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ID0905200200

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    Plenarprotokoll 9/52 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 52. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 17. September 1981 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Collet 2901 A Begrüßung einer Delegation der Nationalversammlung der Republik Togo 2901 A Fortsetzung der ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1982 (Haushaltsgesetz 1982) — Drucksache 9/770 — in Verbindung mit Beratung des Finanzplans des Bundes 1981 bis 1985 — Drucksache 9/771 — in Verbindung mit Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Verbesserung der Haushaltsstruktur (2. Haushaltsstrukturgesetz) — Drucksache 9/795 — in Verbindung mit Erste Beratung des von den Abgeordneten Kiep, Dr. Jahn (Münster), Dr. Schneider, Dr. Möller, Hauser (Krefeld), Müller (Remscheid), Dr. Waffenschmidt, Dörflinger, Günther, Dr.-Ing. Kansy, Link, Magin, Niegel, Frau Pack, Frau Roitzsch, Ruf, Sauter (Epfendorf), Zierer, Dr. Blüm, Clemens, Erhard (Bad Schwalbach), Faltlhauser, Herkenrath, Kolb, Linsmeier, Dr. Pinger, Rühe, Sick, Repnik und der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über steuerliche Vergünstigungen zur Förderung des Wohnungsbaus — Drucksache 9/467 — in Verbindung mit Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Stärkung der Investitionstätigkeit im Baubereich und zum Abbau ungleichmäßiger Besteuerung in der Wohnungswirtschaft — Drucksache 9/796 — in Verbindung mit Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung von Verbrauchsteuergesetzen (Verbrauchsteueränderungsgesetz 1982) — Drucksache 9/797 — in Verbindung mit Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Konsolidierung der Arbeitsförderung (Arbeitsförderungs-Konsolidierungsgesetz) — Drucksache 9/799 — in Verbindung mit II Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 52. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. September 1981 Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung der illegalen Beschäftigung — Drucksache 9/800 — in Verbindung mit Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Elften Gesetzes über die Anpassung der Leistungen des Bundesversorgungsgesetzes (Elftes Anpassungsgesetz-KOV) — Drucksache 9/801 — in Verbindung mit Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ergänzung und Verbesserung der Wirksamkeit kostendämpfender Maßnahmen in der Krankenversicherung (Kostendämpfungs-Ergänzungsgesetz) — Drucksache 9/798 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Lammert, Kiep, Dr. Waigel, Müller (Remscheid), Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Müller (Wadern), Dr. Warnke, Frau Pack, Ganz (St. Wendel), Günther, Frau Hürland, Link, Löher, Prangenberg, Sauer (Salzgitter), Stutzer, Gerstein, Metz, Vogel (Ennepetal), Borchert, Kittelmann, Vogt (Düren), Frau Fischer, Frau Karwatzki, Reddemann, Schwarz, Breuer und Genossen und der Fraktion der CDU/CSU Strukturkrise der deutschen Stahlindustrie — Drucksache 9/612 — Dr. Häfele CDU/CSU 2902 C Walther SPD 2910 B Hoppe FDP 2916 D Dr. Kohl CDU/CSU 2920 C Genscher, Bundesminister AA 2934 C Dr. h. c. Strauß, Ministerpräsident des Freistaates Bayern 2941 C Dr. Posser, Minister des Landes NordrheinWestfalen 2957 C Westphal SPD 2968 A Dr. Riedl (München) CDU/CSU 2977 B Gärtner FDP 2982 B Dr. Kreile CDU/CSU 2986 C Dr. Spöri SPD 2990 B Frau Matthäus-Maier FDP 2993 D Müller (Remscheid) CDU/CSU 2997 B Glombig SPD 3002 C Cronenberg FDP 3008 B Dr. Ehrenberg, Bundesminister BMA . . 3011 D Dr. Lammert CDU/CSU 3015 A Reuschenbach SPD 3017 B Beckmann FDP 3020 B Nächste Sitzung 3022 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 3023* A Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 52. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 17. September 1981 2901 52. Sitzung Bonn, den 17. September 1981 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. van Aerssen * 18. 9. Dr. Ahrens ** 18. 9. Amrehn **** 18. 9. Bahr 18. 9. Dr. Bardens ** 17. 9. Becker (Nienberge) 18. 9. Böhm (Melsungen) ** 17. 9. Brandt * 18. 9. Büchner (Speyer) ** 18. 9. Burger 18. 9. Fellner 18. 9. Frau Fischer **** 18. 9. Gobrecht **** 18. 9. Hartmann 18. 9. Hauck 18. 9. Herterich **** 18. 9. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates *** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung **** für die Teilnahme an der 68. Jahreskonferenz der Interparlamentarischen Union Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich- Dr. Holtz **** 18. 9. Graf Huyn 18. 9. Ibrügger *** 18. 9. Klein (München) **** 18. 9. Köhler (Wolfsburg) **** 18. 9. Frau Krone-Appuhn 18. 9. Lemmrich ** 17. 9. Dr. Lenz (Bergstraße) 18. 9. Frau Dr. Lepsius **** 18. 9. Möllemann **** 18. 9. Dr. Müller ** 17. 9. Müller (Wadern) ** 18. 9. Niegel **** 18. 9. Frau Pack ** 17. 9. Rösch ** 18. 9. Dr. Schachtschabel 18. 9. Frau Schlei 18. 9. Schluckebier **** 18. 9. Schröer (Mülheim) 18. 9. Schulte (Unna) ** 17. 9. Dr. Schwarz-Schilling 17. 9. Dr. Schwörer 18. 9. Dr. Stark (Nürtingen) 18. 9. Graf Stauffenberg 18. 9. Dr. Wendig 18. 9. Dr. Wittmann (München) 18. 9. Würzbach 18.9. Zink 18. 9.
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    Rede von Dr. Hansjörg Häfele


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Am 20. August dieses Jahres, also vor noch nicht ganz einem Monat, hat Herr Genscher, der FDP-Vorsitzende und Vizekanzler der Bundesregierung, einen Brief an führende Persönlichkeiten seiner Partei gerichtet. In diesem Brief heißt es u. a.: „Unser Land steht an einem Scheideweg."

    (Richtig! bei der CDU/CSU)

    Und weiter:
    Nein, jetzt geht es darum, die Weichen deutlich auf mehr Selbstverantwortung, auf Leistung und Selbstbestimmung zu stellen, d. h. eben auf mehr Freiheit.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Die CDU/CSU teilt die Bewertung unserer Lage durch Sie, Herr Genscher. Sie teilt aber auch die Bewertung des Ergebnisses von zwölf Jahren Regierungspolitik durch die SPD und FDP.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Es ist Aufgabe der Opposition, nüchtern zu prüfen, ob die Finanzbeschlüsse der Bundesregierung die von Ihnen, Herr Genscher, geforderte durchgreifende Wende gebracht haben.
    Zunächst möchte ich durchaus anerkennen, daß es für die Bundesregierung keine leichte Aufgabe war, die Ausgaben gegenüber der Fortschreibung der bisherigen Finanzplanung herunterzuführen. Sonst hätten wir womöglich eine Neuverschuldung von 46 oder gar 50 Milliarden DM statt von 26,5 Milliarden DM erhalten. Ich will auch durchaus anerkennen, daß die Regierung schließlich Eingriffe in Besitzstände, auch gesetzliche Besitzstände vorgenommen hat. Daß das für die Regierung nicht einfach war, liegt auf der Hand. Aber es war für sie besonders schwer, da das Problem der Staatsverschuldung noch vor einem Jahr — es ist noch nicht ganz ein Jahr her —, vor dem 5. Oktober 1980 vor allem durch den Bundeskanzler in einer nicht vertretbaren Weise verniedlicht wurde.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich habe in diesen Tagen zufällig eine Äußerung von Niccolò Machiavelli in die Hand bekommen,

    (Wehner [SPD]: Ach Gott!)

    die geradezu prophetisch, Herr Wehner, für das
    geschrieben ist, was Ihr Bundeskanzler Schmidt



    Dr. Häfele
    vor einem Jahr an Wählertäuschung in puncto Staatsverschuldung vorgenommen hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Wehner [SPD]: Gut gemeint, aber ...!)

    Es heißt hier:
    Großes leistet ein Fürst, der es versteht, seinem Volke entgegen den landläufigen Begriffen von Treu und Glauben die Köpfe zu verdrehen. Nie dürfen ihm gute Gründe fehlen, sein Tun zu beschönigen. Zustatten kommt ihm, wenn er ein Meister der Schönfärbekunst ist.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

    Daß es für Sie, Herr Wehner, besonders schwierig ist, Eingriffe in soziale Besitzstände vorzunehmen, muß man verstehen. Denn Sie haben den Bürgern jetzt teilweise Dinge weggenommen, wegnehmen müssen, was, wenn man es vor einem Jahr oder zwei Jahren vorgeschlagen hätte, von Ihnen als „soziale Demontage" kritisiert und gebrandmarkt worden wäre.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das war doch das Schlimme der letzten Jahre, daß jeder, der auch nur den schüchternen Versuch gemacht hat,

    (Wehner [SPD]: Waren Sie je schüchtern?)

    zu sagen, daß die Ausuferung der Staatsleistungen nicht so weitergehen kann und zu einem bösen Ende führen muß, von Ihnen sofort mit dem Totschlagwort „soziale Demontage" belegt worden ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der CDU/CSU: So ist es!)

    Ich schlage Ihnen vor, daß wir dieses böse, giftige Wort sofort aus unserem Wortschatz streichen. Es führt nur zu mehr Vergiftung, und es führt noch mehr in die finanzpolitische Sackgasse, in der wir ohnedies schon sind.
    Eine Überprüfung der Auswirkungen der Finanzbeschlüsse führt uns zu folgendem Resultat: Das Ergebnis ist unzureichend, vor allem im Vergleich zu den Ankündigungen, und es ist teilweise fehlerhaft.
    Erstens. Es ist unzureichend. Wenn wir die Neuverschuldung, also die Zunahme der Verschuldung, des Bundes in den kommenden Jahren an den Zahlen der Regierung ablesen, müssen wir feststellen, daß die Neuverschuldung auch in den kommenden Jahren mit die höchste seit Bestehen der Bundesrepublik Deutschland sein wird. Für 1982 nehmen Sie 26,5 Milliarden an, für 1983 25,8 Milliarden und für 1984 24,5 Milliarden.
    Im ersten Jahr — das will ich durchaus anerkennen — wäre dies als erster Schritt noch hinnehmbar, wenn diese Zahl von 26,5 Milliarden glaubhaft wäre. Aber nach den Erfahrungen der letzten Jahre ist diese Glaubwürdigkeit eben nicht vorhanden. Was haben wir in diesem Jahr 1981 erlebt! Zunächst legte die Regierung einen Entwurf mit einer Neuverschuldung von 27,4 Milliarden vor. Sie bestritt hartnäckig, daß das nicht stimme. Ganz am Schluß mußte sie dann zugeben, daß die Neuverschuldung sich im laufenden Jahr sogar auf 33,8 Milliarden beläuft.

    (Dr. Friedmann [CDU/CDU]: Auch das reicht nicht!)

    Wir fragen uns: Wo werden wir am Schluß dieses Jahres enden? Sind es nur 35 Milliarden, oder bewegt sich die Neuverschuldung in Richtung 40 Milliarden?
    Dieses Vertrauen ist für die kommenden Jahre der mittelfristigen Finanzplanung erst recht nicht gerechtfertigt. Und darauf kommt es vor allem an. Ein Jahr allein ist nicht mehr entscheidend, um die Glaubwürdigkeit herzustellen, sondern es geht um das Vertrauen, daß in den nächsten Jahren insgesamt mit einer durchgreifenden Herabführung der Neuverschuldung tatsächlich Ernst gemacht wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Herr Finanzminister Matthöfer, Sie haben gestern dankenswerterweise selber einige Risiken beim Namen genannt, die in der Tat vorhanden sind. Das sollte uns alle mit Sorge erfüllen. Dazu gehören u. a. die gesamtwirtschaftlichen Daten und die Zahl der Arbeitslosen.
    Ein großes Risiko ist der Verteidigungshaushalt. Hier nehmen Sie für 1982 eine nominelle Steigerung von 4 % an. Bei einer Preissteigerungsquote im Augenblick von 6 % sinkt der Verteidigungshaushalt real, obwohl Sie international im Wort sind, die Verteidigungsausgaben um 3 % real zu erhöhen. Noch schlimmer ist es in den Jahren darauf. Sie nehmen beim Verteidigungshaushalt eine Steigerungsquote von nominell 2,5 % je Jahr an. Mit Sicherheit kann dies nach den Erfahrungen, die wir gerade im Verteidigungshaushalt im Laufe dieses Jahres gehabt haben, keine realistische Größe sein.
    Ein weiteres Risiko ist bei der Bundesbahn. Sie stocken im kommenden Jahr die Zuschüsse für die Bundesbahn um 250 Millionen auf 12,8 Milliarden auf. So soll der Zuschuß für die kommenden Jahre festgeschrieben werden. Wenn Sie dies tun, ist es nur eine Verschiebung der Verschuldung auf die Bahn. Dann wird die Bahn genötigt, eine zusätzliche Verschuldungspolitik in den kommenden Jahren zu treiben, die alles Bisherige noch in den Schatten stellt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ob der Bund sich unmittelbar verschuldet oder die Bahn, ist volkswirtschaftlich im Ergebnis genau das gleiche.
    Ein weiteres Risiko: bei den Zinsausgaben. Im kommenden Jahr ist dies die höchste Steigerungsquote überhaupt mit 36% Steigerung. In den Jahren darauf ab 1983 sinkt dann die Annahme der Regierung: nur noch 13 % 1983 und nur noch 9% Steigerung 1984. Dies erscheint nicht realistisch



    Dr. Häfele
    angesichts der Nichtherunterführung der Neuverschuldung.
    Wir müssen uns kurz einmal klarmachen, was dies für den Bundeshaushalt in den kommenden Jahren bedeutet — trotz der von der Bundesregierung behaupteten eingeleiteten Sanierung. Also selbst wenn ich jetzt die Zahlen der Regierung alle als realistisch zugrunde lege, bedeutet dies folgendes. Im kommenden Jahr muß der Bund mit einer Bruttokreditaufnahme in Höhe von 72,3 Milliarden DM an den Kapitalmarkt gehen. Davon braucht er weit mehr als die Hälfte für die Tilgung bisheriger Schulden, nämlich 45,8 Milliarden DM. Er hebt also seinen Schuldenstand um 26,5 Milliarden an, zahlt aber 23,2 Milliarden DM als Zinsendienst für bisherige Schulden. Nur 3,3 Milliarden DM bleiben also von der Neuverschuldung nach Zinsleistung für echte öffentliche Aufgaben übrig. Dieser Zinsendienst in Höhe von 23,2 Milliarden DM allein beim Bund im kommenden Jahr ist mehr als die Summe für Entwicklungshilfe, Forschung und Technik, Bildung und Wissenschaft sowie Wohnungs- und Städtebau zusammengenommen.
    Der Zinsendienst wächst im kommenden Jahr um 6,2 Milliarden DM und umfaßt damit zwei Drittel des Ausgabenanstiegs des Bundeshaushalts. Der Ausgabenanstieg gegenüber 1981 beläuft sich auf 9,6 Milliarden DM. Zwei Drittel von diesem Ausgabenanstieg sind allein für den Zinsendienst, so daß die tatsächliche Ausgabensteigerungsquote für öffentliche Ausgaben beim Bundeshaushalt sich nur auf etwas mehr als 1 % beläuft. Das muß man einmal ganz nüchtern feststellen.
    Im Jahr darauf: Bruttokreditaufnahme 66,6 Milliarden DM, Tilgung 40,8 Milliarden DM, Nettokreditaufnahme, also Neuverschuldung, 25,8 Milliarden DM, Zinsendienst 26,3 Milliarden DM. Die Neuverschuldung reicht also 1983 schon nicht mehr aus — nach der Planung der Regierung selbst —, den Zinsendienst auszugleichen. Eine halbe Milliarde mehr Zinsendienst als Neuverschuldung! Das bedeutet: Trotz der behaupteten eingeleiteten Sanierung — selbst wenn ich alle diese Zahlen als realistisch akzeptiere — ist in den kommenden Jahren selbst nach den Zahlen der Bundesregierung keinerlei Gestaltungsspielraum für irgendwelche öffentlichen Ausgaben vorhanden.
    Dies ist der tiefste Grund dafür, daß kein Vertrauen bei den Finanzmärkten entstehen kann, daß ein Ende des Verdrängungsprozesses am Kapitalmarkt in Sicht sei, daß dieser Kapitalmarkt wieder mehr für Privatinvestitionen zur Verfügung stehe. Das ist der tiefste Grund, warum wir so schrecklich hohe Zinsen haben, die unsere Investitionstätigkeit belasten und unsere Häuslebauer so hart treffen. Das ist der tiefste Grund.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Spöri [SPD]: Zu einfach!)

    Deswegen sollte der Bundeskanzler endlich davon
    Abstand nehmen, die Vereinigten Staaten von
    Amerika zum Sündenbock für unseren hohen
    Zinsstand zu erklären. Er weiß es selber besser. Wir können uns so lange nicht abkoppeln, so lange niemand glauben kann, daß die Bundesregierung mit dieser hohen Verschuldung fertig werden kann und daß wir mit unserem hohen Leistungsbilanzdefizit in den kommenden Jahren fertig werden.
    Zweitens. Das Ergebnis ist teilweise fehlerhaft. Es sind ja nicht bloß echte Sparbeschlüsse im Sinne von Ausgabeneindämmung, sondern vielmehr teilweise und großenteils Einnahmeverbesserungen des Staates.
    Da ist zunächst einmal die Abführung des Bundesbankgewinns mit mehr als 6 Milliarden DM. Man muß klar sehen, was das volkswirtschaftlich bedeutet. Das bedeutet das gleiche, wie wenn die Neuverschuldung um über 6 Milliarden DM größer wäre, nicht fiskalisch, sondern volkswirtschaftlich gesehen. 32 bis 33 Milliarden DM ist die Inanspruchnahme. Um den entsprechenden Betrag — fragen Sie die Bundesbank, sie wird es Ihnen erklären; wir waren bei ihr — muß die Bundesbank ihre Geldmengensteuerung auf dem privaten Sektor einschränken, damit die Geldmenge nicht entsprechend höher wächst. Das ist die volkswirtschaftliche Betrachtungsweise.
    Es wäre besser gewesen — die Vorschläge waren im Raum —, eine Verstetigung der Ablieferung der Bundesbankgewinne für die kommenden Jahre vorzunehmen. Denn wenn die Politik erfolgreich ist — das wollen wir j a —, werden in den kommenden Jahren keine Gewinne mehr bei der Bundesbank entstehen. Sogar Verluste sind wieder möglich. Dann sind keine Spielräume mehr da. Verstetigung, wie es andere Länder teilweise auch machen, das ist der Vorschlag sowohl der Bundesbank selbst wie auch anderer Sachverständiger gewesen. Man muß klar sehen, daß diese Bundesbankgewinne eine Art „Zinssteuer" sind. Die Bürger und die Investoren, die ohnedies unter den hohen Zinsen hier zu leiden haben, müssen jetzt noch praktisch an den gleichen Fiskus, an die gleiche Regierung, die eine Hauptursache für diese Fehlentwicklung, für diese hohen Zinsen, durch ihre Verschuldungspolitik gesetzt hat, eine Art Zinssteuer entrichten, die der Bundesfinanzminister einkassiert, in Höhe von über 6 Milliarden DM. Der Bundesfinanzminister zieht Gewinne aus den Fehlern der eigenen Finanzpolitik.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die echten gesetzlichen Einsparungen für alle Gebietskörperschaften belaufen sich im kommenden Jahr auf insgesamt 6 bis 7 Milliarden DM. Davon entfällt der Löwenanteil von 5 bis 6 Milliarden DM auf den Bund.
    Herr Finanzminister Matthöfer, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie vielleicht einen Moment zuhören würden. — Herr Matthöfer, Ihre Zahl von 60 Milliarden DM Einsparungen in den kommenden vier Jahren ist nicht zutreffend. Das sind nicht echte Einsparungen, nur knapp zur Hälfte sind das echte gesetzliche Einsparungen, rund 30 Milliarden DM in vier Jahren. Sie haben die Einnahme-

    Dr. Häfele
    verbesserungen und das Verschieben von Ausgaben auf andere öffentliche Träger hier als Einsparung deklariert. Das ist nicht zulässig.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir können nicht als eine Einsparung bezeichnen die Erhöhung des Beitrags für die Arbeitslosenversicherung. Das ist ein Verschieben auf andere Träger und eine Beitragsanhebung. Wir können nicht als Einsparung akzeptieren die Einführung der Versicherungspflicht für geringfügige Tätigkeiten. Wir können nicht als echte Einsparung akzeptieren die Abschaffung der sogenannten originären Arbeitslosenhilfe. Die Betroffenen wandern dann in die Sozialhilfe ab und fallen den Gemeinden und Ländern zur Last. Das sind keine Einsparungen, sondern Verschiebungen und Beitragsanhebungen.
    Die Flucht in Abgabenerhöhungen ist keine Einsparung, sondern ein vermeintlicher Ausweg. Wenn ich einmal addiere, welche Abgabenerhöhungen vorgesehen sind — Arbeitslosenversicherungsbeitragsanhebung, Verbrauchsteueranhebung, die Steuererhöhungen im Zweiten Haushaltsstrukturgesetz und auch die Beibehaltung der Heizölsteuer, die j a eine Steuererhöhung bedeutet —, so komme ich auf Abgabenerhöhungen um 7 Milliarden DM in einem Jahr. Die Abgabenerhöhungen sind mit 7 Milliarden DM also größer als die echten Einsparungen gesetzlicher Art, die die Bundesregierung vorgenommen hat.
    Ein weiterer Mangel ist, daß trotz aller Anstrengungen der Investitionsanteil in den kommenden Jahren sogar sinken wird. — Herr Matthöfer, ich wäre Ihnen überhaupt dankbar, wenn Sie hier nicht Zeitung lesen würden. Ich habe Ihnen gestern anderthalb Stunden zugehört, und das verlange ich auch von Ihnen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Herr Matthöfer, ich setze mich nüchtern mit Ihren Zahlen auseinander. Dann kann ich vom Bundesfinanzminister erwarten, daß er zuhört und nicht Zeitung liest. Legen Sie die Zeitung weg und hören Sie zu!

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU — Wehner [SPD]: Wollen Sie nicht lieber zur Sache kommen?)

    Herr Matthöfer, ich teile

    (Wehner [SPD]: Ja, Sie teilen!)

    Ihre skeptischen Bemerkungen, die Sie gestern bezüglich der öffentlichen Investitionen gemacht haben. Nicht alles, was man gemeinhin unter den Begriff öffentliche Investitionen faßt, bedeutet tatsächlich eine Förderung der privaten Produktivität. Hier teile ich Ihre Auffassung. Trotzdem können wir daraus aber nicht die Schlußfolgerung ziehen: Je höher der konsumtive Anteil bei den öffentlichen Ausgaben ist, desto besser ist es für die private Produktivität. Das wäre sicher eine falsche Schlußfolgerung.

    (Zuruf von der SPD: Das hat er auch nicht gesagt!)

    Aber daß der Investitionsanteil in den kommenden Jahren sogar sinkt, ist sicher nicht der richtige Weg. Wir haben einen Investitionsanteil von 13,8 % im laufenden Jahr; er sinkt über 13,7 % im nächsten Jahr auf bis zu 12,3 % im Jahre 1985. Wenn wir bedenken, daß sich der Investitionsanteil im Bundeshaushalt 1969 noch auf 17 % belief, sehen wir, was dies strukturell bedeutet.
    Ich komme also zu dem Ergebnis: Die Finanzbeschlüsse der Bundesregierung sind unzureichend. Sie sind zudem teilweise fehlerhaft, weil sie zu einem großen Teil aus Einnahmeverbesserungen und nicht aus echten Sparbeschlüssen bestehen, weil sie zu einem Teil aus Verschiebungen auf andere öffentliche Träger bestehen und weil sich die Beschränkungen der Investitionen in den kommenden Jahren fortsetzen. Auf jeden Fall ist es nicht die „große Wende", die der FDP-Vorsitzende und Vizekanzler dieser Regierung angekündigt hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Westphal [SPD]: Wie sieht denn eure aus?)

    Nun ist zu fragen: Warum sind diese Finanzbeschlüsse mißraten? Der tiefste Grund dafür besteht darin, daß sich hier zwei völlig verschiedene Grundauffassungen gegenüberstanden, die auch nicht mit Kompromissen zu vereinbaren sind. Bei einer Seite, im Lager der SPD, die sich die ganze Sommerpause hindurch fast täglich mit der Forderung nach sogenannten Beschäftigungsprogrammen, finanziert durch eine Ergänzungsabgabe und höhere Steuern, artikuliert hat, scheint der Glaube an mehr Staat unausrottbar zu sein. Die andere Grundauffassung — artikuliert in Worten von der FDP — ist: Es komme vor allem darauf an, wieder mehr Privatinitiative und Selbstverantwortung in unserem Land zu haben.

    (Wehner [SPD]: Was ist denn Ihre Grundauffassung, Herr?)

    — Herr Wehner, ich verstehe Sie. Welche Auffassung Sie haben, ist mir sowieso klar. Jetzt geht es darum, daß wir uns mit Ihrer Auffassung auseinandersetzen. Ich werde in meinen Ausführungen auch noch zu Ihnen deutlich Stellung nehmen. — Herr Matthöfer, Sie haben dankenswerterweise — —

    (Wehner [SPD]: Setzen Sie sich mal!)

    — Herr Wehner, ich muß Ihnen einfach mal etwas sagen: Wenn wir uns hier sachlich mit Ihren Beschlüssen auseinandersetzen, dann müssen Sie sich hier auch wie jeder andere Parlamentarier verhalten und zunächst einmal zuhören, und dann können Sie Ihre Meinung sagen. Das verstehe ich unter Parlamentarismus und nicht Ihren Stil.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Wehner [SPD]: Warum werden Sie denn nervös, Herr? Argumentieren Sie doch!)

    Herr Matthöfer, Sie haben gestern dankenswerterweise wiederum — das ist schon das zweite Mal; Sie taten es bereits in Ihrer Einbringungsrede im Januar, und Sie tun es jetzt wieder — betont, es komme vor allem darauf an, die Privatin-



    Dr. Häfele
    vestitionen zu fördern. Bloß: Die Äußerungen aus dem Lager der SPD, die wir ja täglich lesen können, die auf die Forderung nach einem sogenannten Beschäftigungsprogramm über staatliche Ausgaben hinauslaufen, stehen ja in diametralem Gegensatz zu dieser Grundauffassung. Das muß man völlig klar sehen.
    Den tiefsten Grund für diese Fehlentwicklung haben Sie j a selbst in Ihrer Rede, die Sie am 27. Juli vor der SPD-Bundestagsfraktion gehalten haben, angegeben. Sie haben in Zahlen nachgewiesen, wie sich die Investitionslücke im letzten Jahrzehnt in Deutschland insgesamt entwickelt hat. Sie haben gesagt, daß sich die volkswirtschaftliche Investitionsquote noch 1970 auf 27,8 % belief, während es in diesem Jahr nur noch 23,5 % seien. Das sind beachtliche Summen, drückt man sie in Milliarden DM aus. Sie haben weiter gesagt, daß die Sozialversicherungsausgaben im Jahre 1970 noch eine Quote von 16 % ausmachten, während es in diesem Jahr 21,5 seien. Das ist eine völlig zutreffende Diagnose.
    Die Entwicklung des Sozialprodukts in den letzten zehn Jahren verdeutlicht am besten diese Fehlentwicklungen. Das Bruttosozialprodukt ist von 1970 bis einschließlich 1980 nominell um 121 % angewachsen. Die öffentlichen Ausgaben der Gebietskörperschaften und der Sozialversicherung sind aber um 174 % angewachsen. Die Beitragseinnahmen bei der Sozialversicherung stiegen um 184 %, die Schulden der Gebietskörperschaften um 276 %, die Steuern um 137 %, dabei die Lohnsteuer um 218 %. Darin spiegelt sich der Anstieg des sogenannten Staatsausgabenanteils von 38 % im Jahre 1970 auf über 47 % in den letzten Jahren wider.

    (Westphal [SPD]: Darin spiegelt sich auch die Verbesserung unserer sozialen Verhältnisse wider!)

    Das hat übrigens auch zur Folge, daß die Reallohn- und Gehaltssumme je abhängig Beschäftigten geringer gewachsen ist als das reale Bruttosozialprodukt. Das reale Bruttosozialprodukt ist in diesem Jahrzehnt um 32 % gewachsen, dagegen der Reallohn durchschnittlich nur um 20,2 %.

    (Dr. Dregger [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

    Die Löhne und Gehälter der Arbeitenden, auch die Investitionen — das habe ich schon nachgewiesen —, sind geringer gewachsen als die Übertragungseinkommen, die der Staat ausgibt. Das ist das Ergebnis dieser Fehlentwicklung.

    (Westphal [SPD]: Wir haben für mehr soziale Gerechtigkeit gesorgt!)

    Deswegen haben Sie völlig recht — das ist endlich die richtige Diagnose, die Sie, Herr Matthöfer, seit etwa anderthalb Jahren mit uns teilen, nachdem Sie uns Jahre vorher widersprochen haben Wir haben im Verhältnis zu den Investitionen und zu den Leistungen, die erbracht wurden, zuviel Konsum gehabt. Deshalb müssen Sie jetzt zu Recht sagen — das ist keine Ideologie; Sie haben es gestern gesagt, und das anerkennen wir —, daß sich der Staat in konsumtiver Hinsicht zurückziehen muß, daß überhaupt das Konsumtive im Verhältnis zum Investiven zurücktreten muß, daß der Staatsanteil kleiner werden muß, daß die Abgabenlast nicht steigen darf und daß die öffentlichen Ausgaben beschränkt werden müssen. Das ist spätestens deutlich geworden, seit wir im letzten Jahr das höchste Leistungsbilanzdefizit hatten, das je ein Staat in der Geschichte hatte.
    Was Sie, Herr Matthöfer, gestern zu dem Zusammenhang zwischen Staatsverschuldung, Investitionsschwierigkeiten, Investitionskrise und Leistungsbilanzdefizit gesagt haben, ist völlig zutreffend. Bloß hört man jeden Tag Äußerungen aus dem Lager der SPD, die das nicht wahrhaben wollen.
    Was Sie zu den Nachfrageproblemen gesagt haben, ist jetzt völlig zutreffend, im Gegensatz zu dem, was Sie früher immer gesagt haben, vor allem im Gegensatz zu dem, was die SPD heute noch sagt.

    (Dr. Kohl [CDU/CSU]: Und keine Hand hat sich gerührt!)

    Soweit Sie mit Recht sagen, bezüglich der Handelsbilanz zeige sich ein Silberstreifen am Horizont, wissen Sie, daß wir in dieser Frage noch nicht über den Berg sind.
    Sie wissen, daß Sie infolge der Schuldenaufnahme im Ausland — im letzten Jahr rund 22 Milliarden DM, in diesem Jahr etwa der gleiche Betrag; das sind rund 45 Milliarden DM in zwei Jahren — im nächsten Jahr etwa 5 Milliarden DM Zinsen an das Ausland zahlen müssen. Wenn Sie also den Saldo der Handelsbilanz um 5 Milliarden DM verbessern, was wir hoffen, dann wird dies allein durch den Zinsendienst des Bundes an das Ausland im Rahmen der Leistungsbilanz wieder konterkariert. Das wird noch ein großes Problem.
    Wenn wir, was im Augenblick im Gange ist — wir können nur hoffen, daß sich das fortsetzt —, den Kurs der D-Mark zum Dollar und zu anderen Währungen wieder verbessern — auch beim Europäischen Währungssystem wird bald eine Änderung kommen —, dann ist unser Vorteil, den wir im Augenblick durch eine für den Export günstige Kursrelation haben, sehr schnell wieder dahin. Der Kostenvorsprung muß dann erst binnenwirtschaftlich verkraftet werden. Das wird das Hauptproblem des kommenden Jahres sein, was vor allem eine ungeheure Verantwortung für die Lohn- und Gehaltstarifpartner mit sich bringt. Diesen Zusammenhang muß man sehen.
    Aber, meine Damen und Herren, solange Sie nicht in aller Redlichkeit — und das ist die Antwort auf Sie, Herr Wehner — die Ursachen der Fehlentwicklungen auf den Tisch legen, verdienen Sie auch keine Glaubwürdigkeit für die richtige Therapie.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Dies alles, meine Damen und Herren, ist in den letzten zwölf Jahren nicht nur vom Ausland über uns gekommen. In den letzten zwölf Jahren hatte



    Dr. Häfele
    eine SPD/FDP-Regierung die Regierungsverantwortung, und sie trägt die Hauptverantwortung für diese Fehlentwicklung. Ich will Ihnen kurz sagen, worin die Hauptfehler der letzten zwölf Jahre unter dieser Regierungsverantwortung bestanden haben.

    (Dr. Spöri [SPD]: Die Ölpreiskrise findet bei Ihnen nicht statt!)

    Erstens. Die Bundesregierung hat durch ihre Politik der „inneren Reformen" im Ergebnis den Staatsanteil und den Staatseinfluß ausgeweitet, das Anspruchsdenken und die Subventionsbegehrlichkeit gesteigert, die „Belastbarkeit der Wirtschaft ausprobiert", Kostensteigerungen und sinkende Leistungsbereitschaft hervorgerufen und das Schwinden unserer internationalen Wettbewerbsfähigkeit eingeleitet.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das hören Sie nicht gern, aber das ist die Wahrheit.

    (Westphal [SPD]: Das ist leider allein nicht wahr, was Sie da reden!)

    Die Rücktritte der Minister Möller und Schiller 1971 und 1972 waren die ersten Blinkzeichen am Beginn dieses falschen Weges.
    Zweitens. Die Bundesregierung hat, als das Ausland — vor allem durch die Ölpreissteigerungen — einen größeren Anteil an unserem Sozialprodukt verlangte, die sich dadurch verschärfende Krise zu lange als vermeintliche „Beschäftigungspolitik" mit scheinbar bequemen Programmen der Nachfragebelebung und der Staatsverschuldung beantwortet und damit in unserem Volk eine überzogene Konsumhaltung gefördert und Substanzverzehr betrieben.

    (Dr. Spöri [SPD]: Sie waren doch dabei!)

    Drittens. Die Koalition hat mit der Ausbreitung der Philosophie des Neides — Herr Spöri, dazu haben Sie immer beigetragen —

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    und mit der Herabsetzung des Unternehmertums und des Leistungsdenkens bewirkt, daß der Gemeinsinn in unserem Land abnahm und immer mehr vergessen wurde, daß soziale Einstellung auch bedeutet, daß man anderen nicht zur Last fallen darf, wenn man selber etwas leisten kann.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Viertens. Die Bundesregierung hat durch eine Energiepolitik des gleichzeitigen Ja und Nein zur Kernenergie wertvolle Jahre verloren und unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit geschwächt.
    Fünftens. Die Bundesregierung hat die ordentlichen Wachstumsjahre 1978, 1979 und 1980 nicht genutzt, um die Schuldenlawine einzudämmen.
    Sechstens. Die Bundesregierung, vor allem der Herr Bundeskanzler, hat vor der Wahl 1980 das Schuldenproblem in unvertretbarer Weise verniedlicht und Warner als „Panikmacher" abgetan.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Siebentens. Die Bundesregierung stand sich nach der Wahl infolge ihrer Wahlkampftäuschungen selber im Weg und hat nicht den Mut zur Einleitung einer Wende gehabt.
    Achtens. Die Bundesregierung hat jetzt verspätet und nur unzureichend und teilweise fehlerhaft gehandelt, obwohl die FDP die große „Wende" angekündigt hatte.
    Ich komme nun zur Haltung der CDU/CSU. Wir werden die Vorschläge der Bundesregierung in den Ausschüssen nüchtern prüfen. Wir werden uns dabei konstruktiv verhalten.

    (Wehner [SPD]: Hört! Hört!)

    Wir werden zum größten Teil der Einsparungsvorschläge ja sagen können. Wir werden die Abschreibungsverbesserungen unterstützen, weil sie ein richtiger Schritt sind.
    Wir sagen nein zu den Steuererhöhungen. Wir haben nicht zu wenig Abgaben in Deutschland, sondern zu viele öffentliche Ausgaben.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir sagen auch nein zur Erhöhung des Arbeitslosenversicherungsbeitrags. Damit entziehen Sie der Rentenversicherung Finanzmittel, und jedermann weiß, daß damit eine weitere Abgabenerhöhung bei der Rentenversicherung vorgezeichnet ist. Das ist der Marsch in noch mehr Abgaben zu Lasten der Rentenversicherung, zu Lasten der Zukunft der Renten. Wie wollen Sie eine Reform 1984 machen, wie wollen Sie das Problem im Jahre 2000 bei den Renten lösen, wenn Sie jetzt der Rentenversicherung Finanzmittel entziehen?

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir sagen nein zur Kürzung des Kindergeldes. Das richtet sich im Verhältnis zu Ihren sonstigen Maßnahmen, die Sie getroffen und unterlassen haben, einseitig gegen die Familie und ist vor allem wiederum eine Täuschung der Wähler. Man kann das nicht vor der Wahl gesetzlich versprechen, es am 1. Februar nach der Wahl in Kraft setzen und es ein paar Wochen später wieder zurücknehmen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die Steuererhöhungen, die im 2. Haushaltsstrukturgesetz vorgesehen sind, werden wir daraufhin genau überprüfen, ob sie nicht genau in die falsche Richtung gehen, nämlich wirtschaftshemmend sind. Hier haben wir zwei Dinge, die bei uns von vornherein auf jeden Fall Bedenken erwekken. Die Einschränkung der Lohnsteuerpauschalierung für Teilzeitbeschäftigte ist in unserer ökonomischen Lage Gift. Das führt zu weniger Produktivität oder zu mehr Schwarzarbeit, wahrscheinlich zu beidem. Die skurrile Einführung einer Investitionssteuer — Wegfall der Vorsteuer für die Anschaffung von Pkws für Betriebe — ist



    Dr. Häfele
    im Mehrwertsteuersystem absurd und für unsere wirtschaftliche Entwicklung genau falsch.

    (Westphal [SPD]: Erzählen Sie das mal den anderen europäischen Ländern!)

    Im übrigen möchte ich dazu einen Vorschlag machen. Wenn Sie bei der Anschaffung von BetriebsPkws eine 13 %ige Mehrwertsteuerbelastung verlangen, warum tun Sie das dann nicht bei der Anschaffung von Wagen für Minister und Staatssekretäre, wenn bei den Betrieben von vornherein vermutet wird, daß ein Teil privat genutzt wird? Das wäre eine gleiche Behandlung für beide, für die Betriebe und für die Minister und Staatssekretäre. Dann wäre es wenigstens konsequent.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Darüber hinaus erklärt die Opposition ihre Bereitschaft, dazu beizutragen, die öffentlichen Ausgaben noch mehr zu begrenzen. Wir haben hier einige Beispiele dafür vorgelegt, wie weitere Ausgaben begrenzt werden können, etwa daß beim Ausbildungsförderungsgesetz die Flut der Ausgaben eingedämmt wird. Wir haben auch den Vorschlag gemacht, daß die Bemessungsgrundlage bei der Arbeitslosenversicherung mit der Folge geändert wird, daß der Wille und der Anreiz zur Arbeit auf jeden Fall gefördert werden, daß auch die Vermittelbarkeit der Arbeitslosen anwächst und daß sich derjenige, der arbeitet, nicht als der Dumme vorkommt, sondern daß er sagt: Arbeit lohnt sich auf jeden Fall. Dieser Grundsatz muß auf jeden Fall gelten.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir halten es auch für sachgerecht, die Ausuferung bei der Sozialhilfe zu überprüfen. Sie machen es sich einfach. Sie streichen die originäre Arbeitslosenhilfe in Höhe von 600 Millionen DM mit der Folge, daß die Gemeinden Sozialhilfe zahlen müssen. Daß das überprüft werden muß, daß das nicht zusammenpaßt, liegt auf der Hand. Auch das Problem der Scheinasylanten ist bei der Sozialhilfe natürlich mit zu erfassen. Das war Ihr Versagen beim Anpakken dieses Problems.

    (Dr. Spöri [SPD]: Ihr seid Kerle!)

    Darüber hinaus, meine Damen und Herren, haben wir den Vorschlag gemacht, alle Ausgaben auf Grund von Subventionen und Leistungsgesetzen um 5 % zu kürzen. Damit befinden wir uns in Übereinstimmung mit einem Vorschlag des Sachverständigenrates, der in seinem Sondergutachten im Juli dieses Jahres — das sollte von jedem dreimal gelesen werden — diesen Vorschlag auch gemacht hat. Dieser Vorschlag ist auch schon von anderen gemacht worden. Die Schweiz hat in den letzten Jahren gute Erfahrungen damit gemacht, alle Subventionen um 10 % zu kürzen. Auch der Deutsche Industrie- und Handelstag macht seit vielen Monaten den Vorschlag, alle Subventionen um einen bestimmten Prozentsatz zu kürzen.
    Meine Damen und Herren, wenn Sie auf den Boden dieser Vorschläge treten würden, würde das ein Mehr an Einsparungen von über 10 Milliarden für den Gesamthaushalt — nicht nur für den Bund, für den Gesamthaushalt! — mit sich bringen — über die rund 5 Milliarden DM Einsparungen hinaus, die Sie vorgeschlagen haben und die wir wahrscheinlich mittragen werden. Bloß müssen Sie sich, wenn wir das mittragen sollten, anständig verhalten, und nicht so, wie Sie es gerade tun, Herr Wehner.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, mit diesen eigenen Sparvorschlägen und mit der Bereitschaft, Sparvorschläge von Ihnen mitzutragen, verhält sich die Opposition konstruktiv, auf jeden Fall völlig anders, als sich die SPD als Opposition 1965 und 1966 verhalten hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Herr Wehner, vielleicht hätten wir von Ihnen lernen sollen. Das gebe ich zu. Sie haben damals gesagt, solange Sie noch in der Opposition waren: „Für wen halten Sie uns denn? Wir sind doch anständige Leute; wir waschen doch nicht die Wäsche fremder Leute." Das heißt, erst wenn wir erst an der Regierung sind, machen wir Sparvorschläge! — Nein, das tun wir nicht.
    Helmut Schmidt hat damals gesagt: „Es steht nirgendwo geschrieben, daß die Opposition dabei helfen soll, eine Regierung aus der Zwickmühle herauszuholen, in die sie sich selber hineinmanövriert hat." — Ein kurzsichtiges Wort von ihm, das er am 3. Juni dieses Jahres hier bei der Haushaltsberatung gesagt hat, lautet, er wolle die Hilfe der Opposition gar nicht. Was ist das für eine Konstruktivität der CDU/ CSU im Verhältnis zu diesen Anwürfen von Ihnen! So eine Opposition hat es in der Parlamentsgeschichte überhaupt noch nicht gegeben, die Ihnen beim Sparen noch hilft.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Wehner [SPD]: Sie Armer! — Weitere Zurufe von der SPD)

    Wir behaupten nicht, meine Damen und Herren, daß wir ein vollständiges Alternativprogramm zum Sparen vorgelegt hätten. Das behaupten wir nicht.

    (Dr. Spöri [SPD]: Sie behaupten nie etwas!)

    Aber wir haben hier Beispiele vorgeschlagen,

    (Zuruf des Abg. Dr. Spöri [SPD])

    die zeigen, daß man durchaus, wenn Sie die Bereitschaft haben, noch wesentlich durchgreifender sparen kann. Statt dies hier zu begrüßen und dankbar entgegenzunehmen, kritisieren Sie uns.
    Die Aufgabe der Opposition kann nicht darin bestehen, den Haushalt zu sanieren. Das kann sie nicht. Wir können nur versuchen, die Regierung in die richtige Richtung zu drängen. Deswegen ist Ihre Kritik so kurzsichtig.

    (Dr. Spöri [SPD]: So selbstlos!)

    Graf Lambsdorff, Sie haben hierzu große Worte der Kritik gesprochen. Man muß das verstehen; Sie haben einen Nachholbedarf. Sie haben die große „Wende" angekündigt. Was ist daraus ge-



    Dr. Häfele
    worden? Jetzt müssen Sie nach der anderen Richtung große Worte sprechen. — Sie werden nach Ihren Taten gemessen, nicht nach Ihren großen Worten!

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die SPD, die uns kritisiert — wobei Sie sich erst noch verständigen müssen, in welche Richtung Ihre Kritik geht —, sagt auf der einen Seite, es seien keine Sparvorschläge, und auf der anderen Seite sagt sie, wir würden an den kleinen Mann herangehen. Nur das eine oder das andere kann wahr sein, meine Damen und Herren.

    (Wehner [SPD]: Warum sind Sie denn so erregt?)

    Wer selber im Glashaus sitzt, darf nicht mit Steinen werfen. Was tun Sie denn? Wer muß denn jetzt ran an den kleinen Mann als Folge Ihrer Schuldenpolitik? Wer hat denn die Mineralölsteuer angehoben? Wer greift denn jetzt in soziale Besitzstände ein? Wer macht denn 6 % Inflation, 1,3 Millionen Arbeitslose? Das machen doch nicht wir!

    (Wehner [SPD]: Warum schimpfen Sie denn so?)

    Wer geht denn hier an den kleinen Mann? Also, hören Sie damit auf!

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf des Abg. Dr. Spöri [SPD])

    Wer Sparvorschläge zur Verbesserung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit unseres Landes macht, genau der trägt dazu bei, daß der Kernbestand unseres sozialen Sicherheitssystems in Zukunft gesundgehalten wird, und das will die CDU/ CSU mit ihren Vorschlägen erreichen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ziel unserer Vorschläge ist, Investitionshemmnisse zu beseitigen. Die Staatsverschuldung ist heute das Investitionshemmnis Nummer eins geworden, weil zuviel am Kapitalmarkt durch den Staat in Anspruch genommen wird und damit nicht für private Investitionen zur Verfügung steht. Andere Investitionshemmnisse — seit Jahren reden wir davon — haben wir im Wohnungsbau — jetzt endlich, verspätet, handeln Sie etwas in unsere Richtung — oder im Kraftwerksbau oder in der modernen Nachrichtentechnik. — Ein gewaltiges Leistungs- und Investitionshemmnis, das man nicht von heute auf morgen, aber in den kommenden Jahren in der Finanzplanung wird berücksichtigen müssen, ist nach wie vor auch unser Steuerrecht. Vor allem, wenn man private Investitionen so fördern will, wie Sie, Herr Matthöfer, es gesagt haben, können wir die Besonderheit, die wir im deutschen Steuerrecht im Vergleich zum Ausland haben, eine ertragsunabhängige Belastung wie kein anderes Land, nicht so aufrechterhalten. Das beste Beschäftigungsprogramm wäre das Wegräumen dieser Investitionshemmnisse, auch die Schaffung eines Steuerrechts mit einer Entlastung bei den ertragsunabhängigen Steuern. Das wäre ein besseres Beschäftigungsprogramm als alle staatlichen Ausgabenprogramme.

    (Westphal [SPD]: Überlegen Sie mal, was bei Herrn Reagan jetzt schon herauskommt!)

    Es ist die doppelte Aufgabe des „Jätens und Säens". Die Sanierung der Staatsfinanzen muß gepaart werden mit dem Freisetzen und der Ermunterung der wirtschaftlichen Dynamik.
    Nun zum Schluß, meine Damen und Herren: Worum geht es denn im Kern?

    (Wehner [SPD]: Das fragen wir die ganze Zeit!)

    — Herr Wehner, wollen Sie Ihre Gesetze durchhaben oder nicht? Wer will denn hier Gesetze durchhaben? Haben Sie hier je eine Opposition erlebt, die Sparvorschläge noch darüber hinaus macht? Sie haben sich anders verhalten. Wir werden uns konstruktiv verhalten.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Westphal [SPD]: Wieso „darüber hinaus"? Stimmt doch gar nicht!)

    Es geht in diesem Zusammenhang nicht nur um Finanzfragen, es geht auch nicht bloß — so wichtig und schwer das ist — um die Sanierung der öffentlichen Finanzen, um weniger Staat und mehr private Freiräume, sondern es geht um mehr, um eine grundlegende Neuorientierung, die auch geistig-moralisch vorgenommen werden muß. Die Leistungen und die Ansprüche in unserem Lande müssen wieder ins Gleichgewicht gebracht werden. Die Rechte und Pflichten müssen wieder in Übereinstimmung gebracht werden.
    Ich habe kürzlich einen Vortrag nachgelesen, den unser ehemaliger Kollege Hermsdorf, Mitglied der SPD-Fraktion, erster Staatssekretär unter Finanzminister Möller, kürzlich gehalten hat. Darin führte er u. a. wörtlich aus:
    Ein Hinderungsgrund ist sicher in der weit verbreiteten Anspruchsmentalität zu sehen. In unserem ganzen Handeln und Streben tun wir noch immer so, als hätte sich für uns nichts geändert. Weniger Leistung und höhere Lebensansprüche sind selbstverständliche „Tugenden". Weit und breit geht es um Rechte und um die sogenannte Selbstverwirklichung. Wörter wie Pflicht und Disziplin gelten geradezu als unanständig. Ein hemmungsloser Egoismus scheint die moderne Lebensmaxime zu sein. Diese Geisteshaltung zu verändern ist vorrangige Aufgabe der heute in der Verantwortung stehenden Generation.
    Ende des Zitats des ehemaligen SPD-Abgeordneten Hermsdorf; heute Landeszentralbankpräsident in Hamburg.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, das ist genau das gleiche, was etwa ein Professor Wilhelm Röpke in seinem nahezu prophetischen Buch „Jenseits von Angebot und Nachfrage" schon 1958 geschrieben hat. Es geht nicht, wie Sie immer so polemisch sagen, um die Herstellung einer „Ellenbogen-Gesellschaft". Nein, die wirklich großen Liberalen haben immer



    Dr. Häfele
    gewußt, daß das Wagnis der Freiheit auf Dauer nur gelingt, wenn sie ethisch fundiert ist. Freiheit heißt Selbstverantwortung, und Selbstverantwortung geht auf die Dauer nur gut, wenn sie gepaart ist mit Werten, mit Tugenden und Pflichten. Nur wenn der geistig-moralische Rahmen stimmt, kann die Freiheit auf Dauer schöpferisch sein, sonst führt sie ins Chaos. Das ist die Grundidee der Sozialen Marktwirtschaft. Das haben die ethisch fundierten Liberalen immer gewußt.
    Meine Damen und Herren, dies ist keine Botschaft etwa des Pessimismus, nein, umgekehrt: Wir müssen unser Land wieder herausreißen aus diesem Defätismus, aus dieser Resignation, aus diesem Pessimismus, in den diese Regierung unser Land gebracht hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Dies ist umgekehrt eine Ermunterung zu Selbstvertrauen und zu Zukunftsmut. Aber man muß den Menschen natürlich die Wahrheit sagen, das heißt, man muß den Menschen wieder sagen, daß sie in erster Linie selbst verantwortlich sind für die Gestaltung ihres Lebens, daß der Staat nicht so viel leisten kann, wie er vorgegeben hat, daß das eine Täuschung der Bürger war,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    daß der Staat, je mehr er sich auf das Wesentliche beschränkt, desto mehr den wirklich Schwachen auch helfen kann — nicht so, wie er es jetzt macht —, daß die Lebensleistung vor allem jeder selbst erbringen muß und nicht der Staat für ihn leisten kann, und daß die Anstrengung für sinnvolle Ziele zugleich der einzige realistische Weg auch zum persönlichen Glück ist. Das ist die Antwort auf die Sinnfrage. Hier gehen das Ethische und das Ökonomische und das Finanzpolitische ineinander über. Das sind die Zusammenhänge der Grundideen der Sozialen Marktwirtschaft, die in den letzten Jahren verwirtschaftet worden sind.
    Wir haben hier nicht die „Wende" für die Einleitung der Sanierung der Finanzen erlebt. Wir haben auch nicht die geistige Tendenzwende erlebt, die die FDP angekündigt hatte. Herr Genscher, die FDP muß sich fragen, inwieweit sie dies verantworten kann. „Partei" kommt von „pars". „Pars" heißt „der Teil". Aber eine Partei, die in der Regierungsverantwortung steht, hat dem Ganzen zu dienen. Wenn nur noch der Regierungsmachterhalt der Hauptzweck des Regierens und der fast einzige übrigebliebene gemeinsame Nenner ist, dann wird die Krise der Parteien auf den Staat übertragen zum Schaden unseres ganzen Volkes. — Deshalb hat die Regierungskoalition SPD/FDP das Vertrauen verloren.

    (Lang anhaltender Beifall bei der CDU/ CSU)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Walther.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Rudi Walther


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion dankt dem Herrn Bundesfinanzminister Hans Matthöfer für seine wohlfundierte und hervorragende Einbringungsrede zum Bundeshaushalt 1982.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Um es schlicht und einfach zu sagen, diese Republik hat einen hervorragenden Bundesfinanzminister.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD — Zuruf von der CDU/CSU: Deshalb haben wir auch einen so hervorragenden Haushalt!)

    Wenn man, meine Damen und Herren, Ihre eigene Reaktion an der Stelle verfolgt, als der Herr Kollege Häfele den Bundesfinanzminister anrempelte, dann kann jeder in der Öffentlichkeit nachvollziehen, wie sehr es Sie trifft, daß dieser Bundesfinanzminister draußen gut ankommt.

    (Lachen bei der CDU/CSU — Rawe [CDU/ CSU]: Wo bleibt der Beifall Ihrer Genossen? — Weitere Zurufe von der CDU/CSU: Beifall, Beifall!)

    Ich möchte Sie, Herr Bundesfinanzminister, da Sie Ihre Arbeit ja nur dann leisten können, wenn Sie gute Beamte und Angestellte haben, bitten, auch Ihren Mitarbeitern unseren herzlichen Dank zu sagen für die hervorragenden und wirklich zeitaufwendigen Vorbereitungsarbeiten, die sie in den letzten Wochen und Monaten leisten mußten.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Herr Präsident, meine Damen und Herren, diese Koalition besteht zwölf Jahre.

    (Dr. Kohl [CDU/CSU]: Das ist wahr!)

    — Das ist wahr. Herr Kollege Kohl, es ist auch wahr, daß wir uns nicht verstecken müssen oder uns gar für die Ergebnisse unserer gemeinsam getragenen Politik zu schämen brauchen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Lachen bei der CDU/CSU)

    Dies gilt für die Friedens-, für die Außen-, für die Sicherheits-, für die Wirtschafts-, für die Finanz- und für die Sozialpolitik. Ich sage in allem Ernst: Niemannd in der Koalition — ich meine damit beide Seiten — sollte diese Ergebnisse leichtfertig zerreden.
    Trotz allem, Herr Kollege Häfele, was Sie gesagt haben, ist die Bundesrepublik Deutschland auch ökonomisch sehr viel besser als viele, viele andere Länder der Welt über die Runden gekommen.

    (Beifall bei der SPD — Lachen bei der CDU/CSU)

    — Weil Sie hier lachen: Viele unserer Bürger sind auch in diesem Jahre mehr als die Bürger aller anderen Länder der Welt, auch mehr als die Bürger der reichen Vereinigten Staaten, ins Ausland verreist. Das spricht ja wohl nicht dafür, daß hier die große Armut ausgebrochen ist.

    (Dr. Kohl [CDU/CSU]: Das ist ja unglaublich! Deswegen bringen sie ihr Geld nach Amerika, genau deswegen!)

    — Millionen unserer Bürger, Herr Kollege Kohl, hatten in diesem Sommer wieder Gelegenheit, sich
    draußen im Ausland umzusehen. Sie sind nach



    Walther
    Hause gekommen und wissen, um wieviel besser es ihnen in der Bundesrepublik geht als den Bürgern in vielen anderen Ländern dieser Welt.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Ich frage Sie, Herr Kollege Häfele, bei aller Kritik, so berechtigt oder unberechtigt sie sein mag — das lasse ich im Moment dahingestellt; ich komme darauf noch zurück —: Welche Länder der Welt haben denn die Kombination der vier gesamtwirtschaftlichen Ziele besser erreicht als wir? Welche denn? Sie können solche Länder an drei Fingern abzählen; sie brauchen noch nicht einmal die ganze Hand dazu.
    Warum sage ich Ihnen das, meine Damen und Herren? Ich sage Ihnen das deshalb, weil, auch wenn Sie dies nicht wahrhaben wollen — Herr Kollege Häfele, Sie haben das eben wieder bestritten —, nicht auf der einen Seite die Ausweitung des Welthandels, die Steigerung unserer Exportfähigkeit, die Erhöhung der Konkurrenzfähigkeit unserer Exportindustrie auf den Weltmärkten gefordert und gleichzeitig geleugnet werden kann, daß die Folgen der weltwirtschaftlichen ökonomischen Ereignisse auch auf uns zurückschlagen. Dies können Sie doch nicht im Ernst leugnen wollen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Ich habe gesagt: Es gibt wenige Länder, die die Kombination der vier gesamtwirtschaftlichen Ziele besser erreicht haben als wir. Dies gilt auch, Herr Kollege Häfele, für die in den letzten Tagen, Wochen, Monaten und Jahren — wie immer Sie das wollen — heftig kritisierte öffentliche Schuldenaufnahme. Herr Kollege Häfele, ich habe festgestellt: Sie sind ein Meister in den absoluten Zahlen. Sie werden mir bestätigen, daß wir, was die absolute Höhe der Staatsverschuldung anlangt, in der Welt gar nicht so schlecht dastehen.
    Sie können mir entgegenhalten, die hätten keine Währungsreserven gehabt. Nur: Wenn Sie diese Beträge einmal gegeneinander aufrechnen, werden Sie feststellen, daß es marginale Größen sind.
    Wir stehen sogar gut da, was den Zuwachs der Schuldenaufnahme und die Zinsbelastung anlangt. Überall dort stehen wir sehr gut da.
    Meine Damen und Herren, wir haben sogar trotz des in den letzten 24 Monaten bedenklich angestiegenen Leistungsbilanzdefizits, Herr Kollege Kiep, immer noch sehr viel höhere Devisenpolster als beispielsweise die Japaner oder die reichen Vereinigten Staaten von Amerika. Wir haben nahezu doppelt soviel.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Und wieviel haben wir gehabt?)

    — Ich rate Ihnen, das einmal nachzulesen. Da ist noch gar kein großer Schwund eingetreten. Wir können uns lange darüber unterhalten, woran das liegt.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Es ist auf die Hälfte geschrumpft!)

    Ich wiederhole: Niemand kann, nein niemand darf unsere Probleme verniedlichen. Dies tun wir nicht, meine Damen und Herren. Aber ich wiederhole auch: Das, was sich weltwirtschaftlich vollzieht, kann nicht ohne Rückwirkungen auf die Lage in unserem Land sein. Wenn beispielsweise die Ölpreise oder auch andere Rohstoffpreise explosionsartig in die Höhe gehen — der Bundesfinanzminister hat gestern Zahlen genannt —, bedeutet dies realen Kaufkraftentzug, besonders in Ländern wie der Bundesrepublik, die kaum über eigene Rohstoffe, insbesondere über keine eigenen Rohölvorräte — bis auf das „OPEC-Land", in dem Sie einmal Finanzminister waren, Herr Kollege Kiep —, verfügen.
    Im Energiesparen ist unser Volk sogar Weltmeister. Dies möchte ich auch an dieser Stelle anerkennen und respektieren. Aber jeder vierte Arbeitsplatz in der Bundesrepublik ist doch vom Export abhängig; im Produktionsbereich ist es sogar nahezu jeder zweite Arbeitsplatz. Weil das so ist, müssen wir hoffen, daß andere Länder, vor allem auch die USA, bei der Bekämpfung ihrer eigenen wirtschaftlichen Probleme Erfolg haben, wenn auch — ich sage das ein bißchen leiser — manche Zweifel daran angebracht sind, wenn man an das denkt, was heute morgen über die Nachrichtenticker gelaufen ist, wenn man daran denkt, wie das Börsenbarometer in der Wall-street auf die Wirtschaftspolitik, die dort betrieben wird, reagiert. Das Börsenbarometer ist tief im Keller.
    Deshalb rate ich jedem hier, der mit Rezepten für unsere Volkswirtschaft operieren möchte, wie sie dort drüben probiert werden, auf solche Rezepte bei uns nicht zurückzukommen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Was Frau Thatcher und ihre Rezepte anbelangt, so können wir auf die nun wirklich nicht hoffen. Das Rausschmeißen von Legionen von Ministern aus der Regierung ist j a wohl keine Lösung ökonomischer Probleme.
    Die ungeheuren weltwirtschaftlichen Verwerfungen, von denen ich andeutungsweise gesprochen habe und die auch eine Krise unseres ganzen ökonomischen Systems signalisieren, mit ihren Rückwirkungen auf unsere eigene Volkswirtschaft, zwingen uns jetzt zu harten Konsequenzen. Die Dynamik der öffentlichen Ausgaben hält mit den Einnahmevolumina keinen Schritt mehr. Sich auf niedrigere, auch reale, Wachstumsraten als in der Vergangenheit einzustellen ist aus vielen Gründen ein Gebot der Nüchternheit.
    Die Begrenzung der öffentlichen Kreditaufnahme und ihre mittelfristige Rückführung sind vor allem aus drei Gründen unumgänglich.
    Erstens. Steigende Zinsen in den öffentlichen Haushalten verengen den finanzpolitischen Handlungsspielraum. Nur, Herr Kollege Häfele, Ihre Argumentation, daß die Nettokreditaufnahme demnächst möglicherweise die Höhe der Zinsen übersteigen könnte, ist j a nun naiv. Wenn ich der Logik Ihrer Argumentation folgte, dann dürften wir aus diesem Grunde überhaupt die Rückführung der Nettokreditaufnahme nicht vornehmen, weil wir dann ganz erheblich unter die Zinsbelastungen kämen. Dies ist ein irrationales Argument. Wenn dies wirklich ein vernünftiges Argument wäre, spräche dies



    Walther
    eigentlich für eine Erhöhung der Nettokreditaufnahme, aber nicht für ihre Senkung.
    Zweitens — das ist für uns Sozialdemokraten besonders wichtig —: Verteilungspolitisch sind hohe Zinszahlungen aus den öffentlichen Haushalten bedenklich, weil sie eine nicht zu rechtfertigende Einkommens- und Vermögensumverteilung vom Steuerzahler auf den Geldkapitalbesitzer nach sich ziehen. Herr Kollege Häfele — ich habe nichts dagegen, wenn Sie Herrn Dr. Kohl sachverständig machen —, Sie haben polemisch davon gesprochen, daß die Abführung der Bundesbankgewinne eine Zinssteuer sei. Das ist — Sie haben darum gebeten, ich sollte nett zu Ihnen sein; deswegen sage ich es mit gebotener Zurückhaltung — nicht zutreffend. Denn erstens haben wir zu einer Zeit, als Sie regiert haben, in diesem Parlament beschlossen, daß die Bundesbank ihre Gewinne abzuführen hat. Wenn sie dies tut, ist das j a wohl nicht zu beanstanden.

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    Es gibt — Sie haben das teilweise zutreffend dargestellt — einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen hohen Zinsen, die ja nicht wir, sondern der Zentralbankrat festsetzt— ohne daß ich das jetzt bewerten will —, daraus folgendem Konjunkturverlauf und niedrigeren Steuern und Bundesbankgewinnen. Diesen Zusammenhang können Sie doch nicht leugnen. Wenn es diesen Zusammenhang schon gibt, halte ich es nicht nur für legitim, sondern sogar für geboten, daß diese Bundesbankgewinne eingesetzt werden, um konjunkturell bedingte Steuerausfälle auszugleichen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Drittens. Eine geringere Inanspruchnahme der Kapitalmärkte durch die öffentlichen Hände kann natürlich auch dringend notwendige Zinssenkungstendenzen unterstützen. Nur, Herr Kollege Häfele, wenn Sie den Eindruck zu erwecken versucht haben, die Inanspruchnahme der Kapitalmärkte durch die öffentliche Hand sei die eigentliche Ursache für das hohe Zinsniveau in der Bundesrepublik, dann nehmen Sie sich wahrscheinlich selbst nicht sehr ernst. Herr Kollege Häfele, ich unterschätze Ihren Intellekt überhaupt nicht, wenn ich glaube feststellen zu dürfen: Sie wissen genauso wie viele andere in diesem Hause, daß die Frage des Diskontsatzes und der diversen Lombardfenster nichts mit den Kreditaufnahmen der öffentlichen Hand, sondern insbesondere etwas mit dem Versuch zu tun hat, Kapitalabflüsse aus der Bundesrepublik an den Kapitalplatz New York zu verhindern. Dies ist die eigentliche Ursache. Nur, ich bestreite überhaupt nicht, daß es einen gewissen — aber ich sage: marginalen — Zusammenhang zwischen der Inanspruchnahme der Kapitalmärkte durch die öffentliche Hand und dem Zinsniveau gibt. Diese Tatsache, daß das auch ein beschäftigungswirksames Problem ist, ist — jedenfalls für uns Sozialdemokraten — der Hauptgrund für die Operation '82, die Nettokreditaufnahme zurückzuführen. Man kann lange darüber streiten, ob man diese Operation schon im Frühjahr hätte durchführen müssen. Ich will da heute nicht mehr nachtarocken. Aber der Weltwirtschaftsgipfel in Ottawa hat sicherlich letzte Erkenntnisse darüber gebracht, daß wir handeln müssen. Es ist auch wahr — ich will das ganz selbstkritisch sagen —: Die Koalition hat das journalistische „Sommerloch" nicht unbedingt optimal ausgefüllt, wenn Sie mir diese Untertreibung gestatten. Ich hoffe, daß auch in dieser Hinsicht auf allen Seiten die Lernfähigkeit gestiegen ist. Doch, to whom it may concern: Es macht nach meiner Überzeugung keinen Sinn, diese Koalition — durch welche verbalen, rhetorischen Kraftakte auch immer — kaputtreden zu wollen. Denn es gibt noch ein überaus hohes Maß an Gemeinsamkeiten, vor allem auf den Gebieten der Friedens-, Sicherheits-, Entspannungs-, Rechts- und Bildungspolitik, um nur einige wichtige Felder zu nennen. Die Debatte der letzten Woche zur KSZE-Konferenz hat ja deutlich gezeigt, wie groß die Unterschiede zumindest zwischen Ihren Scharfmachern und der Koalition sind.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Dort hat die Koalition nach wie vor einen, wie ich meine, historischen Auftrag.

    (Dr.-Ing. Kansy [CDU/CSU]: Abzutreten!)

    Aber es hat gleichwohl auch keinen Sinn — man muß das hier in aller Öffentlichkeit sagen —, verschweigen zu wollen, daß beide Koalitionspartner von unterschiedlichen gesellschaftspolitischen Grundauffassungen ausgehen.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

    Wenn es möglich war, Herr Kollege und Minister Genscher, diese unterschiedlichen Grundauffassungen in den letzten zwölf Jahren gleichwohl kompromißfähig zu machen, achten wir Sozialdemokraten dies nicht gering.

    (Beifall bei der SPD)

    Daß solche Kompromißfähigkeit in Zeiten größerer Verteilungsspielräume leichter zu erzielen war als in Zeiten harter Sparmaßnahmen, liegt auf der Hand. Ich will keine Semantik betreiben, aber ich füge für uns hinzu: Was immer mit Trend- oder Tendenzwende gemeint gewesen sein mag,

    (Dr. Kohl [CDU/CDU]: Ja, was ist das denn?)

    ich hoffe, diese Semantik hört auf.

    (Dr. Kohl [CDU/CDU]: Ja, was ist das denn?)

    Wir Sozialdemokraten sehen die Aussage in Art. 20 Abs. 1 des Grundgesetzes, daß die Bundesrepublik Deutschland ein demokratischer und soziale r Bundesstaat sei, Herr Kollege Dr. Kohl,

    (Dr. Kohl [CDU/CDU]: Meinen Sie, der Herr Genscher weiß das nicht?)

    nicht als Zustandsbeschreibung, sondern als einen ständigen Auftrag an, der immer wieder neu ausgefüllt werden muß.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Dr. Kohl [CDU/CDU]: Herr Kollege, meinen Sie, der Herr Genscher weiß das nicht?)

    — Wir wissen, Herr Dr. Kohl, daß die arbeitende Bevölkerung in unserem Lande — Sie würden sagen: in



    Walther
    diesem unserem Lande — trotz mancher Irritationen der letzten Wochen Vertrauen vor allem in uns Sozialdemokraten setzt,

    (Dr. Kohl [CDU/CDU]: 35 %!)

    daß wir Sachwalter ihrer Interessen sind, vor allem in schwierigen Zeiten. — Herr Kollege Dr. Kohl, ich würde Ihnen raten, auf solche Umfrageergebnisse nicht allzu viel zu geben. Darauf haben Sie schon zu oft gesetzt, und anschließend haben Sie so oft verloren.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Zuruf des Abg. Dr. Kohl [CDU/CDU])

    — Herr Dr. Kohl, Sie haben doch nun wirklich leidvolle Erfahrungen mit solchen Umfrageergebnissen gemacht. Ich an Ihrer Stelle würde das Thema etwas niedriger hängen. — Meine Damen und Herren, aber jetzt wieder ernst.

    (Lachen bei der CDU/CSU)

    — Ja, mit dem Herrn Dr. Kohl kann man sich nur lustig unterhalten, oder?

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Wir bitten unsere Wähler im Lande um Verständnis dafür, daß Sozialdemokraten keine Schönwetterpartei sein dürfen, die in schwierigen Zeiten vor ihrer Verantwortung davonläuft.

    (Zuruf von der [CDU/CDU]: Die Regenmacher!)

    Meine Damen und Herren, was immer in dem von den Koalitionsspitzen in langwierigen Verhandlungen erzielten Kompromißpaket kritikbedürftig sein mag — da gibt es aus sozialdemokratischer Sicht einiges, insbesondere was die vorgesehenen Regelungen beim Kindergeld anlangt —, eines dürfen Sie nicht übersehen, auch Sie nicht, Herr Kollege Häfele: Die Koalition hat einen Kraftakt vollbracht, den ihr vor wenigen Monaten keiner der berufsmäßigen Kritiker sowohl aus der Opposition als auch aus der veröffentlichten Meinung zugetraut hätte.

    (Dr. Hennig [CDU/CDU]: Das kann man wohl sagen!)

    Was sollen wir denn mit einer Kritik in manchen Medien anfangen, die uns ständig vorhalten will, wir hätten nicht genügend gespart, ohne uns auch nur einen einzigen Fingerzeig zu geben, welche anderen Einsparungen denn sozial verträglich oder vernünftig sind?

    (Zuruf des Abg. Dr.-Ing. Kansy [CDU/ CDU])

    — Da Sie das Stichwort „Journalisten" geben: Wir haben von denen — ich könnte jetzt ein paar Namen derer nennen, die zu den berufsmäßigen Kritikern in den Medien gehören; ich lasse das aber einmal sein — noch nicht einmal den Vorschlag gehört, daß Sie auf ihre, wie ich meine, ungerechtfertigten steuerlichen Präferenzen hier in Bonn verzichten sollten.

    (Lachen und Zurufe von der CDU/CSU)

    Was sollen wir mit einer Kritik anfangen, die von
    uns zwar Sparen verlangt, aber am laufenden Band
    gleichzeitig erklärt, Sparen an dieser und jener Stelle sei falsch, besonders wenn es einen selber betrifft; im übrigen sei man natürlich zum Sparen bereit; nur Sonderopfer dürften nicht verlangt werden, wobei natürlich konkrete Sparmaßnahmen im eigenen Fall immer sofort als Sonderopfer deklariert werden. Das haben wir ja in diesen Wochen und Monaten bis zur Neige auskosten dürfen. Der Sankt Florian geht ja von Flensburg bis Garmisch-Partenkirchen, wo immer Sie hingucken.
    Und was soll ich von dieser merkwürdigen Sparerschutzgemeinschaft halten, die behauptet, das Vertrauen in die DM würde gefestigt, wenn es weniger Arbeitslosengeld gäbe und die Lohnfortzahlung ein bißchen tangiert oder das Mietrecht geändert würde. Wenn das Kriterien für das Vertrauen in die DM wären, dann würden wir in einem verdammt armen Land leben.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Das von uns mühsam mit dem Koalitionspartner und auch mit Hilfe der Opposition — das will ich überhaupt nicht verschweigen, Herr Kollege Dr. Kohl — aufgebaute Netz der sozialen Sicherheit darf nicht zur freien Disposition stehen. Wir haben es doch gerade für schwierige Zeiten, also für Zeiten wie diese, und nicht für Schönwetterzeiten aufgebaut. Natürlich gibt es auch Mißbräuche bei der Inanspruchnahme des sozialen Netzes — übrigens bei weitem nicht nur von Arbeitnehmern und Arbeitslosen. Ich kann Ihnen dazu aus meinem Wahlkreis eine ganze Menge Dinge erzählen, die mit Arbeitslosen und Arbeitnehmern überhaupt nichts zu tun haben. Ich habe etwas dagegen, daß man so tut: Die Arbeitslosen sind die Faulen, und alle anderen sind die jenigen, die die tollen Leistungen erbringen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Wenn es Mißbrauchsmöglichkeiten gibt, sind auch wir in diesem Parlament daran schuld.

    (Dr. Kohl [CDU/CDU]: Das ist wahr!)

    — Das ist wahr, Herr Dr. Kohl! Deshalb wehre ich mich gegen die Beschimpfung von Leuten, die gesetzliche Lücken und Möglichkeiten, die wir selber eingebaut haben, ausnutzen. Wenn es solche Mißbräuche gibt, müssen wir sie beseitigen. Und genau daran gehen wir jetzt.
    Herr Kollege Häfele, ich frage mich, mit welchem Computer Sie rechnen. Obwohl Sie all diese Zahlen mit einem kleinen Taschencomputer, für 23,20 DM im Kaufhaus zu kaufen, ausrechnen könnten, erzählen Sie uns, wir würden ein Abgabenerhöhungsprogramm von 7 Milliarden DM machen. Sie rechnen die Heizölsteuer mit ein, die es seit vielen Jahren gibt. Da können Sie uns gleich vorwerfen, daß wir die Einkommensteuer und Lohnsteuer nicht abschaffen. Die rechnen Sie auch noch dazu, um zu solch merkwürdigen Ergebnissen zu kommen. Wahr ist, daß von den 13 Milliarden DM, die im Jahr 1982 durch Kürzungen eingespart werden, nur 2 Milliarden DM aus der Erhöhung von Verbrauchsteuern kommen.



    Walther
    Übrigens, Herr Dr. Häfele, Sie haben sicher nichts dagegen, daß gerade die Verbrauchsteuern, über die wir hier reden, erhöht werden. Ich bin zwar selber Raucher. Aber ich mache das mit. Ich mache das sogar gern mit, weil es möglicherweise dazu beiträgt, daß der gesundheitsschädliche Zigarettenkonsum ein bißchen eingeschränkt wird.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Der Abbau steuerlicher Subventionen bringt für den Bund nur 1,4 Milliarden. Da müssen Sie die knapp 400 Millionen gegenrechnen, die wir für verbesserte AfA — Sie wissen das alles, was in den Gesetzen steht — einsetzen wollen. Dann sind wir bei 1 Milliarde DM. Wir kommen auf ein Gesamtpaket von 16 Milliarden. Das sind andere Beträge als die, die Sie nennen.
    Ich fühle mich verpflichtet, an dieser Stelle den beschäftigungspolitischen Vorbehalt meiner Fraktion erneut in Erinnerung zu bringen. Ich habe mich gefreut, daß der Vorsitzende unserer Koalitionspartei — ich habe das dieser Tage über den Ticker laufen sehen — ein eigenes beschäftigungspolitisches Konzept angekündigt hat. Wir werden miteinander darüber reden müssen. Ich denke schon, daß wir uns einigen. Denn es kann nicht sein,

    (Dr. Kohl [CDU/CDU]: Daß wir gegenseitig nachgeben werden!)

    — nein, Herr Kollege Dr. Kohl! — daß die Arbeitslosen die einzigen sind, die Sonderopfer bringen müssen. Dies ist der Punkt.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Auch wir wissen natürlich, daß das schnellste und am dauerhaftesten wirkende Beschäftigungsprogramm eine rasche, nachhaltige, fühlbare Zinssenkung wäre. Was immer wir über den Bundeshaushalt tun, das kann nicht so viel an Investitionsbereitschaft bringen wie eine nachhaltige Zinssenkung. Dafür gibt es eine Reihe von Anzeichen. Der Bundesfinanzminister hat sie gestern genannt — auch Sie, Herr Dr. Häfele —, nämlich Anstieg des Wertes der DM — schon wieder drei Pfennige über Nacht gegenüber dem Dollar, wie ich heute morgen gelesen habe —, steigende Exportzahlen, rückläufige Importzahlen, Abbau des Leistungsbilanzdefizits, auch ein leicht sinkendes Zinsniveau. Da gibt es eine ganze Menge Indikatoren, die möglicherweise den Handlungsspielraum der Bundesbank erweitern. Ich möchte an dieser Stelle die Bundesbank, den Zentralbankrat durchaus ermuntern, möglichst schnell zu reagieren, wenn er solche Handlungsspielräume sieht.
    Nun gehe ich auf das ein, was darüber hinaus, Herr Kollege Dr. Häfele, an zusätzlichen Risiken für den Bundeshaushalt draußen in den Medien von Ihnen — auch heute wieder — und anderen gehandelt wird. Lassen wir die Bundesanstalt einmal draußen; da wissen wir alle noch nicht, was auf uns zukommen wird. Ich hoffe, die Annahmen der Bundesregierung sind richtig. Aber im übrigen gibt es überhaupt keinen Grund, riesige Schlagzeilen darüber zu liefern, daß es schon jetzt erkennbare Milliardenlöcher im Bundeshaushalt gebe. Was soll denn diese Panikmache, frage ich, meine Damen und Herren?

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP)

    Eine solche Panikmache, wer immer sie in die Welt setzen mag, nutzt doch nicht dem notwendigen Vertrauen in die Handlungsfähigkeit des Staates, das auch die Wirtschaft und die Bürger draußen brauchen. Wer immer solche Tatarenmeldungen fabriziert, der versündigt sich auch an dem, was an Philosophie für die Konjunktur notwendig ist.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP — Zurufe von der CDU/CSU)

    Ich will bei der Gelegenheit — weil das auch gestern und vorgestern eine Rolle gespielt hat — deutlich sagen: wir haben uns große Mühe gegeben, über die Problematik, die es im Zusammenhang mit MRCA, neu in der Presse aufgemacht, gegeben hat, informiert zu werden, Herr Kollege Haase. Ich kann heute morgen — ich glaube, die Medien bringen dies auch — versichern, daß nach unserer Erkenntnis kein zusätzliches Finanzierungsrisiko bei diesem Wundervogel besteht.
    Nun hat es Kritik darüber gegeben, daß wir unseren Verteidigungshaushalt nur um 4,2 % steigern wollten. Das ist nicht so viel wie im Vorjahr, das ist wahr. Nur: die Verteidigungspolitiker können Ihnen sagen, daß wir seit 1970 im Verteidigungshaushalt reale Zuwachsraten hatten, die sehr viel höher als bei den meisten anderen NATO-Partnern waren. Wenn das nun einmal ein, zwei oder drei Jahre nicht möglich ist — aus den Gründen, über die wir jetzt reden —, wenn wir geringere Zuwachsraten haben, dann müssen wir auch diejenigen um Verständnis bitten, die in der Vergangenheit weniger getan haben als wir.
    Ich bitte auch die Soldaten der Bundeswehr, bei allem, was sie jetzt an Einsparungen mittragen müssen, um Verständnis dafür, daß es äußere Sicherheit nicht ohne innere Sicherheit, hier insbesondere soziale Sicherheit, geben kann. Dies muß in der Waage bleiben.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Von diesem Haushalt gehen eine Reihe beschäftigungspolitischer Impulse aus. Wir steigern den Investitionsteil auf über 33 Milliarden DM. Das Fernwärmeprogramm ist gut dotiert im Haushalt des Bundeswirtschaftsministers. Ich sage das deshalb, weil manche Leute draußen sagen: Nun macht mal endlich etwas für die Fernwärme! Es ist überhaupt kein Problem, das zu finanzieren, sondern das Problem liegt darin, daß diejenigen, die solche Fernwärmenetze bauen, das Geld bei Bund und Ländern abrufen sollen oder müssen. Dies ist das eigentliche Problem.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Wir schaffen auch eine ganze Menge Investitionsvolumen, wie wir glauben, in der Wirtschaft über die steuerlichen Abschreibungsmöglichkeiten. Der Bundesfinanzminister quantifiziert sie mit über 20 Milliarden DM, zusammen mit dem, was wir tun im Bundeshaushalt. Ich hoffe, Länder und Gemeinden



    Walther
    tun noch ein bißchen dabei. Das ist das, was die öffentliche Hand zur Zeit mit ihren Haushalten leisten kann. Das ist — 6,4 Milliarden DM von der KfW dazugerechnet — schon eine ganze Menge.

    (Westphal [SPD]: Und 9 Milliarden bei der Post!)

    — Und 9 Milliarden Investitionen gerade bei der Post. Es ist gut, Herr Kollege Westphal, daß Sie mir das sagen, weil Herr Kollege Häfele von den Kommunikationstechniken gesprochen hat und meinte, da würde es einen Investitionsstau geben. Herr Kollege Häfele hat sich sicher auch einmal Gedanken gemacht, wer das bezahlen soll. Wenn die Deutsche Bundesbahn und die Post allein 9 Milliarden DM in einem Jahr für das aufbringen, was sie jetzt investieren müssen, wo sollen sie denn das zusätzliche Geld herbekommen, um über diese 9 Milliarden DM hinaus zu investieren? Ihre Vertreter im Postverwaltungsrat — ich nenne jetzt gar keine Namen — haben ja der Postgebührenerhöhung, die wir nur schweren Herzens mitgetragen haben, nicht zugestimmt. Hätten wir uns genauso verhalten, wären die Investitionsmöglichkeiten der Bundespost noch erheblich geringer gewesen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Weder Verbalbeschimpfungen noch Panikmache schaffen Vertrauen, Herr Kollege Dr. Kohl.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    — Nein, ich muß mit dem Herrn Häfele reden; ich glaube, der versteht mehr davon —, noch das, was Sie an Sparprogramm auf den Weg gebracht haben. Herr Häfele, Sie haben sich ja große Mühe gegeben. Wir haben den Bundesfinanzminister mit seinen sachkundigen Beamten gebeten, einmal auszurechnen, wie groß das Sparvolumen dessen ist, was Sie vorschlagen. Das ist ja so entsetzlich nebulös. Was heißt denn: 5% von allen Leistungen und Subventionen weniger? Ich frage ergänzend: wo, bei wem, in welcher Zeit, wem kommt das zugute? Der Kollege Schröder hat in der Pressekonferenz bei Herrn Kohl gesagt, bei dem einen könnte das 1 %, bei dem anderen könnten es 10 % sein; so genau wüßten Sie das noch nicht. Sagen Sie uns doch bitte einmal, wie Sie zu einem Betrag von 10 Milliarden DM kommen. 5%
    — Herr Kollege Westphal hat es im Haushaltsausschuß vorgerechnet — bedeuten doch ein Gesamtvolumen von 200 Milliarden DM. Wo soll denn das herkommen? Kommen Sie doch bitte hier hoch — wer immer von Ihnen nachher redet — und rechnen Sie uns das einmal vor.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Wehner [SPD]: Das wäre einmal ein Ereignis!)

    — Ja, das wäre ein Ereignis; darin gebe ich Ihnen recht.
    Herr Kollege Häfele, ich will von Ihnen ja nicht den letzten Paragraphen, das letzte Komma, den letzten Punkt aufgezeigt bekommen. Sie müssen uns doch aber zumindest sagen: Dieser Einsparungsvorschlag bringt dieses. — Stoltenberg und Albrecht haben ja Rechnungen angestellt. Herr Stoltenberg sagt, es seien 8 Milliarden DM. Herr Albrecht sagt, es seien 11 Milliarden DM. Sie sagen — ebenso wie Herr Kohl —, es seien 10 Milliarden DM. Sagen Sie uns doch bitte einmal, wie hoch Ihr Einsparvolumen wirklich ist und wen Sie damit treffen wollen.

    (Beifall bei der SPD)

    Nach dem, was ich über die Pressekonferenz von Herrn Stoltenberg gelesen habe, kann ich nur feststellen: Sie wollen die Rentner treffen. Sie wollen die Schüler treffen. Sie wollen die Beamtenanwärter treffen. Sie wollen die Sozialhilfeempfänger treffen. Wir haben aber nicht ein einziges Wort darüber gehört, wie Sie denn denen Lasten zumuten wollen, deren Schultern breiter sind als die Schultern von Arbeitslosen.

    (Beifall bei der SPD — Glos [CDU/CSU]: Unglaublich! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich könnte zur Erheiterung des Publikums — nicht zur Erheiterung von Herrn Kohl und Herrn Kiep — vortragen, wie die Presse auf Ihre Vorschläge reagiert hat. Herr Kollege Dr. Riedl, ich bin Ihnen sehr dankbar, daß Sie mit Ihren Oppositionshaushältern diese beiden Herren zum Sparen getragen haben. Sie wollten doch gar nicht sparen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Herr Kiep, Sie haben es im Presseecho selber gesagt, wie Sie entzaubert worden sind. Der Wundermann Kiep ist doch dahin; dem glaubt doch kein Mensch mehr, daß er etwas vom Sparen versteht.

    (Beifall bei der SPD — Abg. Kiep [CDU/ CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

    — Herr Kollege Kiep, hier leuchtet schon die rote Laterne.

    (Heiterkeit)

    Wenn der Herr Präsident mir die Zeit nicht anrechnet, bin ich gern bereit, Ihre Zwischenfrage zu beantworten.