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ID0905206100

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    Plenarprotokoll 9/52 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 52. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 17. September 1981 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Collet 2901 A Begrüßung einer Delegation der Nationalversammlung der Republik Togo 2901 A Fortsetzung der ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1982 (Haushaltsgesetz 1982) — Drucksache 9/770 — in Verbindung mit Beratung des Finanzplans des Bundes 1981 bis 1985 — Drucksache 9/771 — in Verbindung mit Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Verbesserung der Haushaltsstruktur (2. Haushaltsstrukturgesetz) — Drucksache 9/795 — in Verbindung mit Erste Beratung des von den Abgeordneten Kiep, Dr. Jahn (Münster), Dr. Schneider, Dr. Möller, Hauser (Krefeld), Müller (Remscheid), Dr. Waffenschmidt, Dörflinger, Günther, Dr.-Ing. Kansy, Link, Magin, Niegel, Frau Pack, Frau Roitzsch, Ruf, Sauter (Epfendorf), Zierer, Dr. Blüm, Clemens, Erhard (Bad Schwalbach), Faltlhauser, Herkenrath, Kolb, Linsmeier, Dr. Pinger, Rühe, Sick, Repnik und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über steuerliche Vergünstigungen zur Förderung des Wohnungsbaus — Drucksache 9/467 — in Verbindung mit Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung der Investitionstätigkeit im Baubereich und zum Abbau ungleichmäßiger Besteuerung in der Wohnungswirtschaft — Drucksache 9/796 — in Verbindung mit Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung von Verbrauchsteuergesetzen (Verbrauchsteueränderungsgesetz 1982) — Drucksache 9/797 — in Verbindung mit Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Konsolidierung der Arbeitsförderung (Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetz) — Drucksache 9/799 — in Verbindung mit II Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 52. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. September 1981 Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung der illegalen Beschäftigung — Drucksache 9/800 — in Verbindung mit Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Elften Gesetzes über die Anpassung der Leistungen des Bundesversorgungsgesetzes (Elftes Anpassungsgesetz-KOV) — Drucksache 9/801 — in Verbindung mit Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung und Verbesserung der Wirksamkeit kostendämpfender Maßnahmen in der Krankenversicherung (Kostendämpfungs-Ergänzungsgesetz) — Drucksache 9/798 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Lammert, Kiep, Dr. Waigel, Müller (Remscheid), Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Müller (Wadern), Dr. Warnke, Frau Pack, Ganz (St. Wendel), Günther, Frau Hürland, Link, Löher, Prangenberg, Sauer (Salzgitter), Stutzer, Gerstein, Metz, Vogel (Ennepetal), Borchert, Kittelmann, Vogt (Düren), Frau Fischer, Frau Karwatzki, Reddemann, Schwarz, Breuer und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU Strukturkrise der deutschen Stahlindustrie — Drucksache 9/612 — Dr. Häfele CDU/CSU 2902 C Walther SPD 2910 B Hoppe FDP 2916 D Dr. Kohl CDU/CSU 2920 C Genscher, Bundesminister AA 2934 C Dr. h. c. Strauß, Ministerpräsident des Freistaates Bayern 2941 C Dr. Posser, Minister des Landes NordrheinWestfalen 2957 C Westphal SPD 2968 A Dr. Riedl (München) CDU/CSU 2977 B Gärtner FDP 2982 B Dr. Kreile CDU/CSU 2986 C Dr. Spöri SPD 2990 B Frau Matthäus-Maier FDP 2993 D Müller (Remscheid) CDU/CSU 2997 B Glombig SPD 3002 C Cronenberg FDP 3008 B Dr. Ehrenberg, Bundesminister BMA . . 3011 D Dr. Lammert CDU/CSU 3015 A Reuschenbach SPD 3017 B Beckmann FDP 3020 B Nächste Sitzung 3022 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 3023* A Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 52. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. September 1981 2901 52. Sitzung Bonn, den 17. September 1981 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. van Aerssen * 18. 9. Dr. Ahrens ** 18. 9. Amrehn **** 18. 9. Bahr 18. 9. Dr. Bardens ** 17. 9. Becker (Nienberge) 18. 9. Böhm (Melsungen) ** 17. 9. Brandt * 18. 9. Büchner (Speyer) ** 18. 9. Burger 18. 9. Fellner 18. 9. Frau Fischer **** 18. 9. Gobrecht **** 18. 9. Hartmann 18. 9. Hauck 18. 9. Herterich **** 18. 9. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates *** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung **** für die Teilnahme an der 68. Jahreskonferenz der Interparlamentarischen Union Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich- Dr. Holtz **** 18. 9. Graf Huyn 18. 9. Ibrügger *** 18. 9. Klein (München) **** 18. 9. Köhler (Wolfsburg) **** 18. 9. Frau Krone-Appuhn 18. 9. Lemmrich ** 17. 9. Dr. Lenz (Bergstraße) 18. 9. Frau Dr. Lepsius **** 18. 9. Möllemann **** 18. 9. Dr. Müller ** 17. 9. Müller (Wadern) ** 18. 9. Niegel **** 18. 9. Frau Pack ** 17. 9. Rösch ** 18. 9. Dr. Schachtschabel 18. 9. Frau Schlei 18. 9. Schluckebier **** 18. 9. Schröer (Mülheim) 18. 9. Schulte (Unna) ** 17. 9. Dr. Schwarz-Schilling 17. 9. Dr. Schwörer 18. 9. Dr. Stark (Nürtingen) 18. 9. Graf Stauffenberg 18. 9. Dr. Wendig 18. 9. Dr. Wittmann (München) 18. 9. Würzbach 18.9. Zink 18. 9.
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    Rede von Heinz Westphal


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Ich muß anschließend eine Bemerkung in Richtung von Herrn Strauß machen und mich dann Herrn Kohl zuwenden, dessen Rede schon eine ganze Reihe von Stunden zurückliegt.
    Herr Strauß, Sie haben eineinhalb Stunden geredet, davon — ich habe mitgezählt — exakt fünf Minuten versucht — und ich würde sagen, es ist nicht falsch, wenn ich behaupte, es waren gestammelte Versuche —, hier Sparvorschläge vorzutragen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Bei Herrn Kohl sah es so aus: Eine halbe Stunde die alte Verschuldungsarie, die wir aus vielen Debatten der vergangenen Zeit kennen, ohne einen einzigen neuen Gedanken,

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    und dann eine Stunde lang außenpolitische Unterstellungen — so muß ich sagen —,

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    der Aufbau eines Popanzes des Antiamerikanismus, Herstellung von Verbindungen, die es nicht gibt,

    (Zuruf des Abg. Glos [CDU/CSU])

    in einer Art und Weise, die hier — darüber bin ich froh — durch den Bundesaußenminister ihre klare Beantwortung gefunden haben.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Die Jusos haben doch demonstriert! — Dr. Spöri [SPD]: Ruhe!)

    Ich möchte es umgekehrt machen und zu dem, was den letzten Teil, die deutsch-amerikanischen Beziehungen, die letzten Wochen und Tage betrifft,

    (Glos [CDU/CSU]: Kanalarbeiter!)

    seitens meiner Fraktion eine kurze Stellungnahme abgeben, um mich dann sehr intensiv der Thematik, die eigentlich auf der Tagesordnung steht, zuzuwenden.
    Angesichts des jüngsten Terroranschlags auf den Oberbefehlshaber der amerikanischen Landstreitkräfte in Europa und angesichts dessen, was in diesem Zusammenhang die Debatte hier am Vormittag bestimmt hat, möchte ich sagen: Die deutschamerikanische Freundschaft ist eine Lebensgrundlage unserer Politik.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Wir lassen uns auch durch Terroranschläge nicht von der Seite der Vereinigten Staaten abbringen, insbesondere dann nicht, wenn es darum geht, die Sicherheit unseres Landes und die Lebensfähigkeit Berlins aufrechtzuerhalten.
    Zweitens. Der Besuch des amerikanischen Außenministers in Berlin und auch in Bonn hat die deutsch-amerikanischen Beziehungen gefestigt und nachhaltig gestärkt. Wir sind für diesen Besuch dankbar. Als Ergebnis der Konsultationen hier in Bonn stellen wir Sozialdemokraten fest: Wir werden gemeinsam mit den Vereinigten Staaten von Amerika für Rüstungskontrollvereinbarungen eintreten. Mit uns wollen die Amerikaner den Frieden sicherer machen.
    Drittens. Wir haben erwartet — ich muß Herrn Kohl ansprechen, der zur Zeit nicht im Saal ist —, daß Sie, Herr Kohl, die Berliner Demonstration zum Gegenstand dieser Haushaltsdebatte machen würden, um davon abzulenken — so muß man es ja wohl sehen, nachdem Sie einen großen Teil Ihrer Redezeit dazu verwandt haben —, daß Sie keine realistische Alternative zum Konzept der Koalition für die Haushaltssanierung haben.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Wir scheuen diese Auseinandersetzung nicht. Die zuständigen Gremien der Sozialdemokratischen



    Westphal
    Partei und der Bundeskanzler haben die von den Jungsozialisten mitveranstaltete Demonstration gegen den Besuch des amerikanischen Außenministers als falsch und politisch schädlich bezeichnet. Sie bedurften dazu nicht der Anregung durch die Opposition. Sie haben dieses vorher getan. Dabei bleiben wir. Mit aller Entschiedenheit verurteilen wir die Gewalttätigkeiten, die nach dem Abschluß der friedlichen Demonstration von einigen hundert Chaoten ausgegangen sind. Es ist ein Widerspruch in sich, mit unfriedlichen Mitteln für den Frieden demonstrieren zu wollen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Wir sind allerdings nicht bereit, uns einer argumentativen Auseinandersetzung mit Zehntausenden von friedlichen Demonstranten zu entziehen, indem wir sie in einen Topf mit einigen hundert gewalttätigen Wirrköpfen werfen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Noch weniger sind wir bereit, den Versuch, der auch von einem CDU/CSU-Sprecher gemacht worden ist, unwidersprochen hinzunehmen, diese Demonstration in einen Zusammenhang mit den verabscheuungswürdigen Attentaten der letzten Tage auf Einrichtungen der amerikanischen Streitkräfte zu stellen.
    Wer auch nur den Anschein zu erwecken versucht, daß friedliche Demonstranten in einen Topf mit Terroristen gehören, der muß sich die Frage stellen lassen, ob er damit nicht den Terroristen die Massenbasis bereitet, gar herbeiredet, die sie heute nicht haben und hoffentlich nie haben werden.

    (Beifall bei der SPD)

    Auch ich erinnere an das, was der amerikanische Außenminister Haig unter Bezugnahme auf Voltaire am Sonntag in Berlin gesagt hat:
    daß selbst, wenn wir nicht damit übereinstimmen,
    — so sagte er —
    was sie sagen,
    — die Demonstranten —
    wir bereit sind, bis zum Tod ihr Recht zu verteidigen, es zu sagen.
    Damit hat er den Teil der Demonstranten beschämt, die mit überzogener Kritik an den USA die gemeinsame demokratische Tradition verleugnen wollen, in der die USA und die Bundesrepublik Deutschland stehen. Er hat aber auch diejenigen beschämt, die vorschnell nach einem Verbot der Demonstration gerufen haben.
    Ich habe in diesem Zusammenhang daran gedacht, daß der amerikanische Außenminister eigentlich in gleicher Weise ein Zitat hätte verwenden können, das von Rosa Luxemburg stammt: „Freiheit ist immer die Freiheit des Andersdenkenden."

    (Beifall bei der SPD)

    Ich will gleich hinzufügen: Für mich ist dieses Zitat
    eine Aussage einer unabhängigen Kommunistin —
    das darf man in diesem Zusammenhang vielleicht einmal sagen —,

    (Broll [CDU/CSU]: Sie hat leider auch ganz anderes gesagt!)

    mit dem Erlebnis Ende der 40er Jahre in Berlin verbunden, daß ein junger Mann, der zum selben sozialistischen Jugendverband wie ich gehörte, von der sowjetischen Militärmacht damals zu 25 Jahren Zuchthaus — so hieß es damals — verurteilt worden ist, weil er dieses Zitat von Rosa Luxemburg auf einem kleinen Zettel in der Berliner S-Bahn im Ostsektor zur Verteilung brachte. Dies sage ich zuerst. Dieser junge Mann hat nachher — nachdem man ihn nach sieben Jahren entlassen hatte — mit uns in der gleichen Bewegung für Entspannungspolitik gestanden, weil sie uns Frieden sichern kann.
    Ich sage dies hier deshalb, weil ich mir wünschte, daß gerade an dieser Stelle für alle deutlich wird, auch für die, die sich dort in Berlin als Chaoten so fehlverhalten haben, und auch für die, die die friedlichen Demonstranten gleich mit kritisieren: Wir sind den anderen, den kommunistischen Regimen nur dann überlegen, wenn wir diesen Spruch ernst nehmen. Geistig und freiheitlich sind wir ihnen dann überlegen, wenn wir diesen Satz auch weiterhin bei uns selbst respektieren.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Ich wünschte mir, meine Damen und Herren von der Opposition, daß Sie endlich zu der Gelassenheit und Souveränität gegenüber abweichenden Meinungen gelangen, wie sie der amerikanische Außenminister am Sonntag demonstriert hat.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Meine Damen und Herren, wenn einige von Ihnen meinen, darüber lächeln oder lachen zu müssen, dann zitiere ich

    (Zuruf von der CDU/CSU: Über das, was Sie sagen! — Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Es hat kein Mensch gelacht!)

    — oh ja, doch, ich habe es gesehen — „International Herald Tribune", eine amerikanische Zeitung:
    Wenn Politiker wie CDU-Führer Helmut Kohl die Anschläge in den gleichen Zusammenhang wie die Demonstrationen gegen Außenminister Haig vor einigen Tagen in Berlin stellen, so helfen sie den Terroristen, eines ihrer wichtigsten Ziele zu erreichen: zwischen die Vereinigten Staaten und ihre europäischen Verbündeten einen Keil zu treiben und dadurch die NATO zu schwächen.

    (Beifall bei der SPD)

    Meine Damen und Herren, Herr Kohl hat in seiner Rede versucht, den Bundeskanzler in eine Ecke zu stellen, als wenn dieser Mann an der Spitze unseres Staates überhaupt kein Vertrauen mehr draußen in der Bevölkerung hätte.

    (Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU — Dr. Friedmann [CDU/CSU]: 34 %!)

    — Sehen Sie, bei Ihnen wird geklatscht. — Er hätte
    vielleicht einmal in die letzten Umfrageergebnisse,



    Westphal
    in den Popularitäts- und Vertrauensindex gucken sollen. Da steht der Bundeskanzler, dem dieses fälschlich so unterstellt worden ist, dreimal so hoch da wie Herr Kohl.

    (Broll [CDU/CSU]: Und was steht da von der SPD?)

    Meine Damen und Herren, vielleicht mache ich das einmal mit einem Zitat, um die Rolle des Oppositionsführers hier im Haus in die richtige Betrachtung zu rücken:
    Das Schlimmste aber ist, daß dem parlamentarischen Oppositionsführer von Politikern, die etwas von der Sache verstehen,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wie Sie!)

    sei es in der Wirtschafts- und Finanz-, sei es in der Außenpolitik, vorgehalten werden kann, er sei dessen unkundig, worüber er spricht. Er erscheint ihnen als ein Unwissender unter Wissenden,

    (Zuruf von der SPD: Sehr wahr!)

    und das macht ihn unsicher. Kohls Vorhaben, die FDP im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens für den Haushalt an die Wand zu drücken — (das ihm die Fraktion nur mit Mühe ausredete), konnte nur enttäuschter Hoffnung und dem Bedürfnis nach Rache entspringen.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Das ist die Juso-Zeitschrift!)

    — Das ist nicht die Juso-Zeitschrift, das ist die „Süddeutsche Zeitung" von dieser Woche, Montag, den 14. September, geschrieben von Herrn Klaus Dreher,

    (Hört! Hört! und Beifall bei der SPD)

    der Ihnen sicher nähersteht als den Sozialdemokraten.

    (Glos [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

    Meine Damen und Herren, was sollte diese Darstellung der Lage unseres Landes, wie sie Herr Kohl uns gegeben hat? Da mußte man ja den Eindruck haben, als ob wir nur noch kurze Zeit brauchen würden, um bei anderen Ländern Entwicklungshilfe für uns zu beantragen. Da mußte man den Eindruck haben, als wenn der Bankrott sozusagen schon vor der Tür stünde.

    (Dr. Barzel [CDU/CSU]: Wir pumpen im Ausland!)

    Überlegen Sie doch bitte einmal, daß in diesem, nun gerade zu Ende gegangenen Sommer viele Millionen Menschen unseres Landes

    (Zuruf von der SPD: 18!)

    die Grenzen unseres Landes passiert haben und in andere Länder in Urlaub gefahren sind, wo sie erlebt haben,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wie wenig die D-Mark wert geworden ist!)

    wie hoch dort die Preise gegenüber unseren Preisen sind,

    (Carstens [Emstek] [CDU/CSU]: In D-Mark gerechnet!)

    wie hoch dort die Zahl der Arbeitslosen ist, wie dort die sozialen Verhältnisse im Vergleich zu den unseren sind.
    Herr Häfele ist es, glaube ich, gewesen, der hier den Zusammenhang zu der Wirkung der Erhöhung von Benzinpreisen auf den kleinen Mann hergestellt hat. Er hat j a nicht unrecht. Ich habe das einmal in einer Versammlung versucht so darzustellen — vor Sozialdemokraten: Wenn wir Sozialdemokraten vor 15 Jahren etwa vorgeschlagen hätten, die Mineralölsteuer zu erhöhen, hätten uns unsere Genossen gleich kräftig Beifall gespendet. Sie hätten gesagt: Ja, da trefft Ihr endlich einmal die Reichen, die haben ein Auto. Heute ist es richtig, daß wir, wenn die Mineralölsteuer erhöht wird — und wir haben dies getan — die Kritik bekommen: immer auf den kleinen Mann! Jawohl, so verändert ist die Wohlstandssituation in unserem Land.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Zurufe von der CDU/CSU)

    Wir leben heute in einem Volk, das man auf den Vordersitzen seiner Privatwagen transportieren könnte.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Da können Sie jetzt immer kräftig draufhauen!)

    Vergleichen Sie doch bitte, bevor Sie hier schwarz in schwarz malen, endlich einmal die Daten miteinander!
    Wie sieht es mit der Arbeitslosenquote aus, die wir als zu hoch empfinden und gegen die wir Maßnahmen wünschen und die in unseren Haushaltspaketen z. T. enthalten sind: 5,2 % im ersten Halbjahr 1981 gegenüber 10,4 % in Großbritannien und 7,6 % in Amerika.
    Vergleichen Sie bitte das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts, real gesehen, bezogen auf die Zahlen des Jahres 1980. Wir hatten 1980 1,8 IN Wachstum. In Amerika gab es bereits 1980 ein Minuswachstum — wie man sich zu sagen angewöhnt hat. Wir haben jetzt zum ersten Mal ein Jahr ohne Wachstum des realen Kaufvermögens aus den Löhnen.
    Die Währungsreserven sind bei uns immer noch die höchsten in der Welt. Wenn Sie auf den Schuldenstand abheben — und das war nun wieder die Arie von Herrn Kohl —, dann sehen Sie: die Staatsverschuldung macht in den Vereinigten Staaten von Amerika 48 %, bei uns 31 % des Bruttosozialprodukts aus. Ich kann Sie nur noch einmal bitten, Ihre Bankrott-Arien unter dem Gesichtspunkt zu prüfen, ob Sie sie in Amerika auch singen würden.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Wenn Sie wüßten, daß die Schweiz genauso verschuldet ist wie wir, würden Sie dann meinen, die Schweiz stehe vor dem Bankrott? — Nein, sie steht nicht vor dem Bankrott. Wir auch nicht.
    Ich habe dies hier vorausgeschickt, um deutlich zu machen, daß der Teil der Probleme, über den wir



    Westphal
    hier zu reden haben, im Verhältnis zu anderen Fragen in dieser Welt einzuordnen ist, bevor man darüber Entscheidungen trifft. Was soll dieser Vorwurf, es sei die Bundesregierung, die für die gegenwärtige Wirtschaftsschwäche verantwortlich ist? — Sie wissen doch ganz genau, daß die entscheidende Bremse für Investitionsentscheidungen bei den zu hohen Zinsen liegt.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Das sind die Amerikaner schuld! Sagen Sie es doch direkt!)

    Jeder Prozentpunkt Zinsen weniger würde acht Milliarden DM Entlastung der Wirtschaft bedeuten. Herr Pöhl und der Zentralbankrat halten die Zinsen doch nicht aus Spaß oder weil sie uns ärgern wollen so hoch, sondern weil sonst das Geld zu den noch höheren Zinsen in den USA aus unserem Land hinausfließen

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Weil der Finanzminister die Zinsen hochhält!)

    oder ausländisches Geld nicht den Weg zu uns finden würde.
    Ich stelle mir immer vor, was Sie hier sagen würden, wenn der Bundeskanzler die Bundesbank wegen der hohen Zinsen kritisieren oder auch nur bitten würde, sie solle die Zinsen wenigstens etwas senken. Da hieße es gleich wieder: Eingriffe in die Unabhängigkeit der Bundesbank und ähnliches — selbst wenn Sie im stillen Kämmerlein einer solchen Kritik zustimmen sollten. Oder wenn Sie bei einem Betriebsbesuch von einem Unternehmer auf diese Frage angesprochen werden und er kritisiert, daß die Zinsen zu hoch sind, werden Sie vielleicht hierzu ähnliches ausführen. Sind Sie sich denn nicht im klaren darüber, daß wir mit der Verbesserung der Abschreibungsregelungen, die jetzt in den Maßnahmen enthalten ist, im Wissen um die vielen Mitnehmereffekte ein neues großes Loch in künftige Haushalte reißen, um Rahmenbedingungen zu verbessern, um Investitionen anzuregen, um Arbeitsplätze zu sichern? Dies ist doch ein Ersatz zur Überwindung der Investitionsbremse Hochzinspolitik, die uns von Amerika aus hier hereinwirkt,

    (Beifall bei der SPD — Dr. Barzel [CDU/ CSU]: Westphals Märchenstunde!)

    also einer von außen kommenden, nicht von unserer Regierung produzierten negativen Rahmenbedingung. Sie zu überwinden, ist unser Problem.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, die Bürger draußen haben verstanden, daß wir vor gewandelten wirtschaftlichen Bedingungen stehen. Bei den tatsächlichen beachtlichen Einsparungen in der Verwendung der Energie, die aus importiertem Öl stammt, haben die Bürger uns allen gezeigt, daß sie bereit sind, daraus erwachsende Einschränkungen mitzutragen. Wir Politiker hätten eigentlich dankbar dafür zu sein, daß sich diese Handlungsbereitschaft in der Breite unseres Volkes täglich zeigt.
    Doch wir müssen hinzufügen: Dieser Prozeß ist noch nicht zu Ende. Wenn sich die Ölrechnung allein in den letzten zwei Jahren noch einmal verdoppelt hat, dann steht das dafür aufzuwendende Geld in unserer Volkswirtschaft nicht mehr zur Verfügung, weder als Gewinne noch als zu versteuerndes Einkommen, noch als Mittel für Sozialleistungen.
    Von daher ergibt sich die Notwendigkeit zur Einschränkung. Wir können uns Dinge, die wir alle als wünschens- und erstrebenswert angesehen haben und auf deren Durchsetzung gerade im Bereich der sozialen Sicherung wir nach wie vor Grund haben stolz zu sein, in der gegenwärtigen Ausformung nicht mehr leisten, ebenso wie wir uns eine Fülle von insbesondere steuerlichen Vergünstigungen nicht mehr leisten können.
    Es ist ein Unsinn, zu behaupten, die zu hohen Sozialleistungen führende Politik sei falsch gewesen. Es kann nicht hingenommen werden, wenn fälschlicherweise behauptet wird, die Konjunkturprogramme der 70er Jahre seien wirkungslos gewesen. Für den hohen Preis einer schnell steigenden Verschuldung haben wir damit Hunderttausenden von Menschen Arbeitsplätze neu schaffen können oder haben verhindern können, daß ebenso viele ihren Arbeitsplatz verlieren.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Welch eine überhebliche Behauptung der Politiker der Opposition, wenn sie mit direktem oder indirektem Hinweis auf die Absicht, soziale Leistungen zusammenzustreichen, sagen: Wir haben in diesem Volk über unsere Verhältnisse gelebt! Wer ist eigentlich „wir"? Ist das etwa der ohne eigene Schuld arbeitslos gewordene Familienvater,

    (Zurufe von der CDU/CSU: Das hat der Kanzler doch gesagt!)

    der auf Grund seiner eigenen Beitragsleistung 68 % seines letzten durchschnittlichen Nettoeinkommens für die Dauer von höchstens einem Jahr erhält? Sind dieses „wir" etwa die alleinstehenden Mütter, denen gegenüber der Kindesvater seinen Verpflichtungen nicht nachkommt und denen die CDU/CSU-Ministerpräsidenten die Unterhaltsvorschußkassen wegnehmen wollen?

    (Beifall bei der SPD)

    Und wieso soll es denn richtig sein, daß ausgerechnet der arbeitslos Gewordene vorrangig die Mittel aufbringen soll, die zur Deckung der Kosten der Arbeitslosigkeit gebraucht werden? Ich kann dafür kein Verständnis aufbringen. Dahinter steckt doch die nur schwach kaschierte Vorstellung, durch Senkung des Arbeitslosengeldes die Fälle des Mißbrauchs der Solidargemeinschaft, die es leider gibt, bekämpfen zu können.
    Meine Damen und Herren, die Ihnen hier vorliegenden Gesetzentwürfe zeigen konkret die Stellen auf, an denen Mißbrauch bekämpft werden soll und an denen er von uns im Interesse der ehrlichen Arbeitnehmer auch bekämpft werden wird. Solidarität mit den Schwachen, soziale Ausgewogenheit und Sachgerechtigkeit der Sparmaßnahmen sind das, was in dieser Situation gefragt ist. Das ist es, was die Bürger von uns mit Recht erwarten. Solche Sachgerechtigkeit, solche soziale Ausgewogenheit bekommt man nicht hin, wenn man die helfende, die regelnde Hand zurückzieht, wenn es der Staat dem



    Westphal
    einzelnen überläßt, sich durchzusetzen, wenn also die Gemeinschaft unbeteiligt zusieht, wie dabei der Schwache dem Starken unterliegt. Weniger Bürokratie, mehr Menschlichkeit in den Ämtern, dazu sage ich gern j a. Aber weniger staatliche Hilfe, weniger sozialer Ausgleich über den Staat? Nein, meine Damen und Herren, das hatten wir schon, das haben wir längst überwunden. Ich darf das grob skizzieren: Das war doch die Zeit, wo jeder die Freiheit hatte, auch unter den Brücken schlafen zu dürfen.

    (Beifall bei der SPD)

    Um es auf unsere Zeit zu übersetzen: Wer es sich leisten kann, der baut den Swimming-Pool in seine Villa; die Gemeinde hat zur gleichen Zeit kein Geld für das städtische Bad. Sich so zu verhalten, ist weder sozialdemokratisch noch sozialliberal.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Klassenkampf!)

    Eine Wende nach rückwärts steht nicht zur Debatte. Es gibt keine Tendenzumkehr mit dieser Koalition. Das kann man aus den Beschlüssen und Gesetzentwürfen eindeutig ablesen.
    Unter Ihrem Bild, Herr Häfele, stand Anfang August in einer unserer Tageszeitungen ein Zitat von Ihnen, das Ihre ganze Sehnsucht nach Steuersenkungen und Streichung von Sozialleistungen zum Ausdruck brachte. Wir brauchten, so hieß es da, ein Doppelprogramm, das wenigstens im Ansatz in die Richtung gehe, wie es im Augenblick ja so großartig in Amerika versucht werde. Exakt über Ihrem Bild, Herr Häfele, in der gleichen Spalte derselben Zeitung stand, wie eine solche Politik praktisch aussieht: Fast 20 der eingesparten 35 Millionen Dollar kommen aus den Töpfen für Sozialleistungen, und 300 000 Teilnehmer am Arbeitsbeschaffungs- und -förderungsprogramm werden zur Einsparung von 3,8 Milliarden Dollar plötzlich auf der Straße stehen. Rund 4,4 Milliarden Dollar werden im sozialen Wohnungsbau gestrichen. Stark eingeschränkt werden Wohlfahrtsleistungen wie die Ausgabe von Lebensmittelmarken für Einkommensschwache.
    Nein, solche Folgen darf eine Politik der Einschränkung, des Sparens bei den öffentlichen Ausgaben bei uns nicht haben. Wir wünschen Präsident Reagan Erfolg bei seinen Bemühungen, die Inflation in seinem Land zu bekämpfen, die bekanntlich doppelt so hoch wie in unserem Lande ist. Wir sind sogar darauf angewiesen, daß die amerikanische Wirtschafts- und Finanzpolitik Erfolg hat, weil nur so das aus unserer Sicht unerträglich hohe Zinsniveau zurückgehen wird und seine negativen Auswirkungen auch auf uns verlieren kann. Aber die Art, wie es dort probiert wird, kann nicht unser Modell sein, zumal dieses Modell von Frau Thatcher in England bereits erprobt wurde und zu einer unerträglich hohen Zahl von Arbeitslosen geführt hat.
    Unser Weg kann auch nicht der sein, der die Wirtschaftsbelebung durch noch mehr Aufnahme von Krediten und ohne Rücksicht auf dabei rapide wachsende Inflation zu erreichen versucht.
    Unser Weg muß und wird ein mittlerer Weg sein. Die Einschränkungen, die wir uns auferlegen müssen, um mit den auf uns einwirkenden Schwierigkeiten fertig zu werden — ich nenne nur stichwortartig noch einmal die vervielfachten volkswirtschaftlichen Kosten für das einzuführende Öl, das damit im engsten Zusammenhang stehende und nur mühsam zu überwindende große Leistungsbilanzdefizit und die Folgen überhöhter Zinsen, insbesondere in den USA, — diese Einschränkungen müssen so gestaltet und auf viele Schultern verteilt werden, daß sie tragbar werden und daß sie die Grundpfeiler unseres Systems der sozialen Sicherung nicht aushebeln; denn der hohe Stand sozialer Leistungen hat uns eines unserer wertvollsten Güter, nämlich den sozialen Frieden in unserem Land, gesichert.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Was heißt nun Einschränkung, was heißt Sparhaushalt, bezogen auf unsere Situation? Sparhaushalt heißt, die Struktur des Bundeshaushalts durch Kürzungen im Haushaltsverfahren, durch gesetzliche Eingriffe, die eine dauerhafte Ausgabenminderung bewirken, durch den Abbau steuerlicher Vergünstigungen und in begrenztem Umfang durch die Erhöhung von drei bestimmten Verbrauchsteuern — zusammengefaßt in einer Größenordnung von etwa 16 Milliarden DM zu verbessern. Hier, meine Damen und Herren, bei Ihnen auf den Tischen, liegen die dazu geschaffenen Vorlagen: der Bundeshaushalt 1982, die dazugehörige mittelfristige Finanzplanung und sechs begleitende Gesetze.
    Für den Fall, daß sich der eine oder der andere noch an die öffentliche Diskussion vor, sagen wir, acht Wochen erinnert, sage ich: Diese Leistung, eine Verbesserung der Haushaltsstruktur des Bundes von einem Jahr auf das andere um 16 Milliarden DM, zustande zu bringen, hat uns vor acht Wochen noch niemand zugetraut; nicht einmal eigene politische Freunde meinten, wir würden das zustande bringen.
    Für all diejenigen, die fälschlich immer noch die Vorstellung haben und die Behauptung aufstellen, das Ganze sei ein Paket von Steuer- und Abgabenerhöhungen, sei hier noch einmal klargestellt, daß die drei in dem Bündel von 60 Maßnahmen enthaltenen Erhöhungen von Verbrauchsteuern — bei Tabak, bei Sekt und bei Branntwein — ein Mehraufkommen von 2 Milliarden DM erwarten lassen. Das sind exakt 12,5 % des Volumens der gesamten Maßnahmen, die „Operation '82" zu nennen wir uns angewöhnt haben.
    Wer also sagt, das Ziel sei nicht erreicht und das Ganze sei nur eine kurzfristig — für 1982 — wirkende Angelegenheit, der redet nicht die Wahrheit, der versäumt es, anzuerkennen, daß hier eine enorme Korrektur des Staatshaushaltes erfolgt, die uns helfen wird, insbesondere die Zinsbelastung zu begrenzen und auf mittlere Sicht wieder Freiraum für wirksame — auch finanzwirksame — politische Entscheidungen zu gewinnen.
    Die Kritik in der öffentlichen Meinung steht eigentlich in deutlichem Gegensatz zur Kritik der von Einzelmaßnahmen jeweils betroffenen Gruppierungen. Allgemein werden in der öffentlichen Darstellung tiefe Einschnitte vermißt; von den Betroffenen



    Westphal
    werden die Maßnahmen, auf den Einzelfall bezogen, als zu weitgehend angesehen. Ich möchte diese Kritik eigentlich so einordnen, daß sie, wenn auch indirekt, bestätigt, daß Grundbestandteile unseres sozialen Sicherungssystems eben nicht beschädigt werden.
    Gewiß, derjenige, der jahrelang darauf gedrängt hat oder gar daran mitgewirkt hat, das Förderungssystem unseres Arbeitsförderungsgesetzes, z. B. für berufliche Umschulung und Fortbildung oder im Bereich der Rehabilitation, auf einen Stand zu bringen, um den wir in vielen Teilen der Welt beneidet werden, wird die Leistungsminderungen als hart empfinden und bedauern. Doch auch er wird anerkennen, daß die Lohnersatzleistungen für diejenigen, für die dieses soziale Sicherungssystem geschaffen worden ist — ein System, das dem Schutz des arbeitenden Menschen für den Fall der Arbeitslosigkeit dient —, in vollem Umfange erhalten bleiben.
    Ich möchte hier gar keinen Zweifel daran aufkommen lassen, daß von uns der in diesem Maßnahmenbündel vorgesehene Einschnitt beim Kindergeld — auch wenn er nicht den finanziellen Umfang wie die Leistungseinschränkungen im Bereich der Arbeitsförderungsgesetzgebung erreicht — von seiner Bedeutung und Problematik her als viel gravierender betrachtet wird. Es ist leider so, daß die von ihrem finanziellen Volumen im Bundeshaushalt her größte Position der staatlichen Leistungen für Familien nicht völlig außerhalb der Betrachtung bleiben konnte, wenn man Einsparungswirkungen in einer Größenordnung von 16 Milliarden DM zustande bringen mußte.
    Warum sollte hier verschwiegen werden, daß es uns schwergefallen ist, innerhalb der Koalition eine gemeinsame Antwort auf diese schwierige Frage zustande zu bringen? Wie schwierig das ist, hat ja inzwischen auch die Opposition in voller Breite ausgekostet. Da steht in dem Papier der CDU/CSU-Fraktion, daß die Senkung des Kindergeldes für Mehrkinderfamilien abgelehnt wird. Die logische Konsequenz dieser Formulierung ist doch — nicht wahr, Herr Schröder? —, daß die Unionsfraktion Streichungen beim Erstkindergeld für möglich halten würde. Als Herr Geißler, der CDU-Generalsekretär, dagegen aufbegehrte, erinnerten die Haushälter der CDU/CSU Herrn Kohl daran, dieser habe ja gesagt, nichts — also auch das Kindergeld nicht — sei bei Sparvorschlägen der Union tabu.

    (Zuruf des Abg. Glos [CDU/CSU])

    — Ja, Herr Glos, das ist richtig; ich habe das mitverfolgt. Daneben steht die überraschend vernünftige Ansicht des CDU-Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg, Herrn Späth, bei seinem Einkommen würde er kein Kindergeld brauchen.

    (Dr. Spöri [SPD]: Hört! Hört!)

    Der CDU-Ministerpräsident von Niedersachsen, Herr Albrecht, treibt dagegen in die entgegengesetzte Richtung.

    (Zuruf von der SPD: Der hat ja auch fünf Kinder!)

    Er sagt: Wenn es bei den Absichten der Kürzung von 20 DM monatlich bei zweiten und dritten Kindern bliebe, dann würden die unionsregierten Länder ihren Ein-Milliarden-Anteil am Steuerkompromiß 1980 kündigen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Darum geht es doch nicht!)

    Ob dem Herrn Albrecht dabei wohl die Gefahr bewußt gewesen ist, daß dies noch weitere Einschränkungen bei den Familien heraufbeschwören könnte, für die die CDU/CSU dann die Verantwortung trüge? Meine Damen und Herren, wir- spüren doch alle aus den Reaktionen der Bürger draußen, die für Einschränkungen durchaus Verständnis haben und die uns andererseits mit gutem Grund sagen, daß Belastungen auch die Leistungsfähigkeit berücksichtigen müssen, daß auf diesem Gebiet, dort, wo es um die Leistungen für die Familie geht, wohl das letzte Wort noch nicht gesprochen sein darf.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir Sozialdemokraten wissen, daß wir bei allen anderen politisch relevanten Kräften leider keine Zustimmung für eine einkommensbezogene Kindergeldregelung bekommen können. Und wir wissen natürlich auch — das will ich nicht verschweigen —, daß es dabei Verwaltungsprobleme und auch verfassungsrechtliche Grenzen gibt. Aber die wären überwindbar.
    Wir stehen zu dem, was wir mit unserem Koalitionspartner vereinbart haben. Ich füge hinzu, daß die SPD-Fraktion Kürzungen beim Kindergeld nur als die letzte Möglichkeit ansieht, die erforderliche Verbesserung der Haushaltsstruktur zu erreichen und den Bundeshaushalt 1982 ohne zusätzliche Nettokreditaufnahme auszugleichen.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir würden in der Streichung des steuerlichen Kinderbetreuungskostenbetrages eine Lösung sehen, die sozial vertretbarer ist als die Kürzung des Kindergeldes, und meinen, daß darüber unter allen am Entscheidungsprozeß Beteiligten noch gesprochen werden sollte.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich darf dankbar begrüßen, daß die nordrheinwestfälische Landesregierung diesen Gedanken aufgenommen hat und ihn in die Verhandlungen, die es im Bundesrat über diese Fragen geben wird, durch einen Antrag einspeisen wird.
    Der Hinweis von Herrn Minister Posser hier, daß das Volumen bei voller Ausschöpfung dieses Kinderbetreuungskostenbetrages 3,5 Milliarden DM ausmachen würde, gibt vielleicht auch einen Grund, zu sehen, daß es hier eher möglich ist, das Problem zu lösen, als beim Kindergeld, auch und gerade zwischen Ländern und Bund. Vielleicht ist durch das, was Herr Posser hier vorgetragen hat, für jeden und gerade auch für die Menschen, die uns zuhören, eines deutlich geworden: Ist es denn nicht leichter, eine Vergünstigung, die noch dazu bei den Beziehern höherer Einkommen zu mehr Vorteilen führt als bei den Beziehern kleiner Einkommen — eine Regelung, die einen Reitkursus steuerlich begün-



    Westphal
    stigt —, wegzunehmen als das eigentliche Kindergeld?

    (Beifall bei der SPD)

    Meine Damen und Herren, die Opposition wirft uns zwar fälschlicherweise vor, daß wir vorrangig ein Abgabenerhöhungsprogramm gemacht hätten,

    (Zuruf des Abg. Dr. Riedl [München] [CDU/ CSU])

    — nein, nein, ich habe nachgewiesen, daß das nicht so ist, Herr Riedl —, aber an der gravierendsten Stelle, wo sehr ernsthaft zu überlegen war, welcher Weg in dieser Situation der vertretbarste ist, um die hohen Kosten von Arbeitslosigkeit zu decken, hat die Koalition eben nicht den Weg einer Abgabenerhöhung gewählt. Weil die Konsolidierung der Rentenfinanzen durch die Maßnahmen des Einundzwanzigsten Rentenanpassungsgesetzes, in drei Jahresschritten nacheinander und ohne daß dabei etwa die Renten gesenkt werden mußten, zu einem Erfolg geführt worden ist, konnten wir es nach nüchterner Rechnung wagen, den Beitragssatz für die Rentenversicherung für zwei Jahre um 0,5 % zu senken, um diese Mittel der Beitragszahler in der gleichen Zeit der Arbeitslosenversicherung zukommen zu lassen.

    (Glos [CDU/CSU]: Verschiebebahnhof!)

    Wer diesen vertretbaren Weg als einen Trick diffamiert oder als einen Verschiebebahnhof, Herr Glos, der muß die Frage beantworten, ob er dem ab 1981 erhöhten Rentenversicherungsbeitrag vom Jahre 1982 an auch noch eine Erhöhung des Arbeitslosenversicherungsbeitrages hinzufügen wollte. Das müssen Sie beantworten, die Sie das als Trick bezeichnen.
    Es blieb dem stellvertretenden Vorsitzenden der CDU/CSU-Fraktion, Herrn Müller (Remscheid), vorbehalten, die Rentner in die Belastungsdiskussion einzubeziehen und ihnen in diesem Zusammenhang einen Rentnerkrankenversicherungsbeitrag aufladen zu wollen. Wir in der Koalition sind von der Grundauffassung ausgegangen, daß die Rentner in die zur Entscheidung stehende Sparoperation nicht einbezogen werden sollen. Dies hat auch etwas mit der sozialen Ausgewogenheit der Maßnahmen zu tun. Ich bin froh, sagen zu können, daß die ursprünglich diskutierte Einbeziehung eines bestimmten Teils von Kriegsopferrenten wieder fallengelassen werden konnte. Die Anpassung der Kriegsopferrenten zum 1. Januar 1982 wird mit 5,8 % in der gleichen Höhe erfolgen wie bei den Sozialversicherungsrenten.
    Meine Damen und Herren, uns Sozialdemokraten ist durchaus bewußt, daß es gerade die arbeitenden Menschen sind, die zum Teil erhebliche Kritik daran üben, daß es Leute gibt, die sich nicht scheuen, das geschaffene engmaschige Netz sozialer Sicherung ohne Rücksicht auf die Solidargemeinschaft aus egoistischen Gründen für sich auszunutzen und damit zu mißbrauchen. Ich werde nicht den Brief vergessen, den mir Kumpels aus dem Saarland geschrieben haben, in dem es hieß: Glaubt ja nicht, daß wir noch einmal SPD wählen, wenn ihr nicht dem
    Verhalten jener Leute einen Riegel vorschiebt, die bewußt nur einen Teil des Jahres arbeiten, dann Arbeitslosengeld in Anspruch nehmen und anschließend durch den Lohnsteuerjahresausgleich ihre steuerliche Belastung so herabsetzen, daß sie netto mehr Geld zur Verfügung haben als der Kumpel, der das ganze Jahr lang malocht hat.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Sie haben doch die Voraussetzungen geschaffen!)

    — Nein, nein, diese Gesetzgebung stammt aus früheren Zeiten. Das muß zu Zeiten von Herrn Adenauer und Herrn Erhard gewesen sein.

    (Glos [CDU/CSU]: Warum ist es denn so weit gekommen?)

    Diesen Mißbrauch korrigieren wir nun.
    Es gibt leider noch Schlimmeres. Ich will hier ganz offen und auch ungeschützt sagen, daß ich es als viel schlimmer empfinde, wenn es unter den Bestverdienern unseres Landes, also z. B. Ärzten und Zahnärzten, auch solche schwarzen Schafe gibt, die sich nicht scheuen, für ihren Sohn BAföG zu beantragen,

    (Wehner [SPD]: Hört! Hört!)

    nachdem sie ihr Einkommen durch Mitwirkung an Abschreibungsgesellschaften theoretisch unter Null gebracht haben. Soweit es steuerrechtlich möglich war, haben wir uns bemüht, solche Fälle über die 7. BAföG-Novelle auszuschalten.
    Diese Operation 82 enthält eine ganze Reihe von gesetzlichen Regelungen zur Verhinderung des Mißbrauchs. Dazu gehört die Neuregelung des Kurzarbeitergeldes, dazu gehört die Verhinderung der mißbräuchlichen Nutzung der 59er Regelung für Personalverjüngungskuren von Betrieben auf Kosten der Solidargemeinschaft, dazu gehört auch die Verlängerung gewisser Sperrzeiten und die Verhinderung eines überhöhten Anspruchs auf Arbeitslosengeld bei Ehegattenarbeitnehmern.
    Noch bedeutsamer ist es, daß es der Koalition gelungen ist, sich darauf zu einigen, alle Formen der illegalen Beschäftigung mit größter Entschiedenheit zu bekämpfen. Das gilt für neue Strafvorschriften bei der legalen Arbeitnehmerüberlassung und bei der illegalen Einschleusung von Ausländern, das gilt für die Bekämpfung von Schwarzarbeit, und das gilt vor allem für das Verbot der Leiharbeit in der Bauwirtschaft. Hierzu gehört auch, daß künftig die Betriebs- und Personalräte des Entleiherbetriebes bei der Arbeitnehmerüberlassung Mitwirkungsrechte bekommen werden.
    Ich möchte ergänzend dazu klarstellen: Mit dieser Reihe sehr konkreter Maßnahmen zur Verhinderung der ungerechtfertigten Inanspruchnahme von sozialen Leistungen schützen wir das von uns geschaffene soziale Netz. Wir wenden uns dabei mit aller Entschiedenheit gegen diejenigen, die, weil es leider auch Mißbrauch gibt, gleich ganze Sozialleistungen, die nach jahrzehntelangem Kampf endlich durchgesetzt worden sind, wieder ganz abschaffen oder in ihrem Kern zerstören wollen.



    Westphal
    Es gibt keinen Grund, zu verschweigen, daß für uns eine Grenze dort erreicht wäre, wo versucht würde, die erst Ende der 60er Jahre für die Arbeiter endlich erreichte Lohnfortzahlung im Krankheitsfall durch sogenannte Karenztage wieder zu unterbrechen.

    (Beifall bei der SPD)

    Zu solchen Bestrebungen haben wir Sozialdemokraten ein klares Nein gesagt. Wenn es in diesem Bereich auch Mißbrauch gibt, so stehen die Arbeitgeber nicht allein bei dessen Abwehr. Von meinen Betriebsbesuchen her weiß ich, daß sich die Betriebsräte im Interesse aller pflichtbewußten Kollegen gegen leichtfertiges Krankfeiern einzelner zur Wehr setzen. Aber auch über die Rolle von Ärzten wird man in diesem Zusammenhang nachdenken müssen.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Völlig unakzeptabel ist es aber, in diesem Bereich auch nur darüber zu spekulieren, daß Arbeiter und Angestellte untereinander oder gegenüber Beamten unterschiedlich behandelt werden könnten. Dies geht nicht mit uns.

    (Beifall bei der SPD)

    Was die Opposition offensichtlich überhaupt nicht mag, ist der Abbau von Steuervergünstigungen. Mit der Maske eines Biedermannes wird versucht, den Bürgern weiszumachen, hier würden Steuererhöhungen stattfinden. An dieser Stelle kann man sehen, wie ehrlich es die Opposition damit meint, wenn sie allgemein von Subventionsabbau redet und ihn genau in dem Bereich ablehnt, in dem Subventionen steuerlichen Charakter tragen und damit in den meisten Fällen denen überproportional zugute kommen, die hohe Einkommen haben und folglich hohe Steuern zu zahlen haben.
    Ich möchte es meinem Kollegen Dieter Spöri überlassen, auf Einzelheiten einzugehen. Aber mir ist wichtig, hervorzuheben, daß in diesem Bereich der Einschränkung oder des Abbaus steuerlicher Vergünstigungen die Koalition die beim ersten Subventionsabbaugesetz eingeschlagene Linie fortsetzt und in diesem Fall mehr als ein Dutzend solcher Subventionen einschränkt oder streicht.

    (Beifall bei der SPD)

    Dies ist auch der Bereich, in dem es zum Teil gelingt, finanziellbelastungsfähigere Personengruppen oder Institutionen in die Operation '82 einzubeziehen, um so einen Beitrag zu größerer Ausgewogenheit der Lastenverteilung zustande zu bringen.
    Meine Damen und Herren, Sparen um des Sparens willen, so hat der Finanzminister gestern hier gesagt, sei allein noch keine Politik. Der Bürger will spüren, daß Einschränkungen gleichzeitig auch dazu führen, daß wirtschaftliche Strukturen verbessert werden, daß unsere Wettbewerbsfähigkeit insbesondere gegenüber anderen Ländern der Welt erhöht wird und daß vor allem von den Maßnahmen, die hier beschlossen werden sollen, auch Wirkungen auf mehr Beschäftigung ausgehen. Es kann mit Recht erwartet werden, daß wir zu diesem schwerwiegenden Thema in diesem Zusammenhang Stellung nehmen.
    Das einzige, was die Opposition auf diesem Gebiet erneut vorzubringen hat — wir haben es hier nun in mehreren Reden gehört —, ist das uns schon bekannte Gerede vom „Investitionsstau". Diether Posser hat das hier in einer Weise behandelt, daß ich es mir ersparen kann, darauf näher einzugehen.
    Ich will Ihnen einmal sagen, wie diese Fata Morgana aussieht. Herr Kohl hat diesen Investitionsstau, den es praktisch nicht nachweisbar gibt, im Februar mit einer Größenordnung von 30 Milliarden DM beziffert. Derselbe Herr Kohl hat im April — zwei Monate später — den Investitionsstau mit 50 Milliarden DM beziffert. Nur 12 Tage später hat derselbe Herr Kohl diesen Investitionsstau mit 100 Milliarden DM beziffert.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Er wird eben immer größer!)

    Nichts davon stimmt.

    (Zurufe von der SPD: Der versteht doch nichts davon! Der kann nicht rechnen! Er ist doch Generalist!)

    Aus sozialdemokratischer Sicht sind zu den Wirkungen der Operation '82 in bezug auf die Beschäftigung zwei Dinge zu sagen:
    Erstens. Ein Bundeshaushalt ist nicht kontraktiv, ist nicht konjunkturpolitisch falsch gepolt, wenn er — wie dieser Entwurf — für das Jahr 1982 33 Milliarden DM für Investitionen enthält. Dabei haben der Haushaltsentwurf und mit ihm zusammen die mittelfristige Finanzplanung durch die Entscheidung der Koalition neue zusätzliche Ansätze erhalten bzw. in ihnen wirken sich Einnahmeausfälle für eine zusätzliche steuerliche Förderung aus, die beide zusammengenommen einen Gesamtwert für den Zeitraum von 1982 bis 1985 von 20 Milliarden DM — davon 10 Milliarden DM beim Bund — haben.
    Zweitens. Obwohl wir insgesamt gesehen, wie ich das vorhin dargelegt habe, besser dastehen als viele Industrieländer der Welt und obwohl es derzeit erfreuliche Ergebnisse insbesondere bei der Entwicklung des Exports gibt, kann keiner sagen, wie es um die Entwicklung der Arbeitslosenzahlen in unserem Land im nächsten Jahr bestellt sein wird. Die eigenen Sorgen und die von außen kommenden Sorgen müssen uns fürchten lassen, daß die Anstoßwirkungen, die der Bundeshaushalt enthält, in der gegebenen Konjunkturlage nicht groß genug sein könnten. Das ist der Grund dafür, warum der Vorsitzende unserer Fraktion und auch der Vorsitzende der SPD den Vorbehalt gemacht haben, daß die Sozialdemokraten auf das Thema zusätzlicher beschäftigungswirksamer Maßnahmen dann zurückkommen, wenn die Wirtschaftsdaten des Jahres 1982 klarer vorhersehbar sind und sich daraus die Notwendigkeit für zusätzliches Handeln ergibt. Wir werden uns auf diesen möglichen Zeitpunkt gut vorbereiten.
    Es muß einmal gesagt werden: Wir haben die tapferste Opposi tion aller Zeiten.

    (Heiterkeit bei der SPD)




    Westphal
    Nicht nur, daß sich die CDU/CSU selbst auf die Schulter geklopft hat, als sie sich beim ersten Subventionsabbaugesetz tapfer der Stimme enthielt und das als konstruktives Verhalten anpries. Nein, die Opposition liefert uns jetzt eigene Sparvorschläge. Wir wissen allerdings im Augenblick noch nicht so ganz genau, mit welchen von den mindestens drei erkennbaren unterschiedlichen Strategien der Einsparung wir uns auseinandersetzen sollen: mit der, die die CDU/CSU-Fraktion in einem ziemlich dünnen Papier vorige Woche der Öffentlichkeit vorgetragen hat, oder mit der, die Herr Strauß — sei es in Presseäußerungen oder heute hier — abweichend von anderen vertreten hat und die nach wie vor doch sehr deutlich an Sonthofen erinnert, oder mit dem, was Ministerpräsident Späth schon im Sommer als seine Meinung verkündete, oder mit der Linie, die Herr Stoltenberg — sicher nicht gerade glücklich über den unkoordinierten Gesamtablauf der Diskussion bei der Opposition — inzwischen als CDU/CSU- Auffassung verkündet hat.
    Sie wissen es seit längerer Zeit, meine Damen und Herren: Wir halten uns bei diesen Fragen am ehesten an das, was Herr Stoltenberg sagt. Er haut zwar zuerst immer mit dem großen Hammer auf die Bundesregierung und sagt, sie sei an allem schuld, was überhaupt mit Finanzen zu tun habe. Aber da weiß jeder, daß das Propaganda ist und daß das dazu gehört. Anschließend legt er dann am relativ ruhigsten und konkretesten das vor, was zur Entlastung des ebenfalls mit einem hohen Schuldenberg belasteten schleswig-holsteinischen Landeshaushalts nützlich ist. Für diesen Haushalt ist ja nun weiß Gott nicht die sozialliberale Koalition in Bonn verantwortlich.
    Immerhin, seine Absichten sind erkennbar und durchdacht. Sie zielen vornehmlich auf die Entlastung der Länderetats ab. Das kann man ihm als Länderchef nicht übelnehmen. Aber es muß hinzugefügt werden, sie sind problematisch wegen der Belastung der kleinen Leute und der Ärmeren in unserem Lande und deshalb für den Frieden im Inneren unseres Landes gefährlich.
    Sehen wir uns aber erst einmal einen Moment lang an, was Herr Kohl und seine CDU/CSU-Bundestagsfraktion auf dem Gebiet der Sparbeschlüsse zu bieten haben. Für uns war es — so muß man wohl sagen — ein etwas komisch wirkender Vorgang, als die Haushälter der CDU/CSU-Fraktion aus deren Sitzung kamen und — fast könnte man sagen: mit stolzgeschwellter Brust — von ihrem Sieg über Herrn Kohl erzählten, daß es ihnen gelungen sei, mit der Forderung durchzukommen, alle Leistungen und Subventionen — was immer das heißen mag — um 5°/o zu kürzen.

    (Dr. Friedmann [CDU/CSU]: Sie lenken von Ihren Querelen ab!)

    — Mit Ihnen habe ich darüber auch gesprochen. Soll ich indiskret werden und ein bißchen von dem berichten, was Sie mir gesagt haben?
    Ich bewundere Ihren Mut, mit einem solchen Gemeinplatz einer allgemeinen Fünf-Prozent-Kürzung vor die deutsche Öffentlichkeit zu treten,

    (Beifall bei der SPD)

    und dies zu einem Zeitpunkt, in dem Ihnen die konkreten Beschlüsse der Koalition und der Bundesregierung über Sparmaßnahmen bereits in der Textfassung vorlagen. Sie hätten also vorher feststellen können, daß die Koalition gut 15 steuerliche Subventionen in einem weitaus höheren Maße als um 5 % kürzt und in einer ganzen Reihe von Fällen sogar die völlige Streichung von Subventionen vornimmt. Sie hätten auch vorher bemerken können, daß in den vorliegenden Entwürfen der Regierung Eingriffe in verschiedene, genau ausgewählte Bereiche der staatlichen Leistungsgesetzgebung erfolgen, die im Einzelfall über die von Ihnen genannte Fünf-Prozent-Kürzung durchaus hinausgehen. Uns ist das, was wir dort als gemeinsames Ergebnis von intensiven Koalitionsberatungen zustande gebracht haben, verdammt schwergefallen. Aber wir stehen zu dem dort erreichten Kompromiß. Doch daß Sie als Opposition versuchen, sich von einer vielleicht nicht kritisch genug unterrichteten Öffentlichkeit für ihren schwachen, schwammigen, nicht faßbaren Beschluß einer rasenmäherähnlichen Kürzung um 5°/o auch noch feiern zu lassen, ohne zu sagen, wo diese wirklich wirken soll, ist schon ein starkes Stück.

    (Glos [CDU/CSU]: Unerträglich!)

    Nein, meine Damen und Herren, dies ist nicht seriös, dies ist ein Verwirrspiel. Um diese Art von Sparvorschlägen der Opposition noch einmal treffend zu charakterisieren, mache ich eine Anleihe bei meinem Fraktionsvorsitzenden Herbert Wehner. Herbert Wehner sagt in solchen Fällen zu solchen Plänen treffend: Das ist ein Messer ohne Klinge, dem das Heft fehlt, also eine Null.
    Viel gefährlicher als dieses Null-Spiel ist das, was die CDU/CSU in einigen Beispielen als mögliche Kürzungsabsichten nennt und was bei Herrn Stoltenberg so klingt, als wolle die Bundesratsmehrheit die Bundesregierung auffordern, sie möge in deren Auftrag beschließen. Da sollen Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe gekürzt werden. Da sollen doch die Rentner in die Sparaktion einbezogen werden. Da sollen den Sozialhilfeempfängern die Leistungen beschnitten werden. Mir scheint, da soll der Abstand der Sozialhilfe zu den niedrigsten Lohngruppen vergrößert werden; das steckt wohl dahinter. Da soll bei der Ausbildungsförderung — trotz der bereits vollzogenen Einschnitte durch die 7. Novelle zum BAföG — von der Förderung derjenigen nicht viel übrigbleiben, die als Bezieher kleiner Einkommen die ihnen sonst nicht offenstehende Chance nutzen, ihre Kinder auf weiterführende Schulen zu schicken. Da werden von den Absichten die Behinderten nicht ausgenommen. Da soll verhindert werden, daß die Jugendhilfe endlich reformiert wird.
    Meine Damen und Herren, das Fazit all dieser Absichten ist leider ganz einfach: Während die sozialliberale Koalition es vermieden hat, in die Leistungsgesetze tief einzuschneiden, und trotzdem eine längerfristig wirkende Verbesserung der Struktur des Bundeshaushalts erreicht, macht die Opposition es



    Westphal
    sich zum Ziel, mit unbestimmten 5 %-Kürzungen zu operieren, aber ihre Sparabsichten zur gleichen Zeit auf dem Rücken der kleinen Leute auszutragen.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Rose [CDU/ CSU]: Das glauben Sie doch selber nicht! — Schmitz [Baesweiler] [CDU/CSU]: Sie sind hier doch nicht auf einer Parteiversammlung! Was soll das?)

    Sie hat sich dafür Personengruppen ausgesucht, die alle nicht zu denjenigen gehören, die über ihre Verhältnisse gelebt haben. Ja, die CDU/CSU läßt in ihren Sparvorschlägen — prüfen Sie es bitte nach — alle Personengruppen aus, die von ihrem Einkommen her am ehesten in der Lage wären, einen Beitrag zur Verbesserung der Staatsfinanzen zu erbringen. Dazu sagen wir nein. Es war doch fatal, hier vom Ministerpräsidenten des Landes Bayern die Aufforderung hören zu müssen, daß die Arbeitnehmer fleißiger werden sollten, und dann zur gleichen Zeit zu sagen: Aber beim Arbeitslosengeld werden wir kürzen.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Das war doch Lambsdorff! — Was hat denn Lambsdorff gesagt?!)

    Es war doch fatal, in ein und derselben Rede dieses bayerischen Ministerpräsidenten hier erleben zu müssen, daß er neue Steuersenkungen bei den ertragsunabhängigen Steuern forderte und zur gleichen Zeit sagte, das Arbeitslosengeld müsse gekürzt werden. Wie kann das zusammengehen? Dies macht für uns Sozialdemokraten klar, was wir von Konservativen in unserem Lande zu erwarten hätten, wenn sie regieren würden.

    (Beifall bei der SPD)

    Wir bleiben bei unserem Konzept, das im Verhältnis zu den erkennbaren Absichten der Konservativen auch von demjenigen, der mit dem Koalitionskompromiß an mancher Stelle unzufrieden sein mag, als eine in jeder Hinsicht ausgewogenere Lösung angesehen werden muß.
    Zu dem, was wir Ihnen hier vorgelegt haben, stehen die Sozialdemokraten. Sie haben an einer Reihe von Stellen — ich habe sie hier zum Teil genannt — einige Änderungswünsche. Ich will am Schluß noch einmal sagen: Das Gravierendste für uns ist die Frage, ob es gelingen kann, in Gesprächen mit allen Beteiligten eine bessere, eine gerechtere, eine tragfähige Lösung mit allen Beteiligten in der Kindergeldfrage zustande zu bringen. Uns ist dies sehr wichtig. Wir hoffen, daß wir wenigstens an dieser Stelle ein bißchen Mitwirkung und Mitdenken von einer Opposition erleben werden, die sich hier sonst leider nicht als konstruktiv erwiesen hat. — Vielen Dank.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)



Rede von Richard Wurbs
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Riedl.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Erich Riedl


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Kollege Westphal, wer so verbittert Gift und Galle spuckt und

    (Unruhe bei der SPD)

    derart frustriert im Deutschen Bundestag zu einer zugegebenermaßen ernsten Thematik spricht, der muß doch in den letzten Monaten in seiner Fraktion ganz schreckliche Erlebnisse hinter sich gebracht haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Lachen bei der SPD)

    Herr Kollege Westphal, Sie haben heute dem bayerischen Ministerpräsidenten Strauß vorgeworfen, er habe hier gestammelt. Wenn Sie so reden könnten wie Franz Josef Strauß, dann würden Sie nicht Westphal, sondern Graf von Westphalen heißen müssen. Das darf ich Ihnen mal sagen.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)