Rede:
ID0905210400

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 10
    1. Herr: 1
    2. Abgeordneter,: 1
    3. gestatten: 1
    4. Sie: 1
    5. eine: 1
    6. Zwischenfrage: 1
    7. des: 1
    8. Herrn: 1
    9. Abgeordneten: 1
    10. Lutz?: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 9/52 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 52. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 17. September 1981 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Collet 2901 A Begrüßung einer Delegation der Nationalversammlung der Republik Togo 2901 A Fortsetzung der ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1982 (Haushaltsgesetz 1982) — Drucksache 9/770 — in Verbindung mit Beratung des Finanzplans des Bundes 1981 bis 1985 — Drucksache 9/771 — in Verbindung mit Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Verbesserung der Haushaltsstruktur (2. Haushaltsstrukturgesetz) — Drucksache 9/795 — in Verbindung mit Erste Beratung des von den Abgeordneten Kiep, Dr. Jahn (Münster), Dr. Schneider, Dr. Möller, Hauser (Krefeld), Müller (Remscheid), Dr. Waffenschmidt, Dörflinger, Günther, Dr.-Ing. Kansy, Link, Magin, Niegel, Frau Pack, Frau Roitzsch, Ruf, Sauter (Epfendorf), Zierer, Dr. Blüm, Clemens, Erhard (Bad Schwalbach), Faltlhauser, Herkenrath, Kolb, Linsmeier, Dr. Pinger, Rühe, Sick, Repnik und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über steuerliche Vergünstigungen zur Förderung des Wohnungsbaus — Drucksache 9/467 — in Verbindung mit Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung der Investitionstätigkeit im Baubereich und zum Abbau ungleichmäßiger Besteuerung in der Wohnungswirtschaft — Drucksache 9/796 — in Verbindung mit Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung von Verbrauchsteuergesetzen (Verbrauchsteueränderungsgesetz 1982) — Drucksache 9/797 — in Verbindung mit Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Konsolidierung der Arbeitsförderung (Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetz) — Drucksache 9/799 — in Verbindung mit II Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 52. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. September 1981 Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung der illegalen Beschäftigung — Drucksache 9/800 — in Verbindung mit Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Elften Gesetzes über die Anpassung der Leistungen des Bundesversorgungsgesetzes (Elftes Anpassungsgesetz-KOV) — Drucksache 9/801 — in Verbindung mit Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung und Verbesserung der Wirksamkeit kostendämpfender Maßnahmen in der Krankenversicherung (Kostendämpfungs-Ergänzungsgesetz) — Drucksache 9/798 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Lammert, Kiep, Dr. Waigel, Müller (Remscheid), Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Müller (Wadern), Dr. Warnke, Frau Pack, Ganz (St. Wendel), Günther, Frau Hürland, Link, Löher, Prangenberg, Sauer (Salzgitter), Stutzer, Gerstein, Metz, Vogel (Ennepetal), Borchert, Kittelmann, Vogt (Düren), Frau Fischer, Frau Karwatzki, Reddemann, Schwarz, Breuer und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU Strukturkrise der deutschen Stahlindustrie — Drucksache 9/612 — Dr. Häfele CDU/CSU 2902 C Walther SPD 2910 B Hoppe FDP 2916 D Dr. Kohl CDU/CSU 2920 C Genscher, Bundesminister AA 2934 C Dr. h. c. Strauß, Ministerpräsident des Freistaates Bayern 2941 C Dr. Posser, Minister des Landes NordrheinWestfalen 2957 C Westphal SPD 2968 A Dr. Riedl (München) CDU/CSU 2977 B Gärtner FDP 2982 B Dr. Kreile CDU/CSU 2986 C Dr. Spöri SPD 2990 B Frau Matthäus-Maier FDP 2993 D Müller (Remscheid) CDU/CSU 2997 B Glombig SPD 3002 C Cronenberg FDP 3008 B Dr. Ehrenberg, Bundesminister BMA . . 3011 D Dr. Lammert CDU/CSU 3015 A Reuschenbach SPD 3017 B Beckmann FDP 3020 B Nächste Sitzung 3022 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 3023* A Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 52. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. September 1981 2901 52. Sitzung Bonn, den 17. September 1981 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. van Aerssen * 18. 9. Dr. Ahrens ** 18. 9. Amrehn **** 18. 9. Bahr 18. 9. Dr. Bardens ** 17. 9. Becker (Nienberge) 18. 9. Böhm (Melsungen) ** 17. 9. Brandt * 18. 9. Büchner (Speyer) ** 18. 9. Burger 18. 9. Fellner 18. 9. Frau Fischer **** 18. 9. Gobrecht **** 18. 9. Hartmann 18. 9. Hauck 18. 9. Herterich **** 18. 9. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates *** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung **** für die Teilnahme an der 68. Jahreskonferenz der Interparlamentarischen Union Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich- Dr. Holtz **** 18. 9. Graf Huyn 18. 9. Ibrügger *** 18. 9. Klein (München) **** 18. 9. Köhler (Wolfsburg) **** 18. 9. Frau Krone-Appuhn 18. 9. Lemmrich ** 17. 9. Dr. Lenz (Bergstraße) 18. 9. Frau Dr. Lepsius **** 18. 9. Möllemann **** 18. 9. Dr. Müller ** 17. 9. Müller (Wadern) ** 18. 9. Niegel **** 18. 9. Frau Pack ** 17. 9. Rösch ** 18. 9. Dr. Schachtschabel 18. 9. Frau Schlei 18. 9. Schluckebier **** 18. 9. Schröer (Mülheim) 18. 9. Schulte (Unna) ** 17. 9. Dr. Schwarz-Schilling 17. 9. Dr. Schwörer 18. 9. Dr. Stark (Nürtingen) 18. 9. Graf Stauffenberg 18. 9. Dr. Wendig 18. 9. Dr. Wittmann (München) 18. 9. Würzbach 18.9. Zink 18. 9.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Adolf Müller


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Sozialpolitik hat heute in den meisten Reden eine Rolle gespielt. Gegen Schluß der Debatte kommen nun auch die Sozialpolitiker zu Wort.
    Dieser von der Bundesregierung vorgelegte Haushaltsentwurf 1982 und das, was die Koalitionsparteien dazu vereinbart haben, ist in der Sozial- und Gesellschaftspolitik erstens ein Dokument des Scheiterns und der Flucht aus der Verantwortung, zweitens ein Dokument der Flickschusterei und der Finanzverschiebungen, drittens ein Dokument der Handlungsunfähigkeit und der vielfach falschen Rezepte und viertens ein Dokument des sozialpolitischen Rückschritts, der einseitigen Belastung der Arbeitnehmer und der Ratlosigkeit.

    (Beifall bei der CDU/CSU) Ich will das im einzelnen begründen.

    Erstens. Gescheitert und am Ende ist eine Sozialpolitik, die so tat, als beginne mit der Regierungsverantwortung der SPD das soziale Zeitalter.

    (Carstens [Emstek] [CDU/CSU]: Sehr wahr!)

    Gescheitert ist eine Politik, die Reformen wie am Fließband versprach. Dieser Haushalt, den Sie hier vorlegen, dokumentiert, daß die Wirklichkeit nach elf Jahren Regierungsverantwortung anders aussieht. Wie es bei der SPD üblich ist, klaffen Anspruch und Wirklichkeit meilenweit auseinander.

    (Freiherr von Schorlemer [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    Dieser Haushalt und die dazu gehörenden Gesetze beweisen, daß unter Ihrer Verantwortung in der Sozialpolitik vieles nicht besser, sondern zu Lasten der Arbeitnehmer schlechter geworden ist und leider auch weiter werden wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf des Abg. Lutz [SPD])

    Als Ergebnis Ihrer Politik müssen wir feststellen: Seit sieben Jahren haben Sie jetzt rund eine Million Arbeitslose zu verantworten, und in diesem Jahr wird die Arbeitslosigkeit den höchsten Stand seit 27 Jahren haben.

    (Lutz [SPD]: Noch höher war's bei Adenauer!)

    Sie haben die Rücklagen der Sozialversicherungsträger verwirtschaftet. 1970 hatten die Rentenversicherungsträger noch über acht Monatsausgaben und die Arbeitslosenversicherung noch das Eineinhalbfache der Jahresausgaben in der Kasse. Heute liegt die Rentenversicherung deutlich unter dem damaligen gesetzlichen Minimum von drei Monatsausgaben,

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: So ist es!)

    und die Arbeitslosenversicherung wäre ohne Bundeszuschüsse längst pleite.

    (Lutz [SPD]: Sie haben doch alles mitbeschlossen; Herr Müller!)

    Sie haben die Arbeitnehmer unter ein erdrückendes Beitrags- und Steuerjoch gezwungen.

    (Carstens [Emstek] [CDU/CSU]: Sehr wahr!)

    Nach einer Berechnung des Steuerzahlerbunds blieben einem ledigen Durchschnittsverdiener 1980 von 100 DM Gehaltserhöhung gerade noch 38,11 DM übrig.

    (Zuruf des Abg. Lutz [SPD])

    Durch die jetzt von Ihnen geplanten Beitragserhöhungen wird sich das weiter verschärfen — und das alles mit Hilfe der FDP.
    Als Folge Ihrer Unfähigkeit, Vollbeschäftigung zu schaffen, sind Sie seit Jahren dabei, das Netz der sozialen Sicherheit zu durchlöchern. Ich erinnere an das Haushaltsstrukturgesetz von 1975 und das 20. und das 21. Rentenanpassungsgesetz, an das Subventionsabbaugesetz von Anfang Mai 1981 und an die jetzt hier vorgelegten Einzelgesetze.
    Es wird immer offensichtlicher, und die Haushaltsunterlagen hier beweisen überdeutlich, daß Sie in der Sozialpolitik am Ende sind und vor dem Offenbarungseid stehen.

    (Lachen bei der SPD)




    Müller (Remscheid)

    Eine geradezu unüberbietbare Unverfrorenheit ist es aber, wenn Sie jetzt versuchen, anderen die Schuld in die Schuhe zu schieben. Nach dem Motto „Haltet den Dieb!" entdeckt die SPD jeden Tag neuen Mißbrauch im Sozialbereich. Was früher von der SPD als Gebot sozialer Gerechtigkeit gefordert, als Verwirklichung von Chancengleichheit gepriesen und millionenfach in Hochglanzbroschüren als SPD-Leistung verkauft wurde, wird heute von den gleichen Leuten als Wildwuchs bezeichnet.

    (Carstens [Emstek] [CDU/CSU]: Sehr wahr!)

    Da muß man doch an die SPD-geführte Regierung und an den Grafen Lambsdorff

    (Franke [CDU/CSU]: Gar nicht mehr da!)

    die Frage stellen: Wer hat denn eigentlich die angeblichen Mißbrauchsmöglichkeiten geschaffen?

    (Zuruf des Abg. Jaunich [SPD])

    Wenn es Mißbrauch gibt, warum hat die Regierung den Mißbrauch so lange laufenlassen? Warum haben Sie jahrelang zugesehen und nichts gesagt, Herr Wirtschaftsminister? Ist das politisch verantwortlich gehandelt? Wie kommen Sie dazu, Graf Lambsdorff, jetzt das Unschuldslamm zu spielen, das mit all dem, was Sie beklagen, nichts zu tun hat? Das ist die Spitze der Unverfrorenheit. Denn nur mit Ihrer Hilfe, Graf Lambsdorff, war es möglich, daß der Karren jetzt so verfahren im Dreck steht.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    SPD und FDP suchen jetzt die Schuld für die verfahrene Lage überall, nur nicht bei sich selbst. Wenn Sie schon mit Fingern auf Schuldige zeigen, dann zeigen Sie lieber auf sich selbst.
    Zweitens. Dieser Haushalt ist ein Dokument der Flickschusterei und der Finanzverschiebungen. Als die Regierung vor knapp einem Jahr festgelegt hat, daß die Rentenversicherung für die notleidende Arbeitslosenversicherung um 3,5 Milliarden geplündert werden soll, hat Herr Ehrenberg heilige Eide geschworen, daß das ein einmaliger Vorgang bleiben wird. Kein Jahr danach soll diese Finanzverschiebung jetzt gleich für zwei Jahre wiederholt werden. 1978 haben Sie die Arbeitslosenversicherung und die Krankenversicherung für die damals notleidende Rentenversicherung zur Ader gelassen. Jetzt treiben Sie das Spiel wieder anders herum. Je nach Kassenlage und Opportunität verschieben Sie die Milliarden und plündern die Sozialkassen.

    (Zuruf des Abg. Wehner [SPD])

    Das ist keine Politik mit Kurs und Kompaß, sondern Durchwurstelei und Flickschusterei.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Mit diesem Hin- und Herschieben verspielen Sie auch noch Hunderte von Millionen. Die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft hat darauf aufmerksam gemacht, daß als groteskes Ergebnis der vorgesehenen Beitragsverschiebungen zwischen Arbeitslosenversicherung und Rentenversicherung der Sozialversicherung durch die unterschiedliche Struktur der Beitragszahler 1982/83 1,4 Milliarden DM verlorengehen. Da hat sich der Bundesarbeitsminister offensichtlich selber hereingelegt und ausgetrickst. Was sagen Sie zu den Behauptungen der DAG, Herr Ehrenberg, und warum geben Sie diese Differenz viel geringer an?
    Auch in anderen Punkten des Sozialbereichs stehen die Berechnungen dieses Haushalts und der dazugehörigen Gesetze auf sehr wackeligen Füßen. Oder deutlicher gesagt: man hilft sich mit Finanztricks über die Runden. Nach Presseberichten ging man bei den Koalitionsgesprächen zu diesem Haushalt von 1,5 Millionen Arbeitslosen für 1982 aus. Trotzdem unterstellt die Bundesregierung für das Jahr 1982 bei ihren Berechnungen 1,4 Millionen. Sollte aber die höhere Zahl zutreffen — der Finanzminister hat gestern in seiner Rede selber offen zugegeben, daß ein Risiko darin steckt —, dann muß der Finanzminister weitere 1,3 Milliarden DM an die Arbeitslosenversicherung überweisen.
    Nur als unseriös kann ich auch die 550 Millionen bezeichnen, die Sie bei der Rentenversicherung als Mehreinnahme durch den Wegfall der Versicherungsfreigrenze angesetzt haben. Die Rentenversicherungsträger gehen hier allenfalls von höchstens 200 Millionen DM aus. Soviel Leute mit geringfügiger Beschäftigung gibt es gar nicht, als daß Sie auf die von Ihnen angegebene Summe kommen können.

    (Zuruf von der SPD: Sind Sie denn in der Sache nicht informiert?)

    Die Reihe ließe sich fortsetzen. Die Beispiele zeigen: geschönte Zahlen und Verschiebungen zwischen den Sozialkassen sind wesentliche Elemente dieses Haushalts. Mir scheint, Ihnen geht es wie einem angeschlagenen Boxer, der nur noch klammert und mit allen Tricks über die Runden zu kommen versucht.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Drittens. Dieser Haushalt und die dazugehörenden Gesetzentwürfe und Vereinbarungen sind ein Dokument der Handlungsunfähigkeit und auch vielfach der falschen Rezepte.

    (Zuruf von der SPD: Das muß er ablesen, er glaubt es selber nicht!)

    Die Bundesregierung betont seit Jahr und Tag — in der Regierungserklärung ist es nachzulesen —, daß die Wiedergewinnung der Vollbeschäftigung die wichtigste Aufgabe in dieser Legislaturperiode ist. Ich glaube, in diesem Ziel sind wir uns alle einig. Mir scheint, da gibt es auch keinerlei Differenzen. Denn Millionen für die Arbeitslosigkeit zu zahlen, ist auf die Dauer viel zu teuer. Zudem ist Arbeit nicht nur Broterwerb, sondern auch eine Form der Selbstverwirklichung; diese kann durch keine noch so hohe Arbeitslosenunterstützung aufgewogen werden.

    (Sehr wahr! bei der SPD)

    Nur: in dieser unserer zentralsten und wichtigsten Frage ist die Koalition total zerstritten. In der Frage, wie die Vollbeschäftigung zu erreichen ist, vertreten Sie vollkommen entgegengesetzte Standpunkte, wie das beschämende Sommertheater um Ergänzungsabgabe und Arbeitsmarktprogramm gezeigt hat. Es ist angesichts der 1,3 Millionen Arbeitslosen schon



    Müller (Remscheid)

    ein ungewöhnlicher Vorgang, wenn die beiden Parteien, die die Regierung bilden, im Protokoll des Bundeskabinetts festhalten, daß sie in den Fragen der Beschäftigungspolitik und des Arbeitslosengeldes völlig verschiedener Meinung sind.

    (Egert [SPD]: Das haben sie eben nicht festgehalten!)

    Damit hat man die Handlungsunfähigkeit öffentlich zu Protokoll gegeben. Offensichtlich um der Machterhaltung willen räumt die SPD in dieser Frage jetzt Position um Position. Was vor kurzem noch als unverzichtbar erklärt wurde — Ergänzungsabgabe und Beschäftigungsprogramm —, läßt die SPD jetzt sang- und klanglos fallen.

    (Zurufe von der SPD)

    — Meine Herren, ich kann mir vorstellen, daß Ihnen das sehr peinlich ist, weil Sie im Grundsatz eine völlig andere Meinung haben als das, was verabschiedet worden ist. Ich sage es aber trotzdem.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Der Kanzler richtet sich jetzt ganz offensichtlich nach der FDP und hängt die Bedingungen für ein Beschäftigungsprogramm sehr hoch. Zusätzliche beschäftigungswirksame Maßnahmen hält er jetzt nur für notwendig, wenn die wirtschaftliche Entwicklung in „ganz schweres Wasser" geraten sollte.

    (Zuruf von der SPD: Was sagen Sie denn dazu?)

    Da kann man nur fragen: Warum hat die Bundesregierung früher bei viel geringeren Arbeitslosenzahlen Beschäftigungsprogramme für notwendig gehalten? Wie hoch muß die Arbeitslosigkeit noch steigen, bis der Bundeskanzler „schweres Wasser" sieht?

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der SPD: Wo sind denn Ihre Vorschläge?)

    Zur Beseitigung der Arbeitslosigkeit brauchen wir jetzt nicht das Strohfeuer eines weiteren kurzlebigen Arbeitsmarktprogramms. Vordringlich wäre jetzt ein konsequenter Abbau der politischen und administrativen Investitionshemmnisse, insbesondere die Inangriffnahme erfolgversprechender Maßnahmen zur marktwirtschaftsgerechten Ankurbelung des privaten Wohnungsbaus,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    zur Wiederherstellung der erforderlichen Rechtssicherheit im Kraftwerksbereich und zur breiten Nutzung der Kommunikationstechniken.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sogenannte Konjunkturprogramme, die nur aus einer Erhöhung der staatlichen Ausgaben bei Finanzierung durch Kreditaufnahmen oder Steuer- und Abgabenerhöhungen bestehen, sind, wie die Vergangenheit erwies, nicht nur für eine Verbesserung der Beschäftigungslage wirkungslos, sondern auch schädlich und falsch.

    (Lutz [SPD]: Aha!)

    Wir dürfen das Thema „Arbeit" aber nicht nur auf die Arbeitslosigkeit verkürzen, so wichtig und vorrangig deren Beseitigung auch ist. Ich glaube, aktuell darf man sagen, daß der Papst uns mit seiner neuen Sozialenzyklika viele neue Anstöße gegeben hat. Mitbeteiligung der Arbeitnehmerschaft ist die zentrale Forderung dieser Sozialenzyklika. Das bedeutet: Beteiligung am Entscheidungsprozeß und am Ergebnis. Gerade jetzt wäre auch bei uns die stärkere Beteiligung der Arbeitnehmer am Produktivvermögen ein Mittel, um die Tarifauseinandersetzungen zu entschärfen und den Arbeitnehmern das Bewußtsein zu geben, daß Wirtschaft und Betrieb auch voll und ganz ihre Sache sind.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Bei den Maßnahmen nach dem Arbeitsförderungsgesetz haben Sie sich in wichtigen Punkten eher von den kurzfristigen fiskalischen Wirkungen als von vernünftigen arbeitsmarktpolitischen Erwägungen leiten lassen. Wie schon beim ersten Haushaltsstrukturgesetz im Jahre 1975 verfällt der Minister wieder in den folgenschweren Fehler, den Löwenanteil der Leistungskürzungen in den Bereich der präventiven Arbeitsmarktpolitik zu verlagern. Von den mit zirka 3,6 Milliarden DM veranschlagten Minderausgaben entfallen allein 1,5 Milliarden DM auf Leistungskürzungen im Bereich der individuellen Förderung, der beruflichen Bildung und Rehabilitation.

    (Lutz [SPD]: Da schneiden Sie lieber bei den Arbeitslosen ein!)

    Was hier passiert, ist Unsinn in Potenz, denn trotz Millionenarbeitslosigkeit haben wir nach wie vor einen erheblichen Facharbeitermangel. Die Hälfte der Arbeitslosen verfügt über keine berufliche Qualifikation. Im September 1980 standen 100 000 offenen Stellen für Arbeitnehmer mit beruflicher Qualifikation nur 58 000 entsprechende Arbeitslose gegenüber.

    (Lutz [SPD]: Also soll der Arbeitslose zahlen!)

    Wir sehen: Berufliche Bildung ist die beste Versicherung gegen Arbeitslosigkeit.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Dieses wichtige, nützliche und notwendige Instrument der Arbeitsmarktpolitik wollen Sie jetzt trotz der negativen Erfahrungen mit dem Haushaltsstrukturgesetz demontieren. Ich wage die Prophezeiung: Was Sie hier einsparen, müssen Sie beim Arbeitslosengeld wieder drauflegen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die Behauptung, daß nur eine Minderung der Kosten, nicht jedoch eine Senkung der Teilnehmerzahlen beabsichtigt sei, ist blanke Schutzbehauptung, Herr Ehrenberg, und Sie wissen das auch aus der Vergangenheit.
    Aber, meine Damen und Herren, nicht ohne politische Pikanterie sind auch die neuen Erkenntnisse des Ministers über die Fragen der Zumutbarkeit. Nachdem er vor zwei Jahren den obersten Arbeitsmarktbeamten seines Ministeriums wegen der Verschärfung der Zumutbarkeit in die Wüste geschickt hat, betreibt er jetzt genau dasselbe.



    Müller (Remscheid)

    Nach Ihrer Logik, Herr Ehrenberg, müßten Sie sich jetzt selbst in die Wüste schicken,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    im Interesse der Arbeitsmarktpolitik aber recht bald.
    Der Bundesminister der Finanzen hat in seiner Rede gestern dargelegt, daß die Bundesregierung die Möglichkeiten erschweren will, daß jemand durch ausgeklügelte Gestaltung von Steuervorteilen und Leistungen außerhalb ordentlicher Arbeitsverhältnisse besser dasteht als jemand, der regelmäßig arbeitet. Durch Überstundenzuschläge, die Anrechnung jährlich wiederkehrender Leistungen wie Urlaubsgeld, 13. Monatsgehalt, Weihnachtsgeld und durch den Lohnsteuerjahresausgleich ist dieser Fall des Finanzministers auch in der Arbeitslosenversicherung möglich. Deshalb haben wir vorgeschlagen, die Bemessungsgrundlage des Arbeitslosengeldes entsprechend zu ändern.

    (Lutz [SPD]: Nur deshalb?)

    Damit wird möglicher Mißbrauch ausgeschaltet, die Vermittlungsfähigkeit erhöht und werden Verwaltungskosten gesenkt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Herr Westphal, den Teil, den ich jetzt vorbringen möchte, will ich gerade auf Ihre Ausführungen hin noch einmal sehr deutlich machen. Mir kommt es hierbei besonders auf den arbeitsmarktpolitischen Erfolg an. Der Vermittler muß besser als bisher in die Lage versetzt werden, einen Arbeitslosen in Arbeit zu vermitteln. Wenn man alle Zuschläge und jährlich wiederkehrenden Leistungen auf die letzten 20 Tage vor der Arbeitslosmeldung hinzurechnet, kann das Arbeitslosengeld in Einzelfällen bis zu 80 v. H. des Nettolohnes erreichen. Rechnet man dann die Mehrbelastung durch die Aufnahme der Arbeit wie Fahrgeld usw. hinzu, kann die Arbeitsaufnahme unattraktiv sein. Das muß ausgeschaltet werden. Solidarität, meine Damen und Herren, ist wechselseitig. Auch der Arbeitslose ist zur Solidarität verpflichtet, dazu, alles zu tun, um den Zustand der Arbeitslosigkeit zu beseitigen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Lutz?

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Adolf Müller


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Bitte sehr.