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ID0906004600

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    Plenarprotokoll 9/60 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 60. Sitzung Bonn, Freitag, den 23. Oktober 1981 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Rosenthal 3459 A Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Anpassung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung im Jahr 1982 — Drucksache 9/458 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 9/885 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung — Drucksache 9/884 — Franke CDU/CSU 3459 B, 3471 B Heyenn SPD 3462 D Schmidt (Kempten) FDP 3466 A Dr. Ehrenberg, Bundesminister BMA . 3469 B, 3471 D Beratung des Gutachtens des Sozialbeirats über langfristige Probleme der Alterssicherung in der Bundesrepublik Deutschland — Drucksache 9/632 — 3473 C Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Elften Gesetzes über die Anpassung der Leistungen des Bundesversorgungsgesetzes (Elftes Anpassungsgesetz-KOV) — Drucksachen 9/801, 9/848 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 9/883 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung — Drucksache 9/868 — Höpfinger CDU/CSU 3474 A Kirschner SPD 3474 D Hölscher FDP 3476 A Dr. Ehrenberg, Bundesminister BMA . 3476 D Beratung des Antrags der Abgeordneten Gerstein, Dr. George, Lenzer, Pfeifer, Dr. Probst, Dr. Bugl, Engelsberger, Eymer (Lübeck), Dr. Hubrig, Maaß, Neuhaus, Prangenberg, Weirich, Dr. Riesenhuber, Dr. Stavenhagen, Frau Hoffmann (Soltau), Dr. Freiherr Spies von Büllesheim und der Fraktion der CDU/CSU Neutrale Überprüfung des Programms „Humanisierung des Arbeitslebens (HdA)" — Drucksache 9/833 — Gerstein CDU/CSU 3478 B Auch SPD 3480 B Timm FDP 3483 A Stahl, Parl. Staatssekretär BMFT . . . 3484 B Lenzer CDU/CSU 3485A II Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 60. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Oktober 1981 Zweite Beratung des von den Abgeordneten Walther, Löffler, Grobecker, Gärtner und Genossen und den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Sozialgesetzbuches — Verwaltungsverfahren — — Drucksache 9/529 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung — Drucksache 9/865 — 3485 D Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung Aufhebung der Immunität von Mitgliedern des Deutschen Bundestages — Drucksache 9/879 — 3486 A Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung Aufhebung der Immunität von Mitgliedern des Deutschen Bundestages — Drucksache 9/880 — 3486 A Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Forschung und Technologie zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Entwurf für eine Empfehlung des Rates betreffend die Erfassung von Arbeiten über die Neuverknüpfung von Desoxyribonukleinsäure (DNS) — Drucksachen 9/188, 9/869 — 3486 B Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Ermächtigung der Bundesrepublik Deutschland, von der Richtlinie des Rates zur Synchronisierung der allgemeinen Volkszählungen (73/403/EWG) abzuweichen — Drucksachen 9/782 Nr. 62, 9/878 -- . . 3486 B Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Vierten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Landwirtschaftliche Rentenbank — Drucksache 9/669 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten — Drucksache 9/892 — 3486 C Nächste Sitzung 3486 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 3487*A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 3487* C Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 60. Sitzung. Bonn, Freitag, den 23. Oktober 1981 3459 60. Sitzung Bonn, den 23. Oktober 1981 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein 23. 10. Dr. Ahrens * 23. 10. Amling 23. 10. Dr. Barzel 23. 10. Becker (Nienberge) 23. 10. Clemens 23. 10. Dallmeyer 23. 10. Dr. Dregger 23. 10. Engelsberger 23. 10. Eymer (Lübeck) 23. 10. Feinendegen 23. 10. Funk (Gutenzell) 23. 10. Gansel 23. 10. Dr. Götz 23. 10. Handlos 23. 10. Hauck 23. 10. Höffkes 23. 10. Dr. Hornhues 23. 10. Hubrig 23. 10. Jung (Kandel) 23. 10. Kiep 23. 10. Dr. Klein (Göttingen) 23. 10. Dr. Köhler (Duisburg) 23. 10. Dr.-Ing. Laermann 23. 10. Lorenz 23. 10. Louven 23. 10. Müller (Bayreuth) 23. 10. Nagel 23. 10. Neuhaus 23. 10. Neumann (Bramsche) 23. 10. Offergeld 23. 10. Dr. Osswald 23. 10. Rentrop 23. 10. Reschke 23. 10. Reuschenbach 23. 10. Dr. Riesenhuber 23. 10. Ronneburger 23. 10. Dr. Scheer 23. 10. Frau Schlei 23. 10. Schmidt (Würgendorf) 23. 10. Freiherr von Schorlemer 23. 10. Schröder (Lüneburg) 23. 10. Dr. Schwörer 23. 10. Dr. Solms 23. 10. Frau Steinhauer 23. 10. Dr. Stercken 23. 10. Dr. Struck 23. 10. Voigt (Frankfurt) 23. 10. Dr. Waigel 23. 10. Weisskirchen (Wiesloch) 23. 10. Wissmann 23. 10. Dr. Wörner 23. 10. für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Baron von Wrangel 23. 10. Zander 23. 10. Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Präsident des Deutschen Bundestages hat gemäß § 80 Abs. 3 der Geschäftsordnung die nachstehenden Vorlagen überwiesen: Halbjahresbericht der Bundesregierung über die Tätigkeit des Europarats und der Westeuropäischen Union für die Zeit vom 1. April bis 30. September 1981 (Drucksache 9/876) zuständig: Auswärtiger Ausschuß (federführend) Verteidigungsausschuß Bericht der Bundesregierung über den Stand der Unfallverhütung und das Unfallgeschehen in der Bundesrepublik Deutschland (Unfallverhütungsbericht) (Drucksache 9/901) zuständig: Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Unterrichtung durch die Bundesregierung betr. Energie und Umwelt - Sondergutachten März 1981 des Rats von Sachverständigen für Umweltfragen - (Drucksache 9/872) zuständig: Innenausschuß (federführend) Ausschuß für Wirtschaft Ausschuß für Jugend, Familie und Gesundheit Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Ausschuß für Forschung und Technologie Unterrichtung durch die Bundesregierung betr. Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Bundesbahngesetzes (3. BbÄndG) hier: Stellungnahme des Bundesrates und Gegenäußerung der Bundesregierung (Drucksache 9/910) zuständig: Ausschuß für Verkehr (federführend) Innenausschuß Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Haushaltsausschuß gemäß § 96 GO Unterrichtung durch die Bundesregierung betr. Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Mineralölsteuergesetzes hier: Stellungnahme des Bundesrates und Gegenäußerung der Bundesregierung (Drucksache 9/916) zuständig: Finanzausschuß (federführend) Ausschuß für Wirtschaft Haushaltsausschuß mitberatend und gemäß § 96 GO Die Vorsitzende des Finanzausschusses hat mit Schreiben vom 21. Oktober 1981 mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehende EG-Vorlage für erledigt erklärt hat: Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Anwendung in der Gemeinschaft berichtigter Beträge gemäß Protokoll Nr. 1 über die Bestimmung des Begriffs „Ursprungswaren" und über die Methoden der Zusammenarbeit der Verwaltungen des zweiten AKP-EWG-Abkommens und Empfehlung für einen Beschluß des Rates zur Anwendung in der Gemeinschaft berichtigter Beträge gemäß Anhang II über die Bestimmung des Begriffs „Ursprungswaren" und über die Methoden der Zusammenarbeit der Verwaltungen des Beschlusses 80/1186/EWG über die Assoziation der überseeischen Länder und Gebiete mit der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (Drucksache 9/782 Nr. 66)
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dieter Auch


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Von der Opposition nichts Neues im Bereich der Humanisierung der Arbeit, wie bisher Bremsen,
    Behindern und Miesmachen. Das möchte ich nach dieser Rede von Herrn Gerstein sagen.

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/ CSU: Das stimmt doch gar nicht! — Billige Polemik!)

    Es ist unseriös, im Zusammenhang mit diesem Programm die Probleme der Arbeitslosen hier mit hereinzubringen, weil Sie genau wissen, daß wir mit diesem Programm in diesem Bereich zu wenig bewirken können, als daß es wesentliche Änderungen geben könnte.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Es ist auch unseriös, so zu tun, als ob wir in der Bundesrepublik mit diesen Problemen allein auf der Welt wären. Schauen Sie doch zu Ihren politischen Freunden nach England, welche Auswirkungen die Rezepte dort haben, die von Ihnen für gut gehalten werden! Dort gibt es drei Millionen Arbeitslose.

    (Dreßler [SPD]: Das wollen sie nicht wahrhaben!)

    Dieser Antrag besteht nur aus Ladenhütern. Bei den Punkten, die Sie überprüfen lassen wollen, gab es früher Anlaß zu Kritik. Das ist richtig. Sie stammen ja auch zu einem guten Teil aus dem Bericht des Rechnungshofes vom vergangenen Jahr. Mit allen diesen Punkten hat sich dieses Haus aber im Rahmen von Großen und Kleinen Anfragen beschäftigt. Es wurde hier dargelegt, daß und wie die Schwächen abgestellt worden sind. Um so erstaunlicher ist Ihr Antrag. Ich meine, wir sind hier doch keine Versammlung von Wiederkäuern.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich will einige Beispiele für überflüssige Wiederholungen kurz erwähnen. Zuletzt wurde in der Kleinen Anfrage auf Drucksache 9/248 vom März 1981 nach der Organisation des Programms und der Abwicklung durch den Projektträger gefragt. Die Bundesregierung hat im April 1981 auf Drucksache 9/342 eine eindeutige Antwort gegeben, eine Antwort, die erschöpfend und zufriedenstellend war. Schon das war aber eine Wiederholung abgehakter Punkte; denn der Bundesrechnungshof, der die Organisationsmängel festgestellt hatte, schrieb in seinem Prüfbericht 1980 zum Programm „Humanisierung des Arbeitslebens" — ich zitiere:
    Auch der Bundesminister hat die Verhältnisse als unbefriedigend bezeichnet und ist bemüht, Arbeitsweise und Funktion des Projektträgers zu ändern ... Personelle Maßnahmen sind durchgeführt.
    Dies war im Herbst 1980 bereits abgeschlossen.
    Ich frage Sie, Herr Gerstein: Was soll das? Mit Sicherheit ist das kein Beitrag, um Organisation und Abwicklung dieses Programms zu verbessern; denn durch ungerechtfertigte Vorwürfe hat man eine Arbeit noch nie gefördert. Sie wollen Erfahrungen und Wirksamkeit der Ressortkoordinierung überprüfen lassen. Das ist gut, aber auch dazu ist von der Bundesregierung ausführlich Stellung genommen worden, zuletzt ebenfalls in der Antwort auf die Anfrage auf Drucksache 9/342. Darin wird sogar gesagt, wie



    Auch
    der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung und der Minister für Forschung und Technologie das Programm im Laufe dieser Legislaturperiode fortschreiben wollen. Inzwischen gibt es seit längerem einen Entwurf für ein gemeinsames Arbeitsprogramm der beiden Ministerien. Sie hätten sich diese Information durch einen einfachen Telefonanruf besorgen können; dazu hätte es dieses Antrags nicht bedurft.
    Mich hat es gefreut, daß Sie in der Begründung Ihres Antrages neuerdings Wert auf Umsetzung legen; denn da treffen wir uns auf soliden sozialdemokratischen Positionen.

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/ CSU: Seit eh und je!)

    Übrigens kam dieses Wort in Ihrer Presseerklärung vom August 1979 noch gar nicht vor.

    (Wehner [SPD]: Es gibt also Fortschritte!)

    Ich mache Sie darauf aufmerksam, daß bei den Tarifvertragsparteien eine ganze Reihe von Umsetzungsprojekten läuft. Dort wird erprobt, wie man den Praktikern Humanisierungskenntnisse vermitteln kann, so daß ihr Bedarf wirklich angesprochen wird. Es werden Vertrauensleute, Betriebsräte, Angehörige des Mangements und Personalfachkräfte geschult, um nur einige zu nennen. Ich will ganz deutlich sagen, daß Erfolge zu verzeichnen sind.
    Das Umsetzungszentrum bei der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Unfallforschung hat sich mit Erfolg darangemacht, die Ergebnisse des Programms aufzubereiten, auszuwerten und zu verbreiten. Es ist für uns selbstverständlich, daß die gesicherten Erkenntnisse in zunehmenden Maße in die Gesetzgebung und in die betriebliche Praxis Eingang finden müssen.

    (Lenzer [CDU/CSU]: Wie viele BMFT-Programme haben die denn umgesetzt?)

    Auf die von Ihnen angesprochene Relation zwischen problemorientierter und projektorientierter Forschung, Herr Gerstein, möchte ich hier nicht eingehen. Das versteht draußen kein Mensch. Da trifft Ihr Kollege Vogt schon eher unsere Auffassung, wenn er, bezogen auf Wirtschaft und Gesellschaft, feststellt, eine schärfere Benennung der Probleme sei notwendig. Er ist auch auf unserer Linie, wenn er den betrieblichen Alltag so beschreibt — ich zitiere aus der „Frankfurter Rundschau" vom 21. Oktober —:
    Wenn die Arbeit knapper werde, würden die Leistungsschwächeren ausgeschwitzt, die Gesunden überlebten, ältere Arbeitnehmer würden wie Maschinen abgeschrieben und über Sozialpläne sanft verschrottet. Die Dressur am Arbeitsplatz setze sich in Familie und Gesellschaft fort. Die Schule erziehe nicht zum Team, sondern zur Konkurrenz. Die Idee der sozialen Marktwirtschaft verkomme insgesamt zu einem Verdrängungswettbewerb, in dem der große Fisch den kleinen frißt.
    Soweit das Zitat. Wir unterstreichen davon jedes Wort.

    (Gerstein [CDU/CSU]: Deswegen Vollbeschäftigung!)

    Weil wir jedes Wort davon unterschreiben, verteidigen wir das Programm der Humanisierung des Arbeitslebens gegen Ihre Anwürfe.
    Wir werden Ihre Forderung nach Überprüfung dieses Programms durch eine externe Gruppe ablehnen. Wenn es etwas zu prüfen gibt, dann ist das unsere Aufgabe.

    (Beifall bei der SPD)

    Es gibt überhaupt keine Veranlassung dafür, daß das Parlament seine Kontrollfunktion an Außenstehende delegiert.

    (Beifall bei der SPD — Lenzer [CDU/CSU]: Aber beim Schnellen Brüter setzt der Forschungsminister eine externe Kommission ein! — Rawe [CDU/CSU]: Ein bißchen widersprüchlich, was Sie da von sich geben!)

    Wir verfolgen Ihr Taktieren. Früher hat Ihnen gar nichts gepaßt, neuerdings — —

    (Pfeifer [CDU/CSU]: Sie haben wohl noch nie etwas von Technologiefeindlichkeit gehört?!)

    — Ich will Ihnen einmal etwas sagen, Herr Pfeifer. Sie sind in der Vergangenheit doch wohl immer etwas zu weit weg von der betrieblichen Arbeitswelt gewesen, um das beurteilen zu können. Zwischen Ihnen und dem Arbeitsplatz stand sicherlich immer noch ein anderer — da kenne ich mich besser aus —, nämlich derjenige, der die Arbeit gemacht hat.

    (Beifall bei der SPD — Pfeifer [CDU/CSU]: Was hat das mit der Technologiefeindlichkeit zu tun? — Rawe [CDU/CSU]: „Elitäre Arroganz" nennt man so etwas!)

    Neuerdings loben Sie, Herr Gerstein, die Ansätze im Bergbaubereich, wo die Gewerkschaft Bergbau und Energie ebenso wie die Arbeitgeber, die Ruhrkohle AG, voll hinter den Humanisierungsbemühungen steht. Auch die Projekte zur Bekämpfung von Belastungen durch Lärm, Staub, Gase und Dämpfe haben Sie begrüßt. Das erkennen wir an. Aber was soll denn dieser Antrag?
    50 % der Arbeitnehmer gehen heute, abgeschafft und krank, vorzeitig in Rente. 32,8 Milliarden DM betrugen 1980 allein die volkswirtschaftlichen Kosten der Arbeitsunfälle. Zwar sind Kostenrechnungen auf diesem Gebiet schwierig; trotzdem ist klar, daß die volkswirtschaftlichen Kosten für Frühinvalidität, Arbeitsunfälle, arbeitsbedingte Erkrankungen, entwertete Qualifikation weit über 100 Milliarden DM liegen, vom menschlichen Leid, das damit verbunden ist, ganz zu schweigen. Der Markt allein genügt nicht, um hier Verbesserungen zu bringen. Der Markt wird das nie regeln.

    (Beifall bei der SPD)

    Da wurde in der Vergangenheit zuviel vernachlässigt. Das muß jetzt aufgeholt werden. Natürlich ko-



    Auch
    stet das Geld. Aber das ist sinnvoll ausgegebenes Geld.

    (Beifall bei der SPD)

    Alle Welt redet über Technologiefeindlichkeit und rätselt, woher sie kommt. Für die einen sind es die Medien, für die anderen die Schule, für die dritten die Gewerkschaften und wir, weil wir bei Einführung neuer Technologien die Folgen für die Betroffenen schon im vorhinein abfangen wollen. Doch die wesentlichen Ursachen sind einfacher. Kein Mensch redet davon, daß leidvolle Erfahrungen, die viele Arbeitnehmer oft mit unmenschlichen Bedingungen gemacht haben, der Hauptgrund sind, warum der Euphorie hinsichtlich des technischen Fortschritts jetzt Zweifel, ja Ablehnung folgen.
    Der Frührentner, der mit krummem Rücken aus dem Betrieb hinauskomplimentiert wird, wird seinen Enkel auf Grund seiner Erfahrung, die er im Alter von 55 Jahren hat, nicht vorbehaltlos auf die Technik einschwören. Ganz im Gegenteil: Er wird es wie der machen, der 30 Jahre lang am gleichen Platz zuverlässig seinen Dienst getan hat und jetzt in diesem Betrieb wegen einer Berufskrankheit keine Arbeit mehr findet. Er wird „ausgeschwitzt", wie Ihr Kollege gesagt hat. Weil er immer wieder krank ist, muß er sich von manchem noch dazu als Simulant und Drückeberger beschimpfen lassen. Die zwei geben ihre bittere Lebenserfahrung an die Jungen weiter. Sie machen es wie der dritte, der als Nachtwächter arbeitet und in seinem hochqualifizierten Beruf deshalb nicht mehr tätig sein kann, weil er daran durch die Folge eines Arbeitsunfalls gehindert ist. Alle drei werden ihren Familien, den Bekannten, im Verein und sonstwo die Schattenseiten der Technisierung und das unerbittliche Aussortieren derer deutlich machen, die nicht mehr voll leistungsfähig sind.
    Deshalb muß, wer Technikfeindlichkeit abbauen will, für dieses Programm sein; besonders dann, wenn die Produktion menschengerecht und wirtschaftlich sein soll. Wir sind nicht so naiv, das Heil vom Markt zu erwarten. Eben darum wissen wir, daß es wichtig ist, Wirtschaftlichkeit und Humanisierung zu verbinden. Hier besteht ein dauerndes Spannungsverhältnis. Aber der Widerspruch ist nicht unauflöslich. Gerade unter verschärften Weltmarktbedingungen müssen wir, wenn wir bestehen wollen, die Arbeitswelt humanisieren. Wir können nur durch hohe Qualität, rasche Anpassung an die Bedürfnisse der Kunden und modernste Technologie überleben. Aber das alles gibt es nur mit qualifizierten, lernfähigen, motivierten Arbeitnehmern, und das geht nicht auf Kosten ihrer Knochen.

    (Beifall bei der SPD)

    Es geht nur mit Arbeitnehmern, denen nicht durch ihre Arbeit das Denken abtrainiert wird, die nicht durch Ermüdung und Lärm viel zu erschöpft sind, um ständig neue Qualifikationen zu erwerben.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wann kommen Sie zum Thema?)

    Menschengerechte Arbeit ist Arbeit mit Sinn, Arbeit, die es dem Menschen erlaubt, Mensch zu sein, auch im Betrieb.
    Ich empfehle Ihnen, sich einmal über einige Erkenntnisse aus Arbeitsgestaltungsprojekten im Humanisierungsprogramm zu informieren. Informieren Sie sich z. B. in Baden-Württemberg bei der Firma Stihl. Herr Stihl ist Vorsitzender des Arbeitgeberverbands der Metallindustrie.

    (Frau Hürland [CDU/CSU]: Er sägt auch gut!)

    Die Firma behauptet sich gut am Weltmarkt. Dort wird durchaus scharf gerechnet, aber gerade deshalb wird an einer flexiblen Gestaltung der Motorsägenfertigung gearbeitet. Es wird nach Wegen gesucht, die Arbeit inhaltsreicher und die Arbeitnehmer qualifizierter zu machen. Das geschieht mit Beteiligung der Betriebsräte. Dort wird auch mit den angeblich so unnützen Sozialwissenschaftlern zusammengearbeitet, und zwar nicht nur auf Kosten des Bundes, sondern mit Beteiligung der Firma.
    Lassen Sie mich zum Schluß noch feststellen: Berechtigte Kritik ist notwendig. Wer aber mit seiner Kritik das Programm stört, weil ihm die ganze Richtung nicht paßt, handelt kurzsichtig. Wer dieses Programm behindert, der greift in den sozialen Frieden ein und macht es den Gewerkschaften schwer, auch in Zukunft ihre positive Haltung zum technischen Wandel beizubehalten, eine Haltung, die sich deutlich von den Gewerkschaften vieler Länder abhebt.

    (Lenzer [CDU/CSU]: Eine Nummer kleiner, bitte!)

    Wer so handelt — das sage ich gerade Ihnen —, baut neue Fronten auf und sorgt dafür, daß durch Vorbehalte der Gewerkschaften die Auseinandersetzungen viel stärker als bisher auf die betriebliche Ebene verlagert werden. Ob Sie damit den Unternehmen einen Dienst tun, möchte ich ernsthaft bezweifeln.

    (Lenzer [CDU/CSU]: Sie sollen hier keine Klassenkampfrede halten, sondern sich zum Thema äußern!)

    Wir werden, Herr Lenzer, bei den Ausschußberatungen für eine Anhörung eintreten, in der das Programm insgesamt besprochen wird.

    (Lenzer [CDU/CSU]: Das ist doch schon was!)

    Dort muß es darum gehen, wie die Arbeitsplätze mit Mehrfachbelastung — z. B. Staub, Lärm, Dämpfe, Gase, Erschütterungen, Streß, Schichtarbeit — verbessert werden können. Dort muß über die Auswirkung neuer Technologien auf die Arbeitsinhalte geredet werden. Das wollen wir. Das wird dem Programm guttun, aber nicht eine Prüfung durch Externe.
    Wir stimmen dem Vorschlag des Ältestenrats auf Überweisung des Antrags an den Ausschuß zu. — Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)






Rede von Georg Leber
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Timm.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Jürgen Timm


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich trete für die Humanisierung des Arbeitslebens ein, auch im Deutschen Bundestag. Ich denke dabei auch an meinen Kollegen Professor. Dr. Laermann, der zwangsweise eine — wie ich hoffe: sehr kleine — Pause einlegen muß. Ich werde versuchen, ihn hier mit einem, wie ich hoffe, sachlichen kurzen Beitrag zu vertreten.

    (Lenzer [CDU/CSU]: Wir wünschen ihm baldige Genesung! Richten Sie ihm das bitte aus!)

    — Ich bedanke mich an dieser Stelle für ihn und werde ihm das ausrichten.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Zeiten, in denen die Arbeitnehmer die Risiken am Arbeitsplatz, sei es durch Unfall oder durch Krankheit, ausschließlich selbst zu tragen hatten, sind in unserem Land Gott sei Dank seit langer Zeit vorbei. Die Wertung des Arbeitsumfelds hat zu einer verantwortungsvollen und verantwortungsbewußten Zielsetzung geführt, nämlich zur Verbesserung der Situation am Arbeitsplatz. Es sollte unbestritten sein, daß Maßnahmen der Humanisierung des Arbeitslebens, die unmittelbare Auswirkungen auf den arbeitenden Menschen haben, durch die Forschung in jeder Weise zu erarbeiten und zu unterstützen sind. Arbeitsschutz und Unfallforschung, Arbeitsmedizin, Arbeitsorganisation und andere Bereiche leisten in diesem Zusammenhang seit Jahren erfolgreiche Arbeit. Ich meine, der Staat ist seiner Verantwortung durchaus gerecht geworden.
    Vielleicht eine kleine Nebenbemerkung. Ich empfinde es aus eigener Erfahrung als durchaus positiv, daß Arbeitnehmer, die noch keinen so großen Abstand von ihrem früheren Beruf und ihrer früheren Arbeit haben, für ihre Kollegen in diesem Bereich darüber nachdenken dürfen, wie die Arbeit und das Arbeitsumfeld verbessert werden kann.
    Wir haben immer kompliziertere Arbeitsvorgänge auf Grund der neuen Technik und auf Grund neuer Verfahren. Wir müssen davon ausgehen, daß Verbesserungen im Arbeitsumfeld in der Vergangenheit gefordert wurden und auch in der Zukunft weiterhin gefordert werden müssen. Über diesen Gesamtkomplex wurde in den letzten Monaten ausreichend debattiert. Es ist hier im Plenum darüber debattiert worden, es ist im Ausschuß für Forschung und Technologie darüber debattiert worden, und es ist kritisch und offen darüber diskutiert worden. Ich glaube, die Mitglieder des Forschungsausschusses können das durchaus bestätigen.
    Heute steht die Forderung nach einer Überprüfung, nach einem Gutachten an, um die Wirkung, die Ergebnisse besser beurteilen zu können. Meine Damen und Herren der CDU/CSU-Fraktion, ich gebe Ihnen im Grunde insofern recht, daß es eigentlich nicht so gut ist, immer neue Gutachten zu fordern. Ich stelle jetzt doch die Frage an Sie, warum wir hier gerade mit einem neuen, außerhalb des parlamentarischen Bereichs angesiedelten Gutachten aufwarten müssen, und ich frage Sie auch, warum wir diese
    Frage hier im Plenum behandeln müssen. Ich halte es nämlich mit meinen Kollegen eigentlich für eine „Hausaufgabe" des Ausschusses für Forschung und Technologie, die hier zu bewältigen ist.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Von daher wäre es vielleicht sinnvoll, daß wir uns im Ausschuß für Forschung und Technologie sehr intensiv darum bemühen, wie wir das in der Vergangenheit auch gemacht haben.
    Ich möchte anführen, daß insbesondere die zwei Beispiele, die Sie in Ihrem Antrag dargestellt haben, von uns kritisch beurteilt werden. Zumindest Punkt 2 wird doch sehr kritisch von uns beurteilt. Dort führen Sie beispielhaft ein Gutachten über die Auswirkungen der Förderung der Datenverarbeitungsindustrie an. Wir stehen diesen Dingen deshalb so kritisch gegenüber, weil die Auftragnehmer dieses Gutachtens für uns nicht die richtigen sind. Das möchte ich hier gerne einfügen. Das ist für uns eigentlich nicht so ein gutes Beispiel.
    Unsere Kritik an dem Programm „Humanisierung des Arbeitslebens" haben wir, meine ich, insbesondere im Ausschuß für Forschung und Technologie deutlich gemacht. Es ging uns dabei um die Ablaufsteuerung dieser ganzen Angelegenheit, um das ganze Management beim Projektträger, es ging uns aber auch um falsche Projekte, die, wie ich meine, einiges an diesem System in Verruf gebracht haben. Ich will jetzt nicht auf den Koffer-Kuli auf dem Bahnhof eingehen; so etwas könnte jedes mittelständische Unternehmen durchaus aus eigenem Antrieb entwickeln; es muß nicht unbedingt ein Forschungsauftrag sein. Aber es waren doch Mitnehmereffekte dabei, es waren vor allen Dingen falsche Projekte dabei. Das sei an dieser Stelle gesagt. Es ist wichtig, daß uns die Bundesregierung hier die nötigen Konzepte vorlegt, wie sie es im übrigen auch in ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage im April 1981 zugesagt hat. Es sind auch bereits Umorganisationen erfolgt. Es sind auch Berichte über die Umsetzung von Ergebnissen erstellt worden, es sind auch Veröffentlichungen vorgenommen worden. Ich glaube, das ist eine gute Ausgangsbasis für die weitere Behandlung im Forschungsausschuß.
    Wir sagen Ihnen: Der Ansatz für das Programm „Humanisierung des Arbeitslebens" war gut, aber der steile Mittelaufwuchs, der sich ergeben hat, hat zweifellos eine zu große Geschwindigkeit erreicht.

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    Ich meine, wir können das ändern, z. B. über eine Anhörung — die ich Ihnen hiermit auch gleich vorschlagen möchte — der Betroffenen, der Kritiker und Befürworter. Wir nehmen diese Arbeit im Ausschuß selbst in die Hand. Ich bin sicher — der Herr Staatssekretär wird es gewiß gleich noch bestätigen —, daß sowohl die Bundesanstalt für Arbeit und Unfallforschung wie auch das Ministerium für Arbeit und Sozialordnung und das Ministerium für Forschung und Technologie uns die nötigen Konzepte für unsere Arbeit baldmöglichst zur Verfügung stellen werden.



    Timm
    Ich möchte noch, Herr Kollege Gerstein, auf einen Punkt eingehen, den Sie zu Anfang angesprochen haben. Natürlich hat es vordergründig wenig Sinn, Arbeitslose davon zu überzeugen, daß Humanisierung des Arbeitslebens notwendig ist. Darum kann es ja wohl eigentlich nicht gehen. Denn wir gehen doch nicht davon aus, daß diese Mitbürger nun ihr Leben lang keine Arbeit haben werden. Wenn sie eine Arbeit bekommen, ist es — leider — meistens auch noch in einem Bereich, der offensichtlich bei der Humanisierung des Arbeitslebens nur eine untergeordnete Rolle spielt. Deshalb ist es gerade auch für diese Leute sinnvoll, die Humanisierung des Arbeitslebens zu erforschen und das Arbeitsumfeld zu verbessern.
    Wenn ein Auszubildender nach seiner Ausbildung nicht unmittelbar einen Arbeitsplatz erhält, ist er aber doch in seiner Ausbildung auch der Situation des Arbeitsplatzes und des Arbeitsumfeldes ausgesetzt. Hier sollte man deutlich sagen: auch für diese Mitbürger unseres Landes ist es erforderlich, daß die Humanisierung des Arbeitslebens weiter vorangetrieben wird.
    Die Finanzknappheit, die wir zu verkraften haben, darf nicht dazu führen, daß hier ein abrupter Abbruch erfolgt. Gleichwohl stehen wir natürlich einigen Abläufen in diesem Programm kritisch gegenüber. Wir sind der Auffassung, daß man auch noch sehr viel Geld sparen kann, um es sinnvoll an anderer Stelle einzusetzen.
    Ich danke Ihnen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)