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    Plenarprotokoll 9/38 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 38. Sitzung Bonn, Dienstag, den 26. Mai 1981 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung . . 1967A, 2049 C Absetzung eines Punktes von der Tagesordnung 1967 A Abweichung von den Richtlinien für die Fragestunde 1967 B Begrüßung einer Delegation des Nationalen Volkskongresses der Volksrepublik China 1967 B Begrüßung einer gemeinsamen Delegation von Mitgliedern des italienischen Senats und des italienischen Abgeordnetenhauses 1997 C Begrüßung des Staatspräsidenten von Ghana und seiner Begleitung 2029 C Wiederwahl des Abg. Dr. Czaja und des Herrn Walter Haack zu Mitgliedern des Verwaltungsrats der Lastenausgleichsbank 2076 D Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU Baustopp, Stationierungsstopp und Abbau der SS-20 — Drucksache 9/291 — Schmidt, Bundeskanzler 1967 D, 2000 D Dr. Kohl CDU/CSU 1972B, 2001 B Brandt SPD 1978 D Möllemann FDP 1983 D Graf Huyn CDU/CSU 1988A Dr. Ehmke SPD 1991 D Dallmeyer CDU/CSU 1997 D Hansen SPD 2001 C Dr. Corterier SPD 2003 B Dr. Jenninger CDU/CSU (zur GO) . . . 2004 C Erklärungen nach § 31 GO Waltemathe SPD 2005 A Conradi SPD 2006 A Voigt (Frankfurt) SPD 2006 C Thüsing SPD 2007 B Kühbacher SPD 2007 C Namentliche Abstimmung 2008 B, C Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung des Betäubungsmittelrechts — Drucksache 9/27 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 9/507 — II Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 38. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 26. Mai 1981 Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit (13. Ausschuß) — Drucksachen 9/443, 9/500 (neu) — Marschall SPD 2010C Hartmann CDU/CSU 2012 B Frau Dr. Adam-Schwaetzer FDP 2015 B Gnädinger SPD 2016 D Sauter (Ichenhausen) CDU/CSU 2017 D Engelhard FDP 2020 A Frau Huber, Bundesminister BMJFG . . 2021 B Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem am 29. August 1975 in Genf unterzeichneten Genfer Protokoll zum Haager Abkommen über die internationale Hinterlegung gewerblicher Muster und Modelle — Drucksache 9/234 — Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses — Drucksache 9/426 — 2023 D Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Riesenhuber, Gerstein, Dr. Stavenhagen, Kraus, Engelsberger, Lenzer, Dr.-Ing. Kansy, Dr. Bugl, Dr. Laufs, Pfeifer, Magin und der Fraktion der CDU/CSU Zukünftige Kernenergie-Politik Ausbau der Kernenergie — Drucksache 9/440 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Riesenhuber, Gerstein, Dr. Stavenhagen, Kraus, Engelsberger, Lenzer, Dr.-Ing. Kansy, Dr. Bugl, Dr. Laufs, Pfeifer, Magin und der Fraktion der CDU/CSU Zukünftige Kernenergie-Politik Entsorgung — Drucksache 9/441 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Riesenhuber, Gerstein, Dr. Stavenhagen, Kraus, Engelsberger, Lenzer, Dr.-Ing. Kansy, Dr. Bugl, Dr. Laufs, Pfeifer, Magin und der Fraktion der CDU/CSU Zukünftige Kernenergie-Politik Fortgeschrittene Reaktorlinien — Drucksache 9/442 — in Verbindung mit Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD und FDP Enquete-Kommission „Zukünftige Kernenergie-Politik" — Drucksache 9/504 — Dr. Riesenhuber CDU/CSU 2024 B Schäfer (Offenburg) SPD 2029 A Dr.-Ing. Laermann FDP 2035A Dr. Stavenhagen CDU/CSU 2038 B Reuschenbach SPD 2040 B Wolfgramm (Göttingen) FDP 2043 D Kraus CDU/CSU 2045 B Stockleben SPD 2048 B Zywietz FDP 2049 D Dr. Bugl CDU/CSU 2051 C Dr. Steger SPD 2053 C Namentliche Abstimmung 2054 D Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit zu dem Antrag der Fraktionen der SPD und FDP Enquete-Kommission „Jugendprotest im demokratischen Staat" — Drucksachen 9/310, 9/411 — 2056 C Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Sozialversicherung der selbständigen Künstler und Publizisten (Künstlersozialversicherungsgesetz) — Drucksache 9/26 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 9/508 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung — Drucksache 9/429 — Lutz SPD 2056 D Bahner CDU/CSU 2058 D Cronenberg FDP 2060 A Dr. Ehrenberg, Bundesminister BMA . . .2061D Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 38. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 26. Mai 1981 III Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Anpassung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung im Jahr 1982 — Drucksache 9/458 — in Verbindung mit Beratung des Berichts der Bundesregierung über die gesetzlichen Rentenversicherungen, insbesondere über deren Finanzlage in den künftigen 15 Kalenderjahren (Rentenanpassungsbericht 1981) sowie des Gutachtens des Sozialbeirats zu den Anpassungen der Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung zum 1. Januar 1982 sowie zu den Vorausberechnungen der Bundesregierung über die Entwicklung der Finanzlage der Rentenversicherung bis 1995 — Drucksache 9/290 — Dr. Ehrenberg, Bundesminister BMA . . 2063 B Franke CDU/CSU 2065 C Glombig SPD 2070 C Schmidt (Kempten) FDP 2073 C Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes vom 6. März 1980 — Drucksache 9/427 — 2075 C Beratung der Sammelübersicht 11 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 9/399 — 2075 C Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Überplanmäßige Ausgabe bei Kapitel 15 02 Titelgruppe 07 (Leistungen nach dem Bundeskindergeldgesetz) — Drucksachen 9/219, 9/413 — 2075 D Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Bericht der Kommission an den Rat über das Informationsnetz landwirtschaftlicher Buchführungen INLB Vorschlag einer Verordnung des Rates zur Änderung der Verordnung Nr. 79/65/EWG zur Bildung eines Informationsnetzes landwirtschaftlicher Buchführungen über die Einkommenslage und die betriebswirtschaftlichen Verhältnisse landwirtschaftlicher Betriebe in der EWG Erklärung der Kommission, die wahrscheinlich in die Niederschrift über die Ratstagung aufgenommen wird, auf der der Entwurf einer Verordnung zur Änderung der Verordnung Nr. 79/65/EWG erlassen wird — Drucksachen 9/108 Nr. 22, 9/372 — . . .2076A Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag einer Richtlinie des Rates zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über den Einbau, die Position, die Funktionsweise und die Kennzeichnung der Betätigungs-, Kontroll- und Anzeigeeinrichtungen von land- oder forstwirtschaftlichen Zugmaschinen auf Rädern — Drucksachen 9/158 Nr. 11, 9/369 — . . . 2076A Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschläge für Verordnungen (EWG) des Rates — zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 2727/75 über die gemeinsame Marktorganisation für Getreide, der Verordnung (EWG) Nr. 3330/74 über die gemeinsame Marktorganisation für Zucker und der Verordnung (EWG) Nr. 950/68 über den Gemeinsamen Zolltarif — zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 2742/75 über die Erstattungen bei der Erzeugung für Getreide und Reis — zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 2744/75 über die Regelung für die Einfuhr und Ausfuhr von Getreide- und Reisverarbeitungserzeugnissen — Drucksachen 9/127 Nr. 15, 9/403 — . . . 2076 B Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD Wahl der Mitglieder des Rundfunkrates der Anstalt des öffentlichen Rechts „Deutsche Welle" — Drucksache 9/510 — 2076 C Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD, FDP IV Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 38. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 26. Mai 1981 Wahl der Mitglieder des Rundfunkrates der Anstalt des öffentlichen Rechts „Deutschlandfunk" — Drucksache 9/511 — 2076 C Nächste Sitzung 2077 C Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 2078* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 2078* B Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 38. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 26. Mai 1981 1967 38. Sitzung Bonn, den 26. Mai 1981 Beginn: 9.00 Uhr
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    Berichtigung 35. Sitzung, Seite 1807 B: In der vorletzten Zeile ist statt „Waffenvernichtungswaffen" zu lesen: „Massenvernichtungs-Waffen". Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Ahrens * 27. 5. Dr. Bardens * 26. 5. Büchner (Speyer) * 27. 5. Frau Dr. Däubler-Gmelin 27. 5. Ertl 26. 5. Frau Dr. Hamm-Brücher 26. 5. Dr. Hubrig 26. 5. Kiep 26. 5. Kleinert 26. 5. Korber 27. 5. Dr. Lenz (Bergstraße) 27. 5. Dr. Müller * 27. 5. Frau Noth 27. 5. Frau Pack * 27. 5. Frau Roitzsch 27. 5. Sauer (Salzgitter) ** 27. 5. Frau Schlei 27. 5. Schulte (Unna) * 27. 5. Dr. von Weizsäcker 27. 5. Dr. Zimmermann 26. 5. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Vorsitzende des Vermittlungsausschusses hat mit Schreiben vom 20. Mai 1981 mitgeteilt, daß der Anlagen zum Stenographischen Bericht Vermittlungsausschuß in seiner Sitzung am 20. Mai 1981 das Zwanzigste Strafrechtsänderungsgesetz (20. StrÄndG) bestätigt hat. Sein Schreiben ist als Drucksache 9/456 verteilt. Die in Drucksache 9/405 unter Nummer 3 aufgeführte EG-Vorlage Vorschlag einer Entscheidung des Rates über ein Informationsverfahren auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften wird als Drucksache 9/459 verteilt. Der Vorsitzende des Ausschusses für Jugend, Familie und Gesundheit hat mit Schreiben vom 12. Mai 1981 mitgeteilt, daß der Ausschuß die nachstehenden EG-Vorlagen zur Kenntnis genommen hat: Vorschlag einer Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 78/631/EWG zur Angleichung der Rechtsvorschriften für die Einstufung, Verpackung und Kennzeichnung gefährlicher Zubereitungen (Schädlingsbekämpfung) - Drucksache 9/158 Nr. 22 - Vorschlag einer Richtlinie des Rates zur dritten Änderung der Richtlinie 76/768/EWG zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über kosmetische Mittel - Drucksache 9/184 Nr. 18 -
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    Rede von Karl-Heinz Hansen


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Vorweg ein Wort in Anknüpfung an das, was hier eben diskutiert wurde. Ich glaube, so einfach kann man es sich mit der „Verteidigung der Freiheit" als etwas Abstraktem im nuklearen Zeitalter nicht machen.

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Es ist konkret gemeint!)

    Ich glaube, es sieht etwas anders aus, ob man ethische Erwägungen über die Verteidigung individueller Freiheit zu Zeiten Augustins anstellt oder in Zeiten des atomaren Overkills. Ich will es dabei belassen.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD)

    Ich möchte versuchen, der dauernden Fehlinformation der Öffentlichkeit

    (Zuruf von der CDU/CSU: Durch wen?)

    über den sogenannten Doppelbeschluß und seine möglichen Folgen die Besorgnisse von vielen Menschen innerhalb und außerhalb der SPD gegenüberzustellen.
    Die SPD hat Anfang Dezember 1979 sehr ausführlich über den bevorstehenden sogenannten Doppelbeschluß der NATO diskutiert. Ergebnis: Wenn es eine Lücke im eurostrategischen Gleichgewicht gibt, sollten vorrangig politische Verhandlungen über die Beseitigung dieses Urigleichgewichts stattfinden mit dem Ziel, die Stationierung neuer US-Mittelstreckenraketen auf europäischem Boden überflüssig zu machen. Erst nach Scheitern solcher Verhandlungen sollte die Bundesrepublik der Stationierung zusätzlicher Mittelstreckenraketen zustimmen, aber auch dann nur gemeinsam mit anderen europäischen Bündnispartnern. Eine neue Lage würde auch dadurch entstehen, wenn der SALT-II-Vertrag durch die USA nicht ratifiziert würde.
    In den vergangenen 18 Monaten sind diese vernünftigen Forderungen der SPD zur Fortsetzung der Entspannungspolitik von der Entwicklung besonders in den USA überrollt worden. Schon der sogenannte Doppelbeschluß war also ein Aufrüstungsbeschluß mit Verhandlungsfußnote.
    Die Aufstellung von zusätzlichen landgestützten Raketen und Marschflugkörpern in amerikanischer Hand in Europa ist militärisch nicht zu rechtfertigen. Als direkte Gegenwaffe gegen die sowjetischen SS-20 sind sie ungeignet, weil sie diese nicht erreichen können. Landgestützt sind sie leicht verwundbar und bieten lediglich zusätzliche Ziele für die Ra-



    Hansen
    keten der anderen Seite. Die einzig sinnvolle militärische Antwort auf die SS-20 wäre die Stationierung modernisierter Mittelstreckenwaffen auf U-Booten. Diese Maßnahme ist aber überflüssig, weil das vorhandene seegestützte Potential der NATO das Gleichgewicht des Schreckens nach der bisher geltenden Doktrin von der gesicherten gegenseitigen Zerstörung, um einen möglichen Angreifer von der Selbstmordoption abzuhalten, immer noch vollauf gewährleistet. Die Gegenwaffen gegen die SS-20 gibt es also schon.
    Zu Recht wird somit die militärische Notwendigkeit der Produktion und Stationierung neuer Mittelstreckenraketen von Politikern, Friedensforschern und Militärs bestritten. Die Kritiker reichen von George F. Kennan, dem die Berechnungsmethoden eines Kräftevergleichs „vom schlichten Betrug nicht mehr weit entfernt" zu sein scheinen, über Carl Friedrich von Weizsäcker bis zu amerikanischen, englischen, französischen, italienischen und deutschen Generalen und Admiralen, j a sogar bis hin zu dem Befehlshaber der NATO-Heeresgruppe Mitte, dem US-General Kroesen. Wenn das so ist, müssen andere, politische Gründe für das Drängen der USA, ihre neuen Raketen auf europäischem Boden auf zustellen, maßgebend sein.
    Wenn die Ankündigung der Produktion und möglichen Stationierung solcher Waffen das Ziel hatte, die Sowjetunion zum Verhandeln zu zwingen, so ist dieser Zweck erreicht. Nach seiner Rückkehr aus Moskau hat der Bundeskanzler am 7. Juli 1980 folgendes erklärt:
    Breschnew und seine Kollegen der sowjetischen Führung haben ganz genauso Angst vor einem Krieg wie wir hier. Sie möchten nicht das Risiko eines Krieges laufen und wissen auch, daß aus einem Rüstungswettlauf Schlimmeres entstehen kann. Deswegen auch hatte ich schon im vorigen Jahr vorausgesagt, die Russen würden bereit sein, zu verhandeln; nur wann und unter welchen Bedingungen, das konnte ich nicht vorhersehen. Jetzt hat sich unter dem Eindruck all dieser vielfältigen Bemühungen gezeigt, sie sind jetzt bereit, zu verhandeln, sind sogar bereit, sofort zu sprechen.
    Die Sowjetunion hat seither mehrfach Verhandlungen angeboten. Vor allem hat die Sowjetunion Anfang dieses Jahres ein Moratorium über die Stationierung neuer atomarer Mittelstreckenraketen und Verhandlungen ohne Vorbedingungen vorgeschlagen. Sie hat damit das aufgegriffen, was der Bundeskanzler 1980 öffentlich angeregt hatte. Danach wäre es ohne zusätzliches Risiko möglich, für eine bestimmte Zahl von Jahren auf die Stationierung von neuen Mittelstreckenwaffen in Ost und West zu verzichten.
    Der Bundesaußenminister hat diesen Vorschlag Breschnews umgehend ungeprüft zurückgewiesen. Da hierzulande einige sich zu Recht besorgt fragen, wieviel Zeit für Verhandlungen noch bleibt, weil niemand weiß, ob die erkennbare Verhandlungsbereitschaft der Sowjetunion auch nach Breschnew fortdauern wird, könnte sich diese Zurückweisung des Moratoriumsangebots als großer historischer Fehler in der Geschichte des Versuchs einer Entspannungspolitik erweisen, nur vergleichbar mit der ebenso brüsken Ablehnung von Friedensangeboten der UdSSR 1952 durch Konrad Adenauer.

    (Lachen bei der CDU/CSU)

    Ob es damals für Deutschland eine Chance der Entwicklung eines anderen Weges — nämlich ohne Aufrüstung — gegeben hätte, wissen wir nicht, aber daß wir es heute nicht wissen können, wird für immer die historische Schuld Adenauers bleiben.
    Außerdem werden sich alle diejenigen, die die Notwendigkeit einer sogenannten Nachrüstung mit der fortlaufenden Stationierung von SS-20-Raketen begründet haben, spätestens nach der Ablehnung dieses Moratoriumsangebots eine neue Begründung ausdenken müssen. Das Ereignis „Afghanistan", das nach dem sogenannten Doppelbeschluß stattfand, reicht dazu wohl nicht aus.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Warum nicht?)

    Somit bleibt festzustellen: Bis heute fehlt ein klares und realistisches Verhandlungskonzept der NATO als Antwort auf die diplomatische Offensive der UdSSR. Schlimmer noch, alles, was wir seit dem Amtsantritt von US-Präsident Reagan in oft ungenierter Manier von jenseits des Atlantik hören, läßt nur den einen Schluß zu: Die neue US-Regierung will erst aufrüsten — manche sagen sogar: „wiederaufrüsten". Die USA wollen der Sowjetunion auf allen Ebenen — konventionell, taktisch und strategisch — überlegen sein. Deshalb ist es nur konsequent, daß der politische Berater des Präsidenten, Meese, über die Verträge zur Begrenzung strategischer Waffen erklärt: „Wir glauben, es gibt keine rechtliche oder moralische Verpflichtung, SALT I oder SALT II zu befolgen." Das US-Außenministerium hat diese Auffassung bestätigt.
    Die hochgepriesenen Kommuniqués von Rom und Brüssel am Anfang dieses Monats zeigen die gleiche Handschrift. In Rom haben die Minister des Nordatlantikrates den USA darin zugestimmt, daß „die Modernisierung der Mittelstreckenwaffen des Bündnisses wesentlicher ist denn je und die einzig realistische Grundlage für parallellaufende Rüstungskontrollgespräche" ist. Aber selbst solche Gespräche — wohlgemerkt, Gespräche, nicht Verhandlungen — werden noch unter den Vorbehalt des weltweiten Wohlverhaltens der UdSSR gestellt. Das läßt Zweifel an der Zusage aufkommen, noch in diesem Jahr im Rahmen des SALT-Prozesses in wirkliche Verhandlungen mit der Sowjetunion einzutreten. Die Entschlossenheit der USA, erst nach der — aus ihrer Sicht, nicht entsprechend der objektiven Lage — wiedererlangten militärischen Überlegenheit Verhandlungen mit der Sowjetunion aufzunehmen, ist unübersehbar.
    Plausibel wird das Beharren der Reagan-Regierung auf der Stationierung amerikanischer Raketen in Europa erst im Lichte einer neuen Gesamtstrategie. Neben der geplanten Einführung der MX-Rakete, einer Erstschlagwaffe, ist die Stationierung neuer atomarer Mittelstreckenwaffen in Europa ein wesentliches Element dieser veränderten Strategie. Die neuen Waffen erreichen die Sowjetunion in fünf



    Hansen
    bis sieben Minuten und können auch unterirdische Bunker fast punktgenau treffen. Sie sollen auf politische und militärische Lenkungszentren in der Sowjetunion gerichtet werden. Das macht sie zu Erpressungswaffen, die das Ganze der Abschreckungstriade durchbrechen.
    Die Aufstellung dieser Waffen bedeutet die Abkehr von der bisherigen Strategie der Kriegsverhütung. Sie sind Teil des neuen Konzepts einer Strategie, die nicht nur einen Krieg mit Atomwaffen für denkbar und damit auch führbar hält; eine solche Kriegsführungsstrategie nimmt Europa zur Geisel gegenüber der Sowjetunion, um den USA mehr Handlungsfreiheit in der übrigen Welt zu verschaffen, d. h. Vorteile im sich verschärfenden und militärisch abgesicherten weltweiten Handels- und Rohstoffkrieg. Die Antwort der Sowjetunion kann nur die Produktion entsprechender neuer Gegenwaffen sein. Das von allen als Wahnsinn bezeichnete Wettrüsten ginge ungebremst weiter.
    Das ist es, wovor sich viele Menschen in der Bundesrepublik und in anderen Teilen Europas zu Recht fürchten: nicht daß die USA oder die Sowjetunion bewußt einen Krieg herbeiführen wollen, aber daß sie Situationen herstellen, in denen es dazu kommen kann. Deswegen rufen sie in einer immer stärker werdenden Friedensbewegung zum Widerstand gegen die Zumutung eines möglichen Stellvertreterkrieges der Supermächte auf. Sie wehren sich gegen die Ausweglosigkeit eines militärischen Verteidigungskonzeptes, das die mögliche eigene Vernichtung bedeutet. Hier kann ich auch anmerken: Freiheit gibt es eben nur als Freiheiten für Lebendige und nicht als abstraktes Gut.
    Deshalb — und damit bin ich am Ende, ohne meine Redezeit ganz auszuschöpfen — —

    (Demonstrativer Beifall bei der CDU/ CSU)

    — Ja, meine Herren von der Opposition, ich rede auch für Menschen in Ihrer Partei oder solche, die sich Ihnen nahe fühlen,

    (Lebhafter Widerspruch bei der CDU/ CSU)

    weil sie auf Ihren Krolloper-Parteitagen nicht zu Wort kommen. Deshalb kann ich mit einigen Kollegen einer Entschließung, die die Absicht der Stationierung neuer Atomraketen auf dem dicht besiedelten Boden der Bundesrepublik festschreibt, nicht zustimmen. Denn gerade für uns Europäer — und dies wiederhole ich bewußt — gibt es keine wichtigeren Dinge, als bloß Frieden zu haben. — Ich danke Ihnen.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD und der FDP)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Corterier.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Peter Corterier


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Meine Damen und Herren! Die Ausführungen des Kollegen Hansen hatten einen Vorteil: Sie waren so klar, daß deutlich geworden ist, daß er nur für sich selber gesprochen hat und nicht für die sozialdemokratische Bundestagsfraktion.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP)

    Ich möchte, bevor ich unsere Haltung zu dem vorliegenden Antrag der Koalitionsfraktionen noch einmal zusammenfasse, ganz kurz auf einige der Argumente, die er hier vorgetragen hat, eingehen.
    Kollege Hansen hat von der dauernden Fehlinformation der Öffentlichkeit über die Frage des Kräfteverhältnisses im eurostrategischen Bereich gesprochen. Ich will mich hier auf keine Zahlendebatte einlassen, sondern mich darauf beschränken, in drei oder vier Sätzen die neueste Agenturmeldung über eine Äußerung des Londoner Instituts für strategische Studien zu zitieren. Dort heißt es in einer ddpMeldung vom heutigen Tage:
    Die Sowjetunion verfügt gegenwärtig über insgesamt 220 bis 225 modernste Kernwaffen des Typs SS-20. Davon sind nach Erkundungen des Internationalen Instituts für strategische Studien etwa zwei Drittel, also rund 140, in Europa stationiert. Wie ein IISS-Sprecher am Dienstag gegenüber dem Deutschen Depeschendienst erklärte, betrug die Anzahl der sowjetischen Waffensysteme des Typs SS-20 vor einem Jahr rund 160. Das bedeutet, daß in der Sowjetunion in jeweils fünf Tagen eine weitere SS-20 hinzukommt.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Entspannung!)

    Ich glaube, diese Zahlen sprechen für sich; dem braucht man nichts hinzuzufügen.
    Gleich in diesem Zusammenhang die Frage: Hat der Bundesaußenminister und hat die Bundesregierung übereilt den sowjetischen Moratoriumsvorschlag zurückgewiesen? — Ich meine, daß der Moratoriumsvorschlag in dieser Form tatsächlich nicht akzeptabel war; denn er hätte nur dazu führen können, daß dieses Übergewicht der Sowjetunion, das in den Zahlen, die ich soeben vorgetragen habe, deutlich wird, festgeschrieben worden wäre. Deswegen kann ein Beitrag der Sowjetunion für den Einstieg in Verhandlungen doch nur darin bestehen, wie es in unserem Antrag richtig heißt:
    Verhandlungsergebnisse zwischen den USA und der Sowjetunion würden erleichtert, wenn die Sowjetunion den Bau und die Stationierung weiterer SS-20-Raketen einstellen und die vorhandenen Mittelstreckenraketen schrittweise abbauen würde.
    Schließlich hat Herr Kollege Hansen eine These wiederholt, die leider in den Diskussionen auch draußen im Lande eine Rolle spielt, nämlich die, daß es angeblich den Vereinigten Staaten darum gehe, einen Stellvertreterkrieg der Supermächte in Europa führbar zu machen. Ich glaube, das einfachste Argument gegen diese These ist das folgende: daß doch zu einem Stellvertreterkrieg zwei gehören würden, d. h. daß die Sowjetunion hinnehmen würde, daß die Amerikaner sie mit Atomwaffen aus Westeuropa angreifen, und daß sie dann nur gegen Westeuropa und nicht gegen die USA zurückschlagen wür-



    Dr. Corterier
    de. Es gibt sehr eindeutige Erklärungen aus der Sowjetunion, übrigens auch von Herrn Arbatow, die er sogar hier in Bonn gemacht hat, daß sie so etwas natürlich niemals mitmachen würde. Trotzdem wird diese These immer weiter verbreitet. Ich glaube, sie kann einer näheren Prüfung überhaupt nicht standhalten.
    Lassen Sie mich zusammenfassen, meine Damen und Herren, warum es der SPD bei diesem Antrag, den wir hier zusammen mit unserem Koalitionspartner vorgelegt haben, geht. Es geht uns um Kontinuität, Berechenbarkeit und Zuverlässigkeit der Bundesrepublik als Partner im westlichen Bündnis und im Ost-West-Dialog. Wir wollen dazu beitragen, daß das militärische Gleichgewicht als Grundlage für die Entspannungspolitik erhalten bleibt, und sehen das Prinzip, weder eine Position der Schwäche hinzunehmen noch Überlegenheit anzustreben, als notwendig für die Stabilität der Ost-West-Beziehungen an, die wir dadurch in ihrem Bestand sichern wollen. Was wir im einzelnen auf westlicher Seite militärisch tun, ist sicherlich umstritten, allein schon deshalb, weil es Alternativen zu dem gegeben hat, was am 12. Dezember 1979 im Bündnis beschlossen worden ist. Es ist ja heute schon mehrfach von der Frage seegestützter Systeme die Rede gewesen.
    Wir haben nicht nur bei uns eine Debatte darüber, was auf unserer Seite militärisch notwendig ist. Dieser Debatte muß man sich stellen. Das tun wir, und dazu werden wir auch in Zukunft bereit sein, auch nachdem wir dieser Entschließung zugestimmt haben werden.
    Eines ist jedenfalls nicht zu bestreiten — ich habe es soeben darzulegen versucht —: daß sich die Sowjetunion im Bereich nuklearer Mittelstreckenwaffen eine Überlegenheit verschafft hat, die im Westen berechtigte Sorgen und Fragen aufgeworfen hat, wozu das eigentlich dienen soll. Mit dem Doppelbeschluß der NATO sollen die verteidigungs- und rüstungskontrollpolitischen Voraussetzungen für Verhandlungen geschaffen werden. Es gibt Kritiker, die mit großer Überzeugung von den großen Risiken dieser Entscheidung sprechen. Ich möchte sagen, daß man die Risiken des eigenen Handelns sehr wohl bedenken muß, aber man darf sie auch nicht überschätzen; denn der Beschluß eröffnet, weil er in sich begrenzt ist, eben nicht einen ungebremsten Rüstungswettlauf. Wir wollen diesen ja gerade verhindern. Dazu ist allerdings auch sowjetisches Zutun erforderlich. Wir können und wollen nicht einseitig abrüsten oder einseitig auf verteidigungspolitisch notwendige Maßnahmen verzichten. Wir würden sonst dazu beitragen, beide Supermächte aus ihren im Nichtverbreitungsvertrag und in den SALT- Vereinbarungen gegebenen Verpflichtungen zu entlassen, die Nuklearrüstung zu vermindern.
    Der, wie ich meine, große Erfolg der Bundesregierung, insbesondere des Bundeskanzlers, war es, ganz entscheidend zur Einhaltung dieser Verpflichtungen auf beiden Seiten beigetragen zu haben. Niemand kann ernstlich am Friedenswillen dieser Regierung zweifeln. Sie hat auf beiden Seiten schwierige Gespräche geführt und in diesen Gesprächen in Moskau und Washington und auf Bündnisebene durch das Kommuniqué von Rom zu einem klaren Engagement für Rüstungskontrollverhandlungen beigetragen. Der Weg für Rüstungskontrollverhandlungen ist vor allem auf der Basis des Kommuniqués von Rom jetzt frei. Es ist durch die Gemeinsame Erklärung des amerikanischen Präsidenten und des Bundeskanzlers unterstützt und bekräftigt worden. Auf diesem Weg sollten wir jetzt weitergehen. Ich meine, eines muß klar sein: Wenn es einen Wählerauftrag aus der Wahl vom 5. Oktober 1980 gibt, dann ist es der, daß die Abgeordneten der Mehrheit in diesem Hause die Friedenspolitik dieser Bundesregierung, die Friedenspolitik des Bundeskanzlers und des Bundesaußenministers unterstützen,

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    und in diesem Sinne wird die überwältigende Mehrheit der SPD-Bundestagsfraktion diesem Antrag zustimmen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Zuruf von der CDU/CSU: Das ist ja unheimlich, das ist enorm!)