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ID0905214400

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Metadaten
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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 9/52 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 52. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 17. September 1981 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Collet 2901 A Begrüßung einer Delegation der Nationalversammlung der Republik Togo 2901 A Fortsetzung der ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1982 (Haushaltsgesetz 1982) — Drucksache 9/770 — in Verbindung mit Beratung des Finanzplans des Bundes 1981 bis 1985 — Drucksache 9/771 — in Verbindung mit Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Verbesserung der Haushaltsstruktur (2. Haushaltsstrukturgesetz) — Drucksache 9/795 — in Verbindung mit Erste Beratung des von den Abgeordneten Kiep, Dr. Jahn (Münster), Dr. Schneider, Dr. Möller, Hauser (Krefeld), Müller (Remscheid), Dr. Waffenschmidt, Dörflinger, Günther, Dr.-Ing. Kansy, Link, Magin, Niegel, Frau Pack, Frau Roitzsch, Ruf, Sauter (Epfendorf), Zierer, Dr. Blüm, Clemens, Erhard (Bad Schwalbach), Faltlhauser, Herkenrath, Kolb, Linsmeier, Dr. Pinger, Rühe, Sick, Repnik und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über steuerliche Vergünstigungen zur Förderung des Wohnungsbaus — Drucksache 9/467 — in Verbindung mit Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung der Investitionstätigkeit im Baubereich und zum Abbau ungleichmäßiger Besteuerung in der Wohnungswirtschaft — Drucksache 9/796 — in Verbindung mit Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung von Verbrauchsteuergesetzen (Verbrauchsteueränderungsgesetz 1982) — Drucksache 9/797 — in Verbindung mit Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Konsolidierung der Arbeitsförderung (Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetz) — Drucksache 9/799 — in Verbindung mit II Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 52. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. September 1981 Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung der illegalen Beschäftigung — Drucksache 9/800 — in Verbindung mit Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Elften Gesetzes über die Anpassung der Leistungen des Bundesversorgungsgesetzes (Elftes Anpassungsgesetz-KOV) — Drucksache 9/801 — in Verbindung mit Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung und Verbesserung der Wirksamkeit kostendämpfender Maßnahmen in der Krankenversicherung (Kostendämpfungs-Ergänzungsgesetz) — Drucksache 9/798 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Lammert, Kiep, Dr. Waigel, Müller (Remscheid), Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Müller (Wadern), Dr. Warnke, Frau Pack, Ganz (St. Wendel), Günther, Frau Hürland, Link, Löher, Prangenberg, Sauer (Salzgitter), Stutzer, Gerstein, Metz, Vogel (Ennepetal), Borchert, Kittelmann, Vogt (Düren), Frau Fischer, Frau Karwatzki, Reddemann, Schwarz, Breuer und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU Strukturkrise der deutschen Stahlindustrie — Drucksache 9/612 — Dr. Häfele CDU/CSU 2902 C Walther SPD 2910 B Hoppe FDP 2916 D Dr. Kohl CDU/CSU 2920 C Genscher, Bundesminister AA 2934 C Dr. h. c. Strauß, Ministerpräsident des Freistaates Bayern 2941 C Dr. Posser, Minister des Landes NordrheinWestfalen 2957 C Westphal SPD 2968 A Dr. Riedl (München) CDU/CSU 2977 B Gärtner FDP 2982 B Dr. Kreile CDU/CSU 2986 C Dr. Spöri SPD 2990 B Frau Matthäus-Maier FDP 2993 D Müller (Remscheid) CDU/CSU 2997 B Glombig SPD 3002 C Cronenberg FDP 3008 B Dr. Ehrenberg, Bundesminister BMA . . 3011 D Dr. Lammert CDU/CSU 3015 A Reuschenbach SPD 3017 B Beckmann FDP 3020 B Nächste Sitzung 3022 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 3023* A Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 52. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. September 1981 2901 52. Sitzung Bonn, den 17. September 1981 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. van Aerssen * 18. 9. Dr. Ahrens ** 18. 9. Amrehn **** 18. 9. Bahr 18. 9. Dr. Bardens ** 17. 9. Becker (Nienberge) 18. 9. Böhm (Melsungen) ** 17. 9. Brandt * 18. 9. Büchner (Speyer) ** 18. 9. Burger 18. 9. Fellner 18. 9. Frau Fischer **** 18. 9. Gobrecht **** 18. 9. Hartmann 18. 9. Hauck 18. 9. Herterich **** 18. 9. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates *** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung **** für die Teilnahme an der 68. Jahreskonferenz der Interparlamentarischen Union Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich- Dr. Holtz **** 18. 9. Graf Huyn 18. 9. Ibrügger *** 18. 9. Klein (München) **** 18. 9. Köhler (Wolfsburg) **** 18. 9. Frau Krone-Appuhn 18. 9. Lemmrich ** 17. 9. Dr. Lenz (Bergstraße) 18. 9. Frau Dr. Lepsius **** 18. 9. Möllemann **** 18. 9. Dr. Müller ** 17. 9. Müller (Wadern) ** 18. 9. Niegel **** 18. 9. Frau Pack ** 17. 9. Rösch ** 18. 9. Dr. Schachtschabel 18. 9. Frau Schlei 18. 9. Schluckebier **** 18. 9. Schröer (Mülheim) 18. 9. Schulte (Unna) ** 17. 9. Dr. Schwarz-Schilling 17. 9. Dr. Schwörer 18. 9. Dr. Stark (Nürtingen) 18. 9. Graf Stauffenberg 18. 9. Dr. Wendig 18. 9. Dr. Wittmann (München) 18. 9. Würzbach 18.9. Zink 18. 9.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Herbert Ehrenberg


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Das will ich gern tun. Ich wäre sowieso auf die Zahlen gekommen. Ich wollte Sie nur zunächst bitten, daß Sie Herrn Strauß über diesen Irrtum bezüglich der Vervierfachung und Verdoppelung aufklären.
    Bei der Rezeptgebühr geht es um eine Erhöhung von 1 DM auf 1,33 DM. Da sich 4 DM auf drei Verordnungen beziehen, macht das für eine Verordnung 1,33 DM.

    (Franke [CDU/CSU]: Vielleicht haben Sie Herrn Strauß mißverstanden!)

    - Nein, er hat es deutlich so gesagt. Dann muß er
    sich deutlicher ausdrücken, der verehrte bayerische
    3014 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 52. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17: September 1981
    Bundesminister Dr. Ehrenberg
    Ministerpräsident, wenn er über Dinge spricht, von denen er nichts versteht.

    (Dr. Mertes [Geroistein] [CDU/CSU]: Nur gut, daß Sie ihn verehren!)

    Er hat es jedenfalls so gesagt.
    Und die Verdoppelung beim Zahnersatz findet eben auch nicht statt. Es ist eine Erhöhung von 20 % auf 21,6 %. Ich will das hier zu so später Stunde nicht in allen Einzelheiten darlegen. Sie wissen es, und ich bitte Sie, das an den bayerischen Ministerpräsidenten weiterzugeben.
    Was dort getan wird, ist, das, was wir bisher an Stärkung des Kostenbewußtseins hatten, an die wirtschaftliche Entwicklung anzupassen. Aber der viel wichtigere Teil, der auch dort greift, wo es am notwendigsten ist, nämlich dort, wo die Kostensteigerungen in der Vergangenheit am höchsten waren, bezieht sich auf die Anbieterseite der Gesundheitsleistungen.
    Wir werden die Kosten für Zahnersatz mit Ablauf der jetzt geltenden Verträge für dann zwölf Monate um 5 % senken und die Vertragsparteien verpflichten, von diesem niedrigeren Niveau aus in zwölf Monaten neu zu verhandeln und neue Verträge abzuschließen. Und wir werden die so enorm gestiegenen Preise für Heil- und Hilfsmittel für die Jahre 1982 und 1983 auf dem jetzigen Stand einfrieren.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Die zwei größten Bereiche, Ärzte, Zahnärzte und Krankenkassen, haben sich gemeinsam verpflichtet, die jetzt geltenden Verträge, die eine Laufzeit längstens bis zum 30. Juni 1982 haben, ohne Tariferhöhung mindestens bis Ende 1982 zu verlängern und gleichzeitig für eine strikte Mengenbegrenzung zu sorgen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Ich will gern — ich hoffe, daß bei den Verbänden der Selbstverwaltung des Gesundheitswesens die Protokolle des Deutschen Bundestages nachgelesen werden — hier ganz deutlich sagen: Ich halte eine Verlängerung zu jetzigen Tarifen mindestens bis Mitte 1983 für zumutbar, bei strikter Mengenbegrenzung,

    (Sehr gut! bei der SPD)

    und ich bin den Regierungsfraktionen sehr dankbar, daß sie sich beide bereit erklärt haben, dieses Thema, falls es nicht umgehend zur Konkretisierung dieser Zusagen kommt, im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens wiederaufzunehmen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Ich baue hier auf die Selbstverwaltung im Gesundheitswesen. Aber die Selbstverwaltung muß auch handeln. Es darf nicht bei Versprechungen bleiben, sondern es muß, noch während das Gesetzgebungsverfahren läuft, diese Zusage in Form von Verträgen konkretisiert werden.

    (Zustimmung bei der SPD — Urbaniak [SPD]: Klare Aufforderung!)

    Der letzte Punkt: Wir haben gleichzeitig — auch da habe ich mich bei beiden Regierungsfraktionen zu bedanken — noch ein paar Punkte in das schon in der Beratung befindliche Krankenhaus-Kostendämpfungsgesetz nachgeschoben, um das, was wir von Ärzten, Zahnärzten, der pharmazeutischen Industrie, Heilmittelanbietern und anderen erwarten, auch im Krankenhaus zu realisieren. Und ich bitte Sie, wenn Sie ernsthaft an Kostendämpfung interessiert sind, sehr herzlich, Ihren Kollegen im Bundesrat beizubringen, diesmal das Kostendämpfungsgesetz für das Krankenhaus auch den Bundesrat passieren zu lassen. Nur dann wird es zur Kostendämpfung kommen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Eine letzte Bemerkung, als Nachtrag, an den Kollegen Müller: Sie haben vor dem Hintergrund der Beitragsverschiebung zwischen Arbeitslosenversicherung und Rentenversicherung für zwei Jahre Zweifel bezüglich der Stabilität der Rentenfinanzen und bezüglich der Möglichkeiten der 84er Reform angemeldet. Ich gebe Ihnen zu, das ist für die Sozialpolitiker und erst recht für die Rentenversicherungsträger, die natürlich viel lieber Rücklagen haben, als an der Liquiditätsgrenze entlangzuschrammen, schmerzlich, aber es ist vertretbar. Es wird in den zwei Jahren knapp werden, aber es wird für die Reform 1984 reichen. Da kann man weder ein noch zwei Jahre lang das Aufkommen eines halben Beitragspunktes ansparen. Bei einem Umsatz der Rentenversicherungsträger von rund 150 Milliarden DM jährlich kann man wohl einen halben Beitragspunkt, der in zwei Jahren 3,2 Milliarden DM bringt, nicht als einen Fundus ansehen, auf dem sich eine Reform aufbauen ließe. Die Reform muß so gemacht werden, und sie kann vernünftig so gemacht werden, daß mit dem ab 1. Januar 1984 wieder geltenden Beitragssatz von 18,5 % die neuen Leistungen erbringbar sind. So wird diese Reform geschneidert, und so ist sie durchführbar. Sie wird den Interessen der Versicherten und der Beitragszahler gleicherweise entgegenkommen.
    Auf Grund unserer Ansätze in Verbindung mit der Abschaffung der Geringfügigkeit, der schärferen Kontrolle der Leiharbeit und des Verbots der Leiharbeit im Baugewerbe, wo sie nicht kontrollierbar ist, werden wir — aber das ist nicht der Hauptzweck — bei den Rentenversicherungsträgern zusätzliche Einnahmen zu erwarten haben. Der Hauptzweck ist aber das Abstellen des Mißbrauchs. Gerade bei der Geringfügigkeitsgrenze sind Hunderttausende von Frauen stets unterhalb des Versicherungsschutzes gehalten worden, oft mit zwei oder drei Namen — bei McDonalds und anderen Firmen - geführt, um die Sozialversicherungspflicht zu umgehen und die Frauen außerhalb des Schutzes zu halten.
    Zu Ihrer Bemerkung, Herr Kollege Müller, daß dadurch nichts hereinkomme, möchte ich gerne aus einer Pressemeldung des Verbandes der Gebäudereiniger zitieren, der diese Regelung ausdrücklich bejaht, weil er in der bisherigen Praxis, daß fast 80% der Beschäftigten bewußt unterhalb der Pflichtgrenze beschäftigt wurden, einen groben Wettbewerbsverstoß gegen die anständigen Firmen in diesem Gewerbe sieht. Der Verband selbst beziffert die Kosten, die allein auf der Arbeitgeberseite entste-



    Bundesminister Dr. Ehrenberg
    hen — Renten- und Krankenversicherung zusammengerechnet — auf 380 Millionen DM. Wenn Sie diese Zahlen allein für das Gebäudereinigerhandwerk nehmen, werden Sie mir zugeben, daß unsere Annahmen auf sehr vorsichtigen Schätzungen beruhen und daß wir keineswegs leichtfertig vorgegangen sind.
    Ich darf mich bei den Kollegen der Regierungsfraktionen bedanken, daß sie sich der dringlichen Aufgaben dieses Jahres so schnell angenommen haben, und hoffe auf schnelle und zügige Beratungen dieser Vorlagen in den zuständigen Ausschüssen. — Herzlichen Dank.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren, zu einem neuen Komplex hat jetzt der Herr Abgeordnete Dr. Lammert das Wort.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Norbert Lammert


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es ist zu begrüßen, daß wir am Ende eines so langen Plenartages. noch Gelegenheit haben, über das Stahlproblem und seine Auswirkungen auch auf diesen Bundeshaushalt und die folgenden Haushalte zu reden. Dies ist ein Problem, dessen Dringlichkeit möglicherweise im umgekehrten Verhältnis zur Präsenz des Plenums zu diesem Zeitpunkt steht.
    Dies ist bereits das siebente Jahr der Stahlkrise in der Europäischen Gemeinschaft. Die gravierenden Strukturprobleme sind nach wie vor ungelöst. Die Chance für eine vertretbare Lösung in diesem Bereich wird mit jedem Monat geringer, um den die zuständigen Regierungen diese Probleme vor sich herschieben.
    Unbestrittene Ursache sind die erheblichen Überkapazitäten im Bereich der europäischen Stahlindustrie, die durch massive und rechtswidrige, vertragswidrige Subventionen in fast allen Nachbarländern künstlich aufrechterhalten werden. Damit wird den deutschen Unternehmen seit Jahren ein fairer Wettbewerb verweigert und die aussichtslose Konkurrenz mit den Staatskassen der Nachbarländer zugemutet. Dies ist insbesondere unter Berücksichtigung der j a keineswegs unbeträchtlichen Anpassungslasten der deutschen Stahlindustrie und ihres im ganzen unbestrittenen technologischen Standards eine unerträgliche Entwicklung mit verheerenden Folgen für die Investitionskraft der deutschen Unternehmen und vor allen Dingen für die Beschäftigungssituation in den betroffenen Regionen, die im übrigen weit über den engeren Bereich der Stahlindustie hinaus zusätzliche Bereiche in Mitleidenschaft zieht.
    Wer immer in der Versuchung sein könnte; die Probleme der Stahlindustrie eher gering zu veranschlagen, sollte nicht verkennen, daß gerade wegen des hohen Anteils von Vorleistungen anderer Sektoren bei der Stahlproduktion mit der Tätigkeit in diesem Bereich in nicht unerheblichem Maße auch Arbeitsplätze in anderen Wirtschaftszweigen gleichzeitig mit gesichert, jedenfalls aber mit betroffen werden.

    (Gerstein [CDU/CSU]: Zum Beispiel Bergbau!)

    — Nicht nur, aber insbesondere etwa im Bergbau.
    Allein seit 1974 hat sich die Zahl der Arbeitsplätze im Bereich der deutschen Stahlindustrie um ungefähr 60 000 verringert. Die meisten davon waren allemal leistungsfähiger und konkurrenzfähiger als diejenigen, die zum gleichen Zeitpunkt von den Nachbarregierungen massiv politisch gestützt und aufrechterhalten worden sind.
    Dies, meine Damen und Herren, ist exakt der Punkt, bei dem deutsche Arbeitnehmer weder verstehen noch verstehen können, warum sie mit ihren Steuern Nettozahlungen der Bundesrepublik Deutschland in die Europäische Gemeinschaft finanzieren sollen, die im Ergebnis eine Lastenverteilung bewirken, mit der ihre eigenen Arbeitsplätze durch Leistungen anderer Regierungen gefährdet werden. Genau diese Situation auch in Zukunft weiter hinzunehmen sind wir nicht bereit.
    Es geht aber überhaupt nicht um die sicher populäre und vor allen Dingen bequeme Vertretung nationaler Interessen ohne Berücksichtigung der europäischen Problemlage. Aber es kann doch nicht ernsthaft im Interesse der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Stahlindustrie liegen, wenn am Ende eines ruinösen Subventionswettlaufs, der mit fairem Wettbewerb ungefähr soviel Ähnlichkeiten hat wie eine öffentliche Schlägerei mit einem geordneten Boxsportturnier, genau diejenigen Stahlunternehmen übrig bleiben, in denen schon Asterix und Obelix Stahl gekocht haben. Damit würden wir mit Sicherheit die Wettbewerbssituation der 90er Jahre und danach im Bereich der europäischen Wirtschaft nicht durchstehen können.
    Die Bundesregierung hat die Probleme jahrelang unterschätzt, jedenfalls aber nur zögerlich und mit unzulänglichen Mitteln angepackt. Dies gilt übrigens auch für manche Unternehmen; das will ich an dieser Stelle ausdrücklich hinzufügen. Ganze Serien ergebnisloser Tagungen des europäischen Ministerrats haben als Rechtfertigung für die Vertagung eigener, längst fälliger Entscheidungen dienen müssen. Auch die letzte Sitzung des europäischen Ministerrats vor der Sommerpause hat, wie wir alle wissen, im Ergebnis keine wesentlichen Erleichterungen gebracht. Es ist insbesondere die Fortsetzung der Subventionen sanktioniert und bis 1985 fortgeschrieben worden. Was vielleicht noch wichtiger werden könnte: Änderungen des, wie es heißt, verschärften Subventionskodex' können in Zukunft unter ganz bestimmten Voraussetzungen auch mit Mehrheit und damit gegen den Widerstand der Bundesregierung durchgeführt werden.
    Ob diese Beschlüsse und die daraufhin verkündeten Maßnahmen der Bundesregierung vom 30. Juli dieses Jahres zur Verbesserung der Lage der deutschen Stahlindustrie ausreichen, muß bezweifelt werden. Für manche Unternehmen und für Tau-



    Dr. Lammert
    sende von Arbeitsplätzen kommen sie offenkundig bereits zu spät.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Leider ist es so!)

    Im übrigen wird nur derjenige die Beschlüsse des Ministerrats als Beendigung des europäischen Subventionswettlaufs feiern können, der die tatsächliche Problemlage nur vom Hörensagen kennt. Das Problem für die deutschen Unternehmen ist doch überhaupt nicht, wie sie das Jahr 1985 erreichen, sondern ihr Problem ist, ob und wie sie das Jahr 1981 überstehen sollen. Es gehören, meine Damen und Herren, weder Mut noch Phantasie zu der Prognose, daß sich das Gesicht der deutschen Stahllandschaft schon in wenigen Monaten fast bis zur Unkenntlichkeit verändert haben wird.