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ID0903105600

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 9/31 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 31. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 9. April 1981 Inhalt: Bericht zur Lage der Nation in Verbindung mit Beratung des Antrags der Abgeordneten Lorenz, Baron von Wrangel, Jäger (Wangen), Graf Huyn, Sauer (Salzgitter), Böhm (Melsungen), Lintner, Werner, Frau Roitzsch, Lowack, Diepgen, Schwarz, Würzbach, von der Heydt Freiherr von Massenbach, Niegel und der Fraktion der CDU/ CSU Politische Häftlinge in den Haftanstalten der DDR — Drucksache 9/198 — Schmidt, Bundeskanzler 1541 B Dr. Zimmermann CDU/CSU 1549 B Dr. Vogel, Regierender Bürgermeister von Berlin 1555C Ronneburger FDP 1562 C Dr. von Weizsäcker CDU/CSU 1566 D Franke, Bundesminister BMB 1573 C Dr. Barzel CDU/CSU 1578 B Hoppe FDP 1586 A Dr. Ehmke SPD 1588 D Lorenz CDU/CSU 1593A Junghans SPD 1597 B Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Zweiten Gesetzes zur Beschleunigung des Asyslverfahrens — Drucksache 9/221 — Frau Leithäuser, Senator der Freien und Hansestadt Hamburg 1600 B Dr. Bötsch CDU/CSU 1602 D Dr. Schöfberger SPD 1604 D Dr. Wendig FDP 1607 A Dr. de With, Parl. Staatssekretär BMJ . . 1609 C Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD und FDP Ächtung der Todesstrafe — Drucksache 9/172 — Klein (Dieburg) SPD 1610 B Dr. Mertes (Gerolstein) CDU/CSU . . . 1612 A Bergerowski FDP 1613 B Beratung des Antrags der Abgeordneten Spranger, Dr. Miltner, Dr. Jentsch (Wiesbaden), Dr. Laufs, Dr. George, Neuhaus, Dr. Bötsch, Broll, Biehle, Linsmeier, Regenspurger und der Fraktion der CDU/CSU Prüfung der Notwendigkeit von Gesetzgebungsvorhaben — Drucksache 9/156 — Dr. Miltner CDU/CSU 1615A Dr. Kübler SPD 1616 B Wolfgramm (Göttingen) FDP 1618A Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Förderung der Berufsbildung durch Planung und Forschung (Berufsbildungsförderungsgesetz) — Drucksache 9/279 — II Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 31. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 9. April 1981 Engholm, Bundesminister BMBW 1620 A Rossmanith CDU/CSU 1622 B Weinhofer SPD 1624 D Popp FDP 1628 B Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Schulte (Schwäbisch Gmünd), Windelen, Dr. Dollinger, Pfeffermann, Weirich, Neuhaus, Bühler (Bruchsal), Linsmeier, Maaß, Lintner, Dr. Riedl (München), Dr. Schwarz-Schilling, Dr. Köhler (Wolfsburg), Frau Dr. Wilms, Frau Dr. Wisniewski, Dr. Stavenhagen, Niegel, Röhner, Spilker, Dr. Bugl und der Fraktion der CDU/CSU Aufhebung des sogenannten Verkabelungsstopps der Bundesregierung — Drucksache 9/174 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses zu dem Antrag der Fraktionen der SPD und FDP Enquete-Kommission „Neue Informations- und Kommunikationstechniken" — Drucksachen 9/245, 9/314 — Weirich CDU/CSU 1630 C Paterna SPD 1632 D Dr. Hirsch FDP 1634 D Becker, Parl. Staatssekretär BMP . . . 1635 C Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Europäischen Übereinkommen vom 24. November 1977 über die Zustellung von Schriftstücken in Verwaltungssachen im Ausland und zu dem Europäischen Übereinkommen vom 15. März 1978 über die Erlangung von Auskünften und Beweisen in Verwaltungssachen im Ausland — Drucksache 9/68 — Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses — Drucksache 9/298 — 1636 B Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Ausführung des Europäischen Übereinkommens vom 24. November 1977 über die Zustellung von Schriftstücken in Verwaltungssachen im Ausland und des Europäischen Übereinkommens vom 15. März 1978 über die Erlangung von Auskünften und Beweisen in Verwaltungssachen im Ausland — Drucksache 9/69 — Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses — Drucksache 9/299 — 1636 C Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Wiener Abkommen vom 12. Juni 1973 über den Schutz typographischer Schriftzeichen und ihre internationale Hinterlegung (Schriftzeichengesetz) — Drucksache 9/65 — Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses — Drucksache 9/301 — Dr. Klejdzinski SPD 1636 D Zweite Beratung und Schlußabstimmung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu der in Genf am 13. Mai 1977 unterzeichneten Fassung des Abkommens von Nizza über die internationale Klassifikation von Waren und Dienstleistungen für die Eintragung von Marken — Drucksache 9/70 — Beschlußempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses — Drucksache 9/302 — 1637 A Erste Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Tierschutzgesetzes — Drucksache 9/246 — 1637 B Beratung der Sammelübersicht 9 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 9/289 — 1637 B Beratung der Beschlußempfehlung des Haushaltsausschusses zu dem Antrag des Bundesministers der Finanzen Reichseigenes Grundstück Berlin 52 (Reinickendorf), Ollenhauerstraße 97/99; hier: Verkauf an das Land Berlin — Drucksachen 9/101, 9/261 — 1637 C Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 31. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 9. April 1981 III Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag einer Verordnung (EWG) des Rates zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 2727/75 über die Gemeinsame Marktorganisation für Getreide — Drucksachen 9/108 Nr. 13, 9/274 — . . .1637 D Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Verkehr zu der Unterrichtung durch die Bundesregierung Vorschlag einer Richtlinie des Rates über die Durchsetzung von internationalen Normen für die Sicherheit im Seeverkehr und die Verhütung von Meeresverschmutzung in bezug auf den Schiffsverkehr in den Häfen der Gemeinschaft — Drucksachen 9/87, 9/300 — 1637 D Nächste Sitzung 1638 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 1639* A Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 31. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 9. April 1981 1541 31. Sitzung Bonn, den 9. April 1981 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. van Aerssen * 9. 4. Dr. Ahrens ** 10. 4. Amrehn 10. 4. Brandt * 9. 4. Burger 10. 4. Dr. Enders ** 9. 4. Francke (Hamburg) 10. 4. Franke 10. 4. Dr. Geißler 10. 4. Gilges 9. 4. Haase (Fürth) 10. 4. Hauser (Krefeld) 10. 4. Herterich 10. 4. Hoffie 10. 4. Dr. Holtz ** 10. 4. Dr. Hubrig 10. 4. Jungmann 10. 4. Kiep 9. 4. Kleinert 10. 4. Korber 10. 4. Dr. Kreile 10. 4. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates *** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Frau Krone-Appuhn 10. 4. Landré 10. 4. Lenzer ** 10. 4. Mahne 10. 4. Matthöfer 10. 4. Meinike (Oberhausen) 10. 4. Dr. Mitzscherling 10. 4. Dr. Müller ** 10. 4. Neuhaus 10. 4. Frau Noth 10. 4. Petersen *** 10. 4. Picard 10. 4. Pieroth 10. 4. Dr. Pohlmeier 9. 4. Schäfer (Mainz) 10. 4. Scheer 10. 4. Frau Schlei 10. 4. Schreiber (Solingen) 10. 4. Schröder (Wilhelminenhof) 10. 4. Schwarz 10. 4. Dr. Schwarz-Schilling 10. 4. Sick 10. 4. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim ** 9. 4. Spilker 10. 4. Frau Dr. Timm 10. 4. Dr. Unland ** 10. 4. Dr. Vohrer ** 10. 4. Dr. von Weizsäcker 10. 4. Wischnewski 10. 4. Baron von Wrangel 10. 4.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Hans de With


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Bundesregierung versteht, Frau Senatorin, die Besorgnisse der Länder wegen der Belastung der Verwaltungsgerichte mit Asylsachen, zumal wir wissen, daß rund 90 % der Anträge ungerechtfertigt sind und über 90 % von den Verwaltungsgerichten abgewiesen werden, und zumal auch eine Prozeßwelle auf das Bundesverwaltungsgericht zugeht. Nur dürfen wir die folgenden drei Dinge nicht übersehen.
    Erstens. Das Grundrecht auf Asyl steht für uns nicht zur Disposition.

    (Erhard [Bad Schwalbach] [CDU/CSU]: Für den Bundesrat auch nicht!)

    Wir müssen darum besorgt sein, daß es auch nicht ausgehöhlt wird. Durch ein zu sehr verkürztes Verfahren ist dies, Herr Kollege Erhard, nämlich möglich.

    (Erhard [Bad Schwalbach] [CDU/CSU]: Durch das, was jetzt geschieht, geschieht viel Schlimmeres!)

    Zweitens. Wir haben den Verfahrensgang bereits zweimal mit dem Ziel der Beschleunigung geändert, zuletzt mit Wirkung vom 23. August letzten Jahres. Dazu haben wir zu Teilen die Visumspflicht eingeführt. All das beginnt bereits zu wirken. Die Zahl der Zugänge ist von über 13 000 auf etwas mehr als 3 000 geschmolzen. Wenn wir dann noch berücksichtigen, daß die Ministerpräsidenten eine Arbeitsgruppe eingesetzt haben, die alles in allem prüfen soll, und wenn wir außerdem noch im Gedächtnis haben, daß wir noch in dieser Legislaturperiode die Verwaltungsprozeßordnung — auch mit dem Ziel der Beschleunigung des Verfahrens — ändern, dann haben wir überhaupt keinen Grund, durch eine schnell eingebrachte dritte Beschleunigungsnovelle überhastet vorzugehen.

    (Erhard [Bad Schwalbach] [CDU/CSU]: Warum wollen Sie denn vom Bundesjustizministerium alle Asylbewerber anerkennen?)

    Drittens. Wir sollten bei alledem nicht vergessen, daß wir selbst mehr als 4 Millionen Fremde ins Land geholt haben, damit unser Wohlstand steigt. Gemessen daran sind die rund 200 000 Asylsuchenden keine allzu große Zahl.
    Die Bundesregierung ist mit Ihnen der Meinung, daß im einzelnen die Vorschläge des Bundesrates sehr sorgfältig geprüft werden müssen. Nur: Wir haben Bedenken dagegen, daß im Verwaltungsverfah-



    Parl. Staatssekretär Dr. de With
    ren die Asylanträge in sehr weitgehendem Umfang als unbeachtlich nicht mehr zum Bundesamt kommen sollen, das als erfahrener gelten muß als die Ausländerbehörden. Wir haben Bedenken dagegen, daß mit dem einstweiligen Verfahren, wenn es um die Frage der Vollziehbarkeit und damit der Ausweisung geht, praktisch über die Hauptsache, nämlich den Asylantrag, entschieden wird. Hier geraten wir in Gefahr, daß damit „kurzer Prozeß" gemacht wird, und wir haben Bedenken dagegen, daß die Zulassungsberufung derart eingeschränkt wird, und vor allem, daß gegen die Nichtzulassung zur Berufung keine Beschwerde mehr möglich sein soll.
    Wir sagen ganz klar, daß der Einzelrichter, wie es hier vorgeschlagen wird, unserem Prozeßrecht nicht fremd ist und daß die Zulassungsberufung als solche eine akzeptable Lösung sein kann.
    Bei allem sollten wir bedenken, daß wir keinen Grund haben, das Kind mit dem Bade auszuschütten. — Vielen Dank.

    (Beifall bei der SPD und der FDP— Erhard [Bad Schwalbach] [CDU/CSU]: Aber ihr wollt j a das Kind nicht einmal baden!)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor. Ich schließe die Aussprache.
Die Überweisungsvorschläge des Ältestenrates liegen Ihnen in der Tagesordnung vor. Ist das Haus damit einverstanden? — Ich höre keinen Widerspruch. Dann ist das so beschlossen.
Ich rufe den Tagesordnungspunkt 6 auf:
Beratung des Antrags der Fraktionen der SPD und FDP
Ächtung der Todesstrafe — Drucksache 9/172 —
Im Ältestenrat ist eine Aussprache von je zehn Minuten für die Fraktionen beschlossen worden. Das Wort zur Begründung und zur Aussprache hat der Herr Abgeordnete Klein (Dieburg).

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Heinrich Klein


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Die Punkte 5 und 6 unserer Tagesordnung haben einen gewissen inneren Zusammenhang. In beiden Fällen — bei den Artikeln 16 und 102 GG geht es um die Unversehrtheit des Lebens. Die Koaltionsfraktionen fordern mit diesem Antrag die Bundesregierung auf, auch künftig die Abschaffung der Todesstrafe in allen Ländern zu betreiben, d. h., wir verdeutlichen mit unserem Antrag, daß dies nicht nur eine Sache der Bundesregierung, sondern auch unseres Parlaments ist. Wir wollen mit diesem Antrag unterstreichen, daß alle Absichten und alle Aktivitäten der Regierung in der Vergangenheit von uns, der Volksvertretung, voll mitgetragen werden. Unser Antrag ist also eine Ermunterung, auf dem bisherigen Wege aktiv weiterzugehen.
    Meine Damen und Herren, in einem Taschenbuch, das unser Bundestagskollege Freimut Duve herausgegeben hat, wird ein anschaulicher Überblick gegeben, wie die Realität der Todesstrafe in den rund 140 Ländern der Erde aussieht. Derzeit haben genau 18 Länder, in denen ca. 8 % der Weltbevölkerung leben, die Todesstrafe abgeschafft. Für mehr als 90 % der Weltbevölkerung ist also die Todesstrafe in Krieg und Frieden eine Realität und ein Bestandteil der jeweiligen Rechtsordnung.
    Auch die jungen Staaten Afrikas, die in den letzten Jahren ihre Selbständigkeit erlangt haben, kennen die Todesstrafe, haben sie eingeführt oder von früherer Zeit beibehalten. Das heißt, die Zahl der Länder, die in den letzten Jahren auf die Todesstrafe verzichtet haben, ist nicht geringer geworden. Aber eine deutliche Änderung trat im Inhalt, trat in der Praxis ein.
    Wir Sozialdemokraten begrüßen es, daß beispielsweise in Italien, in Spanien und Liechtenstein Entwicklungen eingeleitet worden sind, die darauf hoffen lassen, daß es dort in absehbarer Zeit keine Todesstrafe mehr geben wird.

    (Erhard [Bad Schwalbach] [CDU/CSU]: Liechtenstein ist dabei besonders wichtig!)

    — Verzeihen Sie, Herr Kollege Erhard, auch die kleinen Länder zählen in diesem Konzert von 140 Ländern mit. Liechtenstein ist in dieser Aufzählung enthalten.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Es hat aber noch die Todesstrafe!)

    Wir sollten auch den Respekt vor den Kleineren nicht vergessen.

    (Beifall bei der SPD — Erhard [Bad Schwalbach] [CDU/CSU]: Wann haben die denn die letzte vollstreckt?)

    Meine Damen und Herren, wenn wir verständlich machen wollen, welche quanititativen Entwicklungen eingetreten sind, dann zeigt sich ein Fortschritt auch in der Weise, daß eine ganze Reihe von Ländern, die die Todesstrafe beibehalten hat, sie auch verhängt, sie aber so gut wie nicht mehr vollstreckt. Darin sehen wir einen gewissen Fortschritt.
    Die Zahl von 18 : 122 verdeutlicht natürlich, daß sich Bundesregierung und Parlament bei uns eine Menge vorgenommen haben, wenn wir heute von diesem Hohen Hause aus den Appell an die Öffentlichkeit richten, auf die drakonischste Form der Bestrafung zu verzichten. Natürlich drängt sich auch die Frage auf, ob wir als Deutsche einen Anlaß haben, in dieser Weise initiativ zu werden — nach all dem, was geschehen ist. Ich vergesse nicht, daß Paul Celan vor rund 40 Jahren in der „Todesfuge" gedichtet hat: „Der Tod ist ein Meister aus Deutschland."
    Dennoch, wir haben Anlaß, aus der Praxis der letzten 32 Jahre seit der Abschaffung der Todesstrafe in unserem Lande aus den Erfahrungen, die wir gesammelt haben, bestimmte Schlüsse zu ziehen und ganz bestimmte Empfehlungen und Ergebnisse weiterzugeben.
    Erstens. Dies gilt für die Einstellung der Bevölkerung zur Todesstrafe. Das gilt ebenfalls für die Entwicklung der Kriminalität gegen das Leben in den Ländern mit und ohne Todesstrafe. Das gilt schlicht auch für Erfahrungen, die ein Land in einer Indu-



    Klein (Dieburg)

    striegesellschaft mit mehr als 62 Millionen Bürgern sammeln kann.
    Bleiben wir zunächst einmal bei dem Meinungswandel im eigenen Land. Allensbach, das wie in vielen anderen Dingen auch hier Meinungen registriert hat, stellte fest, daß in den letzten 30 Jahren ein deutlicher Wandel im Meinungsbild eingetreten ist. Haben 1950 und 1952 — in einer Zeit, als auch in diesem Hause intensiv darüber diskutiert worden ist, ob der Art. 102 des Grundgesetzes wirklich so glücklich geraten ist — nur 30 % der Bevölkerung die Abschaffung der Todesstrafe bejaht, so waren es Ende der 70er Jahre mehr als 50 %. Das heißt, die Praxis in diesem Lande hat mitgeholfen, bestimmte Vorstellungen, bestimmte Meinungen der Bevölkerung zu verändern. Ich meine, wir können aus dieser Entwicklung einen Schluß ziehen und eine Empfehlung an andere geben.
    Wir haben erlebt, daß Teilnehmer des 6. UN-Kongresses über Verbrechensverhütung in Caracas im letzten Sommer erzählten, daß es durchaus eine ganze Reihe von reformwilligen und reformbereiten Ländern gibt, die aber mit Rücksicht auf die öffentliche Meinung in ihrem Land sagen: wir können dies heute nicht durchsetzen. Wir meinen, daß eine Änderung der Rechtsordnung, die von bestimmten Informationsmöglichkeiten und überzeugenden Informationen begleitet ist, Schritt für Schritt dazu beitragen kann, daß sich dort ein Einstellungswandel vollziehen mag.
    Zum zweiten. In der Debatte der Parlamentarischen Versammlung des Europarates im April letzten Jahres haben die Kollegen Reddemann von der CDU und Bardens von der SPD ganz deutlich nachgewiesen — ich will es mir versagen; das im Detail darzustellen —, daß die Todesstrafe jedenfalls nicht die Abschreckungswirkung hat, wie manche Verfechter glauben. Das zeigen viele Erfahrungen, das zeigen viele Beobachtungen.
    Schließlich: Wir als Bürger in der Bundesrepublik Deutschland, in der Industrie und verdichtetes Wohnen unsere Gesellschaft bestimmen, können auch aus dem Erleben dieser Zeit sagen, daß wir nach Brasilien das größte Land sind, das aus den letzten 30 Jahren Rückschlüsse ziehen kann. Deshalb ist es erlaubt — das mag die Begründung sein —, daß wir als Deutsche einen Ratschlag an andere geben — mehr als ein Ratschlag soll dieses ja nicht sein —, eben auf die Todesstrafe in absehbarer Zeit und Schritt für Schritt zu verzichten.
    Die Aktivitäten der Bundesregierung liegen auf verschiedenen Ebenen, nicht etwa in zweiseitigen Verhandlungen. Wir wissen, daß die Europäische Justizministerkonferenz schon eine Fülle bewegt hat und noch weiterhin bewegen wird. Wir wissen auch — ich will es mir angesichts der Zeitnot versagen, das im Detail darzustellen —, daß auf der Ebene der Vereinten Nationen eine Reihe von Aktivitäten mit unterschiedlichem Erfolg eingeleitet worden ist. Wir hoffen und setzen darauf, daß Bundesaußenminister Genscher auf der nächsten UN-Vollversammlung im Herbst dieses Jahres Erfolg haben wird mit dem neuen Anlauf, daß der Art. 6 des UN-Paktes über bürgerliche und politische Rechte im Sinne der Antragstellung geändert werden kann.
    Meine Damen und Herren, im Kampf um die Abschaffung der Todesstrafe ist uns, ist den initiierenden Parteien im Parlament und der Bundesregierung eine ganze Reihe von Ermutigungen zugewachsen. Ich möchte daran erinnern, daß sich auch die Haltung des Vatikans in den letzten Jahren deutlich geändert hat, wie eine Erklärung von Monsignore Cardinale auf der letzten Europäischen Justizministerkonferenz im Mai 1980 in Luxemburg verdeutlichte. Er sagte — ich darf zitieren —:
    Die Kirche glaubt jedoch, daß die Politiker auf ihre Unterstützung zählen sollten, wenn es darum geht, die Strafjustiz menschlicher zu gestalten. Insbesondere sollten die sozialen, psychologischen und juristischen Bedingungen geschaffen werden, um die Todesstrafe überflüssig zu machen und ihre Abschaffung zu ermöglichen.
    An anderer Stelle heißt es:
    ... wenn auch bisher die allgemeine kirchliche Doktrin das Prinzip der Todesstrafe nicht verurteilt hat, ... so werden gegenwärtig theologische Studien betrieben, die erreichen sollen, daß diese Position noch überdacht wird.

    (Erhard [Bad Schwalbach] [CDU/CSU]: Seit vielen Jahrzehnten betreiben die das!)

    — Herr Kollege Erhard, wir sehen also, daß Bewegung auch in den Kreisen vorhanden ist, die Ihnen näherstehen als mir, die Meinung mit beeinflussen und mit bewegen. Wir können hoffen, daß dort in der nächsten Zeit Veränderungen eintreten werden.
    Meine Damen und Herren, eine abschließende Bemerkung. Wir haben in der Bundesrepublik Deutschland jetzt 32 Jahre lang Erfahrungen mit der Abschaffung der Todesstrafe sammeln können. Gestatten Sie mir, daß ich hier einen Vergleich ziehe, auch auf die Gefahr hin, daß er etwas makaber wirkt.
    Wenn wir einmal die Praxis der Jahre 1947/48/49 zugrunde legen, ergibt sich, daß es im Gebiet der heutigen Bundesrepublik damals 125 Todesurteile und 24 Hinrichtungen gegeben hat. Auch auf die Gefahr hin, daß dieser Vergleich makaber wirkt, darf ich sagen: Wenn wir die Erfahrungswerte dieser Zeitspanne einmal zugrunde legen und auf die Jahre 1950 bis 1980 hochrechnen, ergibt sich, daß bei Fortdauern des alten Rechts in diesem Land möglicherweise 1 000 bis 1 200 Bürger zum Tode verurteilt worden wären und eine beträchtliche Zahl mit Sicherheit auch hingerichtet worden wäre.
    Meine Damen und Herren, diese rückschauende Betrachtung macht nicht nur die reale, sondern zugleich die moralische Dimension des Problems deutlich. Wenn auch nur ein einziger von diesen möglicherweise 1 200 Todeskandidaten Opfer eines Justizirrtums geworden wäre und wenn auch nur ein einziger den Weg in die Gesellschaft wieder zurückgefunden hätte, dann würde diese Zahl allein bestätigen, daß die Väter des Grundgesetzes vor mehr als 30 Jahren richtig entschieden haben, in-



    Klein (Dieburg)

    dem sie die Todesstrafe damals aus unserer Rechtsordnung verbannten.
    Unsere Rechtsordnung kennt viele Formen der Strafe, die sich an der Schwere der Tat und auch an ihrer Sozialschädlichkeit orientieren. Aber keine Tat kann so schwer und so verwerflich sein, daß sie dazu führen sollte, das Leben des Täters auszulöschen. Wenn wir, meine Damen und Herren, eine Lehre aus der verbrecherischen Praxis der Jahre 1933 bis 1945 nachhaltig gezogen haben, dann doch die, daß wir eine klare Regelung gefunden haben, nämlich die Todesstrafe in unserem Land nie mehr zuzulassen.
    Die Erfahrungen der letzten drei Jahrzehnte sollten auch andere Länder und andere Regierungen ermuntern, zu ähnlichen Schlüssen zu kommen und die nötigen Gesetze in der nächsten Zeit zu verabschieden.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)