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    Plenarprotokoll 9/26 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 26. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 19. März 1981 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 1151 A Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP Bericht der Enquete-Kommission Frau und Gesellschaft — Drucksache 9/124 — Frau Dr. Wex CDU/CSU 1151 B Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 1154 B Eimer (Fürth) FDP 1157 A Gerster (Mainz) CDU/CSU 1159 C Frau Huber, Bundesminister BMJFG . . 1161 C Frau Verhülsdonk CDU/CSU 1165 A Frau Fromm FDP 1167 D Frau Steinhauer SPD 1169 C Schmidt, Bundeskanzler 1171 C Frau Krone-Appuhn CDU/CSU 1174 B Frau Matthäus-Maier FDP 1176 C Frau Dr. Däubler-Gmelin SPD 1179 B Frau Karwatzki CDU/CSU 1181 A Dr. Diederich (Berlin) SPD 1183 C Frau Dr. Wilms CDU/CSU 1185 B von Schoeler, Parl. Staatssekretär BMI . 1187 D Frau Dr. Timm SPD 1188 C Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung in Verbindung mit Beratung des Antrags der Abgeordneten Erhard (Bad Schwalbach), Dr. Klein (Göttingen), Dr. Wittmann, Dr. Stark (Nürtingen), Dr. Dregger und der Fraktion der CDU/CSU Auswirkungen rechtspolitischer Entscheidungen oder Unterlassungen — Drucksache 9/183 — Dr. Schmude, Bundesminister BMJ . . . .1207 B Erhard (Bad Schwalbach) CDU/CSU . . .1215 B Dr. Emmerlich SPD 1221 B Kleinert FDP 1226 A Dr. Hillermeier, Staatsminister des Freistaates Bayern 1230 A Dr. Herzog, Minister des Landes BadenWürttemberg 1237 A Dr. Vogel, Regierender Bürgermeister des Landes Berlin 1240 D Dr. von Weizsäcker CDU/CSU 1246 D Schmidt, Bundeskanzler 1250 C Dr. Kohl CDU/CSU 1256 C Engelhard FDP 1262 A II Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. März 1981 Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Rechtsausschusses zu der dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsache vor dem Bundesverfassungsgericht — Drucksache 9/210 — 1264 D Beratung der Übersicht 1 des Rechtsausschusses über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht — Drucksache 9/162 — 1265 A Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Schulte (Schwäbisch Gmünd), Dr. Dollinger, Pfeffermann, Bühler (Bruchsal), Neuhaus, Linsmeier, Lintner, Maaß, Weirich, Dr. Riedl (München), Dr. Köhler (Wolfsburg), Dr. Wörner, Sauter (Epfendorf), Dr. Jenninger, Wissmann und der Fraktion der CDU/CSU Bessere Bedingungen für den CB-Funk — Drucksache 9/128 — Dr. Linde SPD 1265 B Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung der Wirtschaftspläne des ERP-Sondervermögens für das Jahr 1981 (ERP-Wirtschaftsplangesetz 1981) — Drucksache 9/228 — 1265 C Fragestunde — Drucksache 9/226 vom 13. 03. 1981 — Benachteiligung der Versicherten in Großstädten durch die geplante neue Regionalstruktur der Kraftfahrzeughaftpflichtprämien MdlAnfr 68, 69 13.03.81 Drs 09/226 Fischer (Hamburg) CDU/CSU Antw PStSekr Grüner BMWi . . . . 1191 A, C, D, 1192 A, B ZusFr Fischer (Hamburg) CDU/CSU . 1191 B, C, 1192 A Wettbewerbsnachteile der deutschen Stahlindustrie durch den EG-Ministerratsbeschluß MdlAnfr 70 13.03.81 Drs 09/226 Menzel SPD Antw PStSekr Grüner BMWi 1192 B, D, 1193 A, B, C, D, 1194 A ZusFr Menzel SPD 1192 D ZusFr Hoffmann (Saarbrücken) SPD . . 1193 A ZusFr von der Wiesche SPD 1193 B ZusFr Dr. Lammert CDU/CSU 1193 B ZusFr Meininghaus SPD 1193 C ZusFr Urbaniak SPD 1193 D Einführung einer Grenzabgabe für einreisende Autobusse und Erhöhung der Abfertigungsgebühren für Lastzüge in Dänemark MdlAnfr 72, 73 13.03.81 Drs 09/226 Stutzer CDU/CSU Antw PStSekr Grüner BMWi . . . 1194 A, B, C, D, 1195 A ZusFr Stutzer CDU/CSU . . . . 1194 C, D, 1195 A Vorfinanzierung der Kraftwerke in Cattenom durch Stromabnahmeverträge deutscher Energieversorgungsunternehmen mit der Electricité de France MdlAnfr 74 13.03.81 Drs 09/226 Schreiner SPD Antw PStSekr Grüner BMWi . . . 1195 A, B, C, D ZusFr Schreiner SPD 1195 B, C ZusFr Hoffmann (Saarbrücken) SPD . .1195 C ZusFr Engelsberger CDU/CSU 1195 D Rückgang der Zahl der Genehmigungen zur Ausreise aus Polen und der Sowjetunion seit 1978 MdlAnfr 39, 40 13.03.81 Drs 09/226 Dr. Bötsch CDU/CSU Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 1196 B, D, 1197 A, B, C ZusFr Dr. Bötsch CDU/CSU 1196 C, D ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU 1197 A ZusFr Jäger (Wangen) CDU/CSU 1197 B Pflege deutscher Kriegsgräber in der Sowjetunion MdlAnfr 44 13.03.81 Drs 09/226 Jäger (Wangen) CDU/CSU Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 1197 C, 1198 A, B, C ZusFr Jäger (Wangen) CDU/CSU . . . . 1197 D, 1198 A ZusFr Dr. Bötsch CDU/CSU 1198 B ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU 1198 B ZusFr Graf Huyn CDU/CSU 1198 C Festnahme von vier deutschen Staatsbürgern nach einem Gewerkschaftstreffen in Santiago de Chile MdlAnfr 45 13.03.81 Drs 09/226 Weisskirchen (Wiesloch) SPD Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 1198 D, 1199 A ZusFr Weisskirchen (Wiesloch) SPD . . 1198 D ZusFr Hansen SPD 1199 A Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. März 1981 III Verzicht auf die Stationierung neuer Mittelstreckenraketen in Europa MdlAnfr 46 13.03.81 Drs 09/226 Thüsing SPD Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 1199 A, D ZusFr Hansen SPD 1199 D Störung der Entspannungspolitik durch Sendungen von Radio Free Europe und Radio Liberty MdlAnfr 47, 48 13.03.81 Drs 09/226 Hansen SPD Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 1200 A, B, D, 1201A,C,D, 1202A,B ZusFr Hansen SPD 1200 B, C, D ZusFr Graf Huyn CDU/CSU 1201 A, B ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU 1201 B, C ZusFr Graf Stauffenberg CDU/CSU . 1201 C, D ZusFr Jäger (Wangen) CDU/CSU 1201 D ZusFr Thüsing SPD 1202 A ZusFr Dr. Schöfberger SPD 1202 B Reaktion der Bundesregierung auf die Festnahme des Bayreuther Universitätsprofessors Konrad Löw sowie Folgerungen für den Akademikeraustausch und das Kulturabkommen mit der CSSR MdlAnfr 49 13.03.81 Drs 09/226 Engelsberger CDU/CSU Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 1202 C, D, 1203 A, B ZusFr Engelsberger CDU/CSU 1202 D ZusFr Graf Huyn CDU/CSU 1203 A ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU 1203 A Protest gegen die Inhaftierung des Bayreuther Universitätsprofessors Konrad Löw bei der tschechoslowakischen Regierung MdlAnfr 50 13.03.81 Drs 09/226 Dr. Hupka CDU/CSU Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 1203 B, C ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU 1203 B, C ZusFr Graf Stauffenberg CDU/CSU . . .1203 C Überreichung von Listen mit Härtefällen der Familienzusammenführung und Ausreise an osteuropäische Delegationen während des KSZE-Nachfolgetreffens in Madrid MdlAnfr 51 13.03.81 Drs 09/226 Dr. Hupka CDU/CSU Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 1203 D, 1204 A ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU . . . 1203 D, 1204 A Vereinbarkeit der Anwesenheit des Wachbataillons „Feliks Dzierzynski" in Ost-Berlin mit dem entmilitarisierten Status GroßBerlins MdlAnfr 52 13.03.81 Drs 09/226 Graf Stauffenberg CDU/CSU Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 1204 A, B, C ZusFr Graf Stauffenberg CDU/CSU . . . 1204 B ZusFr Thüsing SPD 1204 C Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen des fünf Jahre in Warschau inhaftierten Deutschen Achim Rösch gegenüber der polnischen Regierung MdlAnfr 53 13.03.81 Drs 09/226 Graf Stauffenberg CDU/CSU Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 1204 C, 1205 A ZusFr Graf Stauffenberg CDU/CSU . . . .1205 A Benachteiligung von Bundeswehroffizieren aus der Truppe gegenüber Bundeswehrhochschulabsolventen durch das geänderte Punktesystem für die Einstellung von Berufsoffizieren MdlAnfr 75, 76 13.03.81 Drs 09/226 Daweke CDU/CSU Antw StSekr Dr. Hiehle BMVg . 1205 B, 1206 C, D, 1207 A ZusFr Daweke CDU/CSU 1206 B, C, D Nächste Sitzung 1265 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 1266* Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. März 1981 1151 26. Sitzung Bonn, den 19. März 1981 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Böhme (Freiburg) 20. 3. Büchner (Speyer) * 20. 3. Dr. Enders * 20. 3. Fellner 20. 3. Dr. Geißler 20. 3. von der Heydt Freiherr von Massenbach 20. 3. Dr. Hubrig 20. 3. Jung (Kandel) 20. 3. Kiehm 20. 3. Kittelmann * 20. 3. Korber 20. 3. Dr. Graf Lambsdorff 20. 3. Männing 20. 3. Dr. Mitzscherling 20. 3. Dr. Müller * 20. 3. Müller (Wadern) * 20. 3. Picard 20. 3. Reddemann ** 19. 3. Frau Roitzsch 20. 3. Frau Schlei 20. 3. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim * 20. 3. Voigt (Frankfurt) 20. 3. Dr. Wendig 20. 3. Dr. Wieczorek 20. 3. Frau Will-Feld 20. 3. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union
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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


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    Frau Präsident! Meine Damen und Herren! Nicht mit der ersten Debattenrunde, die sich mit der allgemeinen Rechtspolitik, zum Teil mit der Rechtsphilosophie beschäftigt hat, will ich mich hier auseinandersetzen, auch nicht mit der nächsten Debattenrunde, in der zu Recht Vertreter von Landesregierungen und Landespolitik hier das Wort genommen haben — zu recht deshalb, weil öffentliche Sicherheit nach unserem Grundgesetz eine Sache der Länder ist —; vielmehr nehme ich das Wort, um das eine oder andere an die Adresse derjenigen jungen Menschen zu sagen, die uns heute Abend zuhören wollen; es werden nicht alle sein.

    (Erhard [Bad Schwalbach] [CDU/CSU]: Das ist sicher!)

    Denen möchte ich sagen, daß aus unserem Grundgesetz folgt, daß Gesetz und Recht nur von den im Grundgesetz dafür vorgesehenen Organen bestimmt werden. Der einzelne — mag er noch so legitime, noch so berechtigte Kritik an wirklichen oder an scheinbaren Mißständen üben — er muß es hinnehmen und respektieren, daß nicht er, sondern daß Parlamente, Regierungen, Verwaltungen und Gerichte für die Schaffung und Durchsetzung von Recht verantwortlich sind. Ob Gesetz, ob Verwaltungsentscheidung, ob richterliches Urteil gilt und durchgesetzt wird, kann deshalb nicht der Entscheidung einzelner oder einzelner Gruppen überlassen bleiben. Das kann es nicht — in keinem Rechtsstaat auf der ganzen Welt.

    (Erhard [Bad Schwalbach] [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    Und auch in irgendeiner Form von kommunistischer Staatsordnung ist dies nicht möglich.



    Bundeskanzler Schmidt
    Dagegen gibt es auch keinerlei moralisches Widerstandsrecht.

    (Beifall bei der SPD und der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Es ist in der Tat in unserem Grundgesetz von Widerstand und vom Widerstandsrecht die Rede. Es gibt in unserem Grundgesetz — nicht von Anfang an, sondern wir haben das später hier in diesem Hause ins Grundgesetz eingefügt — ein Widerstandsrecht gegen den, der es unternimmt, die verfassungsmäßige Ordnung zu beseitigen. Es wird heutzutage sehr viel über Widerstand geschwätzt,

    (Vogel [Ennepetal] [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    vielfach auch von Menschen, die wegen ihrer geschichtlichen Bildung und ihres geschichtlichen Wissens eigentlich wissen müßten, daß der Begriff „Widerstand" einen Inhalt hat, jedenfalls für uns Deutsche,

    (Beifall bei der SPD und der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    den man nicht in kleiner Tagesmünze verschleudern darf, als handele es sich gar nicht um moralische Werte.

    (Beifall bei allen Fraktionen)

    Die jungen Menschen sollen aber auch hören — manche Redner haben es in der Debatte heute schon angedeutet —, daß wir Politiker uns aufgefordert fühlen, mit Sorgfalt zu prüfen, welche Haltung uns oder den staatlichen Organen, die wir vertreten, gegenüber den Protestierenden angemessen ist. Zunächst ist sicherlich wichtig, daß wir zwischen Gewalttätern und solchen unterscheiden, die in friedlicher Weise Kritik üben, Kritik an wirklichen oder von ihnen so empfundenen angeblichen Mißständen. Das sind zweierlei Dinge. Sie müssen auch spüren, daß wir uns das Augenmaß der Unterscheidung zwischen solchen, die Gewalt üben wollen, und solchen, die Kritik üben wollen, nicht abhanden kommen lassen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Wir dürfen uns auch von Krawallen, von üblen Krawallen und sogar von üblen Gewalttaten nicht dazu verführen lassen, diese Unterscheidung, von der ich soeben sprach, im Eifer der Erregung zu vergessen oder aufzugeben.

    (Dr. Emmerlich Andererseits, glaube ich, werden viele junge Leute, die uns heute zugehört haben, auch empfinden, daß wir uns von Gewalttaten und Krawallen nicht dazu verführen lassen wollen, etwa berechtigter Kritik an tatsächlichem Mißstand nicht nachzugehen. Sie werden auch spüren, daß wir uns, wenn einer in friedlicher Weise, z. B. durch Demonstration, seine Meinung sagt, darüber einig sind, daß er das zu Recht tut, nein, daß er das in Ausübung eines Grundrechts, das ihm wie allen anderen zusteht, tut. (Beifall bei der SPD, bei der FDP und bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Wir wollen das nicht mit Vorwürfen, die wir zu erheben haben, vermischen. Derjenige, der von seinem Grundrecht Gebrauch macht, verdient Respekt, auch wenn es sich um einen jungen Menschen handelt.

    (Zuruf von der SPD: So ist es!)

    Allerdings muß er, der Demonstrant, sich dann auch fragen lassen, ob er durch die Art und Weise seines Verhaltens nicht vielleicht anderen Anlaß oder Gelegenheit gibt, friedliche Demonstration, die er im Sinn hat, für Gewalttätigkeiten, die die anderen im Sinn haben, auszunutzen.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU) Das muß er sich fragen lassen!


    (Vogel Herrn Emmerlich!)

    — Ich bekenne freimütig, Herr Kollege Vogel — ich meine jetzt nicht den Regierenden Bürgermeister, sondern den CDU-Kollegen, der hier vor mir sitzt —, daß ich auch den jungen Mitgliedern meiner eigenen Partei immer wieder sage, welche Verantwortung derjenige hat, der friedliche Demonstration will, wenn er sich vielleicht gegen Krawallmacher, die sich an seine Rockschöße hängen, nicht ausreichend wehren kann.
    Ich möchte aber den jungen Zuhörern auch dieses ans Herz legen: Das Recht kann nur dann gewahrt werden, wenn es Menschen gibt, die ihren Beruf darin sehen, im Auftrage des Staates oder im Auftrage des Gesetzgebers oder im Auftrage des Gerichts das Gesetz durchzusetzen. Dazu gehören z. B. Polizeibeamte. Und ich muß die jungen Menschen in Deutschland bitten, endlich damit aufzuhören, von Polizeibeamten in herabsetzender Weise generell nur als von „Bullen" zu reden.

    (Beifall bei allen Fraktionen)

    Die meisten Polizeibeamten sind das längst gewohnt und nehmen daran innerlich keinen Anstoß. Ich nehme daran Anstoß. Ich bin auch einmal eine Reihe von Jahren für den Einsatz von Polizeibeamten verantwortlich gewesen, und ich weiß: das war immer schon ein schwerer Beruf, und das ist heute ein besonders schwerer Beruf. Polizeibeamte müssen sich vieles gefallen lassen, und sie lassen sich auch im Interesse der Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit vieles gefallen, was, wenn es in diesem Hause vorkäme, wenn es zwischen Mitgliedern dieses Hauses geschähe, mindestens zum Ausschluß des betreffenden Mitglieds des Hauses führen würde.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    Vieles müssen sich Polizeibeamte gefallen lassen. Um so mehr müssen wir auch demonstrierende, Kritik übende junge Mitbürger bitten, ihrerseits so, wie ich gegenüber jemandem, der von seinem Grundrecht der Meinungsfreiheit durch Demonstration Gebrauch macht, Respekt bekundet habe, gegenüber den Dienern des Staates, die dem Recht und seiner Durchsetzung dienen, den Dienern in der Ge-



    Bundeskanzler Schmidt
    stalt des Polizeibeamten gegenüber, Respekt zu haben.

    (Beifall bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der hier von allen Seiten bejaht worden ist — wenngleich ich bei der Argumentation des Herrn Kollegen von Weizsäcker hinsichtlich dessen, was er im Ergebnis meinte, nicht ohne Zweifel geblieben bin —, setzt jedenfalls eine Prüfung der Besonderheiten jedes einzelnen Falles oder jeder einzelnen Lage voraus. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gestattet keine abstrakten Ableitungen, die für einen und alle Fälle gelten. Es muß in jedem einzelnen Fall neu geprüft werden, was verhältnismäßig ist. Massenaktionen, bei denen offensichtlich, Herr Kollege Hillermeier, die Besonderheiten des Einzelfalles nicht hinreichend geprüft werden können, müssen einen bedenklich stimmen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Nach meinem Eindruck unterziehen sich die Polizeibeamten in allen Bundesländern ihrer schwierigen Aufgabe ganz überwiegend in respektabler Weise. Und sie haben deshalb Anspruch auf die grundsätzliche Unterstützung der Parlamente, egal welcher Partei oder Fraktion die oder der einzelne Abgeordnete angehört. Und wir müssen auch unseren jungen Zuhörern sagen, daß wir die Polizei dort, wo sie ihre Pflicht erfüllt, unterstützen, und daß wir uns davon nicht abbringen lassen.

    (Beifall bei allen Fraktionen)

    Ich stimme dem Regierenden Bürgermeister von Berlin zu, der hier, in solchem Zusammenhang sprechend, ausdrücklich die umsichtige Verhaltensweise der Polizei in Schleswig-Holstein gelobt hat. Es waren nicht nur schleswig-holsteinische Beamte, sondern auch viele Beamte aus anderen Ländern und auch Bundesgrenzschutz am 28. Februar in Brokdorf beteiligt. Polizei verdient überall Lob, wenn sie zunächst einmal überlegt, was geboten ist, und sich nicht verleiten läßt, erst einmal draufzuschlagen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Ich möchte ein Wort an unsere jungen Zuhörer wegen der Hausbesetzungen richten. Wir haben in der Bundesrepublik Deutschland im Laufe der letzten zehn Jahre 5 Millionen Wohnungen gebaut. Im gleichen Zeitraum ist die Wohnbevölkerung um eine Million kleiner geworden. Es wurden also 5 Millionen Wohnungen gebaut bei gleichzeitiger Abnahme der Wohnbevölkerung. Oder anders ausgedrückt: Wir haben heute in Deutschland pro Kopf mehr Wohnfläche und Wohnraum als jemals zuvor.
    Trotzdem gibt es Wohnungsprobleme, für bestimmte Gruppen mehr als für andere und in manchen Großstädten mehr als in anderen und mehr als auf dem flachen Lande. Aber es gibt Wohnungsprobleme und Hausbesetzungen nicht nur in Großstädten, nicht nur in Nürnberg und in Berlin, von denen hier heute meistens die Rede war, sondern auch in Detmold oder in Marburg oder in Eßlingen oder in Kirchheim/Teck oder in Freiburg. In keiner dieser
    Städte, nirgendwo in Deutschland, ist eine Hausbesetzung rechtmäßig; es ist überall Unrecht.
    Bei allem Verständnis für die Motive dürfen wir nicht verschweigen, daß es sich um Unrecht handelt.

    (Beifall bei allen Fraktionen — Zurufe von der CDU/CSU)

    — Es tut mit leid, ich denke, es liegt in unserem gemeinsamen Interesse, daß die Jüngeren, die uns zuhören, nicht nur taktisches Hickhack zwischen den Vertretern dreier Parteien hören, sondern daß sie das hören, was an ihre Adresse gesagt wird.

    (Lebhafter Beifall bei allen Fraktionen — Zuruf des Abg. Dr. Jenninger [CDU/ CSU])

    Unter den Hausbesetzern sind ganz gewiß einige bloße Krawallmacher, die immer da sind, wenn es Probleme gibt. Vielleicht sind es nur sehr wenige. Unter den Instandbesetzern sind sicherlich auch einige in echter Wohnungsnot; aber das sind auch nicht sehr viele. Sehr viele sind Nachahmer. Am größten ist wahrscheinlich die spezifische Gruppe derjenigen jungen Menschen, die von sich meint, sie sei in Wohnungsnot und habe Anspruch auf eine Wohnung. Aber ist es echte Wohnungsnot, wenn jemand aus dem eigenen Zimmer im Elternhaus mit 17 oder 18 Jahren auszieht, um sich woanders besser selbstverwirklichen zu können? Ist das echte Wohnungsnot, wenn er dann keine Wohnung findet?

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU und vereinzelt bei Abgeordneten der SPD)

    Es gibt in vielen Städten einen Mangel an preisgünstigem Wohnraum. Unsere Vorstellung davon, was für eine Wohnung bezahlt werden muß, hat sich im Laufe der Jahre allerdings sehr verschoben, und — ich muß das mal sagen — es gibt unendlich viele Familien und private Haushalte, denen es ganz selbstverständlich ist, daß sie für ihr Auto im Monat mehr Geld aufwenden, als sie für die Miete ihrer Wohnung aufwenden.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Hört! Hört!)

    Ich denke, daß der besondere Wert, den die vier Wände für das Wohlbefinden eines Menschen insgesamt haben, auch im Preis seiner Wohnung Ausdruck finden darf.
    Es scheint hier ein allgemeines Gerechtigkeitsgefühl zu geben; zwar haben es nicht alle zum Ausdruck gebracht, jedenfalls gab es aber keinen Widerspruch, wenn wir sagen: Es ist ein Unding, Häuser Leerstehen zu lassen, wenn etwa gleichzeitig in München 15 000 wohnungssuchende Parteien registriert sind, in meiner Heimatstadt Hamburg 7 000, in Köln 10 000; für Berlin habe ich die Zahl gerade nicht vorliegen.
    Einer der Kollegen der CDU hat darauf hingewiesen, daß es gesetzliche Instrumente gibt. Ich glaube, das war der Minister aus Baden-Württemberg.

    (Dr. Jahn [Münster] [CDU/CSU]: Professor Herzog!)

    — Richtig, Herr Minister Herzog. — Er hat nicht alle
    Instrumente genannt. Da gibt es die Zweckentfrem-



    Bundeskanzler Schmidt
    dungsverordnung, da gibt es das Modernisierungsgebot, da gibt es das Belegungsrecht, da gibt es das Abrißverbot; um nur einige der rechtlichen Instrumente zu nennen, die einer Gemeinde, die einer Großstadt beim Leerstehen von Wohnungen zur Verfügung stehen. Die Kommunen können auch nicht geltend machen, daß sie etwa nicht kurzfristig eingreifen könnten. In vielen Fällen handelt es sich um einen sehr langfristigen Schlendrian, der eingerissen ist.
    Um ein positives Beispiel zu geben: Die Stadt Bonn, die ja nicht überwiegend von Sozialdemokraten regiert wird, wie Sie wissen — ich komme hier nicht in Verdacht, irgendwelche taktischen Vorteile für meine Freunde herausholen zu wollen —, wird, seit es eine Eisenbahn gibt, durch diese in zwei Teile geschnitten. Seit gut 100 Jahren streitet man sich hier darum, ob man die Schranken nicht endlich beseitigen sollte. Wenn man sie wirklich beseitigen könnte, hätte man immer noch den Regen. Das wechselt ja ab in Bonn: entweder Regen oder Schranken zu.
    Die Frage der Tieflage der Eisenbahn in Bonn ist hier generationenlang umstritten gewesen. Es schien einmal so, als ob es wirklich zur Tieflage käme. Da hat die Stadt vor 10 oder 12 Jahren das Richtige getan: Sie hat links und rechts der gegenwärtigen Eisenbahntrasse Altbauten aufgekauft, die man hätte abreißen müssen, wenn die Verlagerung der Bahn unter die Straße verwirklicht worden wäre.
    Aber dann hat sich das Projekt mit der Tieflegung der Eisenbahn nicht durchgesetzt. Nun kommt das Vernünftige, das jedenfalls die Stadt Bonn getan hat: Sie hat die Häuser nicht unbewohnt gelassen, sondern sie hat sie wieder verkauft, und sie sind jetzt alle bewohnt.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Klug regiert!)

    — Sicher; das habe ich doch vorweggeschickt. Ich bin nicht so kleinlich, wie Sie meinen, daß ich es wäre. Sie schließen von sich auf andere.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Wenn Sie so weiterreden, fliegen Sie noch aus der SPD raus!)

    Es gibt andere Städte und Gemeinden, die haben nicht so klug gehandelt.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Berlin!)

    — Berlin gehört sicherlich auch zu denen. Ich würde nur bitten, daß das nicht Herrn Vogel angelastet wird; er ist gerade dabei, das zu ändern.

    (Beifall bei der SPD)

    Mein Rat an alle Städte ist, daß man die Instrumente benutzt, die ich eben noch einmal vorgeführt habe, damit nicht über einen längeren Zeitraum Ansatzpunkte bestehen bleiben für Unmut, für gerechtfertigten Unmut über leerstehende Wohnungen auf der einen Seite, während auf der anderen Seite Leute Wohnungen suchen. Das muß nicht sein. Die Gemeinden haben es in ihrer Hand.
    Ich will aber auch hinzufügen, daß sich jedenfalls viele von uns dagegen wehren — das sollen die jungen Leute auch hören —, Hausbesetzung und Terrorismus in einen Topf zu werfen. Das werden wir nicht mitmachen. Das nutzt niemandem, aber es fordert eine gefährliche Polarisierung in unserer Gesellschaft heraus.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Ich möchte zwischendurch auf ein paar Bemerkungen eingehen, die Herr Kollege von Weizsäcker gemacht hat. Ich möchte zunächst etwas zitieren:
    Die Hausbesetzung ist eindeutig eine Verletzung geltenden Rechts. Das Leerstehenlassen von Wohnraum in den großen Städten ist auch eine Rechtsverletzung ...

    (Beifall bei der SPD)

    Finden sich die politisch Verantwortlichen damit ab, daß einige Gruppen in unserem Volk sich einfach über das Recht hinwegsetzen, kann das für die Bereitschaft der übrigen Bürger, das oft unbequeme Recht zu achten, nicht förderlich sein .. .
    Es ist nicht zwingend geboten, jede Hausbesetzung sofort durch Einsatz polizeilicher Mittel zu beenden. Hier gilt der Grundsatz des Mindesteingriffs und der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ... Es ist fast immer richtig, zunächst mit den Hausbesetzern zu verhandeln. Es ist meist falsch, ein Haus mit polizeilichen Mitteln räumen zu lassen, wenn es danach monatelang leersteht .. .
    Herr von Weizsäcker merkt inzwischen, woraus ich zitiere: aus derselben Quelle, aus der er auch zitiert hat. Jeder zitiert offenbar das, was ihm Spaß macht.
    Ich muß noch ein bißchen mehr zitieren dürfen:
    Es hieße aber die Wirklichkeit gröblich verkennen, wenn man die Behauptung aufstellen wollte, alle Hausbesetzer befänden sich in einer existenzbedrohenden Wohnungsnot ...
    Schwierig ist die Situation für die Polizei, wenn es im Zusammenhang mit Hausbesetzungen zu Straßenschlachten und Radauszenen kommt. Ein auf Polizeibeamte geworfener Pflasterstein oder Molotow-Cocktail ist auch für einige unserer Medien weit weniger zu verabscheuen als ein Schlag mit dem Polizeiknüppel ...
    Die Polizei muß dies alles aushalten, weil sie wirklich demokratisch ist. Denn gegen die Polizei einer Diktatur würde sich Derartiges kein Demonstrant, sofern es einen solchen überhaupt gäbe, erlauben.
    Und nun kommt ein Satz, der einzige, den Herr von Weizsäcker zitiert hat. Und, lieber Herr Kollege von Weizsäcker, Sie lassen, wie es bei Ihnen in letzter Zeit manchmal vorkommt, einfach ein Wort aus dem Satz heraus. Ich zitiere ihn vollständig:
    Ich
    — schreibt Herr Oberbürgermeister Rommel am Schluß seines Aufsatzes, aus dem ich die ganze Zeit zitiere —



    Bundeskanzler Schmidt
    kann keine Freude darüber empfinden, daß in einigen Städten, etwa in Berlin oder in Freiburg, das Ordnungsgefüge ins Wanken zu kommen droht ...
    Warum lassen Sie eigentlich die Worte „oder in Freiburg" weg, Herr Kollege von Weizsäcker? Warum haben Sie das getan?

    (Beifall bei der SPD)

    Ich habe schon immer einen großen Respekt vor der intellektuellen Redlichkeit des Herrn Rommel gehabt, auch wie sie in diesem Aufsatz zum Ausdruck kommt. Warum müssen aber Sie das beim Zitieren immer so machen? Ich meine, Sie treten langsam in die Fußstapfen von Herrn Kohl und Herrn Strauß. Die zitieren auch dauernd falsch, nicht wahr?

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/ CSU)

    — Da mir das bei dem Kollegen von Weizsäcker schon ein paarmal passiert ist, muß man es auch einmal anhalten. Das gehört nicht zur Fairneß und auch nicht zur Liberalität, deren sich Herr von Weizsäkker dauernd rühmt.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Emmerlich [SPD]: Redlichkeit à la Weizsäcker!)

    Ich möchte noch einmal zu der Anrede an die Jungen, die uns zuhören, zurückkommen. Ich muß auch ihnen sagen, soweit sie mit der Hausbesetzerei sympathisieren, daß ich gar nichts Positives an solchen Aktionen dann finden kann, wenn es sich um junge Leute handelt, die zu Hause sehr gut gestellt sind, die einen billigen Altbau besetzen und möglicherweise anderen Wohnmöglichkeiten wegnehmen, denen es materiell sehr viel schlechter geht als ihnen selbst. Das große Tamtam um Hausbesetzungen, meine Damen und Herren, darf die Probleme der Fälle wirklicher Wohnungsnot, beispielsweise kinderreicher Familien, beispielsweise kinderreicher ausländischer Familien, nicht aus dem Bewußtsein verdrängen. Wer phantasievoll seine eigene Wohnungsfrage löst, dabei insgesamt die Öffentlichkeit verschreckt und deren Bereitschaft vermindert, an Jüngere oder an Studenten Zimmer oder Wohnungen zu vermieten, der muß sich fragen, was eigentlich die Auswirkungen seines Handelns sind.
    Herr Kollege Kohl hatte gestern gemeint, der Bundeskanzler schließe sich der Tendenz an, völlig überflüssigerweise vor einer Kriminalisierung von Minderheiten zu warnen. Und er reiht mich in eine Kategorie von führenden Politikern der SPD und der FDP ein, die sich angeblich durch Kritik an Staatsorganen bei den Demonstranten anbiedern. Er zitiert dann aus einer Rede, aus derselben, aus der Herr Hillermeier positiv und zustimmend zitiert hat, unter Weglassung der ersten Hälfte des Satzes, die er hätte mitzitieren können, — abwertend und negativ unter Weglassung anderer Satzteile, die er hätte zitieren können. Was für eine christliche Fairneß ist das eigentlich?

    (Beifall bei der SPD — Lachen bei der CDU/CSU)

    Ich habe dort gesagt — und ich wiederhole das auch in Anrede an die Jüngeren in der Zuhörerschaft —, daß wir, die wir hier versammelt sind — und ich zitiere wörtlich — „keinesfalls Gewalt tolerieren wollen, weil wir alle wissen, daß wir das gar nicht dürfen. Das ist uns vom Grundgesetz her verboten." Ich bleibe bei dem Wortzitat:
    Es wäre jedoch eine Selbsttäuschung, zu meinen, daß die Stabilität unserer Gesellschaft langfristig gewahrt werden könnte, wenn man größere Gruppen von Jugendlichen in ein Außenseiterdasein abdrängt oder sie mit ihren Problemen alleinläßt. Auch Bürgergesinnung ist auf die Dauer nichts Gegebenes. Auch sie muß in jeder Generation neu erwachsen, neu erzogen, neu gefestigt werden.
    Nun kommt der Satz, den Sie, Herr Kohl, oder Ihr Zettelkastenverwalter allein herausgegriffen haben:
    Die Kriminalisierung einer Minderheit, z. B. durch ein Instrument wie die Verschärfung des Demonstrationsstrafrechts, erscheint mir kein geeignetes Mittel, Bürgergesinnung zu erwekken oder dazu zu erziehen.
    Ich füge heute abend hinzu: Wer mit härterem Polizeieinsatz oder mit verschärftem Demonstrationsstrafrecht, wie man sagt, gegen Hausbesetzer und Demonstranten vorgehen will, der kann allzuleicht Bürgersinn zerstören oder die Fähigkeit, sich selbst dazu zu erziehen, abschneiden.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Wer rechtsstaatlich fragwürdige Massenverhaftungen zum Zwecke des Exempelstatuierens verantworten will, der erschwert überall im Land den Dialog, das Hören und Zuhören. Wer die Untersuchungshaft als Selbstzweck und ohne konkreten Tatbezug sozusagen als pauschales Abschreckungsmittel einsetzen möchte — ich rede im Konjunktiv —, einsetzen würde, der diente dem Rechtsfrieden ganz gewiß nicht.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Vogel [Ennepetal] [CDU/CSU]: Unerhört, was Sie da sagen! — Zurufe von der CDU/CSU: Wer will das denn?)

    Wer Hausbesetzung und Terrorismus leichtfertig in einen Topf wirft, pflanzt unbesonnen und ohne Augenmaß Vorurteile in die öffentliche Diskussion, die die Verständigung zwischen Älteren und Jüngeren nur erschweren können.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Wer dem Regierenden Bürgermeister von Berlin unterstellt, daß er zur Auflösung des Rechtsstaats die Hand reicht, der verhärtet in Wirklichkeit Fronten, Herr von Weizsäcker, statt zur psychologischen Entspannung zwischen alt und jung beizutragen.

    (Beifall bei der SPD und FDP — Dr. Kohl [CDU/CSU]: Das müssen Sie gerade nach dieser Rede sagen!)

    Hier ist vorhin auf einen bekannten Journalisten, Peter Boenisch, hingewiesen worden, der — die CSU-Stammleser der „Welt" werden sich gewundert



    Bundeskanzler Schmidt
    haben — vor einigen Tagen in der „Welt" geschrieben hat — ich zitiere das im Wortlaut —, es sei ein wenig beschämend, daß im Lande Kants und Hegels über Gummiwuchtgeschosse und Tränengas diskutiert wird, statt daß wir uns so intensiv wie die Eidgenossen mit den geistigen Grundlagen der Misere beschäftigen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wen trifft das denn?)

    — Das trifft Sie und uns alle und mich auch, damit wir uns recht verstehen. Das trifft uns alle.

    (Beifall bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Herr Kollege Kohl, genau wie es die ganze SPD und die ganze FDP trifft, trifft es auch die ganze CDU. Vielleicht fühlt sich sogar die CSU betroffen. Es ist nicht so, wie der Herr Kollege Kohl vorhin gemeint hat, daß diese Erscheinung, über deren geistige Grundlagen — ich würde sagen: psychologische Grundlagen —, wie Herr Boenisch geschrieben hat, man nachdenken soll, erst in den elf Jahren der Koalition aus Freien Demokraten und Sozialdemokraten eingetreten sei, wie Sie dazwischengerufen haben. Ich darf Sie daran erinnern, daß die Gewalttätigkeiten, die zum Tode von Benno Ohnesorg oder zum Attentat auf Rudi Dutschke geführt haben, in den 60er Jahren und nicht in den 70er Jahren passiert sind.
    Das heißt, wir haben es in Wirklichkeit schon seit mehr als einem Jahrzehnt — und zwar nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa — mit einer eklatanten Unfähigkeit entweder der jungen Generation, sich an die vorgefundene Gesellschaft anzupassen, oder umgekehrt der Gesellschaft, sich an die Nöte der jungen Generation anzupassen, zu tun. Die Wahrheit wird wahrscheinlich irgendwo dazwischenliegen. Das dauert schon sehr lange, und das ist in sehr vielen europäischen Staaten bisher nicht geleistet worden, offenkundig auch nicht bei uns. Ich sehe keinen Sinn darin, wenn eine politische Partei versucht, gegenüber der anderen daraus taktische Vorteile für den einen Abend oder für den anderen Morgen herauszuziehen.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD und der FDP)

    Ich habe mir viel Mühe gegeben — genau wie andere auch, genau wie der Regierende Bürgermeister von Berlin —, im Laufe der letzten Jahre mit vielen Menschen zu reden, um Einsicht zu gewinnen, und ich habe auch vieles gelesen. Mein Eindruck ist, daß einer der Gründe von vielen, die alle auszuführen heute abend nicht die Stunde mehr ist — wohl darin liegt, daß große Teile der jüngeren Generationen in Westeuropa mit großem ethischem Rigorismus nach neuen Werten suchen. Und wenn ihnen die neuen Werte dann gefunden zu sein scheinen, dann sollen sie am liebsten auch sofort in die Wirklichkeit umgesetzt werden, möglichst ohne Rücksicht auf die komplizierten Sachverhalte, die man eigentlich dabei bedenken müßte, die aber mit einem gewissen, verächtlich gemeinten Wort als abzulehnende „Sachzwänge" beiseite geschoben werden.
    Das scheint mir eine Haltung zu sein, der man begegnen muß. Man muß in dem Gespräch mit dem nach Orientierung suchenden oder gar Orientierung gebenwollenden jüngeren Gesprächspartner ihm diese sogenannten Sachzwänge auseinandersetzen.
    Herr von Weizsäcker hat vorhin gesagt, sie wollen leben, sie wollen nicht gelebt werden. Dieses Gefühl, gelebt zu werden — wenn ich Sie richtig zitiere; ich hoffe, daß ich das richtig behalten habe —, hängt ja zusammen mit dem Gefühl, ausgeliefert zu sein an vieles, was man nicht durchschaut. Es ist unsere Pflicht, möglichst viel davon durchschaubar zu machen.
    Ich glaube, daß die Ursachen insgesamt vielfältig sind; viele sind verdeckt, manche sind unbewußt. Vielen Jugendlichen, die heute in einer Zeit unglaublicher materieller Sorglosigkeit aufgewachsen sind, unglaublich, wenn man es mit unserer eigenen Jugendzeit vergleicht, erscheint ihre persönliche Zukunft, wie sie zu konstatieren meinen, heute ökonomisch verdüstert. Andere wieder erfahren es als Widerspruch, daß man bei uns alles kaufen kann, während in der Dritten Welt Menschen verhungern. Das alles muß ihnen erklärt werden, und es ist kompliziert, das zu erklären. Sie müssen gezwungen werden, sich mit dem auseinanderzusetzen, was sie als Sachzwang beiseite schieben wollen. Und sie sollten anerkennen,

    (Beifall bei der SPD)

    daß nicht alles einfach so gemacht werden kann, wie man es gern gemacht haben möchte. Das muß erläutert werden, ohne ihnen nach dem Munde zu reden.
    Manchen jungen Menschen wird z. B. unsere Sicherheitspolitik, die Verteidigungspolitik dieses Staates, sehr verzerrt als Rüstungspolitik oder gar als Aufrüstungspolitik dargestellt, und manche fühlen sich dadurch bedroht. Junge Menschen haben überhaupt sehr viel Angst heutzutage. Es muß ihnen erläutert werden — und es darf ihnen dabei nicht nach dem Munde geredet werden —,

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)

    warum Verteidigung notwendig ist, warum sie so notwendig ist

    (Zuruf von der CDU/CSU: Tun Sie es mal!)

    und worin die Gefahren liegen. Das gilt für die ökonomischen Zusammenhänge nicht minder.
    Dabei wird sicherlich eine wichtige Rolle spielen, daß die älteren Generationen subjektiv völlig andere Erfahrungen gemacht haben. Wir sind in einer anderen Welt groß geworden als die, die heute groß werden. Und daß wir das geistige Chaos, das moralische, das sittliche, das materielle Chaos der Hitlerzeit und des Krieges erlebt haben und daß wir alles das, was seither geschehen ist, als eine unglaublich positive, von uns damals überhaupt nicht erwartete positive Veränderung empfinden, das kann naturgemäß ein Fünfundzwanzigjähriger oder ein Dreißigjähriger überhaupt nicht nachempfinden. Für den sieht das ganz anders aus. In diesen völlig verschie-



    Bundeskanzler Schmidt
    denen Erfahrungen liegt eine der Schwierigkeiten des Dialogs.
    Die Bereitschaft zum Dialog, die wir hier gegenseitig von uns fordern, muß man dann allerdings auch von der Jugend fordern. Ich halte es moralisch für einen Tiefstand, wenn man immer wieder im Land — mir ist das viele Male begegnet — junge Menschen trifft, die einen niederzubrülllen versuchen, statt zuzuhören, was man vielleicht zu sagen hat. Wir sind ja unsererseits auch bereit, zuzuhören.

    (Beifall bei allen Fraktionen)

    Zuhören heißt noch nicht zustimmen. Jetzt kommt das Zitat, das Herr Hillermeier nicht ganz richtig wiedergegeben hat. Ich meine, daraus, daß man zuhören soll, ergibt sich nicht notwendigerweise, daß man zustimmen soll. Keineswegs! Ich bin für das kontroverse Gespräch. Ich habe — da hat Herr Hillermeier recht — vor ein paar Tagen hier in Bonn gesagt: Ein Teil der aggressiven Jugend krankt in Wirklichkeit an dem Mangel an Zivilcourage bei den Erwachsenen, und man soll um Gottes willen als Erwachsener seine eigene Feigheit nicht als Toleranz camouflieren; Sie haben richtig zitiert. Aber Sie haben zwei Sätze weggelassen, die unmittelbar vorangingen. Die heißen so:
    Zu solchem Gespräch gehört auch Festigkeit, und wo ein Nein geboten ist, muß es auch ausgesprochen werden, und wo ein Ja geboten ist, muß es auch deutlich zugegeben werden.
    Dann kommt der Satz, den Herr Hillermeier zitierte.
    Herr Vogel hat davon gesprochen, daß sich der Senat in Berlin selbst oder die Politik seiner Vorgänger korrigiert. Das kommt ja nicht so sehr oft in der öffentlichen Praxis vor, daß Politiker sich selbst korrigieren. Das ist überhaupt eine Seltenheit in Deutschland. In der Wissenschaft kommt es auch selten vor, daß sich die Professoren selbst korrigieren; wir wollen uns nicht allein an den Pranger stellen.
    Eine der unter dem Aspekt der Jüngeren in Deutschland interessantesten Selbstkorrekturen ist in bezug auf den sogenannten Extremistenerlaß erfolgt — ich darf Sie daran einmal erinnern —, ein Zeichen dafür, daß diejenigen, die für diesen Staat handeln, durchaus auch zur Selbstkorrektur fähig sind.

    (Würzbach [CDU/CSU]: Ihre Rentenzusage haben Sie auch korrigiert! — Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    Ich habe gesagt, Toleranz dürfe nicht zur Camouflage benutzt werden, als Versteck, in dem man sich verbirgt, damit man selber nicht ja oder nein sagen muß. Ich will am Schluß aber hinzufügen, daß Toleranz etwas ungemein Notwendiges ist. Aber Toleranz ist eben nicht nur gewähren lassen oder das Vernachlässigen dessen, was der andere denkt, glaubt oder sagt. Sondern Toleranz ist Achtung und
    Geltenlassen der begründeten Werte, der begründeten Haltungen anderer — soweit diese anderen das Gesetz achten. — Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD und der FDP)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat Herr Abgeordneter Dr. Kohl.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Helmut Kohl


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir stehen am Ende eines langen Debattentags, und ich bedauere nicht, Herr Bundeskanzler, daß die Möglichkeit gegeben ist, am Ende dieser Debatte über die Rechtspolitik in entschiedener, aber auch nachdenklicher Weise zugleich Standpunkte zu vergleichen und sich kritisch auseinanderzusetzen.

    (Vorsitz: Vizepräsident Wurbs)

    Ich hätte mir gewünscht, daß Sie als Kanzler der Bundesrepublik Deutschland, aber auch als der stellvertretende Vorsitzende der SPD Deutschlands, zu einigem von dem, was von Ihren politischen Freunden hier vorgetragen wurde, Position bezogen hätten. Es war ja wohl kein Zufall, daß Sie über weite Passagen Ihrer Rede den Beifall der Mitte des Hauses, aber keineswegs den Beifall Ihrer eigenen Fraktion gefunden haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Widerspruch bei der SPD)

    Sehen Sie, Herr Bundeskanzler, es ist zunehmend das Problem Ihrer Politik, daß Sie bei den Ihnen geeignet erscheinenden Gelegenheiten Positionen vertreten, die wir ganz und gar unterstützen können, daß aber die politischen Taten nicht folgen.
    Und dann ist noch etwas, was bemerkenswert ist: Sie haben hier in der Tonart und gelegentlich auch in der Distanziertheit — bei allem inneren Engagement — über die Verhältnisse der Bundesrepublik Deutschland gesprochen, wie dies eigentlich nur ein Mann tun kann, der nach über einem Jahrzehnt die Bundesrepublik wieder betritt und eine Bilanz aufmacht. Sie haben nicht gesprochen wie der, der in den letzten elf Jahren in verschiedensten Funktionen und seit der Mitte des Jahrzehnts in der wichtigsten Funktion, der Funktion des Kanzlers der Republik, der die Richtlinien der Politik bestimmt, entscheidend Verantwortung dafür trägt, wie die Verhältnisse in unserem Land geraten sind.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Herr Bundeskanzler, es ist doch nicht wahr, und jeder, dem es um eine redliche Diskussion geht, kann Ihnen nicht durchgehen lassen, daß Sie jetzt so tun, als ob die Zunahme von Gewalt, die teilweise bürgerkriegsähnlichen Verhältnisse, wie wir sie bei einzelnen Demonstrationen hatten, das Symbol der ersten 20 Jahre Bundesrepublik Deutschland waren. Nein, Sie haben 1969 ein geordnetes Staatswesen übernommen,

    (Zurufe von der FDP)




    Dr. Kohl
    und, meine Damen und Herren, Sie haben heute eine Bilanz, die in allen Bereichen der Politik katastrophal ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Anhaltende Zurufe von der FDP — Zurufe von der SPD)

    Heute reden wir über die Rechtspolitik, und wenn wir über die Rechtspolitik reden — —

    (Zuruf des Abg. Dr. Hirsch [FDP])

    — Herr Kollege Hirsch, Sie müßten es wirklich besser wissen — von früher und von Ihrer jetzigen Situation her.

    (Dr. Hirsch [FDP]: Sie auch! — Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich kann nur sagen: Wenn wir heute über die Rechtspolitik sprechen und hier ganz uneingeschränkt von jeder Seite deutlich gemacht wird, daß der Rechtsfrieden der Bundesrepublik Deutschland gefährdet ist, daß das Rechtsbewußtsein in bestimmten Teilen unserer Bürgerschaft brüchig geworden ist,

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

    dann ist das doch das Ergebnis Ihrer Politik in diesem letzten Jahrzehnt, Herr Bundeskanzler.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Es ist doch das Ergebnis Ihrer Politik, wenn es bei uns so weit gekommen ist, daß das öffentliche Gelöbnis der Soldaten der Bundeswehr nur noch unter bürgerkriegsähnlichen Verhältnissen möglich war und daß Ihr Bundesverteidigungsminister Apel jetzt vor dem Druck der Straße zurückgewichen ist und die Gelöbnisse abgesagt hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Es ist doch das Signum Ihrer Regierungszeit, daß in der Tat in vielen deutschen Städten und Landschaften viele Gebäude und Häuser widerrechtlich besetzt wurden, und es ist doch in Ihrer Amtszeit passiert, Herr Bundeskanzler, daß sich weit über 50 000 Demonstranten nach wochenlanger Aufforderung zu bürgerkriegsähnlichem Verhalten in Brokdorf versammelt haben.
    Ich stimme Ihnen zu, wenn Sie unseren Freund Gerhard Stoltenberg hier der Besonnenheit rühmen. Aber wie lange hat es denn gebraucht, bis Sie selbst fähig waren, in Ihrer eigenen Partei — wenn Sie es überhaupt waren — ein Wort der Vernunft dazu zu sprechen?

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Und es passiert doch in Ihrer Amtszeit, Herr Bundeskanzler, daß bei solchen Demonstrationen regelmäßig mehr Polizeibeamte verletzt als Gewalttäter festgenommen werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Es ist doch das Ergebnis Ihrer Amtszeit, daß vielen Bürgern dieser Staat immer mehr als ohnmächtig erscheint.
    Meine Damen und Herren, lassen Sie mich nach der Debatte heute mittag das noch nachtragen: Herr Kollege Emmerlich, die, die darüber klagen, daß der
    Staat seine Autorität verliere und daß die notwendigen Zusammenhänge zwischen Autorität und freiheitlicher Demokratie aufgelöst würden, sind ganz und gar außer Gefahr, neonazistische Gedanken vertreten zu können. Unsere Bundesrepublik ist nicht bedroht von der Gefahr des Neonazismus. Aus den Wahldaten, aus den Wahlergebnissen, aus all dem, was wir kennen, wissen wir genau, daß die Deutschen — quer durch alle politischen Gemeinschaften hindurch — die Lektion der Nazibarbarei gelernt haben. Wir wollen nie wieder zurück zu jener schrecklichen Zeit. Deswegen ist das heute nicht unser Thema.
    Das Thema, mit dem wir uns zu beschäftigen haben, ist, inwieweit ein freiheitlicher Rechtsstaat existieren kann, inwieweit Rechtsfrieden möglich ist, wenn die Autorität des Staates zerstört wird. Wir alle wollen mit jeder Faser unseres Wesens dagegenstehen, daß wir je wieder einen autoritären Staat haben. Aber wir wollen einen freiheitlichen Rechtsstaat, und der ist nur möglich mit der Autorität dieser Republik und dieses Rechtsstaats.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Abg. Dr. Emmerlich [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)