Frau Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wenn die Fraktion der SPD heute den Besuch des Bundeskanzlers in Washington und Paris als Erfolg wertet, muß man das, Herr Kollege Kohl, auf dem Hintergrund der Tatsache sehen, daß seit dem amerikanischen Wahlkampf auch in der deutschen Diskussion eine ganze Reihe von Besorgnissen bestanden haben, die doch gar nicht zu bestreiten sind, Besorgnisse vor allem in der Frage, ob denn die Bündnispolitik von der neuen amerikanischen Administration so fortgesetzt würde, wie sie in den letzten Jahren geführt worden war. Der Kollege Schäfer von der FDP hat dazu neulich hier eine sehr bemerkenswerte Rede gehalten, auf die ich verweisen darf.
Der Erfolg, der eingetreten ist, ist zunächst einmal, daß die amerikanische Administration ihr Versprechen wahrgemacht hat, das, was sie tut, mit ihren Verbündeten, darunter der Bundesrepublik, zu konsultieren. Die zweite Stufe ist, daß diese Konsultationen, geführt vom Verteidigungsminister, vom Außenminister, vom Bundeskanzler, nun zu einer
1992 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 38. Sitzung. Bonn, Dienstag, den 2G. Mai 1981
Dr. Ehmke
Übereinstimmung und zu einer Bekräftigung dieser Übereinstimmung geführt haben, und zwar in den Kommuniqués von Brüssel und Rom wie in der Erklärung von Washington. Gleichzeitig ist das gute deutsch-amerikanische Verhältnis noch einmal unterstrichen und ist die Bedeutung des deutsch-amerikanischen Verhältnisses für das Bündnis betont worden.
Der Besuch in Washington folgte einem Besuch in Großbritannien, und an den Besuch in Washington schloß sich ein Besuch in Paris beim neuen französischen Staatspräsidenten Mitterrand an, dem ich im Namen der sozialdemokratischen Bundestagsfraktion auch von dieser Stelle aus noch einmal sehr herzlich zu seinem großen Erfolg in Frankreich gratulieren möchte.
Ich halte es für wichtig, daß sich in diesem Gespräch des Bundeskanzlers mit dem französischen Staatspräsidenten Übereinstimmung in Sachen Verteidigungspolitik und auch in Sachen Doppelbeschluß ergeben hat, was ja keine Selbstverständlichkeit ist, da Frankreich auf der einen Seite Mitglied des Bündnisses ist, auf der anderen Seite seine Streitkräfte aber nicht integriert sind.
Vielleicht wird in diesen schnell aufeinanderfolgenden Besuchen in Washington und Paris und ihren Ergebnissen auch deutlich, daß wir endlich aufhören sollten, die Frage zu erörtern, ob die Bundesrepublik zwischen Washington und Paris zu wählen habe. Europa braucht die deutsch-französische Freundschaft, das Bündnis braucht die Freundschaft zwischen Europa und Amerika, und dafür ist das Verhältnis von Franzosen und Amerikanern ein wichtiger Pfeiler. Wir können sagen: Der Erfolg des Bundeskanzlers war es, nach Änderung der amerikanischen Administration und der Machtverhältnisse in Frankreich in kurzer Zeit die Gemeinsamkeit des Bündnisses in einer schwierigen außenpolitischen Situation zu festigen und noch einmal darzustellen.
Wenn man sich jetzt fragt, Herr Kollege Kohl, warum dieser einfache politische Tatbestand keine Anerkennung von Ihrer Seite finden kann, so glaube ich, daß — was ich bei der Opposition durchaus verstehe — taktische Elemente im Spiel sind. Dagegen ist in der Politik nichts zu sagen. Die Begleitmusik zu dem Besuch in Washington war taktisch. Ihr Antrag hier war im Grunde auch taktisch, nämlich gezielt auf ein Auseinanderdividieren der Koalition. Auch der erste Teil Ihrer Rede war sehr taktisch bedingt. Nur, Herr Kollege Kohl, meines Erachtens begeben Sie sich dabei selbst in einen gewissen Zwiespalt. Denn auf der einen Seite wollen Sie erklären und darstellen, daß Sie die eigentlichen Garanten des Bündnisses sind, daß Sie viel zuverlässigere Bündnispartner des Nordatlantischen Bündnisses sind,
auf der anderen Seite sehen Sie sich außerstande,
unserem Entschließungsantrag zuzustimmen, in
dem diese gemeinsame Bündnispolitik und der Beitrag, den die deutsche Bundesregierung und die Bundesrepublik dazu leisten, ganz unanfechtbar dargestellt worden ist.
Ich darf auf den Kollegen Huyn zurückkommen. Die NATO-Politik, wie sie seit 1967 nach dem Harmel-Bericht geführt worden ist — das war im Dezember 1967, und Willy Brandt hat daran erinnert; da waren wir in einer Großen Koalition —, geht davon aus, daß Sicherheit und Verteidigung auf der einen Seite und Entspannung und Dialog auf der anderen Seite kein Widerspruch sind, wie Sie es so oft darstellen, wie es auch der Kollege Huyn eben wieder dargestellt hat, sondern sich notwendigerweise ergänzen. Ich muß dem Kollegen Huyn sagen, den Satz, daß es zur Entspannungspolitik keine Alternative gibt, halte ich nach wie vor für richtig.
Die Entspannungspolitik ist nicht das Ganze der Bündnispolitik, aber selbst wenn wir wieder durch lange Zeiten eines Kalten Krieges gingen, was j a keiner hoffen wird, würde man wieder zum Dialog und zur Entspannung zurückkommen müssen, denn die Alternative dazu wäre nur die kriegerische Auseinandersetzung, und die will keiner in diesem Hause.
— Nein, das sind doch künstliche Dinge, die Sie da aufbauen. Der Harmel-Bericht sagt: Sicherheit und Verteidigung auf der einen Seite, Entspannung und Dialog auf der anderen Seite. Willy Brandt hat schon darauf hingewiesen, daß genau dies in den Kommuniqués von Rom und Brüssel und in der Erklärung von Washington fortgeschrieben worden ist.
Wir haben Zeiten gehabt, etwa nach dem sowjetischen Einmarsch in Afghanistan, wo sehr stark diskutiert worden ist: Soll man nicht die ganze Entspannungspolitik als zweites Bein des Harmel-Berichts fallen lassen? Das ist auch angesichts der sowjetischen Mittelstreckenraketenrüstung diskutiert worden. Es war mit ein Verdienst der Bundesrepublik, auf die Kontinuität der Politik auch in dieser Situation hinzuwirken. Wir haben das mit unseren amerikanischen Freunden sehr offen diskutiert, übrigens nicht allein. Ich muß mich noch einmal bei dem Kollegen Mertes bedanken für die Diskussion, die wir in Princeton gemeinsam mit unseren amerikanischen Freunden geführt haben, um unsere Meinung aus verschiedenen Sichten und mit Nuancen deutlich zu machen.