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    Plenarprotokoll 9/53 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 53. Sitzung Bonn, Freitag, den 18. September 1981 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 3025 A Wahl des Abg. Merker als ordentliches Mitglied im Verwaltungsrat der Deutschen Bundespost 3025 B Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP Bericht der Sachverständigenkommission der Bundesregierung — Zusammenfassender Bericht — über die Lage der Familien in der Bundesrepublik Deutschland — Dritter Familienbericht — sowie Stellungnahme der Bundesregierung zu diesem Bericht Bericht der Sachverständigenkommission der Bundesregierung über die Lage der Familien in der Bundesrepublik Deutschland — Dritter Familienbericht —— Drucksache 9/822 — 3025 B Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1982 (Haushaltsgesetz 1982) — Drucksache 9/770 — in Verbindung mit Beratung des Finanzplans des Bundes 1981 bis 1985 — Drucksache 9/771 — in Verbindung mit Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Verbesserung der Haushaltsstruktur (2. Haushaltsstrukturgesetz) — Drucksache 9/795 — in Verbindung mit Erste Beratung des von den Abgeordneten Kiep, Dr. Jahn (Münster), Dr. Schneider, Dr. Möller, Hauser (Krefeld), Müller (Remscheid), Dr. Waffenschmidt, Dörflinger, Günther, Dr.-Ing. Kansy, Link, Magin, Niegel, Frau Pack, Frau Roitzsch, Ruf, Sauter (Epfendorf), Zierer, Dr. Blüm, Clemens, Erhard (Bad Schwalbach), Faltlhauser, Herkenrath, Kolb, Linsmeier, Dr. Pinger, Rühe, Sick, Repnik und der Fraktion der CDU/ CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über steuerliche Vergünstigungen zur Förderung des Wohnungsbaus — Drucksache 9/467 — in Verbindung mit Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung der Investitionstätigkeit im Baubereich und zum Abbau ungleichmäßiger Besteuerung in der Wohnungswirtschaft — Drucksache 9/796 — in Verbindung mit II Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 53. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. September 1981 Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung von Verbrauchsteuergesetzen (Verbrauchsteueränderungsgesetz 1982) — Drucksache 9/797 — in Verbindung mit Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Konsolidierung der Arbeitsförderung (Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetz) — Drucksache 9/799 — in Verbindung mit Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung der illegalen Beschäftigung — Drucksache 9/800 — in Verbindung mit Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Elften Gesetzes über die Anpassung der Leistungen des Bundesversorgungsgesetzes (Elftes Anpassungsgesetz-KOV) — Drucksache 9/801 — in Verbindung mit Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung und Verbesserung der Wirksamkeit kostendämpfender Maßnahmen in der Krankenversicherung (Kostendämpfungs- Ergänzungsgesetz) — Drucksache 9/798 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Lammert, Kiep, Dr. Waigel, Müller (Remscheid), Dr. Freiherr Spies von Billiesheim, Müller (Wadern), Dr. Warnke, Frau Pack, Ganz (St. Wendel), Günther, Frau Hürland, Link, Löher, Prangenberg, Sauer (Salzgitter), Stutzer, Gerstein, Metz, Vogel (Ennepetal), Borchert, Kittelmann, Vogt (Düren), Frau Fischer, Frau Karwatzki, Reddemann, Schwarz, Breuer und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU Strukturkrise der deutschen Stahlindustrie — Drucksache 9/612 — Dr. Graf Lambsdorff, Bundesminister BMWi 3026 C Kiep CDU/CSU 3032 D Schmidt, Bundeskanzler 3037 D Dr. Barzel CDU/CSU 3048 A Wehner SPD 3056 A Engelhard FDP 3058 D Dr. Dregger CDU/CSU 3060 C Matthöfer, Bundesminister BMF 3066 C Nächste Sitzung 3071 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 3073* A Anlage 2 Amtliche Mitteilung 3073* C Anlage 3 Finanzielle Hilfen für die deutsche Eisen- und Stahlindustrie; Hilfsmaßnahmen für die notleidenden Stahlwerke in Dortmund MdlAnfr 38, 39 11.09.81 Drs 09/808 Meininghaus SPD SchrAntw PStSekr Grüner BMWi . . . 3073* D Anlage 4 Behinderung deutscher Agrarexporte nach Italien durch Beibehaltung der Bardepotregelung MdlAnfr 43 11.09.81 Drs 09/808 Susset CDU/CSU SchrAntw PStSekr Gallus BML . . . . 3074* D Anlage 5 Sicherstellung der Graduiertenförderung nach Auslaufen des Graduiertenförderungsgesetzes am 31. Dezember 1981 MdlAnfr 87, 88 11.09.81 Drs 09/808 Catenhusen SPD SchrAntw PStSekr Kuhlwein BMBW . . 3075* A Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 53. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. September 1981 3025 53. Sitzung Bonn, den 18. September 1981 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. van Aerssen * 18. 9. Dr. Ahrens ** 18. 9. Amrehn **** 18. 9. Bahr 18. 9. Dr. Bardens 18. 9. Becker (Nienberge) 18. 9. Brandt * 18. 9. Bredehorn 18. 9. Büchner (Speyer) ** 18. 9. Burger 18. 9. Fellner 18. 9. Frau Fischer *"* 18. 9. Frau Geier 18. 9. Dr. von Geldern 18. 9. Gobrecht **** 18. 9. Handlos 18. 9. Hartmann 18. 9. Hauck 18. 9. Herterich **** 18. 9. Dr. Holtz **** 18. 9. Graf Huyn 18. 9. Ibrügger *** 18. 9. Klein (München) **** 18. 9. Köhler (Wolfsburg) **** 18. 9. Frau Krone-Appuhn 18. 9. Dr. Lenz (Bergstraße) 18. 9. Frau Dr. Lepsius **** 18. 9. Frau Dr. Martiny-Glotz 18. 9. Möllemann **** 18. 9. Müller (Wadern) ** 18. 9. Neuhaus 18. 9. Niegel **** 18. 9. Dr. Pohlmeier 18. 9. Rappe (Hildesheim) 18. 9. Reschke 18. 9. Rösch ** 18. 9. Dr. Schachtschabel 18. 9. Frau Schlei 18. 9. Schluckebier **** 18. 9. Schmidt (Würgendorf) 18. 9. Dr. Schroeder (Freiburg) 18. 9. Schröder (Wilhelminenhof) 18. 9. Schröer (Mülheim) 18. 9. Dr. Schwörer 18. 9. Dr. Solms 18. 9. Dr. Stark (Nürtingen) 18. 9. Graf Stauffenberg 18. 9. Dr. Wendig 18. 9. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates *** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung **** für die Teilnahme an der 68. Jahreskonferenz der Interparlamentarischen Union Anlagen zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Wieczorek 18. 9. Frau Dr. Wisniewski 18. 9. Dr. Wittmann (München) 18. 9. Baron von Wrangel 18. 9. Würzbach 18. 9. Zink 18. 9. Anlage 2 Amtliche Mitteilung Der Präsident des Deutschen Bundestages hat gemäß § 80 Abs. 3 der Geschäftsordnung nach Vereinbarung im Ältestenrat die nachstehende Vorlage überwiesen: Stellungnahme der Bundesregierung zu den Berichten der fünf an der Strukturberichterstattung beteiligten Wirtschaftsforschungsinstitute (Drucksache 9/762) zuständig: Ausschuß für Wirtschaft (federführend) Haushaltsausschuß Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Grüner auf die Fragen des Abgeordneten Meininghaus (SPD) (Drucksache 9/808 Fragen 38 und 39): Ist die Bundesregierung der Meinung, daß angesichts der auch noch in den nächsten Jahren zu erwartenden Wettbewerbsverzerrungen in der Eisen- und Stahlindustrie - hervorgerufen durch die Milliardensubventionen, mit denen unsere EG-Nachbarn ihre Stahlindustrie am Leben erhalten - die von der Bundesregierung vorgesehene finanzielle Hilfe für die deutsche Stahlindustrie ausreicht, um deren Bestand zu sichern und die Probleme zu lösen? Ist die Bundesregierung angesichts der Tatsache, daß in Dortmund die Arbeitslosenquote inzwischen 9 v. H. beträgt und eine steigende Tendenz hat, nicht ebenfalls der Meinung, daß die von ihr vorgesehenen Hilfsmaßnahmen für notleidende Stahlstandorte hier dringend und baldmöglichst eingesetzt werden müssen, um Arbeitsplätze zu schaffen? Zu Frage 38: Die Probleme der deutschen Stahlindustrie haben eine Reihe von Ursachen: In Europa bestehen in erheblichem Umfang nicht mehr wettbewerbsfähige Überkapazitäten, die in den Nachbarländern teilweise mit Hilfe hoher Subventionen aufrechterhalten wurden; die absetzbaren Stahlmengen haben sich infolge der weltweiten Konjunkturabschwächung und des Aufbaus neuer Kapazitäten in Drittländern nicht so entwickelt, wie dies die Europäische Stahlindustrie erwartet hatte; aufgrund des Verhaltens zahlreicher Unternehmen kam es über lange Zeiträume zu beträchtlichem Preisverfall, so daß im großen und ganzen selbst für moderne Anlagen keine kostendeckenden Erträge mehr möglich waren. Allerdings gibt es in der Bundesrepublik Deutschland und in anderen EG-Ländern auch Stahlunternehmen, die keine Subventionen erhalten und trotzdem kostengünstig arbeiten. In ihrem Beschluß vom 30. Juli 1981 hat die Bundesregierung die Bedeutung einer wettbewerbsfähi- 3074* Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 53. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. September 1981 gen deutschen Stahlindustrie für unsere Wirtschaft und die Stahlstandorte unterstrichen. Die Bundesregierung hat sich vor diesem Hintergrund mit Erfolg für die Einführung preisstabilisierender Maßnahmen im Rahmen der EG eingesetzt, um ein auskömmliches Preisniveau auf dem Stahlmarkt zu erreichen. Bisher zeigen diese Maßnahmen erste Erfolge. Die vom Rat beschlossene Verschärfung des Subventionskodex bietet eine gute Basis für die Kommission, die Subventionen in den EG-Nachbarstaaten zurückzuführen und schließlich abzubauen und somit die bestehenden Wettbewerbsverzerrungen zu vermindern. Die Kommission hat bereits gegen mehrere Subventionsvorhaben (z. B. in Belgien und Großbritannien) Verfahren eingeleitet und Subventionszahlungen untersagt. Auf nationaler Ebene hat die Bundesregierung verschiedene Finanzmaßnahmen zur Flankierung der Umstrukturierungsbemühungen der deutschen Stahlunternehmen und zur Sicherung der Arbeitsplätze in Stahlstandorten beschlossen: — Gesetzentwurf über Investitionszulage von 10 % für Umstrukturierungsmaßnahmen — Fortführung des Stahlforschungsprogramms — Verbesserung der Hilfen für ausscheidende Stahlarbeiter nach Art. 56, 2 b EGKS-Vertrag — Unterstützung von Anträgen der Länder für Sonderprogramme zur Schaffung von Ersatzarbeitsplätzen in Stahlstandorten. Es wird wesentlich von den eigenen Anstrengungen der Unternehmen zur Rationalisierung und Modernisierung abhängen, ob dieses Angebot zur Hilfe zum Tragen kommt. Die Bundesregierung ist der Meinung, daß alle diese Maßnahmen im Zusammenspiel eine wirksame Hilfe für die deutsche Stahlindustrie darstellen und geeignet sind, die Situation der deutschen Stahlindustrie nachhaltig zu verbessern. Sie können aber nur erfolgreich sein, wenn die Unternehmen die im europäischen Rahmen zu beachtende Disziplin wahren und hinsichtlich der finanziellen Stützung tragfähige Umstrukturierungskonzepte entwickeln. Die Bundesregierung erwartet darüber hinaus, daß die Eigentümer ihre Möglichkeiten ausschöpfen und ihre Reserven mobilisieren. Außerdem wird erwartet, daß sich auch die Länder, die z. B. an den vorgesehenen Hilfen nach dem Stahlforschungsprogramm und den Sozialhilfen nach Art. 56 EGKS-Vertrag nicht mitwirken, die aber auch an der Erhaltung von Arbeitsplätzen interessiert sind, wesentlich an den notwendigen Maßnahmen beteiligen. Zu Frage 39: Die Bundesregierung hat sich mit ihren Beschlüssen vom 30. Juli 1981 auch zu einer regionalen Flankierung der Strukturmaßnahmen der deutschen Stahlindustrie bereiterklärt. Ihr Ziel ist es, in Regionen, die von Arbeitsplatzverlusten in der Stahlindustrie besonders bedroht sind, die Schaffung von Ersatzarbeitsplätzen durch Gewährung einer zeitlich befristeten Investitionszulage in Höhe von 8,75 % zu fördern. Eine solche Maßnahme setzt voraus, daß die betreffenden Länderregierungen entsprechende Anträge im Planungsausschuß der Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" einbringen und dieser Ausschuß entsprechend dem Gesetz über die Gemeinschaftsaufgabe mit einer 3/4-Mehrheit von Bund und Ländern feststellt, daß die jeweilige Region durch den Strukturwandel in der Stahlindustrie in einem erheblichen Umfang betroffen ist. Bisher liegen detaillierte Anträge von Länderseite noch nicht vor. Jedoch haben Nordrhein-Westfalen und Bremen bereits solche Anträge angekündigt. Die Bundesregierung geht davon aus, daß eine erste Beratung dieser Frage bereits in der Sitzung des Unterausschusses des Planungsausschusses am 21./ 22. September 1981 stattfindet. Ohne diesen Erörterungen zwischen Bund und Ländern vorgreifen zu wollen, möchte ich bemerken, daß aus der Sicht der Bundesregierung für die Einbeziehung einer Region in diese Förderung zweifellos dem Ausmaß einer aufgrund von Arbeitsplatzverlusten in der Stahlindustrie zu befürchtenden Zunahme der Arbeitslosigkeit großes Gewicht zukommt. Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Gallus auf die Frage des Abgeordneten Susset (CDU/CSU) (Drucksache 9/808 Frage 43): Kann die Bundesregierung Pressemeldungen bestätigen, daß die für den 30. September 1981 vorgesehene Abschaffung des Bardepots für Exporte nach Italien nun doch nicht erfolgt, und was gedenkt die Bundesregierung zu tun, um die dauraus entstehenden Exporterschwernisse der deutschen Land- und Ernährungswirtschaft zu verhindern? Die italienische Regierung hat der EG-Kommission und den Mitgliedstaaten ihre Absicht mitgeteilt, die am 27. Mai 1981 eingeführte Bardepotregelung nicht wie vorgesehen am 30. September 1981 zu beenden, sondern sie zwischen dem 1. Oktober 1981 und dem 30. März 1982 schrittweise abzubauen. Das Bardepot, das zur Zeit in Höhe von 30 % des Lira-Wertes hinterlegt werden muß, soll am 1. Oktober 1981 auf 25 %, am 1. Januar 1982 auf 20 % und am 1. März 1982 auf 15 % des Lira-Wertes zurückgeführt werden. Ab 1. April 1982 soll kein Bardepot mehr erhoben werden. Die von der italienischen Regierung beabsichtigte Regelung wird zur Zeit von der EG-Kommission geprüft. Es ist zu erwarten, daß sich auch der EG-Währungsausschuß sowie der Rat des Wirtschafts- und Finanzministers mit der beabsichtigten Regelung befassen werden. Das Bardepot behindert den innergemeinschaftlichen Warenverkehr. Die Bundesregierung lehnt deshalb eine Verlängerung der Bardepotregelung ab. Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 53. Sitzung. Bonn, Freitag, den 18. September 1981 3075* Anlage 5 Antwort des Parl. Staatssekretärs Kuhlwein auf die Fragen des Abgeordneten Catenhusen (SPD) (Drucksache 9/808 Fragen 87 und 88): Gedenkt die Bundesregierung, für das zum 31. Dezember 1981 auslaufende Graduiertenförderungsgesetz eine neue gesetzliche Regelung zur Förderung Graduierter folgen zu lassen, und wenn ja, in welcher Form und mit welchem finanziellen Volumen? Wie gedenkt die Bundesregierung in jedem Fall sicherzustellen, daß alle nach dem bisherigen Graduiertenförderungsgesetz Geförderten, die ihre Arbeit nicht bis zum 31. Dezember 1981 abschließen werden, da ihr Förderungszeitraum erst nach dem 1. Januar 1980 begann, ihre begonnenen Arbeiten nicht abbrechen müssen, sondern in dem vorgesehenen Rahmen von insgesamt zwei Jahren abschließen können? Zu Frage 87: Der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft hat bereits 1979 ein erstes Konzept für die Neuordnung der staatlichen Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses vorgelegt und mit den Ländern und Wissenschaftsorganisationen erörtert, in dem Vorstellungen für den Inhalt eines Nachfolgegesetzes zum Graduiertenförderungsgesetz, dessen Finanzierungsregelung zum Ende 1981 ausläuft, entwickelt worden sind. Wegen der angespannten Haushaltslage sah sich die Bundesregierung bisher nicht in der Lage, einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen. Zu Frage 88: Das Problem einer Abschlußfinanzierung von Stipendien nach dem Graduiertenförderungsgesetz, die vor dem 31. Dezember 1981 ihre Regellaufzeit noch nicht erreicht haben, kann für die Bundesseite als gelöst betrachtet werden. Mit Zustimmung des Bundesministers der Finanzen sollen die erforderlichen Beträge für 1982 und 1983 durch eine parlamentarische Initiative bereitgestellt werden. Der Bundesminister für Bildung und Wissenschaft hat den Ländern hierzu einen Verfahrensvorschlag unterbreitet und sie um ihre Zustimmung gebeten. Damit würde sichergestellt, daß kein Stipendiat nach dem Graduiertenförderungsgesetz seine laufende Arbeit abbrechen muß.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Richard Stücklen


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kiep.

    (Wehner [SPD]: Noch in Bonn?) Kiep (CDU/CSU): Jawohl, Herr Wehner. —


    (Heiterkeit)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Einbringung des Haushalts und die anschließende Debatte sind Stunden und Tage des Bundesfinanzministers. Ich möchte deshalb meine Einlassung mit einer kurzen Bemerkung beginnen.
    Herr Kollege Matthöfer, ich glaube, Sie haben ja schon hinreichend Lob und Anerkennung für das gefunden, was Sie in Ihrer Einbringungsrede gesagt haben. Ich möchte dem hinzufügen, daß wir von der Opposition, von der CDU/CSU, Ihnen gerne — bildlich gesprochen — für Ihre Einlassung hier zwei Oskars verleihen möchten: einen Oskar für große Standfestigkeit in fast hoffnungsloser Lage, und zweitens den Oskar für Lernfähigkeit, weil Sie es fertiggebracht haben, in relativ kurzer Zeit auf Grund Ihrer Rede, die Sie hier bei der Einbringung gehalten haben, von einem demokratischen Sozialisten zu einem sozialdemokratischen Marktwirtschaftler zu werden scheinen.

    (Zuruf von der SPD)

    Diese Tatsache wird j a auch dadurch bestätigt, daß der FDP-Parteivorsitzende und Bundesaußenminister Genscher Sie unmittelbar nach Ihrer Rede voll und ganz für die FDP vereinnahmt hat.



    Kiep
    Das Hauptthema aber, meine Damen und Herren, ist an diesem heutigen Morgen nach der Rede des Bundeswirtschaftsministers die Wirtschaftspolitik. Ich möchte Sie, Graf Lambsdorff, eigentlich einmal fragen: Wer fragt in dieser Debatte hier eigentlich wen? Verkehren Sie nicht eigentlich die Wirklichkeit zwischen Opposition und Regierung, wenn Sie sich in aller Öffentlichkeit — auch heute wieder — hier hinstellen und gewissermaßen so tun, als ob wir aufgerufen seien, Ihnen ein Rezept dafür zu liefern, wie jetzt die Dinge weitergehen sollen?

    (Beifall bei der CDU/CSU — Walther [SPD]: Aber man wird ja wohl noch fragen dürfen!)

    Auch in Ihrer maßvolleren Rede heute vormittag, die sich in gewissen Punkten wohltuend von dem unterscheidet, was Sie der Öffentlichkeit in den letzten Wochen gesagt haben, wird die tiefe Kluft zwischen Anspruch und Wirklichkeit deutlich.

    (Dr. Barzel [CDU/CSU]: Genau das ist es!)

    Herr Bundeswirtschaftsminister, wir müssen das, was Sie als Werk zusammen mit Ihrem Koalitionspartner hier vorgelegt haben, an den Ankündigungen messen. Das ist genau das, was auch in der Öffentlichkeit geschieht. Der Anspruch ist ein erheblicher gewesen.
    Sie haben als einer der Hauptteilnehmer des „Sommertheaters" — ich würde sagen: sogar in einer herausgehobenen Rolle — ganz gewaltige Erwartungen geweckt. Sie haben am 25. Juni von 15 bis 20 Milliarden DM Einsparungen gesprochen. Sie haben dann in Ottawa noch einmal hinzugefügt, daß Sie knapp unter 20 Milliarden DM bleiben müßten, wenn die Einsparungen das notwendige Volumen, das notwendige Ergebnis haben sollten. Sie sind nicht müde geworden, dies allerorten zu erklären. Heute liegt das Ergebnis vor: Es liegt bei den echten Einsparungen unter 10 Milliarden, und ich darf daran erinnern, daß dieses Sparergebnis oder diese Senkung der Staatsausgaben im Haushalt 1982 nur möglich war unter Inanspruchnahme eines Bundesbankgewinns, von dem Sie zuvor immer erklärt hatten, er dürfe unter gar keinen Umständen in diese Rechnung eingebracht werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Walther [SPD]: Wie würden Sie es denn machen, Herr Kiep? — Dr. Spöri [SPD]: Sie haben doch viel weniger gemacht!)

    — Kommt gleich.
    Der Herr Bundeswirtschaftsminister hat vor der Sparaktion erklärt, daß die Einstellung des Bundesbankgewinns in die Rechnung '82 gleichbedeutend wäre mit einer Bundesregierung, die sich „zum Nulltarif Geld besorgt". Ich zitiere ihn wörtlich. Er hat hinzugefügt, daß die Einstellung des Bundesbankgewinns, der ja gewissermaßen — worüber wir uns einig sind — eine angenehme Begleiterscheinung eines höchst unangenehmen Gesamtzustandes ist, bedeute, daß — ich zitiere Graf Lambsdorff fast wörtlich — der Bundesfinanzminister „nachts im Keller heimlich Geld druckt".
    Dann, Graf Lambsdorff, haben Sie zugelassen, daß dieser Bundesbankgewinn in die Rechnung in einer
    Höhe eingestellt worden ist, die nicht die Erwartung zulassen kann, daß er in ähnlicher Höhe wieder anfällt. Damit ist bereits jetzt für die Jahre nach 1982 neben vielen anderen Risiken eine neue Haushaltslücke vorprogrammiert.

    (Westphal [SPD]: Das ist nicht richtig! — Walther [SPD]: Finanzplan lesen!)

    Ich darf Sie daran erinnern, Graf Lambsdorff, daß entgegen Ihrer Ankündigung die Senkung der Neuverschuldung 1982 gegenüber 1981 geringer ist als die Summe von Bundesbankgewinn und Steuererhöhungen. Damit, meine ich, wird deutlich, daß Ihr Manöver, das Sie angekündigt haben, nicht stattgefunden hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich muß Ihnen sagen, Graf Lambsdorff, daß ich Ihre Ausfälle gegen die Opposition in den letzten Wochen als maßlos und sogar teilweise bösartig empfunden habe.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Walther [SPD]: Tiefes schwarzes Loch!)

    Ich verstehe sie gewissermaßen als den Versuch, den Anspruch aufrechtzuerhalten, den Sie mit Ihrer Äußerung vor der Aktion '82 landauf, landab erweckt haben. Ich verstehe Ihre Rolle, die Sie hier spielen, immer stärker als eine Doppelrolle:

    (Wehner [SPD]: Sie haben die Rolle eines Pendlers, Herr Kiep! Sie tun mir leid!)

    Teilnehmer an einem Regierungsbündnis mit den Sozialdemokraten und zugleich der Versuch, draußen als der „Erhard der 80er Jahre" über die Runden zu kommen. Aber ich sage Ihnen, Graf Lambsdorff: Auch heftige marktwirtschaftliche Brunftschreie im Unternehmerrevier reichen in Bonn nicht aus, um etwas zu bewegen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Graf Lambsdorff, ich muß die SPD mit Erlaubnis von Herrn Wehner ein wenig in Schutz nehmen. In der Öffentlichkeit entsteht der Eindruck, die FDP habe im Bundestagswahlkampf 1980, der ja weniger als ein Jahr zurückliegt, dauernd nur die Realitäten so geschildert, wie sie sind. Ich bitte um Ihre Erlaubnis, doch nur einige ganz wenige Einzelheiten aus dem Wahlprogramm der FDP zitieren zu dürfen, das ja unter Ihrer Federführung, Graf Lambsdorff, entstanden ist. Da haben Sie z. B. die Forderung gestellt, die Entwicklungshilfe müsse in der kommenden Legislaturperiode das 0,7 %-Ziel erreichen; bis 1990 sei das 1 %-Ziel anzustreben. Sie haben dann eine Reihe von weiteren Wünschen und Forderungen angemeldet: die Gewerbesteuer in Stufen abzusenken, die Entfernungspauschale einzuführen, die Erhöhung der Vorsorgepauschale, die Verdoppelung der 800-Mark-Grenze. Mutterschaftsurlaub und Kindergelderhöhung, um nur einige wenige Teile dieses Wahlprogramms zu nennen.
    Graf Lambsdorff, wie vereinbart sich denn das mit der Aussage von Herrn Genscher und Ihnen gestern, die FDP sei immer der Rocher de bronze der Solidität in der Finanzpolitik gewesen?

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)




    Kiep
    Ich darf vielleicht, nur damit das Kontrastprogramm deutlich wird, Graf Lambsdorff, einen einzigen Satz aus dem Wahlprogramm der CDU/CSU zitieren. Da steht drin: „Zur Sicherstellung dieser Prioritäten" — die wir im einzelnen aufgeführt haben —„sind eine Prüfung bestehender Ausgaben auf ihre weitere Notwendigkeit und die Bereitschaft zu Opfern unerläßlich. Wir sind uns darüber im klaren, daß unser Programm nur im Rahmen der jeweiligen wirtschaftlichen Entwicklung und der Lage der Staatsfinanzen verwirklicht werden kann."
    Meine Damen und Herren, ich frage Sie selber: Klingt nicht das Programm der FDP wie das Programm einer Partei, die in der Opposition ist und hofft, durch Versprechungen an die Regierung zu kommen? Klingt nicht das Programm der CDU/CSU wie ein Programm einer Regierungspartei, die Verantwortung für die Solidität und Stabilität der Staatsfinanzen trägt?

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Es hat dann viel Kritik von Ihnen, Graf Lambsdorff, hier, sonst und auch gestern in der Debatte an den Vorschlägen der Union gegeben. Vielleicht darf ich Sie, Graf Lambsdorff, noch einmal an eine Eigentümlichkeit unseres parlamentarisch-demokratischen Systems in aller Höflichkeit erinnern. Dieses System sieht nämlich merkwürdigerweise vor, daß die Mehrheit die Regierung stellt und regiert und die Opposition in der Minderheit ist und aus der Minderheit heraus Kontrollfunktionen, Kritik, aber auch konstruktive Begleitung vorzunehmen hat. Wenn Sie diese Grundvorausgabe in unserem System einmal unterstellen, dann müßten Sie eigentlich ehrlicherweise zugeben, daß die CDU/CSU in dieser Lage weit über das hinausgegangen ist, was man mit Fug und Recht von einer Opposition erwarten kann.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Wehner [SPD]: Ich darf Sie nur um ein Vergrößerungsglas bitten, damit ich das erkenne! — Weitere Zurufe von der SPD)

    — Verehrter Herr Vorsitzender Wehner, ich bin jetzt versucht — aber die Zeit ist sehr knapp —, Sie noch einmal an das zu erinnern, was Sie persönlich, Herr Wehner, in diesem Hause gesagt haben, als sich die CDU/CSU zusammen mit der FDP in einer Regierungskoalition befand und wir uns in einer wirtschaftlichen und finanziellen Krise befanden, die im Vergleich zur heutigen geradezu blond und blauäugig war.

    (Dr. Spöri [SPD]: Die Platte kenne ich schon! Schon wieder die gleiche Platte! Bringen Sie mal etwas Neues! Die Platte haben wir gestern dreimal gehört!)

    In dieser Situation haben Sie hier erklärt: Wir werden keinen Finger rühren.

    (Dr. Spöri [SPD]: Die Platte hat einen Sprung, Herr Kiep!)

    Sie haben es noch etwas drastischer gesagt. Sie haben dieses unappetitliche Beispiel von der Wäsche gewählt, die schmutzig sei und die man nicht waschen wolle. Ich darf daran erinnern, daß auch der
    Herr Bundeskanzler damals hier im Deutschen Bundestag sogar dem damaligen Bundeskanzler Ludwig Erhard angedroht hat, er gehöre im Grunde genommen ins Gefängnis, weil er eine Deckungslücke von 3 Milliarden DM habe entstehen lassen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Wehner [SPD]: Mir hat Herr Erhard nur leidgetan! — Weitere Zurufe von der SPD)

    — Verehrter Herr Kollege Wehner, wenn Ludwig Erhard Ihnen damals leidgetan hat, dann haben Sie Ihr Mitgefühl aber sehr erfolgreich unterdrückt.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Wehner [SPD]: Lesen Sie mal die Protokolle nach! Sie waren j a nicht dabei! Sie waren wieder im Pendeln!)

    Wir werden also hier wegen der Vorlage unserer Vorschläge kritisiert, die sich um Welten von dem unterscheiden, was die SPD in ähnlicher Lage getan hat. Wir werden hier von Ihnen, Graf Lambsdorff, kritisiert, weil wir die Ausgabenpolitik der letzten 12 Jahre kritisieren, obwohl wir doch, wie Sie es soeben ausgeführt haben, in allen wesentlichen Punkten den Vorschlägen der SPD/FDP-Regierung zugestimmt hätten. Auch diese Kritik, aus der Verlegenheit Ihrer Situation erwachsen, geht ganz einfach an den Gegebenheiten eines parlamentarischen Systems vorbei; denn was Sie hier fordern, ist nichts anderes, als daß eine Opposition Geschenke der Bundesregierung durch ihr Veto verhindern sollte. Das ist gewissermaßen die gleiche Aufforderung, die man an jemanden richtet, den man bittet, am 23. Dezember eines Jahres den Weihnachtsmann zu erschießen.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Spöri [SPD]: Wenn Sie das falsch finden, dann müssen Sie das ablehnen, Herr Kiep! Das ist aber dünn! — Weitere Zurufe von der SPD)

    Sie sollten, verehrter Graf Lambsdorff, die Bereitschaft der Opposition, das mitzutragen, dankbar anerkennen, und Sie sollten sich an das halten, was Herr Matthöfer in seiner Einbringungsrede gesagt hat: Es solle keiner politischen Kraft aus ihrer Bereitschaft Schaden erwachsen, an der Bewältigung der Finanzmisere mitzuwirken. Diese goldenen Worte, Herr Kollege Matthöfer, sind bereits gestern in der Debatte von einer Reihe Ihrer Fraktionskollegen nicht beachtet worden. Im Gegenteil, auch Redner der SPD haben die Gelegenheit, wie zu erwarten war, benutzt, um wieder das alte Lied von der sozialen Demontage zu beginnen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: So ist es! — Walther [SPD]: Bei wem denn, Herr Kiep?)

    Warum, Graf Lambsdorff, beginnen wir diese Unternehmung im Jahre 1981? Warum, Graf Lambsdorff, haben wir nicht Jahre des realen Wirtschaftswachstums, wie 1978, 1979 und 1980 benutzt, um hier endlich mit einer Konsolidierung der Staatsfinanzen zu beginnen?

    (Dr. Ehmke [SPD]: Weil wir Lokomotive spielen mußten!)




    Kiep
    Damals hatten wir reales Wachstum und hätten die Dinge ohne so harte Maßnahmen, wie sie heute notwendig sind, in Gang bringen können.
    Herr Hoppe, ich muß zugeben, Sie gehören zu denjenigen, die seit 1976 darauf drängen, daß dies endlich geschieht, aber Sie haben zugleich die Mehrheit dafür geliefert, daß bis zum heutigen Tage nichts geschehen ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wenn ich Ihre Reden, Herr Kollege Hoppe, einmal freundschaftlich-ironisch karikieren sollte, müßte ich Ihnen sagen, sie erinnern mich an den Werbeslogan einer großen internationalen Ölgesellschaft, der da — jetzt abgewandelt — heißt: Es gibt viel zu tun, lassen wir's liegen.

    (Heiterkeit und Zustimmung bei der CDU/ CSU)

    Meine Damen und Herren, die Haushaltsproblematik muß — darauf hat Graf Lambsdorff völlig zu Recht hingewiesen — im gesamtwirtschaftlichen Zusammenhang gesehen werden. Auf den ersten Blick — auch das haben einige Redner der SPD hier gestern ausgeführt — sieht das Bild der Bundesrepublik Deutschland in dieser Lage im Vergleich zu anderen Ländern relativ günstig aus.

    (Zuruf von der SPD: Auch auf den zweiten Blick!)

    Aber bei näherem Hinsehen ergeben sich einige schwierige Problembereiche. Nehmen wir die Leistungsbilanz, bei der wir nur hoffen können, daß das eintritt, was Graf Lambsdorff hier als Hoffnung geäußert hat, nämlich daß die Tendenzwende kommt; bisher ist sie nicht unwiderruflich sichtbar. Wir haben im vergangenen Jahr mit 29 Milliarden das größte Leistungsbilanzdefizit aller Industrienationen gehabt.
    Wir haben eine Wachstumserwartung, die mit 1 bis 2 % im negativen Bereich angesiedelt ist. Vor allem — das ist unser Hautproblem — haben wir eine steigende Arbeitslosigkeit. Wir haben Verbraucherpreise, die in einer Größenordnung von 6 % steigen. Wir haben eine Verschuldung von insgesamt 460 Milliarden, davon die Hälfte beim Bund.
    Wir wissen, daß, gemessen an diesen Problemen, eine Begrenzung der Neuverschuldung auf 26,5 Milliarden für 1982 — wenn es dabei bleibt! — nicht ausreicht, um die Konsolidierung der Staatsfinanzen so überzeugend einzuleiten, daß dadurch eine Plattform entsteht, auf der die Kräfte der wirtschaftlichen Gesundung in Gang gesetzt werden können.
    Die Hautprobleme sind die folgenden. Erstens: Schaffung und Erhaltung von Arbeitsplätzen, Schaffung von zusätzlichen Ausbildungsplätzen. Wir müssen in diesem Zusammenhang die Teilzeitarbeit, das Job sharing und andere neue Gedanken voll in unsere Überlegungen mit aufnehmen.
    Zweitens. Wir müssen die Abhängigkeit vom Energie-Import als ein wichtiges Thema in den Vordergrund stellen. Dasselbe gilt für die Wettbewerbsfähigkeit unserer Wirtschaft ebenso wie für eine angemessene verstärkte Bemühung um die Erhaltung des Umweltschutzes.
    Schließlich müssen wir dafür sorgen, daß in unserem Lande strukturelle Veränderungen stattfinden können.
    Die Arbeitsplätze sind, so sagte ich, unsere Hauptsorge. Dazu ist festzustellen, daß wir nach den Aussagen der Fachleute bis 1985 pro Jahr mit 200 000 zusätzlichen Arbeitskräften zu rechnen haben. Hier möchte ich Sie, Graf Lambsdorff, und vielleicht auch den Herrn Bundeskanzler fragen: Können Sie den Widerspruch aufklären, der zwischen der finanziellen Planung und der gesamtwirtschaftlichen Projektion sichtbar wird, wenn man zur Kenntnis nimmt, daß laut Finanzplan ab 1983 1 Milliarde weniger zur Abdeckung des Defizits in der Arbeitslosenversicherung vorgesehen ist und eine solche Maßnahme ja nur dann ohne Beitragserhöhung und ohne Kürzung der Arbeitslosenbezüge verständlich und machbar wäre, wenn man mit sinkenden Arbeitslosenzahlen rechnen könnte? Genau hier ist der Widerspruch sichtbar, denn die gesamtwirtschaftliche Projektion geht davon aus, daß eine Erhöhung der Zahl der Erwerbstätigen 1985 gegenüber 1980 so gut wie nicht eintritt.
    Wenn Sie noch hinzunehmen, daß in dieser Fünfjahresfrist eine Vergrößerung der Zahl der Arbeitsuchenden um insgesamt 1 Million eintritt, ergibt sich die Frage, wie eigentlich 1985 das Defizit gedeckt werden soll, das hier logischerweise entstehen muß, das Defizit, das man bei vorsichtiger Berechnung für das Jahr 1985 irgendwo zwischen 8 und 10 Milliarden DM beziffern muß. Hier müßte der Bundeswirtschaftsminister, hier müßte auch der Bundeskanzler eine Aufklärung geben können.
    Wie ist nun die Lage unserer Wirtschaft angesichts der hier übereinstimmend festgestellten Notwendigkeit, die Investitionstätigkeit wieder anzuregen?
    Zunächst einmal geht es darum, ein Vertrauensklima zu schaffen. Ich stimme mit allen Rednern, auch denen der SPD, voll überein, wenn sie davor warnen, jetzt hier in eine Weltuntergangsstimmung zu verfallen. Weltuntergangsstimmung und Pessimismus wären zusätzlich zu den konkreten Schwierigkeiten, die wir haben, das Schlimmste, was uns passieren könnte. Wir brauchen Vertrauen, meine Damen und Herren. Und ich muß Ihnen sagen, Graf Lambsdorff: Sie, Ihre Freunde, diese Bundesregierung, die beiden Koalitionsparteien haben in dem Sommertheater des Sommers 1981 einen Beitrag zur Verunsicherung geliefert, der durch nichts übertroffen werden kann.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Dieses Sommertheater war ein gewaltiges Investitionsverhinderungsprogramm. Mir ist es kalt den Rücken heruntergelaufen, als ich gestern von einigen Rednern hörte, daß dieses Sommertheater, sprich: die Diskussion um die Gestaltung der Staatsausgaben, von Ihnen als eine Daueraufgabe angesehen werde. Dürfen wir denn damit rechnen, meine Damen und Herren, daß diese Diskussion in der bisherigen Form und in dem Stil weitergeht, wenn neue Haushaltslücken, was mit Sicherheit zu erwarten ist, auftauchen?

    Kiep
    Wir brauchen Vertrauen, aber wir brauchen auch konkrete Erkenntnisse, und wir müssen gewisse Wahrheiten akzeptieren, wenn wir die richtige Politik machen wollen. Die Eigenkapitalausstattung unserer Unternehmen ist zu schwach. Das Eigenkapital unserer Unternehmen ist in der Zeit von 1966 bis 1980 von 30 % auf 20 % der Bilanzsumme gesunken. Die Nettoumsatzrendite ist in der gleichen Zeit um ein Viertel gesunken, nämlich von 3,3 auf 2,4. Die Investitionsquote ist zwischen 1970 und 1980 von 25,6 auf 23,4 % zurückgegangen. Diese Tatsachen sind natürlich auch mit dafür verantwortlich, daß in wirtschaftlichen Schwierigkeiten unsere Unternehmen sehr schnell an den Rand einer Katastrophe geraten können. Regierungsprogramme haben da nichts geholfen — Regierungsprogramme, Graf Lambsdorff, die unsere finanziellen Möglichkeiten überstrapaziert haben, ohne die wirtschaftliche Wirkung hervorzurufen, die im Interesse der Erhaltung unserer Arbeitsplätze notwendig gewesen wäre.
    Die effektive Belastung, Herr Spöri, des Unternehmensgewinns ist, wie ich weiß, ein etwas heikles Thema. Es wird erst seit jüngster Zeit bei Ihnen über diese Fragen sehr offen und klar diskutiert. Ich darf Sie daran erinnern, daß es gewaltige Unterschiede der Situation unserer Unternehmen im Vergleich zu Wettbewerbern im Ausland gibt. Das wird deutlich, wenn man sich einmal der Mühe unterzieht, Körperschaftsteuer und Abschreibung zusammenzunehmen, um die effektive Belastung der Unternehmensgewinne — mit der Unterstellung der vollen Reinvestition — zu vergleichen. Wenn Sie das tun, also Körperschaftsteuer und Abschreibungsmöglichkeiten, bezogen auf voll reinvestierte Unternehmensgewinne, zusammennehmen, dann ergibt sich die interessante Zahlenreihe, daß sich z. B. in Großbritannien — aus den besonderen Umständen dort erklärlich —0 Prozent Belastung ergeben, in Frankreich 6,5 Prozent und bei uns 19,4 Prozent. Diese Tatsache zeigt ein Stück Wettbewerbsfähigkeit. Deshalb muß unsere mittelfristige Politik, auf die ich gleich komme, darauf ausgerichtet sein, diese Unterschiede zu unseren Wettbewerbern auszugleichen, um unseren Unternehmen eine Chance zum Wettbewerb zu geben.
    Die Lohnquote, auch ein sehr heikles Thema, meine Damen und Herren, ist von 1970 auf 1980, also in zehn Jahren, von 66,1 % auf 71,8 % gestiegen. Wenn man einmal, rein theoretisch-akademisch, das Verteilungsverhältnis von 1969 auf die heutigen Volkseinkommen überträgt, dann wäre — also bei der Unterstellung des Verteilungsverhältnisses von 1969 in der heutigen Einkommenssituation - ein zusätzlicher Betrag von 60 Milliarden DM für Unternehmensinvestitionen verfügbar. Auch hier liegt ein Stück der Probleme struktureller Art, die es durch die Politik in den nächsten Jahren zu beseitigen gilt.
    Ich füge gleich hinzu: Alle Tarifabkommen tragen zwei Unterschriften. Hier ist nicht eine Seite allein verantwortlich.

    (Dr. Spöri [SPD]: Herr Kiep, Sie kennen die neueste Auftragsentwicklung beim Export!)

    — Ich darf Sie aber auch daran erinnern Herr Spöri, daß Sie ausgezogen sind, die Belastbarkeit dieser Wirtschaft zu testen, mit dem Ergebnis, daß wir heute diese Debatte führen müssen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Walther [SPD]: Das ist nicht wahr! Beweisen Sie das mal, Herr Kiep! — Gegenruf von der CDU/CSU: Natürlich ist das wahr!)

    Ich frage Sie, ob es wirklich sehr sinnvoll ist, die Unternehmen zunächst einmal bis an den Rand dieser Probleme zu bringen, um dann die Arbeitsplätze, wenn sie in Gefahr sind, durch Staatshilfe — von Ihrer Seite immer wieder gefordert — zu sichern.

    (Abg. Dr. Spöri [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

    — Herr Kollege Spöri, ich bitte wegen der knappen Zeit sehr um Verständnis, wenn ich — entgegen meiner sonstigen Übung — auf Fragen nicht antworte, aber ich bin von der Geschäftsführung angewiesen worden, absolut in der Zeit zu bleiben, weil jeder der Redner nur 30 Minuten Redezeit hat.

    (Dr. Spöri [SPD]: Nur ein Wort zum Export, Herr Kiep!)

    — Ich bitte sehr um Verständis; ich werde das bei allernächster Gelegenheit mit besonderem Vergnügen nachholen.

    (Wehner [SPD]: Wenn Sie aus Hamburg zurück sind! — Heiterkeit bei der SPD)

    Erlauben Sie mir noch einige wichtige Bemerkungen, was die weiteren Fragen der Wirtschaftspolitik betrifft. Zunächst einmal kommt es darauf an, dafür zu sorgen, daß unsere Unternehmen in ihrer Möglichkeit, Gewinne zu erwirtschaften, gestärkt werden, das heißt, wir brauchen mittelfristig eine Verbesserung unserer steuerlichen Situation unter anderen Rahmenbedingungen. Wenn ich sage „mittelfristig", dann nenne ich kein Jahr, weil die Chance für solche Maßnahmen erst dann gegeben ist, wenn die Konsolidierungsmaßnahmen im Bereich der Staatshaushalte greifen. In dem Augenblick aber, in dem die Handlungsfähigkeit zurückgewonnen wird, ist es unerläßlich, daß im Bereich der Steuern und der Belastungen notwendige und überfällige Maßnahmen unternommen werden. Ich möchte besonders daran erinnern, daß wir im Bereich der gewinnunabhängigen Steuern und im Bereich der gewinnunabhängigen Steuern plus Körperschaftsteuer Maßnahmen einführen müssen, die zu einer Renditeverbesserung der Unternehmen — auch im internationalen Vergleich — führen.
    Ich darf daran erinnern, daß es auch notwendig sein wird — Kollege Strauß hat gestern davon gesprochen —, bei dieser Veränderung unseres Steuersystems die inzwischen verzerrte Relation zwischen direkten und indirekten Steuern wieder zu korrigieren, und zwar in Richtung auf eine Verstärkung des Prozentsatzes der indirekten Besteuerung zugunsten des Bereichs der direkten Besteuerung.

    (Dr. Spöri [SPD]: Das haben wir doch jetzt! Sie sind doch dagegen!)




    Kiep
    Diese Maßnahmen sind dringend notwendig, wenn wir die Ertragslage unserer Wirtschaft verbessern wollen.

    (Dr. Spöri [SPD]: Warum lehnen Sie dann die Verbrauchsteuererhöhung ab?)

    Voraussetzung aber ist die Konsolidierung der Staatsfinanzen. Voraussetzung ist eine deutliche Tendenz- und Trendwende,

    (Dr. Spöri [SPD]: Es ist schon gut, daß Sie nicht fragen lassen!)

    die Wende, von der der Bundesaußenminister und FDP-Parteivorsitzende in großer Ausführlichkeit vor dieser Debatte gesprochen hat.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, lassen Sie mich Ihnen sagen, daß wir sehr wohl erkennen, daß in Ihrem Programm Entscheidungen enthalten sind, die in die richtige Richtung zeigen. Wir haben j a auch als konstruktive Opposition erklärt, daß wir diese Maßnahmen mittragen und mitunterstützen wollen. Insgesamt können Sie bei Gott davon ausgehen, eine Opposition zu haben, die in dieser schwierigen Lage bereit ist, mehr zu tun, als von Oppositionen in solcher Situation im allgemeinen erwartet werden kann.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Walther [SPD]: Das hat selbst die Bild-Zeitung noch nicht gemerkt, daß das so sein soll!)

    Wenn Sie uns den Vorwurf machen, daß wir in unseren Vorlagen und in unseren Aussagen nicht konkret genug wären,

    (Walther [SPD]: Das ist wahr!)

    dann bitte ich Sie, sich doch wieder einmal daran zu erinnern, daß gerade dieses Angebot der Opposition die Aufforderung an die Regierung beinhaltet, durch konkrete Vorschläge den Rahmen auszufüllen, den wir mit unserem Angebot gesetzt haben. Ich bitte Sie, in der Öffentlichkeit und im Bundestag doch nicht ständig die Rollen zu verkehren und so zu tun, als ob wir die Regierung und Sie, meine Herren, die Opposition seien.

    (Wehner [SPD]: Sie bieten uns einen Leihwagen an!)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich möchte zum Schluß auch nach der Debatte des gestrigen Tages noch einmal daran erinnern, daß die Freien Demokraten und insbesondere ihr wirtschaftspolitischer Sprecher Graf Lambsdorff in der Vergangenheit als die Apostel der Marktwirtschaft, als diejenigen, die die richtige Richtung vertreten, durch die Lande gezogen sind und daß auch jetzt in dieser Debatte nach der Haushaltserklärung der Bundesregierung immer wieder zum Ausdruck kam: Wenn es einen Partner gäbe, wären wir ja im Grunde genommen bereit, aber es geht ja wohl doch nicht. Meine Damen und Herren, ich glaube, daß Sie allmählich das Ende der Fahnenstange dieser Politik erreicht haben. In dem Umfange, in dem deutlich werden wird, daß Sie gar nicht mehr imstande sind, mit den sachlichen Schwierigkeiten, die uns etwa in der Abwicklung des Haushalts 1981 und der Gestaltung der Haushalte 1982 folgende, bevorstehen, fertig zu werden, wird auch deutlich werden, daß Sie zu einer Fortsetzung dieser Taktik, die einerseits das Banner der Marktwirtschaft vor sich herträgt, auf der anderen Seite aber die Partnerschaft mit einer Partei fortsetzt, die zu dieser marktwirtschaftsorientierten Politik nicht j a sagt, nicht in der Lage sind. Nirgendwo habe ich dies deutlicher und präziser zusammengefaßt gefunden als in einem Artikel, der vor einigen Tagen in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" erschien und der neben vielen kritischen Aussagen auch über die Opposition zum Thema der FDP etwas Entscheidendes aussagt. Ich zitiere:
    Indem die FDP die Tendenzwende fordert, hat sie eingeräumt, daß sie aus ihrer Sicht nötig sei.
    Weiter heißt es in diesem Artikel:
    Der große Kompromiß heißt, die SPD konzediert der FDP gesellschaftspolitische Reformen im Sinne der Emanzipation, die FDP konzediert der SPD die schrittweise Möglichkeit größerer ökonomischer Gleichheit.
    Meine Damen und Herren, dies ist der entscheidende Punkt für die Zukunft, dies ist die Überschrift über unsere Steuer- und Finanzpolitik der kommenden Jahre: Wenn es uns nicht gelingt, zusätzliche Leistungsbereitschaft unserer Menschen durch eine wiedereingeführte Belohnung von Leistung durchzusetzen, wenn es nicht wieder so ist, daß derjenige, der mehr leistet, auch mehr erhält als derjenige, der weniger leistet, wird die Leistungsbereitschaft weiter geschwächt, wird Leistung nicht hinreichend erbracht und ist unser ganzes Bemühen um ein Wiederingangsetzen der Investitionstätigkeit letzten Endes zum Scheitern verurteilt.

    (Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: Das ist eine schwache Leistung!)

    In diesem Sinne, meine sehr verehrten Damen und Herren, meine ich, ist es wichtig, sowohl im Bereich der Besteuerung der Unternehmen als auch im Bereich der Besteuerung des einzelnen zur Kenntnis zu nehmen, daß Belohnung von Leistung in beiden Bereichen Voraussetzung ist, wenn Leistung erbracht werden soll.
    Zum Schluß: Alles dies — damit möchte ich das aufgreifen, was von anderer Seite gestern und heute gesagt wurde —, alle diese Veränderungen sind nur möglich in einem Klima des sozialen Friedens. Die wichtigste Rahmenbedingung für die Verwirklichung unserer finanz- und wirtschaftspolitischen Ziele, für die Überwindung der strukturellen Probleme, vor denen wir stehen, ist die Erhaltung eines sozialen Klimas, das das Gespräch, das den Dialog möglich macht, das auch in Zukunft dafür sorgt, daß Partnerschaft anstelle von Klassenkampf die Verhaltensweise der Tarifpartner und der Politiker bestimmt.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Herr Bundeskanzler.

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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: ()
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    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die Debatte der letzten Tage



    Bundeskanzler Schmidt
    und der letzten Woche über Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa und die jetzige Debatte über den Haushalt und die damit verbundenen Gesetze haben beide eine eigenartige innenpolitische Wetterlage beleuchtet. Die Opposition hatte geglaubt und gehofft, die beiden Koalitionsparteien in einem Tief anzutreffen. Letzten Donnerstag glaubte sie deshalb, sich mit ein paar kalten Kriegern als Rednern begnügen zu dürfen. Die Wirkung auf die Öffentlichkeit jedoch war negativ, und die Wirkung auf die Koalitionsparteien war natürlicherweise stimulierend.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Gestern nun haben CDU und CSU jeweils ihren ersten Mann ins Gefecht geschickt, aber die beiden Herren haben eigentlich bloß ihre Zettelkästen geleert, und zur Sache haben wir wenig gehört.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Die Wirkung auf die Koalition war abermals stimulierend, eine Regierungskoalition übrigens, Herr Kohl, die längst aus ihrem Tief herausgekommen war.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Lachen bei der CDU/CSU)

    Ihre Worte und die des Herrn Strauß wie „unerträglich", „zerrüttet", „grotesk", „feige", „betrogen", „Ignoranz", „Hypokrisie" usw. sind noch kein Ersatz für ein finanzpolitisches Konzept der Opposition.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Ich kann Herrn Strauß nicht mehr ansprechen; er ist schon wieder weg. Er ist eine Eintagsfliege geblieben.

    (Heiterkeit bei der SPD und der FDP)

    Aber ich muß doch sagen: Zitate aus Springers „Welt", aus „ddp", aus Balzac, aus Karl Marx und aus Murks — was es alles war — haben zwar viel Gelächter ausgelöst, aber noch keine Aha-Erlebnisse. Wir hätten alle gerne einmal „aha" gesagt: Das also ist das Konzept, das ist des Pudels Kern. Nichts von „aha", bloß Zettelkasten.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Es ist klargeworden, warum das Konzept ausgeblieben ist,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Bei Ihnen haben wir auch kein Aha-Erlebnis gehabt!)

    obwohl beide von Ihnen über eineinhalb Stunden gesprochen haben. Es ist klargeworden, daß Sie in den eineinhalb Stunden das Konzept nicht vorlegen wollten, weil Herr Strauß dagegen war. Er hat es auch geschrieben; wir haben es gelesen. Das ist ja auch ganz glücklich für ihn. Wenn er nicht dagegen gewesen wäre, hätte er ein Konzept offenbaren müssen. So konnte er sagen: Es lag in meiner Strategie, es nicht zu offenbaren.
    Sie haben zusammen nichts, fast überhaupt nichts darüber gesagt — auch Herr Kiep eben nicht; die Hamburger werden es mit Ihnen, Herr Kiep, leicht haben, und auch Herr von Dohnanyi —, wie Sie denn handeln würden, wenn Sie eine Mehrheit besäßen. Sie müssen sich infolgedessen jetzt und in Zukunft allerhand Vermutungen über das gefallen lassen, was Sie wohl täten.
    Sie sind mit Ihren Reden dem Maßstab nicht gerecht geworden, den Minister Matthöfer mit seiner Rede gesetzt hatte. Frau Matthäus, Herr Westphal, Herr Posser und viele andere haben Sie mühelos überboten, was sachliche Konzeption und Darstellungskraft angeht.

    (Beifall bei der SPD und FDP — Lachen bei der CDU/CSU — Zuruf von der CDU/CSU: Und Herr Lambsdorff?)

    — Ja, ich schließe Graf Lambsdorff ein. — Nun war es ja für die Sprecher der Opposition gar nicht so selbstverständlich, sie daß von den Sprechern der Koalition überboten wurden; denn die letztere war in der Tat mehrere Wochen lang in einer sehr miesen Verfassung gewesen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wie bewerten Sie Ihre eigene Rede?)

    Die Koalition hat für ihr Konzept die Zeit von Montag, den 27. Juli 1981, bis Donnerstag, den 3. September 1981, gebraucht. Dazwischen lag eine längere Unterbrechung durch eine Sommerpause, was sich in der Tat als ein eindeutiger Fehler herausgestellt hat.
    Wir hatten in dieser Zeit insgesamt drei erhebliche Probleme zu lösen. Erstens: Wir hatten bei der Erarbeitung der Regierungserklärung nach der Bundestagswahl im letzten Herbst das Ausmaß der inzwischen eingetretenen weltwirtschaftlichen Rezession und der rezessiven Auswirkungen auf unser Land weit unterschätzt. Wir waren übrigens nicht die einzigen, die das unterschätzt haben.

    (Franke [CDU/CSU]: Wie 1976!)

    Die Auswirkungen, insbesondere die Arbeitslosigkeit, haben in diesem Sommer erheblich zugenommen. Es bedurfte jetzt also in umgekehrter Richtung einer erheblichen Korrektur.
    Zweitens: Die Frage nach dem einzuschlagenden Weg setzte ein übereinstimmendes Urteil über die Ursachen dieser Rezession voraus. Das war noch relativ einfach. Auch die Zielsetzung gemeinsam zu finden, nämlich Arbeitslosigkeit eindämmen, Aufschwung einleiten, Leistungsbilanzdefizit senken, Zinsen senken, war noch relativ einfach.
    Drittens: Sehr viel schwieriger war es, die Übereinstimmung über die anzuwendenden Mittel und Instrumente zu finden, steuerliche Instrumente zum Anreiz von Investitionen, Abbau von steuerlichen und Haushaltssubventionen, Kürzungen von Ausgaben und Leistungen. Mir hat es leid getan, daß von diesen zum Teil sehr engagiert geführten Debatten innerhalb der Koalition etwas zuviel in die Öffentlichkeit gekommen ist; denn das hat vorübergehend Zweifel an der Handlungsfähigkeit der Koalition erlaubt. Aber das liegt nun alles hinter uns.
    Ich sehe am Anstieg der D-Mark-Devisenkurse, daß die internationalen Märkte unsere Meinung teilen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)




    Bundeskanzler Schmidt
    Ich will das gern erläutern: Der Anstieg der D-Mark beträgt seit dem Tag der Kabinettsbeschlüsse, seit dem 3. September, gegenüber dem Dollar und gegenüber dem Pfund 6 %. Gegenüber anderen Währungen findet er auch statt — dies alles in bloß zwei Wochen, dies alles trotz der Tatsache, daß Geldanleger in New York in Dollar, in London in Pfund, in Paris in Franc natürlich nach wie vor sehr viel mehr Zinsen verdienen können als in D-Mark in Frankfurt oder in Düsseldorf.
    Herr Kohl, Sie haben davon gesprochen, daß der deutschen Volkswirtschaft Vertrauen not tue. Ich stimme Ihnen zu; das ist vollständig richtig. Aber ich fordere Sie dann auf, der Deutschen Mark und der hinter ihr stehenden deutschen Volkswirtschaft wenigstens ebensoviel Vertrauen zu schenken wie die internationalen Märkte der ganzen Welt.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Ich erinnere mich an die teils Schadenfreude, teils Häme, als die D-Mark in diesem Hochsommer gegenüber dem Dollar sehr schwach erschien. Der Dollar stieg auf 2,57 DM; gestern war er schon wieder auf 2,27 DM gefallen. Die D-Mark hat in wenigen Wochen 30 Pfennig gewonnen. Die „FAZ" schreibt heute morgen dazu:
    Auf den internationalen Finanzmärkten ... setze sich mehr und mehr eine positive Beurteilung der Entwicklung der deutschen Wirtschaft durch. Immer mehr Anleger zögen daher eine Anlage ihrer Mittel in D-Mark anderen Währungen vor.
    Nun heißt es j a, hinter der „FAZ" stecke immer ein kluger Kopf. Herr Dr. Kohl, Ihrer war es diesmal nicht.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD — Dr. Dregger [CDU/CSU]: Billig! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    — Das ist nicht billig, sondern das sind Tatsachen, und Sie machen dagegen hier den Nebelwerfer, Herr Barzel.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Die von Herrn Strauß herausgegebene Wochenzeitung schrieb heute von einer — ich zitiere — „seit Jahren zu beobachtenden Schwächung der deutschen Wirtschaftskraft". Welch eine schwarzmalerische Verzerrung, die Angst auslösen soll!

    (Wehner [SPD]: Und das vor dem Oktoberfest!)

    — Richtig. — Und welche Angstmacherei in Ihren Reden gestern bei Herrn Kohl, bei Herrn Strauß! Gewiß haben wir große Probleme, aber unsere deutschen Probleme sind doch nun weiß Gott nicht größer als die der anderen EG-Länder oder der Länder Nordamerikas, der anderen großen Industriestaaten. Im Gegenteil, sie sind etwas kleiner. Und wir werden sie lösen!

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Ich höre, Herr Barzel, Sie werden nach mir reden, wie meistens. Ist es denn etwa nicht wahr, Herr Barzel, daß wir — vom Großherzogtum Luxemburg einmal abgesehen — in der ganzen Europäischen Gemeinschaft und gegenüber Kanada, gegenüber Amerika die geringste Arbeitslosigkeit und den geringsten Preisanstieg gehabt haben und heute haben und daß dazu — unter damals anderen weltwirtschaftlichen, weltkreditpolitischen Bedingungen — unsere bisherige Haushalts- und Kreditpolitik sehr wesentlich und wohltuend beigetragen hat? Ist es denn nicht wahr, daß unsere Reallöhne hier in Deutschland, unsere realen Sozialleistungen, unsere realen Renten im Vergleich zu den soeben genannten Ländern zur Spitze der ganzen Welt gehören? Ist es denn nicht wahr, daß die von Herrn Strauß dramatisch, künstlich beweinte Staatsquote — ich spreche von den Ausgaben des Staates, von Bund, Ländern und Gemeinden, und der Sozialversicherung — in Deutschland fast gleich hoch ist wie in Frankreich, Italien und England, nämlich etwa 44 % des Sozialprodukts? Was sollen denn alle diese Übertreibungen, als ob es bei uns schlecht gehe? Was soll dieses Schreckensgemälde über die angeblich zerrütteten Staatsfinanzen? Ist es denn nicht wahr,

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Nein!)

    daß wir mit den Zinsen, die unser Staat alljährlich zu zahlen hat, deutlich unter England und Italien und Japan und den USA liegen, und zwar immer als Anteil an den jeweiligen Staatsausgaben dieser Staaten gerechnet?

    (Zuruf des Abg. Kiechle [CDU/CSU])

    Ähnlich ist es beim öffentlichen Schuldenstand pro Kopf der Bevölkerung. Es gibt ein großes westliches Industrieland, das besser dasteht. Das ist Frankreich. Das wollen wir anerkennen — mit einem bißchen Neid im Hintergrund. Das müssen wir anerkennen. Frankreich hat eine solidere Finanzwirtschaft betrieben. Das ist wahr.
    Aber Sie sollen uns doch nicht erzählen, daß wir mehr Arbeitslose als Frankreich hätten oder daß wir niedrigere Löhne oder schlechtere Sozialleistungen hätten. Wir haben also etwas anderes, etwas Positives dafür eingehandelt.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Noch eines will ich hier deutlich sagen. Wenn wir gegenwärtig wesentlich mehr Staatsausgaben kürzen wollten, wie einige Ihrer Redner in den letzten Wochen in der öffentlichen Debatte verlangt haben, dann könnten wir in der Tat auch die Gefahr deflationistischer Entwicklungen auslösen. Auch das wollen wir nicht. Ich stimme mit der Brüsseler Kommission und ihrem Präsidenten Thorn überein, der mir vor wenigen Wochen in dieser Richtung einen besorgten und mahnenden Brief geschrieben hat.
    Wenn wir heute die Staatsausgaben so weit bremsen, wie es durch den Haushaltsgesetzentwurf und die übrigen Gesetzentwürfe, die wir vorgesehen haben, geschehen soll, so tun wir das nicht wegen Ihres törichten Worts vom Staatsbankrott. Sondern wir begrenzen den Zuwachs der staatlichen Kreditaufnahme, weil wir den Kapitalmarkt von Kreditnachfrage entlasten müssen und weil bei den heutigen weltwirtschaftlichen Bedingungen ein zusätzliches Defizit unsere Beschäftigungsprobleme nicht lösen könnte. Ich gebe ausdrücklich Herrn Matthöfer,



    Bundeskanzler Schmidt
    Frau Matthäus-Maier und Graf Lambsdorff recht, die diesen Punkt vorgetragen haben.
    Warum? Weil wir ermöglichen wollen, daß die Zinsen in Deutschlnd fallen können, damit die Unternehmen und Gewerbebetriebe, die Bauherren und die Häuslebauer wieder zu normalen Zinsen Kredite und Hypotheken aufnehmen können, damit mehr gebaut wird, damit mehr investiert wird, damit unsere Wirtschaft weiter modernisiert wird, damit sie sich den wandelnden Strukturen der Weltwirtschaft noch schneller anpassen kann, damit noch weniger Öl verbraucht wird, damit insgesamt noch weniger Energie verbraucht wird, damit wir unsere Leistungsfähigkeit an den Weltmärkten stärken, und dies alles, damit neue Arbeitsplätze geschaffen werden.
    Billiger als gestern können wir gegenüber dem Ausland nicht liefern. Unsere Löhne und unsere Sozialleistungen sind zu hoch dafür; wir wollen sie auch nicht senken. Das heißt also: unsere Lohn- und Lohnnebenkosten sind zu hoch dafür. Billiger werden wir also nicht. Aber wir müssen moderner als gestern werden, leistungsfähiger; wir müssen andere, neue Produkte anbieten, schneller, pünktlicher, einen besseren Service bieten. Bitte, Herr Dr. Kohl, schauen Sie sich doch die Exportzahlen an. Sie steigen doch sehr schön. Verschließen Sie doch bitte nicht immer Ihre Augen, und nehmen Sie einmal die schwarze Brille ab, ehe Sie dieses Pult betreten.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Diese Modernisierung, diese Anpassung der Struktur unserer Volkswirtschaft an das, was die Weltwirtschaft von uns verlangt, geschieht letztlich zu dem Ziel, daß wir unseren Lebensstandard halten, damit wir mehr Arbeitsplätze und wieder höhere Beschäftigung erreichen können.
    Nun stehen wir alle unter starkem wirtschaftlichen Druck, nicht nur in allen westlichen Ländern, sondern auch in allen südlichen Ländern, übrigens auch in den östlichen Ländern. Es gibt gegenwärtig keine Gruppe von Staaten ohne schwerste wirtschaftliche Probleme. Es gibt tatsächlich eine WeltWirtschaftsrezession.
    In vielen uns vergleichbaren Ländern haben in den letzten zehn Jahren unter diesem Druck der sich wirtschaftlich verschlechternden Umstände viele Regierungen gewechselt: in Frankreich, in England, in Italien, in Norwegen, in Dänemark, in Holland, in Belgien, in Luxemburg, in Irland, in Schweden, in Kanada, in den USA. In vielen Staaten haben die Regierungen sogar zweimal, ja mehrere Male gewechselt. Ob das in jedem Falle gerecht war, haben wir nicht zu beurteilen. Ob es den Staaten wirtschaftlich genützt hat, will ich auch nicht beurteilen. Bei uns — zum Leidwesen der Christlichen Demokraten — und übrigens auch in Österreich, auch in Japan hat bisher ein solcher Regierungswechsel nicht stattgefunden. Er ist auch nicht nötig und wird auch so bald nicht eintreten, Herr Kiep, auch nicht in Hamburg.

    (Beifall bei der SPD)

    Sie hatten dieser Tage eine Chance, meine Damen
    und Herren von der Opposition. Wenige Augustwochen lang hatten Sie eine Chance, sich als ökonomisch besser beschlagen darzustellen. Nun ist die Chance vorbei. Aber das ist auch gut so. Denn sonst würden Sie durch Spargewaltaktionen möglicherweise doch noch das soziale Netz und vor allem den sozialen Grundkonsens gefährden.

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/ CSU)

    — Ja, ich meine, was ich sage. — Sie könnten auch die wirtschaftliche Erholung gefährden.
    Sie tun bei allen Reden so, als ob wir ein isoliertes Land seien. Aber wir verkaufen ein Viertel unseres Sozialprodukts auf den Märkten der Welt; fast ein Viertel ist Export. Wir können uns aus der Weltwirtschaft nicht abkoppeln. Wir sind fest verflochten, im Guten wie im Bösen, auch mit unseren Arbeitsplätzen. Wer für den Export arbeitet, hängt von den Märkten der Welt ab, und wer mit dem Import sein Geld verdient nicht minder. Wir können uns aus dem Geleitzug nicht entfernen. Was wir aber können und mit Erfolg tun und in der Vergangenheit mit großem Erfolg getan haben, ist, in dem Geleitzug der Industrieländer das Land mit der geringsten Arbeitslosigkeit und der geringsten Inflation zu sein. Das bleibt auch in Zukunft auf unserem mittleren Weg erreichbar, dem mittleren Weg zwischen einer reinen Angebotsökonomie, wie das heute heißt, auf der einen Seite und einer reinen Nachfrageökonomie auf der anderen Seite. In der heutigen inflationistischen Weltlage müssen wir an einem vernünftigen mittleren Weg zwischen Friedman hier und Keynes dort festhalten.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Gewiß enthalten unsere Gesetzentwürfe und unser Haushaltsgesetz vielerlei schmerzliche Details. Darüber ist schon ausführlich gesprochen worden. Auf zwei Details möchte ich noch einmal eingehen.
    Ich weiß, daß die Kürzung des Kindergeldes für die zweiten und die dritten Kinder um jeweils 20 DM für viele schwer zu akzeptieren ist. Ich muß hier allerdings einfügen: Nach der Kürzung wird im ganzen Land für keine Familie das Kindergeld geringer sein als bis zum Jahre 1980 einschließlich. Kinderreiche Familien werden mehr haben als im Jahre 1980. Es scheint so, als ob die CDU/CSU im Bundesrat an Stelle dieser Kürzung beim Kindergeld eine Kürzung beim Bundesausbildungsförderungsgesetz — beim BAföG — für Schüler anvisiert. Das wäre jedenfalls ein härterer Eingriff, und die Bildungschancen der sozial Schwächeren würden betroffen — im Gegensatz zu dem gleichen Kindergeld, gleich für alle.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Aber wir werden sehen, was Sie im Bundesrat dazu vortragen. Ich will für meine Person sagen: Mir wäre an Stelle von Eingriffen in das Kindergeld am liebsten gewesen, die steuerliche Absetzbarkeit der Kinderbetreuungskosten wieder zu beseitigen, die Sie im Bundesrat eingeführt haben.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD und der FDP)




    Bundeskanzler Schmidt
    Das hat nämlich mit Gerechtigkeit wirklich nicht viel zu tun, was Sie da eingeführt haben, und es kostet viel Geld.
    Die zweite Bemerkung zu einem wichtigen Detail betrifft den Verteidigungshaushalt. Der Etat des Bundesministeriums der Verteidigung wird im nächsten Jahr um dieselbe Rate ansteigen wie der Bundeshaushalt insgesamt: um 4,2 %. Das heißt, daß der reale Anstieg geringer sein wird als in den vergangenen zehn Jahren. Allerdings sind auch die ökonomischen Voraussetzungen schlechter als damals. Allerdings sehen sich auch andere Staaten — auch die Vereinigten Staaten von Amerika — gezwungen, aus denselben Gründen ihre Verteidigungsetats, ihre Planungen etwas zu revidieren und zurückzuführen.
    Ich möchte hier aber mit aller Deutlichkeit sagen: Die Verteidigungsfähigkeit eines Landes hängt nicht allein von der Höhe der zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel ab. Sie hängt davon ab, ob diese Finanzmittel zweckentsprechend und vernünftig eingesetzt werden. Vor allem hängt sie aber davon ab, daß es junge Männer gibt, die Soldat sein wollen — auch wenn sie dazu keine große Lust und daran keine große Freude haben —, und daß es eine Gesamtgesellschaft gibt, die diese Motivation trägt und bestätigt.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Das ist bei uns tatsächlich der Fall. Kleine Ausnahmen am Rande bestätigen die Regel. Niemand von uns sollte so tun, als ob eine Million oder eine Milliarde mehr oder weniger für die Bundeswehr auch nur zu einem kleinen Teil so entscheidend sein könnte wie — ich sage es noch einmal — die Motivation und die Ausbildung der jungen Männer und die Motivation der Gesamtgesellschaft, die sie tragen muß.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Dr. Dregger [CDU/CSU]: Flugstunden der Piloten!)

    Für den Haushalt gilt dasselbe wie für jeden Privatmann: Man kann dieselbe Mark nicht zweimal ausgeben. Das, was wir z. B. für unsere polnischen Nachbarn in diesem Jahr tun und im nächsten Jahr wiederum tun müssen — für die Umschuldung, für die Lieferung von Nahrungsmitteln, für die Lieferung von gewerblichen Gütern —, muß natürlich an anderer Stelle eingespart werden. Wir halten diese über eine Milliarde DM pro Jahr hinausgehende Hilfe für Polen für notwendig, weil es den Menschen dort unvergleichlich viel schlechtergeht, weil es für sie unvergleichlich viel schwieriger ist als für jeden von uns und weil wir nicht so tun können und wollen, als ginge uns das Schicksal der Polen nichts an.

    (Beifall bei der SPD und der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Das haushalts- und finanzwirtschaftliche Gesamtkonzept, das der Bundesfinanzminister vorgetragen hat, kann sich, wie ich meine, internationaler Kritik durchaus stellen. Es kann sich sehen lassen. Selbstkritisch müssen wir zugestehen, daß wir das, war wir zustande bringen, bis zum Mittwoch eigentlich deutlich unter Wert verkauft haben. Das war Ihr
    Glück, Herr Kohl. Das war Ihre Chance, aber Sie haben die Chance nicht genutzt. Wer Ihnen und Herrn Strauß gestern über drei Stunden zugehört hat, hat immer noch keine Ahnung davon, ob Sie ein anderes Konzept haben und wie dieses eventuell aussieht. Herr Kiep hat uns eben auch nicht schlauer gemacht. Die Sache mit dem Weihnachtsmann, den Sie am 23. Dezember nicht erschießen wollen, Herr Kiep, habe ich nicht verstanden. Was ich angeblich im Bundestag zu Ludwig Erhard gesagt haben soll, Herr Kiep, ist eine Erfindung Ihrer Propagandastelle. Zeigen Sie mir im Protokoll, was Sie meinen.

    (Dr. Kohl [CDU/CSU]: Ich habe ja nicht gesagt: im Bundestag! Auf dem Parteitag in Bremen haben Sie es gesagt!)

    — Auch das bleibt Ihre Propaganda, Herr Kohl.

    (Dr. Kohl [CDU/CSU]: Ich kann es Ihnen ja vorlesen! — Dr. Jenninger [CDU/CSU]: Wir haben es da!)

    — Sie lesen eine Meldung aus einer Bremer Zeitung vor, die ich seinerzeit dementiert habe. Das ist über zehn Jahre her. Sie haben heute nichts zu bieten. Deswegen wühlen Sie in den Zettelkästen der 60er Jahre.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Dr. Kohl [CDU/CSU]: Der streitet aber auch alles ab!)

    Ein Wort an die Arbeitnehmer und ihre Gewerkschaften. Hier weiß jedermann, daß ich bei großer Wertschätzung für tüchtige Unternehmensleiter und selbständige Handwerker, Gewerbetreibende, Freiberufler zeit meines beruflichen Lebens Mitglied einer DGB-Gewerkschaft bin und bleibe. Daß der Papst mit seiner neuen Enzyklika die Notwendigkeit freier Gewerkschaften überzeugend begründet, erfüllt mich mit Genugtuung.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Die Arbeitnehmer tragen in der jetzigen Wirtschaftslage eine schwere Last. Das gilt besonders in einigen Branchen, die in besondere Strudel der weltwirtschaftlichen Krise geraten sind: früher schon der Schiffbau — Herr Kohl wird ja wohl nicht sagen, die Sozialliberalen in Bonn hätten die Schiffbaukrise gemacht —, heute der Stahl — da werden Sie wohl auch nicht sagen, daß wir das gemacht hätten — oder die Textilindustrie.
    Ich möchte gern Herrn Strauß nachrufen — nach dem, was er gestern über Arbeitslosigkeit sagte —: Die Stahlkocher — von Duisburg bis Dortmund und in Bremen oder Salzgitter oder in Niederbayern oder in Siegen oder in der Georgsmarienhütte oder an der Saar — werden wenig Verständnis dafür haben, daß wir zwar einerseits im Bundeshaushalt erhebliche Mittel für die Stahlindustrie zur Verfügung stellen, auch für soziale Zwecke, daß aber zum anderen die Uneinigkeit der Vorstände der deutschen Stahlunternehmen unnötig die roten Zahlen verlängert. Ich muß Ihnen sagen: Ich habe zu dem Urteil des IG-Metall-Vorstandsmitglieds Judith in dieser Sache mehr Vertrauen als zu manchem Vorstand



    Bundeskanzler Schmidt
    manches sehr großen, weltangesehenen deutschen Stahlunternehmens.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Vogel [Ennepetal] [CDU/CSU]: Meinen Sie Herrn Rohwedder?)

    Es ist nicht einfach für eine sozialliberale Bundesregierung, der ganzen Stahlbranche zu sagen — das sagt Graf Lambsdorff —: Wir erwarten von euch, daß ihr alles tut, um die Preise zu erhöhen. — Es fällt einem nicht leicht, für Preiserhöhungen einzutreten. Aber wir haben das getan, wir tun das auch heute, weil wir wissen, daß Preise notwendig sind, die die Kosten decken. Ich habe kein Verständnis dafür, daß Quengelei und Eifersucht unter verschiedenen Vorständen dies unnötig verzögern.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Ein arbeitslos werdender Stahlkocher hat wenig Verständnis für die Überlegungen, die der Ministerpräsident Strauß gestern zum Arbeitslosengeld angestellt hat. Der Stahlkocher hat nämlich sein Leben lang Beiträge zur Arbeitslosenversicherung gezahlt.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Und er ist auch nicht freiwillig ohne Arbeit, sondern er ist arbeitslos gegen seinen eigenen Willen und manchmal trotz seiner Verzweiflung. Ich stehe auf seiner Seite.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Seine Kollegen, auch seine Gewerkschaft, die Gewerkschaften insgesamt werden sich manches anders erhofft haben. Wir hören ihnen zu, wir sprechen mit ihnen. Wir erklären ihnen auch in Tausenden von Belegschaftsversammlungen, was wir tun, warum wir es tun und warum wir es tun müssen.

    (Gerstein [CDU/CSU]: Was ihr nicht tut!)

    Wir haben dabei allenthalben eine Einsicht gespürt: Die Bürger und zumal die Arbeitnehmer sind zu Opfern durchaus bereit, aber sie wollen wissen, ob es alle trifft, ob es sorgfältig geprüft und abgewogen wurde und ob es Erfolg haben wird. Den Erfolg kann niemand garantieren. Schließlich stehen ganz Europa und ganz Nordamerika in diesem Winter vor der höchsten Arbeitslosigkeit seit Jahrzehnten. Aber daß wir uns anstrengen, daß wir mit aller Kraft um diesen Erfolg ringen, das spüren sie.
    Ich gehöre zu denen, die wissen, daß es neben den Drückebergern und den Schwarzarbeitern Hunderttausende echter arbeitswilliger arbeitsloser Frauen und Männer in Deutschland gibt. Die Sorge um sie ist heute für mich die größte innenpolitische Sorge. Ich habe als Junge und als junger Mann miterlebt, wie mein behinderter Schwiegervater von 1929 bis 1936, sieben Jahre lang, arbeitslos war. Ich habe es jede Woche miterlebt. Ich weiß, was es damals bedeutete und was es heute bedeutet.
    Menschliche Arbeit ist der archimedische Punkt im Leben des Menschen, der archimedische Punkt, aus dem übrigens auch in der neuen Sozialenzyklika der Papst seine Soziallehre, die Soziallehre der Kirche entwickelt. Menschliche Arbeit wird dort zum Schlüsselproblem der sozialen Frage erklärt. Wer da
    glaubt, er könne die Lösung des Beschäftigungsproblems allein den selbstheilenden Marktmechanismen überlassen — wobei natürlich die Marktpartner auch gefordert sind —, der könnte sich jedenfalls auf dieses Lehrdokument des Papstes nicht berufen.

    (Beifall bei der SPD)

    Da wird das ganze ursprüngliche Bekenntnis der Soziallehre der katholischen Kirche zur Interventions- und Gestaltungspflicht des Staates ausdrücklich bekräftigt. Mir liegt es sehr fern — ich bin ein Protestant —, den Papst und seine Enzyklika für meine politischen Auffassungen zu vereinnahmen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Es genügt ja, wenn Sie damit Propaganda machen!)

    Wer aber allemal ideologische Krämpfe primitiv-kapitalistischer Art vorführt — das ist ein Ausdruck, den ich der Enzyklika entnehme: Primitivkapitalismus —, wer kritisiert, wenn ein Sozialdemokrat dem Staat den dem Staat zukommenden Teil der Verantwortung zuweisen will, der hat es noch ein bißchen notwendiger als ein Sozialdemokrat, Herr Kohl, diese Enzyklika zu lesen und sie sich innerlich zu eigen zumachen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Ich sage dies auch an bestimmte unternehmerische Adressen.

    (Dr. Freiherr Spies von Büllesheim [CDU/ CSU]: Was heißt „auch"?)

    Die Unternehmensleiter in Deutschland sollten anerkennen — viele tun es auch —, was sie an den Belegschaften, an den Betriebsräten in ihren Unternehmen, was sie an den deutschen Gewerkschaften haben. Viele von Ihnen sind klüger, als die zweckpessimistischen Jeremiaden von BDI oder DIHT vermuten lassen, die Graf Lambsdorff eben apostrophiert hat. Viele der deutschen Unternehmensleiter leisten Vorzügliches. Gerade in diesen Tagen beweisen der gute Anstieg unserer Exportziffern und die Zielländer dieses Exportes diese Leistung.
    Bitte — das sage ich auch den Unternehmern —, lassen Sie es den Herrn Strauß wissen, daß entgegen seiner gestrigen Rede ihr „Unternehmergeist" keineswegs „getötet" ist, wie er behauptet hat.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Lassen Sie Herrn Strauß auch die unternehmerische Erfahrung hören, daß soziale Sicherung, Betriebsverfassung und Mitbestimmung in den deutschen Unternehmen eine größere Stabilität geschaffen haben als in vielen anderen Unternehmen vieler anderer Länder in Europa.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    An die Unternehmer, spezieller noch an die Bankiers, wende ich mich mit der Bitte: Sagen Sie Herrn Strauß laut und deutlich, was Sie von seinem Geschwätz über eine neue Währungsreform tatsächlich halten.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Ich nehme heute ein Wort wieder auf, das ich nach dem Ausbruch der ersten Ölkrise vor siebeneinhalb



    Bundeskanzler Schmidt
    Jahren gebraucht habe. Wir setzen unseren Kurs stetig fort, aber wir konzentrieren uns auf das, was jetzt vordringlich geworden ist: Kontinuität und Konzentration. Ich bin sicher: Das, was wir tun, wird wirken, wenn auch erst im weiteren Verlauf des kommenden Jahres. Unser Export steigt bereits, unsere Leistungsbilanz normalisiert sich bereits, unsere Zinsen werden sinken, unsere Investitionen werden steigen, und ebenso wird dann die Zahl der Arbeitsplätze steigen.
    Nun hat Herr Dr. Kohl, der Übung des Hauses entsprechend, die Haushaltsdebatte gestern auch auf andere als Haushaltsthemen ausgeweitet. Seine ernsten und von mir ernst genommenen Passagen zu unserem Freundschafts- und Bündnisverhältnis zu den Vereinigten Staaten von Amerika finden, wie Sie wissen, die Zustimmung der Bundesregierung und beider Koalitionsparteien, ebenso Ihre Worte, Herr Dr. Kohl, über die amerikanische Schutzmachtrolle in Berlin. Herr Genscher hat, für die ganze Bundesregierung sprechend, gestern schon darauf geantwortet; aber ich möchte heute ausdrücklich auch mein eigenes Wort hinzufügen.
    Ich habe Herrn Minister Haig für seine Bekräftigung des amerikanischen Engagements in Berlin ausdrücklich gedankt und habe ihn gebeten, das auch Präsident Reagan zu übermitteln. Herr Haig hat in Berlin in vorbildlicher, in gelassener Weise auf die ihn betreffenden Demonstrationen reagiert. Er hat in Berlin übrigens eine bedeutende Rede gehalten, in der, neben nachdenkenswerten Passagen, die Aufbruchstimmung in den Vereinigten Staaten von Amerika und der spezifisch amerikanische Optimismus ohne Kraftmeierei zum Ausdruck gekommen sind. Ich freue mich, feststellen zu können, daß das Gleichgewicht der Angelpunkt der amerikanischen Sicherheitspolitik bleibt. Der Haig-Besuch in Berlin und übrigens auch hier in Bonn war eine eindrucksvolle Bestätigung deutsch-amerikanischer Freundschaft, der gemeinsamen westlichen Politik des Gleichgewichts und des Dialogs mit dem Osten, einer gemeinsamen Politik, der wir unsere Sicherheit, unsere Freiheit, auch unsere Weltoffenheit verdanken.
    Auf unsere amerikanischen Freunde ist Verlaß, und die amerikanische Nation kann sich auf uns Deutsche verlassen.

    (Beifall bei der SPD, der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Ich stimme Ihnen zu, beides hat tiefe Wurzeln in gemeinsamen Überzeugungen und Werten, die wir nicht vergessen machen lassen dürfen, auch wenn es bisweilen natürlicherweise Meinungsverschiedenheiten und Interessengegensätze gibt und geben muß. Die gemeinsamen Werte tragen auch das Bündnis, das uns Schutz gewährt, zu dem wir nach unseren Kräften beitragen. Ich sage hier: Die Grundrechte in unserem Grundgesetz — manchem ist das nicht bewußt — stammen nur zum Teil aus deutscher und europäischer Tradition, zum ganz großen Teil stammen sie aus der Freiheitstradition, die in den Vereinigten Staaten von Amerika vor etwas über 200 Jahren begründet worden ist. Wir sind uns dessen bewußt.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Wir haben mit dem amerikanischen Außenminister vor seinen wichtigen Begegnungen mit seinem sowjetischen Kollegen intensiv über die gemeinsame westliche Linie für die Rüstungskontrollverhandlungen über die eurostrategischen Waffen gesprochen. Die Konsultation darüber wird, wenn die eigentlichen Verhandlungen zu diesem Spezialthema im November beginnen, intensiv fortgesetzt werden, ebenso wie wir unsererseits konsultieren werden, wenn wir mit der sowjetischen Seite in Gespräche eintreten.
    Ich habe übrigens — das möchte ich dem Hause sagen — Präsident Reagan bei dieser Gelegenheit offiziell zu einem Besuch in unserem Land eingeladen. Wenn er kommt, wird er erfahren, daß es stimmt, was Herr Kohl gesagt hat, was Herr Genscher gesagt hat und was ich sage: daß Deutsche und Amerikaner Freunde sind.

    (Beifall bei allen Fraktionen)

    Ich will hier hinzufügen, daß wir die Gewaltakte gegen Angehörige der amerikanischen Streitkräfte und deren Einrichtungen zugleich als Anschläge gegen unsere eigene Sicherheit und unsere Freiheit ansehen.

    (Beifall bei allen Fraktionen)

    Wir verabscheuen ganz besonders die dabei erneut sichtbar gewordene Absicht zum Mord.
    Die Bundesregierung wird gemeinsam mit unseren amerikanischen und all unseren europäischen Freunden alle Anstrengungen unternehmen, um den Kampf gegen den Terrorismus erfolgreich fortzusetzen. Wir wissen uns darin einig mit der überwältigenden Mehrheit aller Deutschen.

    (Beifall bei allen Fraktionen)

    Deswegen hatte und hat der Terrorismus in den vergangenen Jahren und auch in der Zukunft in unserem Land keine Chance.
    Nicht nur mit Amerika, auch mit den übrigen Staaten in Westeuropa ist das Netz unserer Partnerschaft eng geknüpft. Konsultationen mit dem italienischen Ministerpräsidenten Spadolini vor wenigen Tagen haben ein beiderseits großes Vertrauenskapital und eine Übereinstimmung in allen entscheidenden sicherheitspolitischen und außenpolitischen Interessen und in ihrer Bewertung offenbart. Dem italienischen Staatspräsidenten Pertini, einem europäischen Staatsmann von ganz überragender moralischer Autorität, habe ich für ein wichtiges Gespräch zu danken.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Ich denke aber auch mit Bewegung an die Begegnung mit Papst Johannes Paul II. zurück, dem ich die Wünsche aller Deutschen, der Katholiken wie der Protestanten wie der Freidenker, zur Genesung



    Bundeskanzler Schmidt
    und zur Fortsetzung seiner Friedensmission überbracht habe.

    (Beifall bei der SPD, bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Die jüngsten Gespräche in Norwegen, in Dänemark und demnächst mit dem österreichischen Bundeskanzler sind nur andere Beispiele des engen Kontaktes mit unseren Nachbarn, andere Beispiele des europäischen Zusammenhalts auch außerhalb der Europäischen Gemeinschaft. Und, Herr Kohl, in Norwegen beruft sich nicht nur die sozialdemokratische Seite, sondern auch die konservative Seite, die nun vermutlich die Regierung bilden wird, auf unsere Außen- und Sicherheitspolitik, nicht auf Ihre Schwarzmalerei.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Dr. Kohl [CDU/CSU]: Hören Sie doch auf damit!)

    Von größter Bedeutung bleibt natürlich die deutsch-französische Zusammenarbeit — nach dem Willen beider Regierungen. Ich werde demnächst den französischen Staatspräsidenten besuchen. Die englische Ministerpräsidentin wird hierher kommen. In all diesen Gesprächen zeigt sich die Selbstverständlichkeit der engen Zusammenarbeit und der dauernden Konsultationen, die gewachsene Übereinstimmung in allen wichtigen Fragen.
    Wir können auf diesem europäischen Kapital weiterhin bauen, auch bei den schwierigen Diskussionen über Anpassungen und Reformen in der Europäischen Gemeinschaft, die das Bundeskabinett heute nachmittag beraten wird. Wir haben auf der Grundlage dieser umfassenden engen Beziehungen und Konsultationen sowie der guten Nachbarschaft in den letzten 12 Jahren der sozialliberalen Außen-und Sicherheitspolitik viel erreicht bei der Herstellung von Friedenssicherung, von Zusammenarbeit in Europa. Aus dem schmalen Weg der Ostpolitik von 1969 ist inzwischen eine breite, zweispurige Straße geworden. Und es steht dahinter eine gemeinsame westliche Politik, wie sie vor anderthalb Jahrzehnten im Harmel-Bericht beschrieben wurde: Militärische Sicherheit und Politik der Entspannung stellen keinen Widerspruch dar, sondern eine gegenseitige Ergänzung.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Zuletzt wurde dies in der Erklärung der sieben Regierungschefs in Ottawa bestätigt — unter Hervorhebung der Prinzipien des Gleichgewichts, der politischen Mäßigung, des Dialogs mit dem Osten und der Zusammenarbeit mit dem Osten. Wir werden alles tun, um die Bedrohung Mitteleuropas zu vermindern und zu einem militärischen Gleichgewicht auf möglichst niedrigem Niveau zu gelangen. Ein notwendiger Schritt auf diesem Wege, Herr Dr. Kohl, ist der Doppelbeschluß über die europäischen Waffensysteme: Nachrüstung soweit wie nötig zur Herstellung des ungefähren Gleichgewichts, aber soweit wie möglich gegenseitig vereinbarte Rüstungsbegrenzung zur Herstellung eines ungefähren Gleichgewichts. Konkrete Verhandlungsergebnisse werden wir nur erreichen, wenn wir an beiden Teilen
    dieses Beschlusses festhalten und nicht, wie Herr Strauß es möchte, nur an dem einen Teil.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Dr. Schwarz-Schilling [CDU/CSU]: Unglaubliche Unterstellung! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    — Er hat auf dem Parteitag der CSU so gesprochen. Und wer so spricht, der stellt die Übereinstimmung der Allianz in Frage. Herr Strauß sollte dies nicht tun, er sollte das unterlassen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Zurufe von der CDU/CSU)

    Ihnen, Herr Dr. Kohl, sage ich: Ich denke nicht daran, mich von dieser Haltung zu entfernen, die ich seit 1977 eingenommen habe, von diesem Doppelbeschluß, den ich mit initiiert habe. Bitte, unterlassen Sie solche mißverständlichen, unterschwelligen Verdachtszuweisungen!

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das machen Sie doch jetzt auch!)

    - Ich habe ja genau zugehört, was Herr Dr. Kohl, mich adressierend, in dem Punkt gesagt hat. Ich bitte Sie, auch zur Kenntnis zu nehmen, Herr Dr. Kohl — im Gegensatz zu dem, was Sie gestern über die sogenannte Null-Option ausgeführt haben; ich stelle mich hier an die Seite des Außenministers Genscher —, daß ebenso Herr Außenminister Haig öffentlich die beiderseitige Null-Option als eine, vielleicht nicht sehr wahrscheinliche, aber an die Spitze der Verhandlungsziele zu setzende Option bezeichnet hat.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Ich muß Ihnen auch zur Neutronenwaffe antworten. Die vieldiskutierte Frage einer möglichen Stationierung in Europa ist nicht aktuell. Darin sind wir uns mit den Verbündeten in Washington einig. Wir werden auch hier an der gemeinsamen Bündnislinie festhalten. Rüstungskontrollpolitik ist Teil unserer Sicherheitspolitik. Die Bundesregierung hat am 13. April 1978 hierzu im Bundestag Ausführungen gemacht: Stationierung nur nach ernsthaften Rüstungsbegrenzungsverhandlungen, einstimmiger Bündnisentscheidung, nur, wenn wir nicht das einzige Stationierungsland in Europa wären.
    Auch hierzu bin ich — nicht von Ihnen, aber von Herrn Kollegen Strauß — in unzulässiger Weise falsch zitiert worden. Ich lege Wert auf die Feststellung, daß ich meine Meinung nicht geändert habe. Aber ich sage noch einmal: Es liegt überhaupt kein Anlaß vor, diese Sache heute zu debattieren. Sie ist absolut nicht aktuell und wird es auch morgen nicht werden.
    Andererseits bitte ich, die Bundesregierung seitens der Opposition zu unterstützen,

    (Dr. Barzel [CDU/CSU]: Die brauchen Sie doch nicht, haben Sie erklärt!)

    wenn wir auf der Erfüllung eines Anspruchs bestehen, den wir Deutschen gemeinsam mit anderen Nichtnuklearwaffenstaaten und ihren Völkern im Atomwaffensperrvertrag gegenüber den Nuklearwaffenstaaten erworben haben, des Anspruchs näm-



    Bundeskanzler Schmidt
    lich, daß sie ihre nukleare Rüstung vermindern. Ich füge hinzu: im Gleichgewicht vermindern, damit es realistisch möglich wird.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Ich bin überzeugt, das Gespräch der Großmächte darf nicht abreißen. Dialog, Zusammenarbeit sind gerade in schwierigen Zeiten dringendes Gebot der Friedenswahrung. Alle Möglichkeiten dafür müssen genutzt werden. Deswegen sind der Außenminister und ich letzten Sommer zum sowjetischen Generalsekretär und seinen Mitarbeitern gefahren — um Positionen zu klären, Ansatzpunkte herauszufinden. Deshalb werden wir den Dialog mit der sowjetischen Seite beim Besuch von Generalsekretär Breschnew hier in Bonn im November fortsetzen. Und ich muß Ihnen sagen: Ich bin froh über diesen Besuch.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Wir werden vorher auch den ungarischen Premierminister hier sehen — natürlich liegt die größere Bedeutung beim sowjetischen Generalsekretär. Ich hoffe, daß wir auch ein Treffen zwischen dem Staatsratsvorsitzenden der DDR und dem Bundeskanzler zustande bringen. Das muß aus zwei Gründen so sein: Zum einen, weil von uns Deutschen keine zusätzlichen Störungen der Lage in Europa ausgehen dürfen. Im Gegenteil: Wenn wir uns gemeinsam um die Entwicklung vernünftiger und gutnachbarlicher Beziehungen bemühen, dann können wir zu Zusammenarbeit und Vertrauensbildung beitragen. Es ist deshalb wichtig, daß es nun endlich zu dieser — aus nicht von uns und auch nicht von ihm zu verantwortenden Gründen — verschobenen Begegnung kommt, einer Begegnung ohne Vorbedingungen. Die etwaigen Vorbedingungen, die einige schon formulieren wollen, lasse ich mir auch von niemandem vorschreiben.
    Zweitens ist es darum notwendig, weil Beispiele dafür gegeben werden müssen, daß Deutsche mit Deutschen reden und daß Deutsche auf Deutsche hören.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Mit dieser Gesprächsbereitschaft und mit diesem Friedenswillen, dem Willen zu guter Nachbarschaft gegenüber dem Osten, fühlen wir uns ganz fest und sicher auf der Grundlage, die in unseren Westbindungen durch die Europäische Gemeinschaft und die Nordatlantische Allianz gegeben ist. Ich bitte Sie sehr, Herr Abgeordneter Dr. Kohl, im Interesse unseres Volkes diese Gemeinsamkeit nicht durch polemische Verzerrungen in Frage zu stellen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Dr. Barzel [CDU/CSU]: Das sagt der Mann, der uns die Friedensfähigkeit absprach!)

    Ich verstehe Ihre Sorge — und ich teile sie — über manche Verirrung, außenpolitische Verirrung, zumal, die man hier und da in unserem Land erlebt, gerade auch bei jungen Menschen, die für Unruhe und Verführung natürlich anfälliger sind als andere. Man spürt diese Anfälligkeit auch in anderen Ländern Europas, übrigens nicht nur Westeuropas. Die deutsche Jugend ist wahrscheinlich noch aus einem anderen Grunde in einer anderen Situation als die skandinavische oder die westeuropäische Jugend. Ein Mensch wächst normalerweise auf in der Geborgenheit durch die Familie, durch die Heimat. Viele von uns haben diese Geborgenheiten nach dem Kriege durch die Kriegsereignisse, durch die Vertreibung, durch die Flucht verloren und haben sie neu aufbauen müssen. Normalerweise wächst ein Mensch auch auf in der Geborgenheit in der eigenen Nation, in der selbstverständlichen Bindung an die eigene Nation. Diese ist aber für die heutige deutsche junge Mannschaft sehr schwer zu erleben. Ich verstehe, daß hier etwas fehlt. Ich verstehe, daß die jungen Leute eine besondere Verantwortung der Deutschen für den Frieden erkennen. Aber ich möchte ihnen auch sagen, daß sie sich bitte nicht einreden sollen, die Deutschen wüßten besser als alle anderen, was dem Frieden in der Welt frommt.
    Es gibt die Versuchung, die ich zu spüren glaube, die Wiederauferstehung alter falscher Vorstellungen, als ob am deutschen Wesen, diesmal am deutschen Friedenswillen die Welt genesen solle. Sie möchten bitte auch nicht aus der eigenen Lebensangst eine Tugend machen, und sie möchten bitte die Lebensangst, die sie selber haben, nicht auf andere zu übertragen suchen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Es gibt allzu viele, die eine Zukunft ohne Hoffnung malen, viele, die die Demokratie verunglimpfen, auch manche, die einäugig die Gefahren nur im Westen sehen wollen. Alexander Haig hat dazu gesagt:
    Wir müssen vorsichtig sein, damit wir nicht die dünne Linie zwischen Freiheit und Anmaßung überschreiten.
    Er hat das in Berlin gesagt — ein nachdenkenswertes Wort.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Ich selbst habe vor einigen Wochen bei einer im Fernsehen übertragenen Diskussion mit vielen Jugendlichen in einer Kirche in meiner Vaterstadt, in Hamburg-Altona, zu zeigen versucht, wie man zuhören muß, wenn junge Menschen ihre Ängste um den Frieden aussprechen, zum Teil herausschreien, weil man unsere Politik des Gleichgewichts, des Dialogs, der Zusammenarbeit geduldig dagegenstellen und begründen muß und wie man Ängste abzubauen helfen kann, indem man die Vernunft, die Gott in jeden Menschen eingepflanzt hat, in Arbeit setzt. Aber bitte: nicht einfach jeden als Kommunisten oder als Chaoten abtun, der seine Angst herausschreit. Es sind Ihre Söhne und Töchter genauso wie unsere.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP)

    Ganz gewiß, Herr Abgeordneter Kohl, sind auch Kommunisten und Chaoten darunter. Den Politikern, die auf solchen Kundgebungen reden und damit ein Grundrecht aus Art. 5 unserer Verfassung in Anspruch nehmen, möchte ich sagen, daß sie immer auch die unerwünschten Folgen mit bedenken müssen, daß sie ausreichende organisatorische Vorsorge gegen den Mißbrauch ihrer Demonstration treffen



    Bundeskanzler Schmidt
    müssen, um verantworten zu können, was insgesamt aus der Sache wird.

    (Beifall bei der SPD und bei der FDP — Wehner [SPD]: Das gilt auch für den 10. Oktober hier in Bonn!)

    — Ich stimme Ihnen zu, Herr Kollege Wehner.
    Ich bin mit vielen Einseitigkeiten und Verfälschungen solcher Reden und solcher Demonstrationen zutiefst nicht einverstanden. Es muß immer wiederholt werden, daß z. B. die SS-20- und Backfire-Rüstung der Sowjetunion seit vier Jahren längst läuft — seit 1977 —, während die Pershing-Nachrüstung des Westens frühestens Ende 1983 beginnen kann.
    Ich sagte: Haigs Gelassenheit in Berlin war groß. Ich füge hinzu: Sie war beispielgebend; ein Beispiel auch für den einen oder anderen gestrigen Oppositionsredner. Bitte lassen Sie solche Verdächtigungen, die Sozialdemokraten führten Deutschland in die Neutralisierung, und lassen Sie die Verdächtigung, wir seien auf dem Wege zu einem deutsch-sowjetischen Bündnis!

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP)

    Ich lese Ihnen, Herr Abgeordneter Kohl, die „International Herald Tribune" von gestern vor, die von Ihnen spricht. Es ist eine der angesehensten Zeitungen der Welt. Der Artikel beginnt mit dem Bericht über den terroristischen Angriff auf den amerikanischen General Kroesen bei Heidelberg und sagt:
    Wenn Politiker wie der christlich-demokratische Führer Helmut Kohl diesen Anschlag in denselben Zusammenhang stellen wie die Demonstration gegen Minister Alexander Haig in Berlin vor ein paar Tagen, dann helfen sie den Terroristen, das zu erreichen, was eines ihrer vördersten Ziele sein könnte, nämlich einen Keil zu treiben zwischen die Vereinigten Staaten von Amerika und ihre europäischen Verbündeten.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD und bei der FDP)

    Der gestrige Leitartikel der „International Herald Tribune" schließt:
    Es ist deshalb notwendig, daß der westdeutsche Bundeskanzler Helmut Schmidt, daß der Präsident Reagan und daß die übrigen NATO-Führer diese Anschläge für das nehmen, was sie sind, nämlich die Arbeit einer winzigen Bande von Fanatikern, und daß sie sich nicht in überflüssige Auseinandersetzungen durch fälschlicherweise aufgeregte öffentliche Meinung treiben lassen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Ich sage Ihnen das, Herr Dr. Kohl, weil Sie davon geredet haben, der Kredit als Bündnispartner werde verspielt. Welch ein Zerrbild!

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Welch ein Zerrbild des Antiamerikanismus haben
    Sie hier entrollt, und welch falsches Bild haben Sie
    damit sogar von der inneren Haltung Ihrer eigenen Partei gegeben!
    Wenn von Friedensbewegung die Rede ist — nicht alles, was sich so etikettiert, verdient diesen Namen —, lesen Sie bitte den Friedensappell des Deutschen Gewerkschaftsbundes! Der Deutsche Gewerkschaftsbund ist seit drei Jahrzehnten auf das engste mit den amerikanischen Gewerkschaften, mit der AFL/CIO verbunden, früher insbesondere mit der Person George Meanys und heute Lane Kirklands, beides Männer, die ich bei jedem Besuche, den ich in Washington gemacht habe, aufgesucht habe. An seiner Verbundenheit mit Amerika kann niemand einen Zweifel haben.
    Wenn Sie den Appell lesen, werden Sie auch seine Ausgewogenheit erkennen und akzeptieren. Ich begrüße diesen Appell. Ich frage: Wie viele Abgeordnete Ihrer Fraktion haben diesen Appell der deutschen Einheitsgewerkschaft, der größten deutschen Friedensbewegung, inzwischen auch unterschrieben?

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Das ist kein einäugiger Appell wie manch andere. Er ist nicht verblendet, er ist gleichgewichtsorientiert. Heinz Oskar Vetter zeigt damit gerade der gewerkschaftlich organisierten Jugend, wo es lang gehen muß. Es muß gehen in Richtung auf Gleichgewicht der Abschreckung, auf Gleichgewicht der militärischen Mittel, auf Begrenzung dieser militärischen und Abschreckungsmittel im Gleichgewicht, auf Begrenzung der Rüstungen im Gleichgewicht, auf Dialog mit dem Osten zu diesem Zweck und zum Zwecke weiterer Zusammenarbeit, auf Sicherheit, auf Partnerschaft mit dem Osten, auf Zusammenarbeit. Nur so kann der Frieden gefestigt werden.
    Zu diesem Zweck treffen wir dieses Jahr erneut Leonid Breschnew, zu diesem Zweck treffen wir dieses Jahr — zum dritten Mal in diesem Jahr — Präsident Ronald Reagan. Ich weiß, daß Reagan verhandeln will und daß er verhandeln wird. Ich weiß ebenso, daß Breschnew verhandeln will und daß er verhandeln wird. Beide wollen verhandeln, weil beide davor Angst haben, daß der Frieden zum Teufel gehen könnte. Und sie haben recht, davor Angst zu haben, sie haben recht zu verhandeln.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Trotzdem bleibt das ein schwieriges Verhandlungsgeschäft — nicht zuletzt deshalb, weil so viel Vertrauen verlorengegangen ist.
    Wir Deutsche können und wollen mithelfen, Vertrauen zu bilden — nicht nur durch die vertrauensbildenden Maßnahmen, über die wir in Madrid reden —, Vertrauen neu zu bilden. Wir gehören zum Westen, aber wir können mithelfen, daß sich West und Ost verstehen. Wir gehören zum Westen, aber für uns hört Deutschland nicht an der Elbe auf, und Europa hört nicht an der Oder oder an der Weichsel auf. Wir ringen darum, daß sich die Europäer in West und Ost begegnen können. Auch darin sind sich FDP und SPD vollständig einig.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)




    Bundeskanzler Schmidt
    Ich darf zusammenfassen. Der Haushalt 1982 und die dazu vorgelegten Gesetzentwürfe zeigen: Sozialdemokratie und Freie Demokratische Partei bleiben eine handlungsfähige Partnerschaft. Partnerschaft heißt nicht, in allen Punkten einer Meinung zu sein. Partnerschaft heißt in fairer und sachlicher Zusammenarbeit die Probleme lösen, die gelöst werden müssen, heißt notfalls auch sich zusammenraufen, heißt vor allem anderen: gemeinsam Verantwortung tragen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Diese Partnerschaft hat sich seit zwölf Jahren bewährt.
    Hans-Dietrich Genscher hat kürzlich auf die Frage, was denn von dieser Koalition noch zu erwarten sei, die kürzeste — übrigens die einzig mögliche — Antwort gegeben. Er hat nämlich gesagt: die Verwirklichung der Regierungserklärung vom November des Jahres 1980.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    In jener Regierungserklärung haben wir die großen Schwierigkeiten dargestellt, vor denen unser Land steht. Sie sind seither nicht kleiner, sondern größer geworden, sowohl in der Weltpolitik als auch in der Weltwirtschaft. Wir brauchen unsere Kraft, wir müssen sie zusammennehmen, um durch diese Schwierigkeiten durchzukommen: beharrlich in der Sache, aber auch behutsam im Umgang miteinander. Dazu gibt es keine Alternative. Wir haben sie auch gestern nicht, wir haben sie heute nicht gehört. Ich weiß, Herr Barzel wird anschließend, wie schon häufiger, das vermissen, was er die „geistige Führung" nennt.

    (Dr. Barzel [CDU/CSU]: Sehr wahr! — Beifall bei der CDU/CSU — Lachen bei der SPD)

    — Da können Sie einmal sehen, wie gut ich Sie inzwischen kenne, Herr Barzel. —

    (Lachen bei der SPD und der FDP — Dr. Barzel [CDU/CSU]: Sie werden das noch merken! — Erhard [Bad Schwalbach] [CDU/CSU]: Und wir Sie!)

    Ich liebe Ihr anspruchsvolles Wort von der „geistigen Führung" nicht; ich begnüge mich mit politischer Führung. Ich habe übrigens in den Reden von Herrn Kohl und von Herrn Strauß keine Spur von geistiger Führung entdecken können.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD und der FDP)

    Aber ich verlange sie von Ihnen auch nicht, Herr Kohl, Herr Barzel verlangt sie von Ihnen, die geistige Führung.

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der FDP — Erhard [Bad Schwalbach] [CDU/ CSU]: Das liegt doch bloß an Ihnen!)

    Ich würde mich an Ihrer Stelle, Herr Dr. Kohl, mit der politischen Führung begnügen; das wäre auch schon sehr viel.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Ich stelle fest: Erstens. Wir sind auf dem richtigen Weg.

    (Lachen und Zurufe von der CDU/CSU) — Ja, Sie nicht, Sie nicht,


    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    die Opposition gewiß nicht, aber die Wirtschaft, die Gesellschaft, die Unternehmer, die Arbeitnehmer und die Verbraucher haben fabelhaft schnell und richtig reagiert.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das ist doch Unsinn!)

    Sie haben weniger Heizöl und weniger Benzin verbraucht, damit wir uns an die neue Lage der Weltwirtschaft anpassen, damit wir mehr exportieren, damit wir uns am Weltmarkt behaupten, ohne daß unsere sozialen Sicherungen Schaden leiden. Der Haushalt 1982 weist unter verschärften äußeren Bedingungen die nächsten Schritte. Dies ist ein mittlerer Weg; von dem lassen wir uns nicht abbringen. Wir werden auch keine neuen Theorien, die draußen in der Welt vorgetragen werden, am Leibe der eigenen Wirtschaft und Gesellschaft experimentell ausprobieren.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Zweitens. Wir werden den sozialen Frieden bewahren. Dazu ist dieser Haushalt ein Beitrag. Frieden und Stabilität nach innen sind notwendige Bedingungen auch für den äußeren Frieden.
    Drittens. Wir dürfen Selbstvertrauen haben, nicht weil wir übermütig wären oder weil wir die Schwierigkeiten geringschätzten, sondern weil wir realistisch das hoch einschätzen, was wir in Deutschland bisher erreicht und aufgebaut haben, weil Politik und Wirtschaft reaktionsfähig, weil sie handlungs-
    und leistungsfähig sind. Das Vertrauen in die Leistungsfähigkeit dieses Landes auf der ganzen Welt ist unverändert groß, und mit Recht ist dieses Vertrauen in Deutschland groß.
    Viertens. Wir sind handlungsfähig und handlungsbereit, in der Wirtschaftspolitik wie auch in der auswärtigen Politik. Wir sind und bleiben Partner im westlichen Bündnis, aus Überzeugung, aus Notwendigkeit; beide können von Tagesereignissen nicht unterhöhlt werden.
    Fünftens. Wir sind zur guten Nachbarschaft nach West und Ost, nach Norden und Süden bereit, fähig und willens. Ich appelliere an jedermann in unserem Staat, an alle Bürgerinnen und Bürger, an ihre Vernunft: Das, was wir heute ins Werk setzen, ist sachgerecht und zweckmäßig, es ist zielstrebig und aussichtsreich. Ich appelliere an ihre Einsicht, daß bloße Bekenntnisse zu hohen Zielen niemandem nützen, schon gar nicht, wenn sie mit Miesmacherei verbunden werden.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Ich appelliere an jedermanns Zuversicht und Beharrlichkeit. So wie bisher werden wir auch dieses Mal mit unseren Problemen fertig werden — vielleicht abermals ein bißchen besser als die anderen. Lassen Sie sich nicht eine moralische Krise der Ge-



    Bundeskanzler Schmidt
    sellschaft aufschwatzen, sondern bewahren Sie sich Ihren Mut und Ihr Selbstvertrauen!

    (Anhaltender Beifall bei der SPD und der FDP)