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ID0903502900

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    Plenarprotokoll 9/35 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 35. Sitzung Bonn, Freitag, den 8. Mai 1981 Inhalt: Beratung des Antrags der Fraktion der CDU/CSU Vorschläge zur kontrollierten Abrüstung der biologischen, chemischen und atomaren Waffen — Drucksache 9/200 — Dr. Mertes (Gerolstein) CDU/CSU . . . 1807 B Voigt (Frankfurt) SPD 1810C Jung (Kandel) FDP 1813A Graf Huyn CDU/CSU 1814A Männing SPD 1816 D Frau Dr. Hamm-Brücher, Staatsminister AA 1819A Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Köhler (Wolfsburg), Pieroth, Dr. Pinger, Frau Fischer, Herkenrath, • Höffkes, Dr. Hornhues, Dr. Hüsch, Dr. Kunz (Weiden), Lamers, Dr. Möller, Dr. Müller, Dr. Pohlmeier, Repnik, Schmöle, Schröder (Lüneburg), Dr. Jenninger und der Fraktion der CDU/ CSU Hilfsmaßnahmen für die am wenigsten entwickelten Länder (least developed countries) — Drucksache 9/284 — Frau Fischer CDU/CSU 1819 D Dr. Holtz SPD 1821 D Dr. Rumpf FDP 1824 B Offergeld, Bundesminister BMZ 1826 C Dr. Pinger CDU/CSU 1829A Bindig SPD 1831A Dr. Vohrer FDP 1833 B Nächste Sitzung 1835 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 1837* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 1837* B II Anlage 3 Einrichtung einer bundeswehreigenen Rundfunksendung MdlAnfr 85 30.04.81 Drs 09/381 Würtz SPD SchrAntw PStSekr Dr. Penner BMVg . . 1837* D Anlage 4 Bezeichnung der Biwakplätze auf dem Truppenübungsplatz Bergen-Hohn mit Namen ehemaliger deutscher Städte im heutigen Polen MdlAnfr 86, 87 30.04.81 Drs 09/381 Merker FDP SchrAntw PStSekr Dr. Penner BMVg . . 1838*A II Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 35. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Mai 1981 Anlage 5 Finanzierungslücke bei der Bundeswehr wegen der gestiegenen Treibstoffkosten MdlAnfr 88 30.04.81 Drs 09/381 Engelsberger CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. Penner BMVg . . 1838* B Anlage 6 Versorgung der fliegenden Verbände der Luftwaffe und der mechanisierten Teile des Heeres mit den notwendigen Mengen an Treibstoff MdlAnfr 89 30.04.81 Drs 09/381 Biehle CDU/CSU SchrAntw PStSekr Dr. Penner BMVg . . 1838* D Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 35. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Mai 1981 1807 35. Sitzung Bonn, den 8. Mai 1981 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. van Aerssen * 8. 5. Bahner 8. 5. Brandt * 8. 5. Büchler (Hof) 8. 5. Dr. Dollinger 8. 5. Feinendegen 8. 5. Frau Fromm 8. 5. Funke 8. 5. Dr. Geißler 8. 5. Frau Hoffmann (Soltau) 8. 5. Keller 8. 5. Kittelmann 8. 5. Kohl 8. 5. Korber 8. 5. Dr. Kreile 8. 5. Kunz (Berlin) 8. 5. Lampersbach 8. 5. Lorenz 8. 5. Frau Luuk 8. 5. Dr. Meyer zu Bentrup 8. 5. Michels 8. 5. Müller (Bayreuth) 8. 5. Müller (Wadern) 8. 5. Neuhaus 8. 5. Frau Noth 8. 5. Pieroth 8. 5. Dr. Schachtschabel 8. 5. Dr. Schäuble 8. 5. Schirmer 8. 5. Frau Schlei 8. 5. Schröer (Mülheim) 8. 5. Schulze (Berlin) 8. 5. Dr. Schwarz-Schilling 8. 5. Spilker 8. 5. Dr. Steger 8. 5. Dr. Warnke 8. 5. Weiß 8. 5. Dr. von Weizsäcker 8. 5. Dr. Wieczorek 8. 5. Frau Will-Feld 8. 5. Wimmer (Neuss) 8. 5. Dr. Zumpfort 8. 5. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments Anlage 2 Amtliche Mitteilung ohne Verlesung Der Präsident des Deutschen Bundestages hat gemäß § 80 Abs. 3 der Geschäftsordnung nach Vereinbarung im Ältestenrat die nachstehenden Vorlagen überwiesen: Vierter Bericht der Bundesregierung über die Tätigkeit des Rückstellungsfonds nach dem Altölgesetz, insbesondere über die Möglichkeiten Anlagen zum Stenographischen Bericht einer Ermäßigung der laufenden Zuschüsse und der Ausgleichsabgabe - Drucksache 9/288 - zuständig: Ausschuß für Wirtschaft (federführend) Innenausschuß Haushaltsausschuß Halbjahresbericht der Bundesregierung über die Tätigkeit des Europarats und der Westeuropäischen Union für die Zeit vom 1. Oktober 1980 bis 31. März 1981 - Drucksache 9/322 - zuständig: Auswärtiger Ausschuß Zusammenstellung der über- und außerplanmäßigen Ausgaben im 4. Vierteljahr des Haushaltsjahres 1980 - Drucksache 9/348 - zuständig: Haushaltsausschuß Entschließung des Europäischen Parlaments zur Militärjunta in der Türkei - Drucksache 9/367 - zuständig: Auswärtiger Ausschuß Entschließung des Europäischen Parlaments zu den Eigenmitteln der Gemeinschaft - Drucksache 9/368 - zuständig: Haushaltsausschuß (federführend) Auswärtiger Ausschuß Finanzausschuß Anlage 3 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Penner auf die Frage des Abgeordneten Würtz (SPD) (Drucksache 9/381 Frage 85): Wie beurteilt die Bundesregierung den immer wieder von Wehrpflichtigen geäußerten Wunsch nach einer bundeswehreigenen Rundfunksendung (analog BFN und AFN) im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Systems? Die Bundeswehr hat keine Erkenntnisse, daß die Wehrpflichtigen eine bundeswehreigene Rundfunksendung wünschen. Im übrigen wären der Verwirklichung eines solchen Wunsches durch das geltende Recht auch Grenzen gesetzt, denn die Rundfunkhoheit liegt bei den Bundesländern und ist durch die Rundfunkgesetze (Staatsverträge) geregelt. Die Deutsche Welle und der Deutschlandfunk bilden die einzigen Ausnahmen. Eine bundeswehreigene Rundfunkanstalt wäre ohne eine Gesetzesänderung schwerlich zu realisieren. Auch freie Funkfrequenzen ständen kaum zur Verfügung. Die angesprochenen Rundfunksender AFN/BFN der Amerikaner und Briten 1838* Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 35. Sitzung. Bonn, Freitag, den 8. Mai 1981 senden für ihre Soldaten im Ausland, die ausgeschlossen sind von ihren heimischen Informationsquellen. In den Vereinigten Staaten und Großbritannien selbst gibt es diese Programme nicht. Den Soldaten der Bundeswehr stehen, wie jedem anderen Staatsbürger der Bundesrepublik Deutschland, die Programmangebote der öffentlich-rechtlichen Anstalten zur Verfügung. Darüber hinaus gibt es im Rahmen der Truppeninformation die Publikationen „bw-aktuell", „Information für die Truppe", die Schriftenreihe „Innere Führung" und die „Bundeswehr-Filmschau". Für ihre Soldaten im Ausland bietet die Bundeswehr pro Woche das einstündige Informationsangebot „info german". Daneben können sich die Soldaten und ihre Angehörigen der Auslandsprogramme der Deutschen Welle bedienen. Anlage 4 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Penner auf die Fragen des Abgeordneten Merker (FDP) (Drucksache 9/381 Fragen 86 und 87): Warum tragen die Biwakplätze auf dem Truppenübungsplatz Bergen-Hohn (soweit ich feststellen konnte, ausschließlich) Namen von früheren deutschen Städten, die heute in Polen liegen? Zeugt das nach Auffassung der Bundesregierung von besonderem Taktgefühl, wenn deutsche Soldaten ihr Lager aufschlagen in einem Biwak mit Namen wie „Breslau, Kolberg, Allenstein"? Die Biwakplätze auf dem Truppenübungsplatz Bergen-Hohne, die zur feldmäßigen Unterbringung der übenden Truppe angelegt worden sind, wurden im Jahre 1958 mit Namen von Städten in den ehemaligen deutschen Ostgebieten benannt. Diese Art der Benennung ist auch bei Straßennamen im kommunalen Bereich üblich. Konkrete Gründe für diese Benennung lassen sich heute nicht mehr feststellen. Es ist anzunehmen, daß die Benennung seinerzeit zum Ziel hatte, die Erinnerung an Städte in den ehemaligen deutschen Ostgebieten wachzuhalten. Heute sind die Namen der Biwakplätze allen, die auf dem Truppenübungsplatz Bergen-Hohne ausgebildet werden, feste Begriffe. Anlage 5 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Penner auf die Frage des Abgeordneten Engelsberger (CDU/CSU) (Drucksache 9/381 Frage 88): Treffen Meldungen zu, daß der Bundeswehr wegen der gestiegenen Treibstoffkosten Mittel in Höhe von einigen 100 Millionen DM fehlen, und welche Möglichkeiten sieht gegebenenfalls die Bundesregierung, diese unsere Sicherheit bedrohende Finanzierungslücke zu schließen? Es trifft zu, daß Preissteigerungen für Betriebsstoffe erhebliche Mehrkosten verursachen. Diese Mehrkosten bedrohen allerdings die Sicherheit nicht. Für den im Entwurf des Haushaltsplanes 1981 zugrundegelegten Bedarf an Kraftstoff sowie Schmier- und Betriebshilfsstoffen werden statt 730 Millionen DM nach dem Preisstand vom 1. April 1981 845 Millionen DM benötigt. Darüber hinaus sind wegen der Mineralölsteuererhöhung 40 Millionen DM für die Nachversteuerung von Bodenbetriebsstoffbeständen aufzuwenden. Um die von der NATO geforderte durchschnittliche Mindestflugstundenzahl von 180 Stunden pro Flugzeugbesatzung im Jahr einhalten zu können, sind darüber hinaus 54 Millionen DM zur Beschaffung von Flugkraftstoff erforderlich. Damit ergibt sich nach dem Preisstand vom 1. April 1981 insgesamt ein Mehrbedarf von 209 Millionen DM. Die Bundesregierung untersucht zur Zeit, wie dieser Mehrbedarf gedeckt werden kann. Die Untersuchung steht vor dem Abschluß. Die parlamentarischen Gremien werden in Kürze unterrichtet. Anlage 6 Antwort des Parl. Staatssekretärs Dr. Penner auf die Frage des Abgeordneten Biehle (CDU/CSU) (Drucksache 9/381 Frage 89): Durch welche konkreten Maßnahmen wird die Bundesregierung sicherstellen, daß den fliegenden Verbänden der Luftwaffe, deren Flugbetrieb schon jetzt eingeschränkt ist, und auch den mechanisierten Teilen des Heeres wieder die für die Ausbildung und Übungen notwendigen Mengen an Treibstoff zugeführt werden, damit zukünftig die Funktionsfähigkeit der Bundeswehr wegen Treibstoffmangels aus fiskalischen Gründen nicht in Frage gestellt wird? Die Bundesregierung untersucht zur Zeit, wie trotz der Preissteigerungen für Mineralöl der Bedarf der Bundeswehr an Kraftstoff sowie Schmier- und Betriebshilfsstoffen finanziert werden kann. Die Untersuchung steht vor dem Abschluß. Die Bundesregierung wird die parlamentarischen Gremien in Kürze unterrichten. Gegenwärtig ergibt sich über den Ansatz im Entwurf des Haushaltsplans 1981 hinaus nach dem Preisstand vom 1. April 1981 ein weiterer Finanzbedarf von 209 Millionen DM. Dieser setzt sich zusammen aus erhöhten Betriebsstoffkosten von 115 Millionen DM, 40 Millionen DM, die auf die Erhöhung der Mineralölsteuer zurückzuführen sind, und 54 Millionen DM für die Beschaffung von Flugkraftstoff. Die Beschaffung ist erforderlich, um die von der NATO geforderte Mindestflugstundenzahl einhalten zu können.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Prof. Dr. Uwe Holtz


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Wissenschaft bedeutet nicht immer, daß es die richtige Politik ist, die uns von dort empfohlen wird.

    (Beifall bei der SPD)

    Wissenschaftler können Sie überall zitieren, zu jedem Problem werden Sie auch Legitimationswissenschaft finden. Es geht darum, daß ich nicht einen
    Punkt herauspicken und sagen kann: Das ist das Problem. Vielmehr muß ich einen umfassenden Ansatz haben. Ich meine, daß das richtig ist, was der Bundesminister Offergeld auf der letzten Pressekonferenz gesagt hat, daß wir diesen integrierten Ansatz verstärken müssen.
    Anderen Punkten, die in dem Antrag stehen, können wir zustimmen. Sie fordern zu Recht den Ausbau der Kapazitäten nicht staatlicher Träger der Entwicklungspolitik. Sie rennen bei uns offene Türen ein, wenn Sie die Verstärkung der Teilnahme einheimischer Fachkräfte und Partnerorganisationen an Planung und Durchführung von Projekten fordern. Wir gehen sogar darüber hinaus und sagen: Die betroffene Bevölkerung muß das Recht und die Möglichkeit haben, an den notwendigen Entscheidungen mitzuwirken. Es stimmt mit den Grundsätzen sozialdemokratischer Entwicklungspolitik überein, wenn Sie Wert auf die Hilfe zur Selbsthilfe gelegt sehen wollen.
    Vieles klingt in Ihrem Antrag gut, aber vieles wird gleich wieder zurückgenommen. Mir scheint, die CDU/CSU sucht nach neuen Akzenten für ihre Entwicklungspolitik, will aber die alten nicht ganz fallenlassen. Wir werden den Antrag in sorgfältiger Zusammenarbeit mit Ihnen im Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit prüfen. Ich hoffe, daß wir zu einem Ergebnis kommen, das alle mittragen können und das uns auf dem schwierigen Weg, den wir in der Nord-Süd-Politik noch zurückzulegen haben, weiterbringt.
    Bei der sorgfältigen Erörterung der Frage, wie die Massenarmut in der Dritten Welt noch erfolgversprechender als bisher bekämpft werden kann, werden wir die Anregungen des Hearings miteinbeziehen.
    Nach einer ersten Rückschau halte ich folgende Vorschläge in bezug auf den vorliegenden Antrag für wichtig.
    Zielgruppen sollten nicht so sehr bestimmte Ländergruppen, sondern die ärmsten Bevölkerungsschichten sein, und die gibt es auch woanders.
    Mehr Entwicklungshilfe ist von der Bereitschaft der Entwicklungsländer zur Verstärkung der Eigenanstrengungen, von der Bereitschaft zu inneren Reformen und dem Willen zur ernsthaften Lösung fundamentaler entwicklungspolitischer Fragen und Fragen im Energie- und Bevölkerungsbereich abhängig zu machen.
    Die Eigeninitiative, die Mitbestimmung und der soziokulturelle Kontext der Bevölkerung in der Dritten Welt sind stärker als bisher zu mobilisieren und ebenso wie etwa die Menschenrechtssituation zu beachten.
    Einer selbstbestimmten Binnenmarktentwicklung für agrarische und handwerkliche Erzeugnisse kommt größere Bedeutung als bisher zu. Die ausländische Investitionspolitik ist so zu gestalten, daß sie auch den Interessen der Entwicklungsländer gerecht wird, daß den Arbeitnehmern nicht soziale Mindestnormen, wie anständiger Lohn, vorenthal-



    Dr. Holtz
    ten und daß möglichst mit einer arbeitsintensiven Technologie Arbeitsplätze geschaffen werden.
    Der Kampf gegen die Massenarmut muß von vielen Seiten her ansetzen. Mit Teillösungen wird man der Armutsfalle nicht entkommen können. Dazu zählen etwa ländliche Entwicklung, Umweltschutz, aber auch die Schaffung von angemessenem Wohnraum. Das Wort „Behausung", Frau Kollegin, war wohl ein Fehlgriff.
    In der Projektpolitik gilt es, Praxisnähe zu beweisen, lokales Know-how miteinzubeziehen, besonders im Grundbedürfnisbereich die nichtstaatlichen Organisationen bzw. Selbsthilfestrukturen viel stärker als heute einzuschalten und auch Kleinstprojekte zu fördern.
    Last not least, die finanziellen Leistungen der Bundesrepublik müssen auch zukünftig weiter erhöht werden. Ich bin stolz darauf, daß die Bundesrepublik Deutschland gerade bei schwieriger finanzpolitischer Situation ihre Entwicklungshilfe nicht kürzt, wie das in Großbritannien und in den USA der Fall ist, sondern daß wir in diesem Haushalt eine weitere große Steigerungsrate haben. Das ist eine moralische Verpflichtung, das ist aber friedenspolitisch und auch arbeitsmarktpolitisch geboten. Ich meine, daß dieser Weg fortgesetzt werden sollte.
    In einigen Ländern der Armutsgürtel sind Katastrophen zum Dauerzustand geworden. Deshalb gilt es zu überlegen, zweckgebundene Budgethilfen zu erwägen, um z. B. das bestehende Gesundheitswesen im betreffenden Land nicht Bankrottgehen zu lassen.
    Es mangelt also nicht an Einsichten, auch nicht an Mitteln, auch nicht an Vorschlägen. Bringen wir die Kraft auf, mindestens einen Teil von ihnen durchzusetzen! — Danke schön.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Dr. Köhler [Wolfsburg] [CDU/CSU]: Nun lesen Sie mal Ihre Presseerklärung vom letzten Dienstag!)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Dr. Rumpf.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Wolfgang Rumpf


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Minütlich werden auf dieser Welt 40 ha Wald abgeholzt. Das sind über zwei Millionen Hektar pro Jahr, etwa ein Drittel der Waldfläche von Deutschland. Diese Flächen werden entweder gerodet, abgebrannt oder sich selbst überlassen und überweidet, jedenfalls nicht wieder aufgeforstet. Diese zwei Millionen Hektar fehlen jährlich auf der Welt in der Energiebilanz. Der Wald fehlt auch als Verbraucher von Kohlendioxyd und als Spender von Sauerstoff. Aber das ist ein weitergehender Aspekt.
    Der naheliegende Aspekt ist ein anderer. Warum stelle ich die Entwaldung an den Beginn meines Beitrags zum Antrag der CDU/CSU? Weil ich der Meinung bin, daß der Zusammenhang zwischen der Verschlimmerung der Situation der am wenigsten entwickelten Länder und der Zerstörung der ökologischen Grundlagen in diesen Ländern noch immer nicht genügend erkannt ist. Mein Vorredner Dr. Holtz ist kurz darauf eingegangen.
    Die Menschen, die in diesen Ländern wohnen und eine stark wachsende Bevölkerungszahl aufweisen, suchen nach neuen Nahrungsquellen. Sie brauchen Acker- und Weideland. Um Ackerland zu gewinnen, roden sie den Wald oder holzen ab, was von einem einstmals tropischen Urwald übriggeblieben ist. Dieser ehemalige tropische Wald wurde ausgebeutet, indem das Holz, wenn es sich zu industriellen Zwekken eignete, genutzt wurde.

    (Vorsitz: Vizepräsident Windelen)

    Um die Regeneration dieser Bäume kümmerte sich niemand. Die restlichen Hölzer wurden nach und nach für Brennzwecke verbraucht. Trotzdem hätte sich der Wald regeneriert, wäre nicht jahraus, jahrein das Vieh darin genährt worden — Kühe, Schafe, Ziegen — die Nahrungsgrundlage der seßhaften Bevölkerung und der Nomaden.
    Dies allein könnte man als unabdingbar notwendig, als zur Lebenserhaltung Erhaltung der Menschen unumgänglich noch hinnehmen, wenn das Vieh nach Anzahl und Zucht so bemessen wäre, daß es später die über das Futter aufgenommene Energie an die hungernden Menschen abgibt. Der Wald hätte somit Menschenleben erhalten. Leider ist dies aber nur zu einem ganz geringen Prozentsatz geschehen, nämlich nur in dem Umfang, in dem die Menschen das Vieh verwertet haben. Der Rest des Viehs magerte in der nächsten Trocken- oder Dürreperiode wieder ab oder ging sogar durch Hungertod verloren, ohne seinerseits einen Beitrag zur Rettung von Menschenleben geleistet zu haben.
    Jetzt dehnt sich der Teufelskreis weiter aus. Zur Erlangung neuer Weidegründe werden ferner abgelegene Wälder aufgesucht. Nach totaler Überweidung werden sie abgebrannt, und auf der Erde wird Ackerbau betrieben. Wegen der kargen geologischen Voraussetzungen und der geringen Niederschläge kann auf diesen Böden nur eine, höchstens zwei Ernten eingebracht werden. Danach müssen weitere Flächen niedergebrannt und unter den Pflug genommen werden. Die einmal, höchstens zweimal bewirtschafteten Äcker veröden, verkarsten und erodieren. Hat der Wald früher das Wasser der Regenzeit wie ein Schwamm in sich aufgenommen und über die Wurzeln der Bäume ins Grundwasser abgeleitet, hat das Kronendach früher die Verdunstung verhindert, so wird die Ackerkrume heute von den heftigen Regenfällen abgeschwemmt, und das Wasser fließt oberflächlich ab oder verdunstet — ungenutzt. Die Wüste schreitet fort, die Desertifikation dehnt sich aus.
    Dieser Teufelskreis muß durchbrochen werden. Es ist die einzige Chance, die natürlichen Lebensgrundlagen der am wenigsten entwickelten Länder zu erhalten oder wiederzugewinnen. Es ist die einzige Möglichkeit, den Menschen in ihrem eigenen Ökosystem ihre Ernährungsgrundlage zu schaffen oder zu erhalten.
    Der Brandt-Bericht stellt bereits fest, daß das möglich ist, wenn unverzüglich etwas getan wird. Es ist eine ungeheure Aufgabe, aber sie läßt sich lösen,



    Dr. Rumpf
    wenn die Völkergemeinschaft zusammensteht und gemeinsam etwas schafft.
    Der Kampf gegen den Hunger und die Armut in diesen Ländern muß, wie bereits mehrfach erwähnt wurde, von verschiedenen Seiten ansetzen, etwa bei der Verbesserung der Ertragsfähigkeit der Böden, die landwirtschaftlich genutzt werden, durch Düngung. Fehlt das Holz zur Verbrennung, auf das neun Zehntel der Menschen im Armutsgürtel angewiesen sind, weil es ihre einzige Energiequelle ist, wird getrockneter Dung verwendet, und dieser fehlt dann auf den Äckern, die folglich noch weniger Ertrag liefern.
    Der Teufelskreis muß also dort unterbrochen werden, wo das am einfachsten zu bewerkstelligen ist: beim Schutz des Waldes vor Abholzung, Niederbrennen und Überweidung und beim Beginn einer einfachen Landbewirtschaftung mit künstlichen Düngern.
    Auf einer Fahrt in die Sahel-Zone haben wir kürzlich in Mali einen erfolgversprechenden Anfang gesehen. Eine Phosphatmühle im Osten des Landes wird in wenigen Jahren bis zu 200 000 t Phosphat liefern, der dem dortigen Boden derzeit als Nährstoff fehlt. Die Regierung hat ein totales Rodungsverbot erlassen. Der Ansatz ist also richtig. Nun liegt es an uns, an den Industrieländern, an der Europäischen Gemeinschaft, an den reicheren Staaten, auch und insbesondere an uns, der Bundesrepublik, den zweiten Schritt zu vollziehen, nämlich die Infrastruktur dieser Länder zu verbessern. Es muß — um einmal bei diesem Beispiel zu bleiben — eine Hauptverkehrsader, ob Straße oder Wasserweg, geben, auf der der Phosphatdünger in die verschiedenen landwirtschaftlichen Gebiete transportiert werden kann. Das Phosphat wird die Ertragsfähigkeit der Felder um ein Drittel steigern. Die gesteigerten Erträge müssen dann in die Haushalte kommen.
    An dieser Stelle ist im Sinne des Antragstellers, der CDU/CSU, zu bemerken, daß wirksame Hilfe nicht nur von staatlichen Trägerorganisationen ausgehen kann. Der größere Erfolg ist meistens von nichtstaatlichen oder gemischten Organisationen — Kooperationen, eigenverantwortlichen genossenschaftlichen Vereinigungen — zu erwarten.
    Der Aufbau der kurzfristigen Katastrophenhilfe mag sich noch auf staatliche Hilfe stützen müssen; Wasser und Ackerland besser zu nutzen, die Gesundheit zu verbessern, wieder aufzuforsten, neue Energiequellen zu entwickeln und zu nutzen, das Verkehrs- und Kommunikationswesen auszubauen, all das heißt Maßnahmen sehr langfristiger Natur ins Auge fassen. Es bedarf langfristiger Finanzierungsgarantien, bevor diese Maßnahmen in die Wege geleitet werden können.
    Die Bundesregierung war durchaus auf dem richtigen Wege, als sie Termine für die Finanzierungsgarantien möglichst weit streckte oder stillschweigend erweiterte. Maßnahmen der genannten Natur brauchen einen Zeitraum von mindestens 15 bis 20 Jahren, Wiederbewaldungsprojekte benötigen sogar mindestens 30 Jahre.
    Ich darf noch einmal klarstellen: Wiederbewaldung muß nicht „überall neu aufforsten" heißen. Wiederbewaldung heißt in den genannten Ländern in den meisten Fällen: Einstellen der Brandrodung und der Überweidung. Hinter einem Zaun würde sich der Wald binnen kurzer Zeit regenerieren und könnte als Rohstofflieferant, nämlich als Brennholzlieferant, sehr bald wieder genutzt werden — allerdings in geordneter Wirtschaft. Selbst in den Trokkengebieten der Sahel-Zone verträgt der Wald, sofern die Wurzeln der Bäume unbeschädigt sind, allerhand. Nur kann man mit ihm nicht das machen, was man auch in der Viehwirtschaft nicht tun kann: die Kuh melken, dann schlachten und anschließend von ihr ein Kalb erwarten.
    Es geht jetzt darum, in diesen Ländern darauf hinzuwirken, daß das Ökosystem wiederhergestellt oder einfach das, was da ist, erhalten wird. Dabei können unsere Fachkräfte wertvolle Hilfe leisten, und unsere Gelder sind gut angelegt. Es gibt gute Beispiele. Nur muß man wissen, daß oft nicht der Staat als Eigentümer von Grund und Boden darüber entscheidet, wie das Land genutzt wird, wo aufgeforstet oder geschont und wo überweidet oder abgebrannt wird; es sind häufig die Dorfältesten, die darüber entscheiden.
    Sonderformen der Mehrfachnutzung der Böden durch Anbau von Obstbäumen oder Plantagen — z. B. wie in Senegal, aus Cashewnüssen — sind zur kurzfristigen Verbesserung der Ökologie kleinerer Landstücke — und das heißt in Afrika: mehrere 1000 ha — geeignet. Bei solchen oder ähnlichen Objekten wünschen wir von der FDP uns ein verstärktes Engagement der Bundesregierung und der Entwicklungsträger bei einer Konzentration der Hilfsmaßnahmen auf eine Untergruppe der am wenigsten entwickelten Länder mit geringer Bevölkerungszahl. Hier ist — gemäß Ziffer 3 des Antrages der CDU — eine spürbare Wirkung auf das Entwicklungsniveau zu erwarten.
    Die entwicklungspolitischen Grundlinien müssen eine andere Prioritätenfolge erhalten. An erster Stelle muß die Erhaltung oder Wiederherstellung des ökologischen Gleichgewichts stehen, weil sich, wie ich darzustellen versucht habe, erst daraus die Entwicklungsfähigkeit, d. h. eine Selbstversorgung mit Nahrungsmitteln, ergeben kann. Aus diesem Grund müssen bei allen Maßnahmen, Staudammprojekten, Bewässerungen, Brunnenbohrungen, Erweiterung landwirtschaftlicher Nutzflächen, Umstellung der Anbaumethoden usw. die biologischen Folgewirkungen berücksichtigt werden.
    Jedem von Ihnen ist inzwischen das grandiose Fehlprojekt des Jahrhunderts, der Assuan-Staudamm, mit seinen negativen Folgewirkungen bekannt. Auch Ägypten gehört zu den in Frage stehenden am wenigsten entwickelten Ländern. Ein ehrgeiziges Projekt sollte das Land ins 21. Jahrhundert katapultieren. Abgesehen davon, daß der Strom in dem Umfang, in dem er erzeugt wird, gar nicht gebraucht wird und mangels Infrastruktur gar nicht verteilt werden kann, ist das gesamte Niltal auf 2000 km vom alten Nil abgeschnitten, der das Land jährlich einmal überschwemmte und düngte. Das



    Dr. Rumpf
    Ökosystem Nil ist zusammengebrochen. Es fehlt an Plankton als Grundlage für die Fische. Es fehlen die Fische als Nahrungsgrundlage für die Menschen. Ägypten kauft heute für teure Devisen Kunstdünger. Der vom Nil mitgebrachte wertvolle Schlamm setzt sich vor dem Damm im Staubecken ab. Ähnliche Projekte sollen mit deutscher Hilfe nicht mehr gebaut werden.

    (Zustimmung des Abg. Dr. Holtz [SPD])

    Aber auch kleinere Projekte können ungeahnte, unvorhergesehene und unvorhersehbare Wirkungen haben. Ich nenne Beispiele. Die durch Aufstauen von Gewässern sich bildenden stehenden Gewässer können wieder Krankheiten wie die Bilharziose bringen. Brunnenbohrungen können Grundwasserabsenkungen zur Folge haben. Und so weiter.
    Ein letzter Aspekt an die Adresse derer, die alternative Lebensformen bevorzugen und die landwirtschaftliche Produktionssteigerung in der Bundesrepublik und Europa mißbilligen, weil sie auf der Grundlage von Düngemitteln beruht. Wenn eine Milliarde Menschen, davon die Hälfte Kinder, so wenig zu essen haben, wenn ein Drittel — Frau Fischer hat die Zahlen genannt — der in den Entwicklungsländern geborenen Kinder vor dem fünften Lebensjahr an Unterernährung sterben, wenn die Zahlen angesichts abnehmender Bewirtschaftungsflächen im Steigen sind, wie soll dieses unerträgliche Problem anders gelöst werden als durch die Intensivierung des Landbaus, durch Dünger und Nutzung aller wissenschaftlichen Erkenntnisse?

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Dr. Todenhöfer [CDU/CSU]: Sehr gut!)

    Es sollte angesichts dieser Not auf der Welt so mancher bei sich im stillen Kämmerlein mal überlegen, welch ein Segen es ist, ausreichend mit Nahrungsmitteln versorgt zu sein:

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU — Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU]: Sehr richtig! Das wissen ja unsere Sozialisten nicht mehr!)

    auf Grund einer hochentwickelten und hochintensiven Landwirtschaft in Mitteleuropa.
    Ich wollte keinen einseitigen Beitrag zu dem Antrag der CDU/CSU leisten. Auf die Einzelheiten des Antrags wird mein Kollege Dr. Vohrer eingehen. Mir kam es darauf an, für die Freien Demokraten einmal den ökologischen Aspekt ganz in den Vordergrund zu stellen. Hinter Spiegelstrichen wird immer gesagt: Das und das und das muß gemacht werden. Und ganz am Schluß steht dann: Dabei müssen die ökologischen Grundlagen berücksichtigt werden. Ich meine, es muß eine Umkehr der Prioritäten erfolgen.
    Das ganze Instrumentarium der Überlegungen, die bei den Vereinten Nationen, bei den europäischen Gremien und bei den Parteien dieses Hauses weithin unumstritten sind, findet die Zustimmung auch der FDP. Auch bei der Anhörung der Organisationen vorgestern habe ich — ich muß es zugeben — eigentlich keine befriedigende Antwort auf meine
    Frage erhalten, wer eigentlich auf die ökologischen und biologischen Gesamtwirkungen achtet.
    Hier ist ein neuer Schwerpunkt zu setzen. Nur auf diese Art und Weise kann langfristig den unterentwickelten Ländern geholfen werden.

    (Beifall bei allen Fraktionen — Dr. Kunz [Weiden] [CDU/CSU]: Gar nicht schlecht!)