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    Plenarprotokoll 9/52 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 52. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 17. September 1981 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Collet 2901 A Begrüßung einer Delegation der Nationalversammlung der Republik Togo 2901 A Fortsetzung der ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1982 (Haushaltsgesetz 1982) — Drucksache 9/770 — in Verbindung mit Beratung des Finanzplans des Bundes 1981 bis 1985 — Drucksache 9/771 — in Verbindung mit Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Verbesserung der Haushaltsstruktur (2. Haushaltsstrukturgesetz) — Drucksache 9/795 — in Verbindung mit Erste Beratung des von den Abgeordneten Kiep, Dr. Jahn (Münster), Dr. Schneider, Dr. Möller, Hauser (Krefeld), Müller (Remscheid), Dr. Waffenschmidt, Dörflinger, Günther, Dr.-Ing. Kansy, Link, Magin, Niegel, Frau Pack, Frau Roitzsch, Ruf, Sauter (Epfendorf), Zierer, Dr. Blüm, Clemens, Erhard (Bad Schwalbach), Faltlhauser, Herkenrath, Kolb, Linsmeier, Dr. Pinger, Rühe, Sick, Repnik und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über steuerliche Vergünstigungen zur Förderung des Wohnungsbaus — Drucksache 9/467 — in Verbindung mit Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung der Investitionstätigkeit im Baubereich und zum Abbau ungleichmäßiger Besteuerung in der Wohnungswirtschaft — Drucksache 9/796 — in Verbindung mit Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung von Verbrauchsteuergesetzen (Verbrauchsteueränderungsgesetz 1982) — Drucksache 9/797 — in Verbindung mit Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Konsolidierung der Arbeitsförderung (Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetz) — Drucksache 9/799 — in Verbindung mit II Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 52. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. September 1981 Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung der illegalen Beschäftigung — Drucksache 9/800 — in Verbindung mit Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Elften Gesetzes über die Anpassung der Leistungen des Bundesversorgungsgesetzes (Elftes Anpassungsgesetz-KOV) — Drucksache 9/801 — in Verbindung mit Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung und Verbesserung der Wirksamkeit kostendämpfender Maßnahmen in der Krankenversicherung (Kostendämpfungs-Ergänzungsgesetz) — Drucksache 9/798 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Lammert, Kiep, Dr. Waigel, Müller (Remscheid), Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Müller (Wadern), Dr. Warnke, Frau Pack, Ganz (St. Wendel), Günther, Frau Hürland, Link, Löher, Prangenberg, Sauer (Salzgitter), Stutzer, Gerstein, Metz, Vogel (Ennepetal), Borchert, Kittelmann, Vogt (Düren), Frau Fischer, Frau Karwatzki, Reddemann, Schwarz, Breuer und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU Strukturkrise der deutschen Stahlindustrie — Drucksache 9/612 — Dr. Häfele CDU/CSU 2902 C Walther SPD 2910 B Hoppe FDP 2916 D Dr. Kohl CDU/CSU 2920 C Genscher, Bundesminister AA 2934 C Dr. h. c. Strauß, Ministerpräsident des Freistaates Bayern 2941 C Dr. Posser, Minister des Landes NordrheinWestfalen 2957 C Westphal SPD 2968 A Dr. Riedl (München) CDU/CSU 2977 B Gärtner FDP 2982 B Dr. Kreile CDU/CSU 2986 C Dr. Spöri SPD 2990 B Frau Matthäus-Maier FDP 2993 D Müller (Remscheid) CDU/CSU 2997 B Glombig SPD 3002 C Cronenberg FDP 3008 B Dr. Ehrenberg, Bundesminister BMA . . 3011 D Dr. Lammert CDU/CSU 3015 A Reuschenbach SPD 3017 B Beckmann FDP 3020 B Nächste Sitzung 3022 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 3023* A Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 52. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. September 1981 2901 52. Sitzung Bonn, den 17. September 1981 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. van Aerssen * 18. 9. Dr. Ahrens ** 18. 9. Amrehn **** 18. 9. Bahr 18. 9. Dr. Bardens ** 17. 9. Becker (Nienberge) 18. 9. Böhm (Melsungen) ** 17. 9. Brandt * 18. 9. Büchner (Speyer) ** 18. 9. Burger 18. 9. Fellner 18. 9. Frau Fischer **** 18. 9. Gobrecht **** 18. 9. Hartmann 18. 9. Hauck 18. 9. Herterich **** 18. 9. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates *** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung **** für die Teilnahme an der 68. Jahreskonferenz der Interparlamentarischen Union Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich- Dr. Holtz **** 18. 9. Graf Huyn 18. 9. Ibrügger *** 18. 9. Klein (München) **** 18. 9. Köhler (Wolfsburg) **** 18. 9. Frau Krone-Appuhn 18. 9. Lemmrich ** 17. 9. Dr. Lenz (Bergstraße) 18. 9. Frau Dr. Lepsius **** 18. 9. Möllemann **** 18. 9. Dr. Müller ** 17. 9. Müller (Wadern) ** 18. 9. Niegel **** 18. 9. Frau Pack ** 17. 9. Rösch ** 18. 9. Dr. Schachtschabel 18. 9. Frau Schlei 18. 9. Schluckebier **** 18. 9. Schröer (Mülheim) 18. 9. Schulte (Unna) ** 17. 9. Dr. Schwarz-Schilling 17. 9. Dr. Schwörer 18. 9. Dr. Stark (Nürtingen) 18. 9. Graf Stauffenberg 18. 9. Dr. Wendig 18. 9. Dr. Wittmann (München) 18. 9. Würzbach 18.9. Zink 18. 9.
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    Ich werde Sie bestimmt nicht enttäuschen.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU — Dr. Graf Lambsdorff [FDP]: Ich danke sehr! Das wäre das erste Mal!)

    Er sagte im Deutschlandfunk am 24. August 1981:
    Wir müssen — ich habe das schon mal gesagt — das Haus Bundesrepublik Deutschland in Ordnung bringen, nicht nur den Haushalt 1982. Und so gesehen steht uns eine schwere Arbeit bevor.
    Sie haben im Westdeutschen Rundfunk am 29. August 1981 auf Anfrage gesagt:
    Ich habe schon bei anderer Stelle gesagt: Den Haushalt 1982 in Ordnung zu bringen, ist die eine Sache, das Haus Bundesrepublik in Ordnung zu bringen ist eine andere Sache, und die ist meiner Meinung nach mit den bisherigen Beschlüssen noch keineswegs gelöst.
    Was am 2./3. September 1981 beschlossen worden ist, war doch nur die Teilausfüllung dessen, was schon Ende Juli festgelegt war.
    Ende August 1981 sagen Sie also: Mit den bisherigen Beschlüssen ist das Problem noch lange nicht gelöst. Ich stimme Ihnen ja zu, Sie sollten sich darüber freuen, statt dagegen zu protestieren. Sie dürfen es doch hier sagen. Aber wenn Sie am 23. August sagen, der Haushalt 1982 sei die eine Sache und das Haus Bundesrepublik in Ordnung zu bringen sei die andere Sache, und diese andere Sache sei mit den bisherigen Beschlüssen noch keineswegs gelöst, dann können es doch nicht Mißverständnisse und Mißdeutungen sein, wenn man das so auffaßt, daß nach Meinung des Grafen Lambsdorff das Haus auch sonst nicht mehr in Ordnung ist.
    Ich darf hier ein Zitat eines Autors bringen, den Sie sicherlich genauso anerkennen wie ich, auch wenn er keinen Anspruch auf biblische Unfehlbarkeit erheben kann, nämlich des ehemaligen Generalbevollmächtigten der Dresdner Bank, Kurt Richebächer, sicherlich in völliger Übereinstimmung mit dem Geist an der Spitze des Hauses. Und wer weiß, was Ihnen noch blüht!

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    Es heißt dort unter dem Thema „Neue Wirtschaftspolitik":



    Ministerpräsident Dr. h. c. Strauß (Bayern)

    Der Unterschied zu den 60er Jahren ist fürwahr unglaublich. Es scheint, als wäre es gar nicht mehr dieselbe Wirtschaft.
    In der Tat, wie wir sehen, ist das alte Wirtschaftssystem innerhalb weniger Jahre bis zur Unkenntlichkeit umgestaltet worden. Es war die geeignetste Politik, auf lange Sicht den industriellen Unternehmergeist zu töten, den technischen Fortschritt zu hemmen und überhaupt die Bedingungen für einen selbsttragenden Aufschwung immer mehr und endgültig zu beseitigen. Es ist tatsächlich wie verhext. Je mehr der Staat eingreift, je mehr er die Konsumeinkommen aufpumpt und auf diese Weise das Sozialprodukt umverteilt, desto schwächer wird dessen Plus, desto weniger bleibt zu verteilen.
    Das ist doch der Auftrag, wie Sie ihn formuliert haben: das Haus wieder in Ordnung zu bringen. Was heißt denn das? Warum ist es nicht in Ordnung? Das sind nicht nur materielle Gründe; das sind geistige und materielle Gründe. Immer mehr Menschen haben eine immer größere Angst vor einer ihnen materiell immer unsicherer erscheinenden Zukunft. Wovor haben sie Angst? Warum haben sie Angst? Einmal vor der Zukunft auf wirtschaftlichem und sozialem Gebiet. Sie haben Angst, daß der Friede immer unsicherer wird; sie haben Angst vor der Bedrohung des Friedens, Angst vor militärischen Konflikten. All das ist doch das Gegenstück der Verheißungen auf wirtschaftlichem und sozialem Gebiet. Das ist doch auch das Gegenstück der Propheten: daß die Entspannungspolitik nunmehr den Frieden jeden Tag sicherer mache.

    (Duve [SPD]: Wo ist das Konzept?)

    — Ja, wie sicher er ist, haben wir ja der Tatsache entnommen, daß Ihr Parteivorsitzender, Herr Brandt, Herr Schmidt, Herr Bahr ständig die Kriegsgefahr als Folge der amerikanischen Bündnispolitik an die Wand malen. Wo sitzen denn die Schuldigen für die heutige Beunruhigung der Bevölkerung?

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Hier sollten wir doch einmal ehrlich reden, statt Allgemeinplätze zu verkünden.

    (Duve [SPD]: Wo ist das Konzept?)

    Herr Graf Lambsdorff, Sie können doch die Frage, warum doch sehr viel Kapital — nicht nur bei der großen Wirtschaft, sondern gerade im kleinen und mittleren Bereiche — in das angeblich sicherere Ausland über den großen Teich geht — das war früher nicht so —, warum immer mehr Produktionsstätten in das kostenmäßig günstigere Ausland verlegt werden, selber beantworten. Warum sind gerade industrielle Zukunftsbranchen immer mehr der Meinung, daß neue Produktionsentwicklungen besser im Ausland vorgenommen werden sollen? Welche Rolle spielt die Überlastung mit Steuern, Sozialabgaben und sonstigen Abgaben, Gebühren und Beiträgen? Wohin führt die zunehmende Verteufelung der industriellen Technik, zu der immer größere Teile, nicht nur der Randgruppen, der Regierungsparteien übergegangen sind?
    Unser Staat ist nicht in Ordnung. Der Zustand des Geldwesens eines Volkes ist ein Symptom aller seiner Zustände. Das ist nicht meine Weisheit, das habe ich bei Herrn Schumpeter abgeschrieben, der sich sogar als Sozialist bezeichnete. Die Anspruchsmentalität, die Umverteilungspsychose, der Staat, die große Reservekasse. Sozialleistungen sollten gewährt werden auf Grund erworbener Rechtsansprüche oder auf Grund echter Bedürftigkeit, aber — ich unterscheide mich auch von manchem hier in den eigenen Reihen — nicht als Gießkannenleistungen. Wer sie nicht braucht, der soll auch nicht in den Genuß von Sozialleistungen kommen, damit wir endlich einmal unser Geld für wirkliche Schwerpunkte ausgeben können, um den Sozialstaat in seiner Substanz zu erhalten. Ich weiß schon, wie schwierig die Abgrenzungsprobleme sind. Dazu kommt die Falschbewertung der Arbeitsleistung, die falsche Vorstellung vom Sozial- und Bildungsstaat; dazu kommt die falsche Friedensbewegung in unserer Zeit. Aber das ist das Thema, mit dem sich Helmut Kohl in seiner Rede im besonderen befaßt hat.

    (Zuruf von der SPD: Damit hat er sich nicht auseinandergesetzt!)

    Es geht nicht nur darum, Wirtschaft und Finanzen in Ordnung zu bringen; ohne deren Gesundung geht es nicht. Aber vorher, am Beginn muß die geistige Wende stehen, der grundsätzliche Kurswechsel, der mehr erfordert als eine optische, technische Ausgleichung des Haushalts und der mehrjährigen Finanzplanung.
    Nun zu dem, was zu diesem Thema im engeren Sinn des Wortes zu sagen ist.

    (Westphal [SPD]: Nach eineinviertel Stunden!)

    Hat man denn nie gelernt, daß es ein Aberglaube ist, durch Erhöhung der Einkommensteuern das Geld für eine Belebung der Wirtschaft und für einen Abbau der Arbeitslosigkeit gewinnen zu wollen? Wer dieser Ergänzungsabgabe das Wort spricht — selbst der Bundeskanzler hat gesagt, er wäre dafür, wenn ihr Ertrag für die Wirtschaftsbelebung verwendet würde —, der versteht doch wirklich nichts von wirtschaftlichen Zusammenhängen in einer freien — wenn auch sozialen — Marktwirtschaft.
    Wir hatten doch die Ergänzungsabgabe. Wir haben sie damals in einer Zeit hochgehender Konjunktur, im Jahre 1968, eingeführt. Es war ein sozialdemokratisches Regierungsmitglied, das im damaligen Kabinett die Einführung der Ergänzungsabgabe beantragt hat. Mehr möchte ich nicht sagen. Es war eine Untat, diese ursprünglich als zeitweilig begrenzte Ergänzungsabgabe dann in den Tarif einzubauen. Und jetzt kommt derselbe Schwindel wieder. Der Tarif ist angehoben worden, und jetzt soll eine neue zeitlich begrenzte Ergänzungsabgabe erhoben werden. Das glaubt doch niemand mehr. Wenn sie käme — sie kommt ja nicht; ein Dankeschön an die Adresse des einen Koalitionspartners —, dann würde sie mit Sicherheit bald in den Tarif eingearbeitet werden, und dann würden ihre Erträge in die normale Finanzmasse eingereiht werden. Das ist das Schreckliche an diesem Bundeskanzler mit seinem Day-by-day-Management: von der Hand in den Mund. — Ihre Kollegen sind schon unruhig und un-



    Ministerpräsident Dr. h. c. Strauß (Bayern)

    terbrechen mich dauernd. Jetzt muß ich weiterlesen.
    Nichts vergessen, nichts gelernt! Der wirtschaftliche Sachverstand wurde an der Garderobe abgegeben. Hat man denn nichts aus der Tatsache gelernt, daß wir in den 70er Jahren ein halbes Dutzend Konjunkturprogramme mit einem Aufwand von 50 Milliarden DM hatten? Was war denn los? Strohfeuereffekt! Am Schluß hat es immer mehr Arbeitslose gegeben als vorher.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Von nachhaltiger Wirtschaftsbelebung kann doch überhaupt keine Rede sein.
    Was brauchen wir denn? Wirtschaftswachstum, Wiederherstellung der finanziellen Investitionsfähigkeit, vor allem im mittelständischen Bereich, Wiedergewinnung der Investitionsbereitschaft. Das sind materielle und psychologische Faktoren. Aber, lieber Graf Lambsdorff, es hat doch keinen Sinn, regelmäßig, beinahe mit om-mani-padme-hum-artiger Periodizität, immer wieder zu verkünden, daß es demnächst aufwärtsgehe. Man braucht nur in Boulevardzeitungen vom letzten Sonntag zu lesen: „Den Deutschen geht es 1982 besser", „Graf Lambsdorff sieht eine Besserung der Konjunktur im Jahr 1982". Wie oft haben Sie eigentlich im Laufe Ihrer Amtszeit — genauso wie Ihre Vorgänger — eine Besserung der Konjunktur in Aussicht gestellt! Da muß man vor solchen Prophezeihungen glatt Angst haben.
    Der Faktor Psychologie ist in der Wirtschaft von entscheidender Bedeutung, aber nur dann, wenn die Rahmenbedingungen objektiv günstig sind. Nur dann!

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich habe einmal — Herr Wehner hat mich ja öfter zitiert — in einer Rede gesagt, daß man eine gute Konjunktur durch pessimistisches Gerede zerschwätzen kann. Das stimmt. Wenn es objektiv gut steht, kann man durch Miesmacherei eine Konjunktur kaputtreden. Man kann aber nicht umgekehrt eine schlechte Konjunktur nach der Methode Coué — du wirst schon gesund, gesund, gesund; tausendmal wiederholt — wieder in Schwung bringen. Die Bezeugungen eines künstlichen Optimismus bei objektiv schlechten Umständen sind die sicherste Garantie für einen Rückschlag, der in absehbarer Zeit wieder zu erwarten ist.
    Nun hat mich Graf Lambsdorff gefragt, was ich zur Behebung des Mißstandes vorschlagen würde, dieses auch von ihm zugegebenen Mißstandes, der ihn zu der mannhaften Forderung verleitet hat, es müsse die Wende eintreten, nicht nur beim Haushalt, sondern insgesamt, und es müsse das ganze Haus — nicht nur der Haushalt für 1982 — in Ordnung gebracht werden. Ich will Ihnen einmal sagen, was ich davon denke. Ein Teil davon ist meine Meinung, aber der größte Teil ist die Meinung aller Ministerpräsidenten; wir konnten noch nicht alles abstimmen.
    Erstens. Wir sagen selbstverständlich nein zur Ergänzungsabgabe, gleichgültig, für welche Zwecke sie vorgesehen werden sollte. Denn aus dem Hinterkopf des sozialdemokratischen Koalitionspartners ist das Lieblingsspielzeug Ergänzungsabgabe noch lange nicht verschwunden.

    (Dr. Jenninger [CDU/CSU]: Im Protokollvermerk steht es!)

    Wir sagen auch nein zu einer bereits heute am Horizont auftauchenden Erhöhung der Mehrwertsteuer.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich werde mir nicht untreu, wenn ich hier abermals sage, daß ich nicht grundsätzlich gegen eine Erhöhung der indirekten Steuern bin, schon damit das Gleichgewicht zwischen dem Ertrag der direkten und der indirekten Steuern allmählich wieder herbeigeführt wird, wobei aber der Ertrag aus der Erhöhung indirekter Steuern zur Senkung des Ertrages aus direkten Steuern,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    vor allem der ertragsunabhängigen, in der Rezession substanzverzehrenden Steuern und des allgemeinen Tarifs der Lohn- und Einkommensteuer, zu verwenden wäre. Steuern zu erhöhen, nur um mehr Geld zu haben, ist kein Programm der Sanierung.

    (Westphal [SPD]: Bis jetzt haben Sie noch keine Mark eingespart!)

    — Sie wollen doch jetzt hören, war wir meinen.

    (Westphal [SPD]: Aber bis jetzt haben Sie noch keine Mark eingespart!)

    Wir haben allergrößte Bedenken gegen alle steuerlichen Maßnahmen, die eine weitere Belastung der Wirtschaft bedeuten, z. B. gegen eine Abschaffung des Vorsteuerabzugs bei der Anschaffung von Betriebs-Pkw. Das ist doch gegen das System der Mehrwertsteuer, wie wir es seinerzeit gemeinsam in diesem Haus eingeführt haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Alle anderen steuerlichen Maßnahmen werden von uns unter dem Gesichtspunkt beurteilt, daß sie auf keinen Fall zu einer neuen Belastung der Investitionsfähigkeit und Investitionsbereitschaft der Wirtschaft führen dürfen. Hier darf ich auch sagen: nein zur Lohnsteuerpauschalierung für Teil- und Aushilfsbeschäftigte. Ich frage einmal, Herr Genscher und Herr Lambsdorff: Ist denn das wirklich Ihre Philosophie?
    Wir sagen auch nein

    (Zuruf von der SPD: Das achte Mal!)

    zur 'Einbeziehung der Niedrigsteinkommen unter 390 DM in die Renten- und allgemeine Sozialversicherungspflicht.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das führt doch zur Schwarzarbeit oder zu mehr Arbeitslosigkeit.

    (Zurufe von der SPD)

    Wir lehnen den von der Bundesregierung vorgeschlagenen Steuerabzugsbetrag für Kinder ab, weil er dem Prinzip der Besteuerung nach der wirtschaft-



    Ministerpräsident Dr. h. c. Strauß (Bayern)

    lichen Leistungsfähigkeit im Zusammenhang mit den Wohnungsbauproblemen widerspricht.

    (Westphal [SPD]: Bis jetzt haben Sie nur das Loch vergrößert!)

    Wir sind deshalb für eine Verdoppelung der Abschreibungshöchstsätze für Familien mit Kindern. Genauso lehnen wir eine Einschränkung bei der steuerlichen Behandlung von Zwei- oder Mehrfamilienhäusern ab, weil sie nicht sachgerecht ist.
    Wir können Einsparungen erzielen, wir müssen sie erzielen — ich sage: wir können sie auch erzielen —

    (Dr. Spöri [SPD]: Jetzt bin ich gespannt!)

    zur Entlastung des Bundeshaushalts, aber auch der Länderhaushalte. Es geht nicht an, daß der Bund Einsparungen und Steuermehrungen zur Verbesserung seiner Kassenlage mit einer Überwälzung auf die Sozialhilfe bei Ländern und Gemeinden vornimmt.

    (Dr. Spöri [SPD]: Welche konkret?)

    — Ja, ich sage es Ihnen ganz genau. Haben Sie doch ein bißchen Geduld!

    (Westphal [SPD]: Aber nicht mehr lange! Eineinhalb Stunden warten wir auf Ihre Vorschläge!)

    Zur Entlastung des Bundeshaushalts, aber auch der Länderhaushalte schlagen wir Einsparungen im Bereich des BAföG vor, wobei die Größenordnung von der Einzelausgestaltung abhängt. Wir werden uns im Bundesrat mit einem ausformulierten Gesetzentwurf zu dieser Streichung gewisser Leistungen bei BAföG im einzelnen äußern.

    (Westphal [SPD]: Verdammt konkret, Herr Strauß, was Sie vorschlagen! Einen Monat lang können Sie sich überlegen, was Sie vorschlagen!)

    — Dieser Gesetzentwurf liegt ja vor, Herr Kollege Westphal. Aber Sie können von mir nicht gleichzeitig Kürze und die Darlegung aller Einzelheiten verlangen. Einsparungen können und müssen im Bereich von BAföG und auch im Bereich des Bundessozialhilfegesetzes erzielt werden.

    (Westphal [SPD]: Jawohl, immer auf die Schwachen!)

    Die Einsparungen auf diesen beiden Gebieten sollten in einer Größenordnung — was ich hier sage, ist nicht allein meine Meinung, sondern die Meinung aller Unionsministerpräsidenten — zwischen 1,5 und 2 Milliarden DM liegen.

    (Dr. Diederich [Berlin] [SPD]: Also doch soziale Demontage!)

    Sie wissen, daß für die Bundessozialhilfe jährlich 15 Milliarden DM und für BAföG etwa 3,5 Milliarden DM ausgegeben werden, so daß die Einsparungen von diesen insgesamt 18,5 Milliarden DM etwa 10% ausmachen. Welche Mißbräuche hier vorgekommen sind und noch vorkommen, brauche ich hier nicht im einzelnen zu schildern. Aber es geht gar nicht um die Abstellung von Mißbräuchen, es geht darum, jetzt das Notwendige zu finanzieren und auf das Wünschenswerte zu verzichten, damit die Finanzierungskraft für das Notwendige auch tatsächlich erhalten bleibt. Ich scheue mich nicht, auch für meine Person zu sagen — —

    (Gansel [SPD]: „Daß ich auf BAföG verzichte"! — Heiterkeit bei der SPD — Dr. Marx [CDU/CSU]: Alles Parterre!)

    — Bei Ihnen nützt es nichts, und ich brauche es nicht. Ich meine den Verzicht auf BAföG.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich scheue mich nicht, für meine Person zu sagen, daß im Bereich des Arbeitslosenunterstützungssystems drei Punkte überprüft werden müssen: die Höhe, die Bemessungsgrundlage, von deren Änderung man sich nicht zuviel erwarten darf — da sind höchstens 400 Millionen DM drin —, und die Frage der Zumutbarkeit. Wenn man das heute von sich weist, wird man angesichts der leider bei Fortsetzung dieser Politik zu erwartenden Erhöhung der Arbeitslosigkeit dieses Thema in einem, spätestens in zwei Jahren mit noch größeren und allmählich unlösbar werdenden Problemen wieder auf dem Tisch haben: Höhe, Bemessungsgrundlage und Zumutbarkeit. Die Ausgaben der Bundesanstalt für Arbeit in Nürnberg für die Arbeitslosenunterstützung betragen zur Zeit 18 Milliarden DM im Jahr mit steigender Tendenz.
    Der Herr Bundesminister für Wirtschaft, Graf Lambsdorff, spricht von unerträglicher Belastung der Wirtschaft durch Lohnfortzahlung — ein sehr interessantes Thema! — und verlangt einschneidende Maßnahmen zur Beseitigung dieses von ihm in drastischen Farben gemalten Mißstandes. Aber, Graf Lambsdorff, es wäre schon gut, wenn Sie das nicht nur in Ihren Verbandsreden am Samstag für die Springer-Presse des Sonntags sagen würden, sondern wenn Sie diese Dinge in Ihrer Koalition und am Kabinettstisch mit Nachdruck vertreten würden. Ich habe allerdings selbst bei sorgfältiger Zeitungslektüre nicht herausgefunden, was Sie damit im einzelnen meinen. Graf Lambsdorff, ich kenne die Klagen vor allem aus dem Bereich der mittelständischen Wirtschaft, die Klagen, daß das für sie eine unerträgliche Last bedeutet. Bei der Großwirtschaft schlägt es weniger zu Buche, obwohl dort die Zustände genauso sind. Aber könnten Sie uns hier einmal sagen — auch dann, falls ich es nicht mehr höre, nämlich wenn Sie es morgen sagen —, wie hoch nach Ihrer Meinung die Belastung ist und welche Möglichkeiten es gibt, diese Belastung abzubauen?
    Ich stelle diese Frage nicht polemisch, Graf Lambsdorff, bestimmt nicht polemisch, wie ich ja auch vorhin, als ich vom Arbeitslosengeld sprach, meinen Kopf hingehalten und aus dem Fenster gehängt habe. Sie wissen, daß manche meiner Freunde sicherlich Bedenken haben, wenn ich das hier sage, aber ich spreche hier als bayerischer Ministerpräsident, als Mitglied des Bundesrates und als einer, der sich für die Gesamtheit nicht nur im Parteiverbund verantwortlich fühlt, und das schließt bei uns die Freiheit ein, auch so etwas zu sagen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)




    Ministerpräsident Dr. h. c. Strauß (Bayern)

    Wie sollen nach Ihrer Meinung Karenztage aussehen? Sollen Angestellte und Beamte einbezogen werden?

    (Zuruf von der FDP: Ja!)

    Ich habe Ihren Angaben dazu ein Ja entnommen; es wird mir eben zugerufen, und ich wollte das auch selber sagen.
    Wie steht es mit der in Tarifverträgen vereinbarten Lohnfortzahlung? Soll eine gesetzliche Regelung die Tarifverträge ausnehmen oder Tarifverträge ändern? Es ist natürlich ein sehr dubioses Kapitel, durch Gesetze die Tarifautonomie — wenn auch nur an einem Zipfel, aber doch an einem fühlbaren Zipfel — einzuschränken.

    (Zuruf von der SPD: Was schlagen Sie denn vor?)

    Die Antwort auf diese Frage wäre für uns sehr interessant.
    In Verbindung damit die nächste Frage: Wie stellen Sie sich zur Frage der Wiedereinführung des vertrauensärztlichen Dienstes zwecks Verhinderung von Mißbräuchen bei ärztlichen Bescheinigungen? Da liegen doch manche — so darf ich sagen — Gestaltungsräume.
    Ich wäre sehr froh, wenn Sie das einmal zum Gegenstand einer öffentlichen Diskussion machen würden, wenn Sie Ihre Vorschläge dazu im einzelnen darlegen würden.


Rede von Dr. Annemarie Renger
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    Bitte.

    (Westphal [SPD]: Es ist unverschämt, Herr Strauß! Mir haben Sie zweimal Fragen abgeschlagen! Ich habe nichts dagegen, daß Sie Herrn Genscher fragen lassen, aber dies ist unverschämt! — Zustimmung bei der SPD)

    — Ich verstehe nicht, was Sie meinen, Kollege Westphal. Sie können doch hier nicht die Freiheit der parlamentarischen Rede durch Ihre unqualifizierten Bemerkungen einschränken wollen!

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich darf hier doch wohl noch Fragen zulassen!