abgekoppelt werden. Dies ist das Faktum.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Aus jüngsten Erhebungen eines Artillerieregiments ist z. B. zu entnehmen, daß wöchentlich folgende durchschnittlichen Dienstzeiten errechnet wurden: bis 64 Wochenstunden 17,7 % der Soldaten, über 64 bis 80 Wochenstunden 78,1 °10 der Soldaten.
    Zu einem ähnlichen Ergebnis führten auch die Erhebungen bei der 2. Panzerdivision, wonach dort mehr als 95 % der Soldaten dieses Großverbands mehr als 56 Stunden Dienst in der Woche leisten.
    Hier, so meinen wir, muß endlich Abhilfe geschaffen werden.

    (Mällemann [FDP]: Wie denn?)

    Mit der inzwischen eingeführten Vergütung für Soldaten mit Dienstzeiten von mehr als 56 Wochenstunden ist es allein nicht getan, zumal diese Vergütung ja längst nicht alle Soldaten erreicht. Erforderlich sind also entsprechend wirksame Schritte, die zu einem vernünftigen Dienstzeitausgleich führen. Die Benachteiligungen durch Freizeiteinschränkungen müssen dabei weitgehend beseitigt werden. Auch hierzu sind in einem offiziellen Bericht Ihres Hauses Feststellungen getroffen. Reaktionen stehen — wie immer — bis heute aus.
    Sorge bereitet nach wie vor die außerordentlich angespannte Personallage der Bundeswehr. Das Fehl an längerdienenden Zeitsoldaten beläuft sich zur Zeit auf etwa 30 000 Soldaten. Aber wirksame Maßnahmen zur Abhilfe sind absolut nicht in Sicht. Im Gegenteil: Man muß davon ausgehen, daß sich die Situation weiter verschlechtert und das vorhandene Personal auch zeitlich immer mehr belastet und somit an der Erfüllung seiner echten Aufgabe gehindert wird. Die Frustration wird immer größer. Das ist sicher keine gute Grundlage für die Gewinnung weiteren Personals.
    Hinzu kommt schließlich für 1982 die Streichung von 8 000 Plätzen für SaZ-2-Soldaten, die zwangsläufig zu einer erneuten Verschärfung des Problems führen wird.

    (Dallmeyer [CDU/CSU]: Das soll auch noch fortgesetzt werden!)

    Entsprechende Erfahrungen hat die Bundeswehr ja in der Vergangenheit dazu schon gemacht, insbesondere, als die Verpflichtungsprämien für SaZ 2 bis 4 und auch das Gehalt ab dem siebten Monat für SaZ2-Soldaten gestrichen wurden. Das hat sich im nachhinein als schwerwiegender Fehler herausgestellt. Wir haben lange genug davor gewarnt. Leider sind nun wieder mit den Stimmen der Koalition die gleichen Fehler für die Zukunft festgeschrieben worden.
    Im Zusammenhang mit der Personallage der Bundeswehr muß schließlich auch darauf hingewiesen werden, daß auf Grund des Geburtenrückgangs spätestens Mitte dieses Jahrzehnts der personelle Bedarf der Streitkräfte nicht mehr zu decken ist. Es ist daher zu fordern, daß die Bundesregierung nach eingehender Prüfung rasch und rechtzeitig die Initiative ergreift und in den zuständigen Gremien einen entsprechenden Maßnahmenkatalog vorlegt. Schon jetzt seien aber schon Zweifel angemeldet, ob die Überlegungen in die richtige Richtung gehen, die kürzlich — seltsamerweise durch den Generalinspekteur und nicht durch die politisch Verantwortlichen, durch den Minister, der sich immer wieder in das Schneckenhaus zurückzieht — vorgetragen worden sind, nämlich eventuell auch Ausländer zum Wehrdienst einzuberufen, was letzten Endes keine Lösung des Problems mit sich brächte.
    Ich meine auch, daß den Vorstellungen, die z. B. der Deutsche Bundeswehrverband vorgetragen hat und nach denen Frauen zum Dienst in der Bundeswehr mit der Waffe in der Hand herangezogen werden sollen, schon aus verfassungsrechtlichen Gründen eine Absage erteilt werden muß. Der Einsatz von Frauen in der Bundeswehr kann auch in Zukunft, wenn überhaupt, nur auf freiwilliger Basis und ohne Waffen erfolgen. Jedenfalls bedarf es rasch eines Konzeptes der Regierung, damit rechtzeitig eine Lösung in die Wege geleitet wird.

    (Würzbach [CDU/CSU]: Er will das erst in der nächsten Periode vorlegen!)

    Die Überlegungen können nach eingehender Prüfung nach unserer Auffassung u. a. nur in folgende Richtung gehen: Verlängerung der Wehrdienstzeit, Überprüfung der Zurückstellungsgründe, Veränderung der Tauglichkeitskriterien, Erhöhung der Zahl der Planstellen, Heranziehung auch von angehenden Medizinern zum Wehrdienst vor ihrem Studienbeginn und schließlich auch die totale Überprüfung der immer größer werdenden Wehrungerechtigkeit; dazu gehört auch der Komplex der Kriegsdienstver-



    Biehle
    weigerung, wobei wir — das darf ich Ihnen gleich ins Stammbuch schreiben — nicht die Aufgabe der gut bezahlten Minister und Staatssekretäre zu übernehmen haben, sondern hier ist die Initiative der Regierung zu fordern.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Da nur knapp 60 % eines Geburtsjahrganges echten Wehrdienst leisten, verfolgen unsere jungen Soldaten, die aktiv Dienst leisten, die Entwicklung natürlich mit großer Aufmerksamkeit. Diese Soldaten, die während ihrer Dienstzeit etwa 10 000 bis 15 000 DM gegenüber denen einbüßen, die zu Hause bleiben, im Beruf Fortkommensmöglichkeiten haben, erwarten, daß diejenigen, die weder Wehr- noch Ersatzdienst leisten, obwohl sie dazu tauglich sind, gleichfalls zu einer entsprechenden Belastung herangezogen werden.
    Im Grunde sind viele der Wehrpflichtigen zum Dienst für den Frieden in der Bundeswehr bereit. Sie verlangen nur, daß dieser Dienst durch die politisch Verantwortlichen in der Öffentlichkeit auch entsprechend gewürdigt wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    An dieser Stelle darf ich namens meiner Fraktion all denen, die als Wehrpflichtige, als Zeit- oder als Berufssoldaten in der Bundeswehr Dienst leisten, einen Dienst für den Frieden, ein aufrichtiges Dankeschön sagen.

    (Beifall bei der CDU/CSU und bei der FDP)

    Ohne die Verdienste anderer demokratischer Gruppierungen schmälern zu wollen, darf ich auch hier noch einmal dokumentieren, daß die Bundeswehr mit 495 000 Soldaten und 180 000 zivilen Mitarbeitern — wenn Sie so wollen: 675 000 Frauen und Männer — wohl die größte Friedensinitiative darstellt, die wir in unserem Volke haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Und das 365 Tage, rund um die Uhr, und nicht nur an einem freien Wochenende einmal oder zweimal im Jahr. Auch das sei einmal festgestellt.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Berger [Lahnstein] [CDU/CSU]: Gott sei Dank!)

    Viele Punkte ließen sich noch anführen. Lassen Sie mich nur stichwortartig noch einmal folgendes sagen. Für die jährlich mehr als 20 000 ausscheidenden länger dienenden Zeitsoldaten muß einiges geschehen. Die Kostenerstattung an Wehrpflichtige für die Benutzung des eigenen Pkw bei Familienheimfahrten sollte endlich realisiert werden. Es ist einfach nicht einsichtig, daß ein Soldat indirekt gezwungen wird, seinen eigenen Wagen nicht zu benutzen. Man darf doch nicht übersehen, daß in vielen Fällen weder die Bundesbahn verkehrt noch sonst irgendwelche öffentlichen Verkehrsmittel, sondern daß die Soldaten auch zur Verlängerung ihres Wochehendes einfach auf ihren Pkw angewiesen sind.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU) Ich kann Ihnen nur sagen, Herr Minister: Wer es zuläßt — ich beziehe mich auf den Bundesrechnungshof —, daß zu einer einzigen Kommandeurstagung der Bundeswehr auf Borkum 659 000 DM für den Flugdienst ausgegeben werden,


    (Zuruf von der CDU/CSU: Unglaublich!)

    damit die Kommandeure eingeflogen werden, und wer dazu noch 350 Pkws per Schiff für weitere 30 000 DM anlanden läßt, der sollte auch soviel Takt haben, unseren Wehrpflichtigen, die auch ihren Dienst leisten, die entsprechenden Mittel für die Benutzung ihres Pkw, für Benzingeld zur Verfügung zu stellen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Im übrigen meine ich, daß sich mit der Verweigerung dieser Mittel einschließlich der immer stärker werdenden heimatfernen Einberufungen eine familienfeindliche Entwicklung abzeichnet.
    Ich möchte gar nicht auf das Gebiet der Ausrüstung unserer Bundeswehr eingehen. Dieser Bereich ist bei den Haushaltsberatungen anzusprechen. Ich will auch nicht auf die weiteren Mängel an Gerät, Ausrüstung, Munition und Betriebsstoff eingehen, wenn sich auch Tag für Tag zeigt, daß dies ungeheure Auswirkungen auf die Truppe hat. Eines ist klar: Die Verantwortung für die Versäumnisse trägt ausschließlich die derzeit amtierende Bundesregierung und speziell für die Bundeswehr Sie, Herr Minister Apel. Sie bekommen die Probleme einfach nicht in den Griff.
    Bei dieser Lage unserer Bundeswehr wäre es ohne Zweifel richtiger und auch ehrlicher gewesen, den Verteidigungshaushalt von den Kürzungen überhaupt ganz auszunehmen; denn über eines sollte doch wohl Übereinstimmung bestehen: Wenn wir insgesamt unsere Freiheit im Rahmen des westlichen Bündnisses glaubhaft bewahren wollen, müssen wir unsere Verteidigungsanstrengungen für einen dauerhaften Frieden gemeinsam treffen. Wenn es um den Frieden geht, sollten wir uns auch in diesem Parlament gemeinsam in einer Front mit den Soldaten befinden. Tun Sie dies aber auch durch Taten kund!
    Namens meiner Fraktion darf ich beantragen, daß gemäß der Geschäftsordnung die Bundestagsdrucksache 9/873 — Große Anfrage zum inneren Zustand der Bundeswehr und zur Lage der Soldaten in den Streitkräften — zur Beratung an den Verteidigungsausschuß überwiesen wird. — Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Neumann (Stelle).

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Paul Neumann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist gut, daß wir hier im Plenum des Deutschen Bundestages wieder einmal zur Lage der Bundeswehr und ihrer Soldaten sprechen. Gerade in einer Zeit, in der mancher in unserem Lande über die Richtigkeit der bisherigen Sicherheits- und Verteidigungspolitik unsicher wird, ist es erforderlich, den Angehörigen der Streit-



    Neumann (Stelle)

    kräfte in Uniform und Zivil „für den verantwortungsvollen und treuen Dienst zu danken, den sie dem Ganzen leisten", wie es der frühere Bundeskanzler Willy Brandt 1970 im Weißbuch schrieb. „Denn die Soldaten der Bundeswehr dienen dem Frieden." Auch das sagte Willy Brandt in dem Weißbuch 1971/72. „Die Bundeswehr hat einen schwierigen Auftrag zu erfüllen. Sie wird ihn meistern dank der Bereitschaft ihrer Soldaten und zivilen Mitarbeiter zu treuem Dienst, den sie für uns alle leisten." So steht es in demselben Weißbuch.

    (Würzbach [CDU/CSU]: Die werden immer mehr überstrapaziert!)

    Diesen schwierigen Auftrag zu erfüllen, mein lieber Herr Kollege Würzbach, ist seitdem nicht leichter geworden; denn die Wirtschafts- und Haushaltssituation ist gegenüber 1971/72 nicht besser geworden.
    Es ist verständlich, daß sich diejenigen, die mit den Streitkräften zu tun haben, Gedanken darüber machen, ob Auftrag und Mittel der Streikräfte noch übereinstimmen und, wenn nicht, welche Konsequenzen daraus zu ziehen sind. Diese Diskrepanz zwischen Auftrag und Mitteln steht für mich im Mittelpunkt der Betrachtung.
    Nun hat der Kollege Biehle die Bedrohungsgerechtigkeit wieder hervorgezogen. Daß die Frage der Bedrohungsgerechtigkeit für die Bundeswehr in ihrer ganzen Geschichte noch nie die zentrale Rolle gespielt hat, die Sie ihr beimessen, belegte der Generalinspekteur vor dem Untersuchungsausschuß wie folgt:
    Ich glaube nicht, daß die Bedrohung den alleinigen Gradmesser dargestellt hat, seit wir eine Bundeswehr haben. Ich wage zu behaupten — und ich bin nicht nur nach dem Dienstrang, sondern auch nach dem Lebenslauf ältester Angehöriger der Bundeswehr; ich bin ja am 1. Oktober 1950 im Palais Schaumburg angefangen —, daß auch der Umfang der Bundeswehr nicht an der Frage der Bedrohung orientiert wurde, sondern nach dem, was man so für möglich hielt. Daher gibt es eine Situation, wo man gesagt hat: Na, zwölf Divisionen, nämlich eine Feldarmee, werdet ihr wohl aufstellen können.
    Unverändert, meine Damen und Herren von der Opposition, muß auch für Sie gelten, was Ihr damaliger Verteidigungsminister Dr. Gerhard Schröder im Weißbuch 1969 geschrieben hat. Er schrieb dort:
    Der Umfang der Streitkräfte wird durch die Stärke des potentiellen Gegners, den Auftrag und die verfügbaren Haushaltsmittel bestimmt. Die Mittelbeschränkung und Schwierigkeiten beim Personalaufkommen zwangen zur Verringerung des ursprünglich im Rahmen von NATO-Zielen geplanten Friedensumfanges von 508 000 Soldaten.

    (Zuruf von der CDU/CSU)

    So weit Herr Dr. Schröder. Schröder hatte 1968 jedoch nur 441 600 Soldaten, und das zu einer Zeit, als die Truppen des Warschauer Pakts in Prag einmarschiert waren.
    Zu Beginn der Aufstellung der Bundeswehr haben Sie damals der NATO zwölf Divisionen angeboten. Diesen Umfang haben Sie während Ihrer Regierungszeit nie erreicht. Erst die sozialliberale Bundesregierung und die Koalition haben die Verträge erfüllt, die Sie freihändig ausgehandelt hatten.

    (Biehle [CDU/CSU]: Inzwischen hat sich die Bedrohung total verändert!)

    Im Januar 1961 hat der „Spiegel" unter dem Titel „Bedingt abwehrbereit" eine Darstellung über den damaligen Zustand der Bundeswehr gegeben — als Sie Verantwortung trugen —, die sich noch heute zu lesen lohnt.
    Als am 31. Oktober 1979, also vor zwei Jahren, der ehemalige Generalinspekteur de Maizière seinen Bericht zur Führungsfähigkeit und Entscheidungsverantwortung in den Streitkräften vorgelegt hatte, war seine Grundklage und Hauptklage die Diskrepanz zwischen dem Auftrag der Bundeswehr und den Mitteln, die ihr zur Erfüllung dieses Auftrages zur Verfügung stehen. Der Auftrag der Bundeswehr ist im Weißbuch 1979 sehr gut dargestellt. Unter dem Begriff „Mittel" hat de Maizière subsumiert das Personal, das Material, die Organisation, die Befugnisse, Information, Zeit, Ausbildung und Fähigkeiten.
    Als der de-Maizière-Bericht erschien, habe ich für die SPD-Mitglieder im Verteidigungsausschuß erklärt, daß die Aussagen von Herrn de Maizière uns alle auffordern, zur Beseitigung dieser Diskrepanz von Auftrag und Mitteln zusammenzuarbeiten. Man sollte nicht, wie der Kollege Dr. Wörner am 3. November 1979 der „Welt" gegenüber erklärte, der Meinung sein, daß der de-Maizière-Bericht das Gesangbuch der Opposition werden würde. Wer sich die Fragen der Opposition zum inneren Zustand der Bundeswehr ansieht und vergleicht, wie die Opposition draußen und hier argumentiert, der kommt zu dem Ergebnis, daß sie nicht bereit ist, sich realistisch und sachlich den Problemen zu stellen, die Herr de Maizière dargestellt hat.
    Um zu verdeutlichen, was bis in den inneren Zustand der Bundeswehr seine Auswirkung zeigt, möchte ich den nach meiner Meinung wohl treffendsten Satz aus dem Bericht zitieren.