Rede von
Graf
Hans
Huyn
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Herr Möllemann hat über notwendige Gemeinsamkeiten gesprochen. Ich kann Ihnen im Namen meiner Fraktion sagen: Wir sind der Überzeugung, daß wir in dieser schwierigen Situation Gemeinsamkeiten brauchen.
Aber, Herr Möllemann, was wir vorher gehört haben, waren j a zwei Reden von zwei verschiedenen Parteien: die Regierungserklärung von Herrn Schmidt und der Debattenbeitrag seines Vorgängers, Herrn Brandts.
Bei allem Verständnis für die parteipolitischen Gegensätze hier brauchen wir diese parteipolitischen Gegensätze nicht auch noch in die internationale Politik zu übertragen.
Für die CDU/CSU ist die deutsch-französische Zusammenarbeit das bewegende Element der europäischen Einigung über parteipolitische Konstellationen hinweg. So sehr wir erfreut sind, daß in den Vereinigten Staaten eine Administration da ist, die eine deutliche Politik für unsere Sicherheit, für den Frieden, betreibt, so sehr ist über alle Regierungen und Administrationen hinweg die deutsch-amerikanische Zusammenarbeit unabdingbar für unsere gemeinsame Sicherheit und für die Erhaltung der Freiheit in Europa und in der Welt.
Herr Brandt, wenn Sie hier von Scheingefechten gesprochen haben, so kann ich nur fragen: Wer führt denn hier die Scheingefechte?
Wir unterstützen die Bundesregierung in den wesentlichen Punkten dieser Politik und der Reise in die Vereinigten Staaten und deren Ergebnis.
Sie sind es doch gewesen, es war Ihre Fraktion, die tagelang gebraucht hat, um überhaupt zu der Formulierung einer Erklärung zu kommen.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, für diese Bundesregierung ist auf fast allen Gebieten der Politik die Stunde der Wahrheit gekommen. Dies gilt ganz besonders für das Gebiet der Außen- und Sicherheitspolitik. Herr Bundeskanzler, Sie haben in den letzten Wochen drei wichtige außenpolitische Kommuniqués unterzeichnet: NATO-Außenministertagung in Rom, NATO-Verteidigungsministertagung in Brüssel, deutsch-amerikanisches Kommuniqué in Washington. Die CDU/CSU-Fraktion trägt in allen wesentlichen Punkten diese Erklärung mit.
Nur: Für Sie, Herr Bundeskanzler, sind diese Erklärungen j a nicht zu einem Erfolg, sondern für Sie sind sie zum Offenbarungseid Ihrer Politik geworden.
Für Ihre Partei sind Sie doch mit leeren Händen aus Washington zurückgekehrt. Sie haben in Washington vergeblich versucht, die amerikanische Regierung zum Erfüllungsgehilfen bei der Lösung Ihrer innerparteilichen Probleme zu machen.
Noch am Tag Ihrer Abreise in die Vereinigten Staaten hieß es nach Angaben von Regierungskreisen in Bonn, Sie strebten an — ich zitiere wörtlich —„den vor Jahresende geplanten Beginn der Verhandlungen mit Moskau über die europäischen Mittelstreckenwaffen zeitlich vorzuziehen". Keine 24 Stunden später teilte Ihr Pressesprecher, Staatssekretär Becker, mit, der Kanzler habe nicht die Absicht, eine Beschleunigung dieser Gespräche zu fordern, darauf zu drängen oder auch nur darum zu ersuchen. Dies zeigt doch die tiefe Krise, in die diese Regierung nicht nur sich selbst, sondern auch unser Land gebracht hat.
Der Chefredakteur der „Neuen Zürcher Zeitung", Fred Luchsinger, schreibt hierzu:
Bundeskanzler Schmidt's Besuch in Washington steht im Zeichen einer politischen Krise in der Bundesrepbulik. Sie ist nicht, wie man vorschnell interpretiert, ein Sommergewitter im Spätfrühling, das mit der Rücktrittsdrohung des Kanzlers und ihrer oberflächlichen Sofortwirkung die Atmosphäre gereinigt hätte und heiteren Himmel zurückließe. Eher sieht sie nach einem Zerfallsprozeß aus, der sich in den letzten Monaten beschleunigt hat und der Bonner Koalition wie der westlichen Allianz noch schwierige Zeiten bescheren könnte.
Meine Damen und Herren, wir machten es uns als Opposition zu einfach, wenn wir diese Krise, in die sich die Bundesregierung hineinmanövriert hat, mit Schadenfreude quittierten. Fred Luchsinger schreibt zu Recht:
Es geht nicht nur um die Weiterexistenz der Regierung in Bonn, sondern einmal mehr um den politischen Standort der Bundesrepublik Deutschland überhaupt.
Daß es zu dieser ernsten Situation gekommen ist, haben Sie, Herr Bundeskanzler, Ihr Vorgänger Willy Brandt und ein erheblicher Teil der politischen Führung Ihrer Partei zu verantworten.
Ich betone nochmals: Wir von der Union tragen die wesentlichen Elemente der Erklärungen von Rom, Brüssel und Washington mit, aber wir sind nicht bereit, die Verantwortung für die verfehlte Politik mit zu übernehmen, die uns in diese ernste Situation gebracht hat.