Rede:
ID0902622200

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 7
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. der: 1
    5. Herr: 1
    6. Abgeordnete: 1
    7. Kleinert.\n: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 9/26 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 26. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 19. März 1981 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 1151 A Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP Bericht der Enquete-Kommission Frau und Gesellschaft — Drucksache 9/124 — Frau Dr. Wex CDU/CSU 1151 B Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 1154 B Eimer (Fürth) FDP 1157 A Gerster (Mainz) CDU/CSU 1159 C Frau Huber, Bundesminister BMJFG . . 1161 C Frau Verhülsdonk CDU/CSU 1165 A Frau Fromm FDP 1167 D Frau Steinhauer SPD 1169 C Schmidt, Bundeskanzler 1171 C Frau Krone-Appuhn CDU/CSU 1174 B Frau Matthäus-Maier FDP 1176 C Frau Dr. Däubler-Gmelin SPD 1179 B Frau Karwatzki CDU/CSU 1181 A Dr. Diederich (Berlin) SPD 1183 C Frau Dr. Wilms CDU/CSU 1185 B von Schoeler, Parl. Staatssekretär BMI . 1187 D Frau Dr. Timm SPD 1188 C Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung in Verbindung mit Beratung des Antrags der Abgeordneten Erhard (Bad Schwalbach), Dr. Klein (Göttingen), Dr. Wittmann, Dr. Stark (Nürtingen), Dr. Dregger und der Fraktion der CDU/CSU Auswirkungen rechtspolitischer Entscheidungen oder Unterlassungen — Drucksache 9/183 — Dr. Schmude, Bundesminister BMJ . . . .1207 B Erhard (Bad Schwalbach) CDU/CSU . . .1215 B Dr. Emmerlich SPD 1221 B Kleinert FDP 1226 A Dr. Hillermeier, Staatsminister des Freistaates Bayern 1230 A Dr. Herzog, Minister des Landes BadenWürttemberg 1237 A Dr. Vogel, Regierender Bürgermeister des Landes Berlin 1240 D Dr. von Weizsäcker CDU/CSU 1246 D Schmidt, Bundeskanzler 1250 C Dr. Kohl CDU/CSU 1256 C Engelhard FDP 1262 A II Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. März 1981 Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Rechtsausschusses zu der dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsache vor dem Bundesverfassungsgericht — Drucksache 9/210 — 1264 D Beratung der Übersicht 1 des Rechtsausschusses über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht — Drucksache 9/162 — 1265 A Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Schulte (Schwäbisch Gmünd), Dr. Dollinger, Pfeffermann, Bühler (Bruchsal), Neuhaus, Linsmeier, Lintner, Maaß, Weirich, Dr. Riedl (München), Dr. Köhler (Wolfsburg), Dr. Wörner, Sauter (Epfendorf), Dr. Jenninger, Wissmann und der Fraktion der CDU/CSU Bessere Bedingungen für den CB-Funk — Drucksache 9/128 — Dr. Linde SPD 1265 B Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung der Wirtschaftspläne des ERP-Sondervermögens für das Jahr 1981 (ERP-Wirtschaftsplangesetz 1981) — Drucksache 9/228 — 1265 C Fragestunde — Drucksache 9/226 vom 13. 03. 1981 — Benachteiligung der Versicherten in Großstädten durch die geplante neue Regionalstruktur der Kraftfahrzeughaftpflichtprämien MdlAnfr 68, 69 13.03.81 Drs 09/226 Fischer (Hamburg) CDU/CSU Antw PStSekr Grüner BMWi . . . . 1191 A, C, D, 1192 A, B ZusFr Fischer (Hamburg) CDU/CSU . 1191 B, C, 1192 A Wettbewerbsnachteile der deutschen Stahlindustrie durch den EG-Ministerratsbeschluß MdlAnfr 70 13.03.81 Drs 09/226 Menzel SPD Antw PStSekr Grüner BMWi 1192 B, D, 1193 A, B, C, D, 1194 A ZusFr Menzel SPD 1192 D ZusFr Hoffmann (Saarbrücken) SPD . . 1193 A ZusFr von der Wiesche SPD 1193 B ZusFr Dr. Lammert CDU/CSU 1193 B ZusFr Meininghaus SPD 1193 C ZusFr Urbaniak SPD 1193 D Einführung einer Grenzabgabe für einreisende Autobusse und Erhöhung der Abfertigungsgebühren für Lastzüge in Dänemark MdlAnfr 72, 73 13.03.81 Drs 09/226 Stutzer CDU/CSU Antw PStSekr Grüner BMWi . . . 1194 A, B, C, D, 1195 A ZusFr Stutzer CDU/CSU . . . . 1194 C, D, 1195 A Vorfinanzierung der Kraftwerke in Cattenom durch Stromabnahmeverträge deutscher Energieversorgungsunternehmen mit der Electricité de France MdlAnfr 74 13.03.81 Drs 09/226 Schreiner SPD Antw PStSekr Grüner BMWi . . . 1195 A, B, C, D ZusFr Schreiner SPD 1195 B, C ZusFr Hoffmann (Saarbrücken) SPD . .1195 C ZusFr Engelsberger CDU/CSU 1195 D Rückgang der Zahl der Genehmigungen zur Ausreise aus Polen und der Sowjetunion seit 1978 MdlAnfr 39, 40 13.03.81 Drs 09/226 Dr. Bötsch CDU/CSU Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 1196 B, D, 1197 A, B, C ZusFr Dr. Bötsch CDU/CSU 1196 C, D ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU 1197 A ZusFr Jäger (Wangen) CDU/CSU 1197 B Pflege deutscher Kriegsgräber in der Sowjetunion MdlAnfr 44 13.03.81 Drs 09/226 Jäger (Wangen) CDU/CSU Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 1197 C, 1198 A, B, C ZusFr Jäger (Wangen) CDU/CSU . . . . 1197 D, 1198 A ZusFr Dr. Bötsch CDU/CSU 1198 B ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU 1198 B ZusFr Graf Huyn CDU/CSU 1198 C Festnahme von vier deutschen Staatsbürgern nach einem Gewerkschaftstreffen in Santiago de Chile MdlAnfr 45 13.03.81 Drs 09/226 Weisskirchen (Wiesloch) SPD Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 1198 D, 1199 A ZusFr Weisskirchen (Wiesloch) SPD . . 1198 D ZusFr Hansen SPD 1199 A Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. März 1981 III Verzicht auf die Stationierung neuer Mittelstreckenraketen in Europa MdlAnfr 46 13.03.81 Drs 09/226 Thüsing SPD Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 1199 A, D ZusFr Hansen SPD 1199 D Störung der Entspannungspolitik durch Sendungen von Radio Free Europe und Radio Liberty MdlAnfr 47, 48 13.03.81 Drs 09/226 Hansen SPD Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 1200 A, B, D, 1201A,C,D, 1202A,B ZusFr Hansen SPD 1200 B, C, D ZusFr Graf Huyn CDU/CSU 1201 A, B ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU 1201 B, C ZusFr Graf Stauffenberg CDU/CSU . 1201 C, D ZusFr Jäger (Wangen) CDU/CSU 1201 D ZusFr Thüsing SPD 1202 A ZusFr Dr. Schöfberger SPD 1202 B Reaktion der Bundesregierung auf die Festnahme des Bayreuther Universitätsprofessors Konrad Löw sowie Folgerungen für den Akademikeraustausch und das Kulturabkommen mit der CSSR MdlAnfr 49 13.03.81 Drs 09/226 Engelsberger CDU/CSU Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 1202 C, D, 1203 A, B ZusFr Engelsberger CDU/CSU 1202 D ZusFr Graf Huyn CDU/CSU 1203 A ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU 1203 A Protest gegen die Inhaftierung des Bayreuther Universitätsprofessors Konrad Löw bei der tschechoslowakischen Regierung MdlAnfr 50 13.03.81 Drs 09/226 Dr. Hupka CDU/CSU Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 1203 B, C ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU 1203 B, C ZusFr Graf Stauffenberg CDU/CSU . . .1203 C Überreichung von Listen mit Härtefällen der Familienzusammenführung und Ausreise an osteuropäische Delegationen während des KSZE-Nachfolgetreffens in Madrid MdlAnfr 51 13.03.81 Drs 09/226 Dr. Hupka CDU/CSU Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 1203 D, 1204 A ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU . . . 1203 D, 1204 A Vereinbarkeit der Anwesenheit des Wachbataillons „Feliks Dzierzynski" in Ost-Berlin mit dem entmilitarisierten Status GroßBerlins MdlAnfr 52 13.03.81 Drs 09/226 Graf Stauffenberg CDU/CSU Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 1204 A, B, C ZusFr Graf Stauffenberg CDU/CSU . . . 1204 B ZusFr Thüsing SPD 1204 C Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen des fünf Jahre in Warschau inhaftierten Deutschen Achim Rösch gegenüber der polnischen Regierung MdlAnfr 53 13.03.81 Drs 09/226 Graf Stauffenberg CDU/CSU Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 1204 C, 1205 A ZusFr Graf Stauffenberg CDU/CSU . . . .1205 A Benachteiligung von Bundeswehroffizieren aus der Truppe gegenüber Bundeswehrhochschulabsolventen durch das geänderte Punktesystem für die Einstellung von Berufsoffizieren MdlAnfr 75, 76 13.03.81 Drs 09/226 Daweke CDU/CSU Antw StSekr Dr. Hiehle BMVg . 1205 B, 1206 C, D, 1207 A ZusFr Daweke CDU/CSU 1206 B, C, D Nächste Sitzung 1265 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 1266* Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. März 1981 1151 26. Sitzung Bonn, den 19. März 1981 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Böhme (Freiburg) 20. 3. Büchner (Speyer) * 20. 3. Dr. Enders * 20. 3. Fellner 20. 3. Dr. Geißler 20. 3. von der Heydt Freiherr von Massenbach 20. 3. Dr. Hubrig 20. 3. Jung (Kandel) 20. 3. Kiehm 20. 3. Kittelmann * 20. 3. Korber 20. 3. Dr. Graf Lambsdorff 20. 3. Männing 20. 3. Dr. Mitzscherling 20. 3. Dr. Müller * 20. 3. Müller (Wadern) * 20. 3. Picard 20. 3. Reddemann ** 19. 3. Frau Roitzsch 20. 3. Frau Schlei 20. 3. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim * 20. 3. Voigt (Frankfurt) 20. 3. Dr. Wendig 20. 3. Dr. Wieczorek 20. 3. Frau Will-Feld 20. 3. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Alfred Emmerlich


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Jetzt nicht mehr. Ich komme sonst mit meiner Zeit nicht aus. Ich bitte vielmals urn Entschuldigung. Sie haben ja gleich als einer der folgenden Redner Gelegenheit, Ihre Auffassung darzulegen.
    Ähnliches wie für Demonstrationen — nicht das gleiche — gilt für Hausbesetzer. So vielfältig ihre persönlichen Motive und ihre Lebensumstände auch sein mögen, in ihrer großen Mehrheit wollen sie gegen das protestieren, was sie als unerträglich in unserem Lande und als unerträglich an der Politik der von ihnen so genannten etablierten Parteien empfinden.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    — Keineswegs. — Gewiß gibt es bei ihnen vielfach zu hohe Erwartungen an den Staat und die Politik, nicht selten begleitet von zu hohen persönlichen Ansprüchen.
    Es gibt aber auch unübersehbare Mißstände: leerstehende Wohnungen und leerstehende Häuser auf der einen Seite und viele Menschen auf der anderen Seite, die keine Wohnung finden, die sie bezahlen können oder die ihren Bedürfnissen entspricht. Richtig ist, daß nicht wenige junge Mitbürger glauben, daß sie sich bei der Vertretung der Forderungen, die sie als existentiell ansehen, über Ordnungsvorschriften hinwegsetzen dürfen. Hausbesetzer halten sogar Hausfriedensbruch für gerechtfertigt, jedenfalls für entschuldbar.
    Richtig ist ferner, daß einige meinen, ein Widerstandsrecht in Anspruch nehmen zu können, z. B. gegen den Bau von Kernkraftwerken, gegen die Räumung von besetzten Wohnungen, gegen Ermittlungs- und Ordnungsmaßnahmen der Polizei. Einige wenige glauben, dabei Gewalt anwenden zu dürfen, Gewalt gegen Sachen und auch Gewalt gegen Polizeibeamte.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Es mischen sich auch solche Personen und Gruppen unter die Demonstranten und die Hausbesetzer, die nichts anderes wollen als „Randale machen", und solche, die nichts anderes im Sinne haben als den gewaltsamen Aufstand.
    Falsch wäre es, wenn sich unsere Aufmerksamkeit nur den Gewalttätigkeiten und den Ordnungsverstößen — ich bitte, auf dieses Wort zu achten — zuwenden würde, wenn wir glauben, darin bestehe das eigentliche Problem.
    Notwendig ist vielmehr, den Blick auf die Anliegen der Protestierenden zu richten, sich in ihre Gedankenwelt, in ihre Sicht der Dinge und in ihre Bewußtseinslage hineinzuversetzen, ernsthaft den Versuch zu unternehmen, sie zu verstehen und sie zu begreifen. Erforderlich ist es, den jungen Menschen das Gefühl zu geben, daß sie dazugehören, daß sie mitreden und mitentscheiden können, daß sie eine Chance haben und daß der Staat und die Gesellschaft bereit und in der Lage sind, das zu tun, was zur Bewältigung ihrer Probleme erforderlich ist.
    Völlig falsch wäre es, gegen Ordnungsverstöße junger Leute ohne Rücksicht auf Verluste mit der geballten Staatsmacht vorzugehen; zumal das bei Ordnungsverstößen anderer Art, z. B. bei Verstößen gegen das Zweckentfremdungsverbot für Wohnraum, bei Verstößen gegen Jugendarbeitsschutzvorschriften, gegen Schutzvorschriften gewerberechtlicher Natur und gegen steuerrechtliche Bestimmun-



    Dr. Emmerlich
    gen j a auch nicht geschieht. Notwendig ist vielmehr, daß bei staatlichen Reaktionen auf Ordnungsverstöße bei Demonstrationen und Hausbesetzungen der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und das Gebot der Güterabwägung strikt beachtet werden, daß nicht mit Kanonen auf Spatzen geschossen wird.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Verheerend ist es, meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn der Staat nach dem Motto handelt „Wo gehobelt wird, fallen Späne" und den Boden der Rechtsordnung verlassend berserkerhaft Exempel statuiert. Verheerend ist es vor allem, wenn das Verhalten bayerischer Staatsorgane in Nürnberg Schule macht.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    In Nürnberg ist zweifellos schlimmes Unrecht geschehen.

    (Beifall bei der SPD)

    141 Menschen, darunter 21 Jugendliche und 54 18- bis 21jährige sind auf Grund pauschal unterstellter Verdachts- und Haftgründe verhaftet worden. Eine Einzelfallprüfung hat selbst dann nicht stattgefunden, wenn von den Betroffenen Entlastungsbeweise angeboten wurden.
    Die Massenverhaftung von Nürnberg ist ein in der Geschichte der Bundesrepublik einmaliger Vorgang.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Ich erwarte, daß der anwesende bayerische Justizminister vor dem Deutschen Bundestag und dem deutschen Volk an dieser Stelle und hier und heute deutlich macht, wie er seiner Verantwortung gerecht werden will.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Kohl [CDU/ CSU]: Werden Sie doch einmal Ihrer Verantwortung gerecht! Unter Ihrer Regierung ist doch dieser Zustand in der Bundesrepublik eingerissen! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    — Herr Kohl, ich weiß ja, daß es wehtut,

    (Dr. Kohl [CDU/CSU]: Es tut gar nichts weh!)

    aber das liegt nicht an mir, sondern an dem, was dort passiert ist.

    (Dr. Kohl [CDU/CSU]: In diesen elf Jahren ist doch der Staat bei Ihnen heruntergekommen!)

    Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Anlaß für diesen einmaligen Vorgang war ein Sachschaden in Höhe von 20 000 bis 30 000 DM. Eine große Zahl der Verhafteten, wahrscheinlich die Mehrzahl, war unschuldig.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Mehr als die Hälfte der Verhafteten war unter 21 Jahren alt. Eltern blieben teilweise tagelang ohne Nachricht über den Verbleib ihrer Kinder.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Für diesen unglaublichen Vorgang tragen, lieber Herr Kohl, nicht nur die unmittelbar beteiligten Staatsorgane die Verantwortung,

    (Dr. Kohl [CDU/CSU]: Ja, ja!)

    sondern auch diejenigen, die im Zusammenhang mit Demonstrationen und Hausbesetzungen von einer Krise des Rechtsstaats und davon geredet haben, daß ein neuer Terrorismus entstehe. Sie haben die Hysterie geschürt.

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/ CSU)

    Sie heizen die Stimmung an, und andere, siehe Nürnberg, lassen sich davon hinreißen.

    (Dr. Kohl [CDU/CSU]: Der Ermordete ist schuld!)

    Ein Innenminister, der im Zusammenhang mit Demonstrationen und Hausbesetzungen den polizeilichen Schußwaffengebrauch erörtert, darf sich nicht wundern, wenn irgendwann einmal tatsächlich von der Schußwaffe Gebrauch gemacht wird.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Das ist ja unglaublich!)

    Ein Staat, der rechtsstaatliche Grundsätze mißachtet, um den starken Mann zu spielen, höhlt das Rechtsbewußtsein aus

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    und gefährdet den Rechtsstaat mehr als die, die in Nürnberg die Schaufenster eingeschlagen haben. Wer nach den Maximen von Nürnberg handelt, integriert die protestierende Jugend nicht, sondern vergrößert ihre Distanz zu unserem Staat und zu unserer gesellschaftlichen Ordnung.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Die Ereignisse von Nürnberg sind ein schlimmer Exzeß.

    (Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Ihre Rede ist ein Exzeß!)

    Dieser Exzeß macht deutlich, wie verfehlt die Rezepte sind, mit denen die CSU und in ihrem Gefolge leider auch große Teile der CDU der Protestbewegung unserer Tage begegnen wollen. Die Forderung nach Wiedereinführung des obrigkeitsstaatlichen Demonstrationsrechts beruht auf den gleichen vordemokratischen und letztlich hilflosen Denkansätzen, die den Exzeß von Nürnberg ausgelöst haben.
    Ich möchte mir wünschen, daß sich der bayerische Justizminister bei den Behörden in Schleswig-Holstein und beim Regierenden Bürgermeister von Berlin

    (Lachen bei der CDU/CSU)

    Rat darüber holt, wie man mit Augenmaß und unter Berücksichtigung der Grundsätze der Güterabwägung und der Verhältnismäßigkeit Frieden in unserem Lande bewahren kann.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)



Rede von Richard Wurbs
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kleinert.




  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Detlef Kleinert


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren!

    (Kittelmann [CDU/CSU]: Nun stellen Sie mal alles richtig!)

    — Das wird mir nicht gelingen, dazu ist schon zu viel Falsches gesagt worden, Herr Kollege.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich wollte ja dem Kollegen Erhard voll vertrauen hinsichtlich seiner komplizierten Rechnungen. Aber als ich dann gesehen habe, daß Sie die Zeit glatt sieben Minuten überschritten haben, bin ich an Ihren mathematischen Künsten doch wieder zweifelnd geworden. Nun muß ich die Sache mit den vielen Paragraphen auch in etwas anderem Lichte sehen, zumal Sie da ja eine sehr originelle Zählweise gefunden haben, indem Sie bei den von Ihnen vermuteten Änderungen offenbar buchstabenweise, mindestens aber wortweise vorgegangen sind.
    Ich habe im Gegensatz Veranlassung, wie schon dem Vorgänger im Amte des Justizministers, der uns unter so besonderen und, wie ich meine, sehr ehrenwerten und ehrenvollen Umständen verlassen hat, auch seinem Nachfolger im Amte des Bundesjustizministers, Herrn Schmude, für die Freien Demokraten sehr herzlich dafür zu danken, daß hier ganz offensichtlich auch in den nächsten Jahren eine sehr behutsame Rechtspolitik fortgesetzt werden soll.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Das ist allerdings das, was nach einer schwierigen Aufbauphase — die übrigens, wie ich nicht müde werde zu wiederholen, hier im Hause von unseren Vorgängern unter erheblich schwierigeren technischen Umständen bewältigt worden ist, als wir sie heute haben, wobei sich die Leistungen durchaus sehen lassen konnten — und nachdem in einer anderen politischen Konstellation dann eine heute mehrfach auch ein wenig kontrovers diskutierte Nachholphase im letzten Jahrzehnt im wesentlichen abgeschlossen worden war, nicht mehr in dem Maße vorhanden ist wie am Anfang dieser Republik und so wie bei der während langer, verhältnismäßig einseitiger politischer Ausrichtung der Rechtspolitik, als ein Reformstau entstanden war.
    Jetzt muß wirklich im Interesse aller Beteiligten — zuerst im Interesse der rechtssuchenden Bürger, genauso aber im Interesse der Richter, der Rechtsanwälte und unserer Verwaltungen im weitesten Sinne — Ruhe eintreten und nur das geregelt werden, was unbedingt geregelt werden muß.
    Ich glaube, wir haben alles in allem durchaus Veranlassung, hier nicht gegenseitig unser Rechtssystem schlechtzumachen. Wenn man nicht durch ganz andere Herren der Opposition als Herrn Erhard schon einigermaßen abgehärtet wäre, hätte man ja bei dem Blick in die Gruselkammer, die er hier in bezug auf unser Rechtswesen und die Einstellung der Bürger dazu geöffnet hat, richtig ein wenig ängstlich werden können. So ernst haben Sie es ja aber meistens nicht gemeint. Anders kann ich mir auch nicht erklären, daß wir eine so unglaublich große Zahl von Gesetzen entweder von Anfang an oder jedenfalls bei der entscheidenden Schlußabstimmung gemeinsam verabschiedet haben.
    Ich bedaure nur sehr, daß Sie immer wieder einmal versuchen, sich mit dem schlanken Fuß herauszustehlen und die Öffentlichkeit von Ihrer verdienstvollen Zustimmung abzulenken, damit Sie etwas mehr freie Hand zum Polemisieren haben. Das betrifft das Eherecht, dem Sie zugestimmt haben. Das betrifft eine Reihe von wichtigen strafrechtlichen Änderungen. Das betrifft — damit beziehe ich mich auf die Diskussion dieser Tage, in der schon wieder eine so merkwürdig schiefe Frontstellung erkennbar wird — auch das Mietrecht. Die Vergleichsmiete ist von Ihnen hier mit getragen worden. Einige der Vorschläge, die von der Union über allfällige Verbesserungen des Mietrechtes ins Gespräch gebracht werden, sind uns entschieden zu dirigistisch und scheinen uns auch nicht auf genügend Markt hinzuführen — um das bei dieser Gelegenheit zu erwähnen. Sie von der Union haben jedenfalls — genau wie wir und unser Koalitionspartner — die meisten Änderungen mitgetragen.
    Warum dann also all das jetzt schlechtmachen und im nächsten Atemzug dann auch noch beklagen, daß die Bevölkerung in ihrem Vertrauen in ein stetiges und sich sorgsam entwickelndes Rechtssystem unsicher wird, das wir Gott sei Dank haben, wie Sie in Ihren ruhigeren Stunden vernünftigerweise ja gar nicht bestreiten?
    Es scheint hier übrigens ein gewisser Zusammenhang mit der Art, wie die Leute argumentieren und wie sie handeln, zu bestehen. Wenn ich lese, was Herr Stoltenberg am letzten Freitag im Bundesrat gesagt hat, und mir vergegenwärtige, wie die verschiedenen Teilnehmer dieser Grundsatzdiskussion im Bundesrat ohne jede Polemik aufeinander zugegangen sind, so ist es, wie ich meine, nicht allzuweit hergeholt, wenn man eine Beziehung zu dem vernünftigen, sachgerechten und abgestimmten Verhalten mit dem nötigen Fingerspitzengefühl herstellt, das die schleswig-holsteinische Landesregierung in der sehr schwierigen Situation in Brokdorf an den Tag gelegt hat.

    (Beifall bei der FDP)

    Falls es so sein sollte, daß diese Zusammenhänge bestehen, müssen wir alle immer weiter an uns arbeiten, damit uns hier in der Diskussion nicht auf einmal Verdächtigungen unterlaufen, die sich bei anderer Gelegenheit dann auch leicht in falsches Handeln umsetzen können.
    Ohne Herrn Hillermeier vorgreifen zu wollen und ohne gegen den von mir selbst vertretenen Grundsatz zu verstoßen, daß wir bei grundsätzlichen Erörterungen von Rechtsfragen möglichst das Verbindende betrachten sollten, möchte ich bei dieser Gelegenheit allerdings auch sagen, daß sich zunächst verbale Darstellungen, die sich ganz anders angehört haben und die ganz anders zu lesen waren als das, was ich eben z. B. an Herrn Stoltenberg, aber auch an Herrn Eyrich in der Bundesratsdebatte zu rühmen hatte, anschließend prompt in Vorfälle umgesetzt haben, die mit dem Wort „bedauerlich" allerdings nur sehr schüchtern umschrieben sind, Vorfäl-



    Kleinert
    le, wie wir sie leider in Nürnberg erleben mußten, und zwar zum Schaden der Auseinandersetzung um die vernünftige Handhabung eines schwierigen Problems, das hier leider erneut — mit Unruhen, insbesondere in Teilen der Jugend — auf uns zukommt. Die Ereignisse in Nürnberg, die zweifellos durch die zuständigen Behörden veranlaßt, mindestens mit veranlaßt worden sind,

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    haben uns in unserem Bemühen um angemessene Reaktionen dieses Staates auch in zugegebenermaßen sehr schwieriger Situation erheblich zurückgeworfen. Wir werden dazu sicherlich noch einiges zu hören bekommen.
    Wenn ein derartiger Einschnitt feststellbar ist, dann natürlich nicht mit der umgekehrten Richtung: zu Ihren Zeiten seien die nützlichen Gesetze gemacht worden und zu unseren Zeiten die unnützen. Die ersten Justizminister dieser Republik, Herr Erhard, sind samt und sonders von den Freien Demokraten gestellt worden. Die ganzen Verdienste, die Sie vorhin so auf einen Schlag für sich reklamiert haben, können Sie da drüben (zur FDP gewandt) abliefern.

    (Heiterkeit und Beifall bei der FDP) Das waren gar nicht Ihre Leute.


    (Dr. Kohl [CDU/CSU]: Und wie ist es dann mit dem „Reformstau"?)

    — Der Reformstau bezieht sich — das ist durchaus im Sinne dieser Republik und ihrer politischen Weiterentwicklung — auf die Fragen, die wir mit Ihnen nicht lösen konnten, so wie Herr Emmerlich naturgemäß Sie vorhin darauf hinweisen mußte, daß die Sozialdemokraten in der Großen Koalition mit Ihnen einiges auch nicht machen konnten. Ich bestreite überhaupt nicht, daß wir auch mit Ihnen sehr vernünftige Dinge gemacht haben. Wenn ich dies bestreiten wollte, wäre ich j a hochgradig unklug, nachdem ich eben erst darauf hinweisen konnte, daß die verantwortlichen Minister seinerzeit von uns gestellt worden sind.

    (Heiterkeit und Beifall bei der FDP — Dr. Kohl [CDU/CSU]: Immer dabei!)

    — Wenn es sich einrichten läßt!

    (Lachen bei der CDU/CDU)

    Und wenn es, Herr Kohl, insbesondere dem Rechtsstaat dient! Darüber reden wir ja, und das ist unserer Auffassung nach überhaupt nicht zu bezweifeln.
    Es gibt nun mal außerhalb des Bereichs, in dem eine große Konsensfähigkeit unter allen drei Fraktionen immer gegeben war und auch in Zukunft gegeben sein wird, ganz typische Vorgänge, die der einen oder anderen Partei und damit ihrer hier vorhandenen Fraktion auf besonders eigentümliche Weise am Herzen liegen, und da kommt man dann eben nicht zusammen. Wir konnten uns nun einmal im Bereich der Sittlichkeitsdelikte im weitesten Sinne, also z. B. bei alledem, was früher mit Pornographie umschrieben worden ist, nie mit Ihnen einigen, und das werden wir wohl auch in Zukunft nicht können. Da gibt es eben in Ihren Reihen Leute, die glauben, daß die gesetzliche Proklamation des sittlichen Verhaltens etwas so Wichtiges sei, daß man damit Strafbehörden belasten müsse, statt sie nützlicheren Beschäftigungen zuzuführen.

    (Beifall bei der FDP)

    Das allerdings konnten wir erst in der Koalition mit den Sozialdemokraten und nun einmal nicht mit Ihnen ändern. So hat sich das ergeben.
    Was nun das Eherecht angeht, so erinnere ich an den Schwarzhauptschen Nacht- und Nebelangriff in zweiter Lesung, der die ganzen Schwierigkeiten erst richtig ins Rollen gebracht hat und der einen Großteil dieses Reformstaus mit begründet hat. Das war 1960, als Sie Ihre absolute Mehrheit in letzter Minute noch einmal gebraucht haben, aber wirklich schon sehr gebraucht haben,

    (Dr. Emmerlich wenn man allein die Umstände bedenkt, unter denen dieses Gesetz damals zustande gekommen ist, nämlich ohne eine halbwegs ordentliche Beratung vorher in dem entscheidenden Punkt; der ist erst hier eingeführt worden. Das war einem solchen Gesetzgebungsvorhaben wirklich nicht angemessen. Da lag eben der Stau. Also die Felder sind doch schon erkannt, auf denen es für die Weiterentwicklung unserer rechtsstaatlichen Ordnung wirklich wichtig ist, daß Sie von Zeit zu Zeit auch mal in der Opposition sind. (Heiterkeit bei der FDP und der SPD. Erhard würde der FDP auch mal ganz gut tun!)

    In der Diskussion über die Fähigkeit unserer Zeit zur Gesetzgebung ist einiges gesagt worden über einen gewissen Wandel im Stil der Gesetzgebung. Ich möchte darauf hier noch einmal ganz kurz eingehen. Es ist wohl richtig, wie ich kürzlich gelesen habe, daß man in den ersten Jahren nach dem Krieg und nach den herben Enttäuschungen, die wir im Dritten Reich auch mit unserer Justiz erleben mußten, etwas mehr Wert auf das Ausformulieren von Gesetzen im einzelnen gelegt hat, daß man etwas mehr in die Richtung der Begriffsjurisprudenz gekommen ist, um Richter an die Entscheidung des Gesetzgebers auch möglichst zu binden. Ich finde, es ist ein gutes Zeichen, daß man neuerdings glaubt, im Interesse der Kürze und Klarheit der Gesetze, aber auch im Sinne der Gestaltungsmöglichkeiten des Richters für die angemessene Entscheidung des Einzelfalles wieder etwas mehr auf generalisierende Klauseln zurückgreifen zu können. Diese Entwicklung, meine ich, zeigt ein erfreulich gewachsenes Vertrauen in die Rechtsanwendung durch unsere Richterschaft, und sie ermöglicht uns es auch, die etwa vor zwei Jahrzehnten gemachten Gesetze — hier ist zum Beispiel das Aktiengesetz erwähnt worden; ich bezweifele, daß man das heute noch so kasuistisch verabschieden würde, wie es damals geschehen ist, als man die Dinge grundsätzlich anders gesehen hat —, in absehbarer Zeit einmal darauf zu überprüfen, ob nicht sprachlich in der Verständlichkeit und in der Kürze noch etwas mehr geschehen kann. Das ist eine Aufgabe, der wir uns weiterhin unterziehen wollen.



    Kleinert
    Wir haben sehr gern gehört, daß der Bundesjustizminister — es hätte der Erwähnung eigentlich kaum noch bedurft — ausdrücklich erklärt hat, in jedem Falle den bereits vorliegenden Entwurf — ich möchte hinzusetzen: und stamme er aus seinem eigenen Hause; das muß ja auch gemeint gewesen sein — daraufhin zu überprüfen, ob er wirklich Gesetz werden muß oder nicht, eine Prüfung, die in der Vergangenheit immer noch zu selten vorgenommen worden ist.
    Ich habe hier früher schon öfter auf Bayern hingewiesen. Wir hatten gestern im Rechtsausschuß wieder einmal ein Produkt bayerischer gesetzgeberischer Bemühungen. Da sollten nämlich die Haftpflicht und die Gefährdungshaftung der Almbauern dringend geregelt werden, die im Winter ihr Einkommen mit dem Betrieb von Schleppliften etwas aufbessern. Dazu ist ein verhältnismäßig umfangreiches Gesetz vorgelegt worden, nachdem vor drei Jahren hier im Haus gründlich beraten worden war, man solle es besser lassen und lediglich die Seilbahnen mit ihren allerdings erheblich größeren Gefahren in eine Haftpflicht einbeziehen. — Nein, man hat in Bayern nicht ruhen können, man mußte sich dieses dringlichen Problems annehmen und versucht nun, über den Bundesrat den Rechtsausschuß dazu zu bringen, für etwa 1 500 Seilbahnen Versicherungsverträge abschließen zu lassen und Prämien zu kassieren, versteht sich. Wo der eigentliche Initiator des Gesetzes sitzt, kann ich bei solchen Betrachtungen natürlich nur vermuten.

    (Heiterkeit bei der FDP und der SPD)

    Dann hat man im Jahr 20 Unfälle, deren Opfer bisher von ihren Krankenkassen das Notwendige bekamen und es dann von einem Haftpflichtversicherer bekommen sollen. Es ist natürlich sehr nützlich, wenn die bayerische Staatsregierung landauf, landab über die Gesetzesflut klagt, die natürlich von hier kommt, und uns dann hintenherum solche Gesetze ins Haus liefert, die zur Gesetzesflut viel, zur Regelung eines Notstands aber gar nichts beitragen können.

    (Beifall bei der FDP und der SPD) Da müssen wir wirklich sehr aufpassen.

    Das Verhältnis des Gesetzgebers zu den Gerichten ist immer sehr delikat, zu allen Gerichten, das ist hier auch schon gesagt worden. In letzter Zeit haben wir gerade von sehr hochgestellten Richterpersönlichkeiten wieder einige Vorwürfe bekommen, wir schafften Unklarheiten, wir ließen zuviel offen für die gerichtlichen Entscheidungen. Wenn solche Vorwürfe von Stellen kommen, von denen aus im Laufe der Jahre zu meiner Auffassung nach sehr klar geregelten Fragen Urteile gekommen sind, die sich nur noch mit großen Schwierigkeiten mit dem Gesetzestext, der von hier gekommen ist, in Deckung bringen lassen, dann höre ich diese Vorwürfe nicht so gern.

    (Beifall bei der SPD)

    Insbesondere die Rechtsschöpfung des Gerichts, dessen scheidender Präsident uns besonders deutliche Worte gesagt hat, halte ich nicht in jedem Fall vom Gesetz oder auch nur von den praktischen Notwendigkeiten her für geboten. Da wollen wir nicht den Schwarzen Peter hin- und herschieben. Wir wollen uns gern unsererseits bemühen, noch klarer zu werden und den Gerichten ordentliches Werkzeug an die Hand zu geben. Wir möchten aber auch in aller Bescheidenheit darum bitten, daß sich nicht ausgerechnet diejenigen, die sehr freischaffend tätig geworden sind, darüber dann auch noch bei uns beklagen. Das finde ich nicht so gut.
    Einen ähnlichen Vorgang habe ich im Hinblick auf einen anderen Gerichtspräsidenten mit wenig Freude verzeichnet. Er ist in gewisser Weise auch in einer der vielen Fragen, die die Opposition heute der Bundesregierung gestellt hat, angesprochen. Zu diesen Fragen hören wir vermutlich noch von anderen Ihrer Redner etwas. Bisher ist das, was eigentlich gefragt sein sollte, alles so dunkel geblieben, wie es aufgeschrieben war.
    Ich habe aber immerhin entnommen, daß Sie hinsichtlich der Praktizierung des Revisionsrechts, so wie wir es auf Grund der Klagen des Bundesgerichtshofes über Überlastung erst beraten und dann beschlossen haben — übrigens auch wieder einmal interfraktionell —, Bedenken haben. Ich muß schon sagen, ich war wirklich sehr verblüfft, nach diesen Beratungen, an denen ich seinerzeit zusammen mit Herrn Emmerlich und Herrn Hauser teilgenommen habe, vom Präsidenten Fischer zu hören, daß der Bundestag endlich die Einsicht gehabt habe, sich folgerichtig für die reine Grundsatzrevision zu entscheiden, während wir hier wochenlang beraten haben, um eben diese reine Grundsatzrevision tunlichst zu vermeiden, und lediglich auf die quantitativen Beschwerden der Herren Richter eingegangen sind. Wenn man uns dann entgegen dem gesamten Gang der Beratungen von dieser Seite das Wort im Munde umdreht, dann ist das für eine gemeinsame und in gewisser Weise auch kollegiale Beratung derartiger Wünsche der Gerichte in Zukunft nicht förderlich. Das kann man bei einer derartigen Gelegenheit wohl auch einmal deutlich und grundsätzlich anmerken.
    Wir werden auch in Zukunft das Problem haben, daß viele Gesetze keineswegs, wie draußen vermutet wird, aus der Weisheit der Abgeordneten und ihrer bemerkenswerten Spontaneität geboren werden, sondern ganz woanders, in Amtsstuben erfunden werden, nicht zuletzt zu dem Zweck, sich anschließend über die eingetretene Belastung zu beklagen und Planstellen zu verlangen.

    (Allgemeine Heiterkeit und Beifall)

    Das ist ein Zusammenhang, den man spätestens nach einiger Anwesenheit hier im Hause erkannt haben muß. Wir dürfen als Abgeordnete nicht bereit sein, erst in diese Falle hineinzutappen und uns dann draußen noch als diejenigen beschimpfen zu lassen, die diesen Überfluß an Gesetzen und diese zusätzlichen Belastungen der Verwaltung geschaffen haben. Das geht inzwischen schon so weit, daß namhafte Verbände von Verwaltungsangestellten oder Beamten hier nach bester Industriemanier Lobbyessen veranstalten, um den Abgeordneten einzureden, daß sie dieses Gesetz mit seinen soundsoviel tausend Planstellen ganz dringend brauchen.



    Kleinert
    Ein solches Essen hat hier z. B. zu der Frage der Jugendhilfe stattgefunden.

    (Große Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Das Jugendhilferecht zeichnet sich meiner Ansicht nach auch durch entsprechende Personalintensität aus, wenn es so verabschiedet wird, wie es zunächst einmal vorgelegt wurde. Ich frage mich, ob das alles so sein muß oder ob man nicht auch Kräfte im Volk freisetzen kann, die sich selbst helfen, seien es die Nachbarn, sei es die beliebte Großmutter, die ja auch nicht in jedem Fall in das immer teurer werdende Altersheim gehen muß. Das ist übrigens ein Kapitel für sich, daß das immer eine doppelte Rente kosten muß, weil das alles so sozial gemacht ist.

    (Heiterkeit bei der FDP und der CDU/ CSU)

    Da kann man vielleicht auch auf einige Kräfte vertrauen.
    Damit komme ich von einer anderen Seite zu dem Thema, das mir besonders am Herzen liegt: Was können wir tun, und zwar meistens durch ein Unterlassen — deswegen haben Sie wahrscheinlich nach Unterlassungen gefragt —, um Selbstheilungskräfte in der Wirtschaft, bei den einzelnen Bürgern freizusetzen? Was man tun kann, um solche Kräfte mit Sicherheit einzuschläfern oder zum Erliegen zu bringen, ist, möglichst engmaschige Gesetze zu machen, damit der einzelne nicht mehr in Verlegenheit kommt, selbst über irgend etwas nachzudenken oder selbst irgendeine Verantwortung zu übernehmen. Ich gehe so weit, zu behaupten, daß die mangelnde Herausforderung der Leistungsbereitschaft jedes einzelnen zu einer Reihe von Erscheinungen führt, die wir gerade, insbesondere bei der Jugend, zu beklagen haben. Wir Älteren sind vor einigen Fehlern noch geschützt durch plastische Erfahrungen, was das eigentlich ist, wenn man keine Marktwirtschaft hat und wie man da vor Bezugsscheinämtern Schlange stehen muß und wie es gelungen ist, größere und kleinere Warenbestände durch Planung und Bewirtschaftung zum Verschwinden zu bringen, daß hinterher für niemanden etwas da war.

    (Heiterkeit)

    Denn wer das erlebt hat, der kann gar nicht auf den Gedanken kommen, daß es nützlich sein könnte, etwa dem Wohnungsmangel durch immer stärkere öffentliche Eingriffe beikommen zu wollen.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Was ich heute dazu von einem stellvertretenden Vorsitzenden einer uns mal näher mal ferner stehenden — sie wissen das selber nicht so; ich weiß es auch schon lange nicht mehr —, in diesem Fall wieder besonders fernstehenden Organisation gehört habe, ist allerdings hanebüchen. Da hat doch dieser Herr Pieper, ein stellvertretender Vorsitzender der Jungdemokraten, gesagt, man müsse jetzt schleunigst — —(Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    — Sehen Sie, ich bringe dieses Beispiel besonders
    deshalb, weil ich Sie bei jeder sich bietenden Gelegenheit ermutigen möchte, vor Ihrer eigenen Tür zu kehren; dazu will ich ein Beispiel geben.

    (Heiterkeit und Beifall bei der FDP, der SPD und der CDU/CSU — Kunz [Berlin] [CDU/CSU]: Das ist der Mann, den der Meyer empfohlen hat!)

    — Ich weiß nicht, wessen Unterstützung er genießt. Ich habe nur mein Maß an Unterstützung hier deutlich machen wollen; ich hoffe, das ist mir gelungen.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU — Erhard [Bad Schwalbach] [CDU/CSU]: Intimfeind!)

    Wenn derartige Bewirtschaftungsgedanken auftauchen, dann — ich finde, das ist nun allerdings sehr peinlich für sehr viele Beteiligte, keineswegs nur in Berlin, sondern auch in anderen Bundesländern — wird das ja schon dadurch ganz wesentlich ad absurdum geführt, daß ein Großteil der beklagenswerten Zustände eben nicht auf raffgierige Menschen mit einer Melone und einer dicken Zigarre im Mund zurückzuführen sind, die man als Spekulanten bezeichnet, wenn sie versuchen, das Beste aus ihrem Geld zu machen und den Markt einigermaßen in Bewegung zu halten, sondern auf gemeinnützige Gesellschaften,

    (Große Heiterkeit und Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    die eigens gegründet worden sind, um zum allgemeinen Wohl nützlichere und bessere Zustände herbeizuführen, die sich erheblicher finanzieller Privilegien erfreuen und dennoch nicht in der Lage sind, ihren eigenen Hausbestand halbwegs brauchbar zu verwalten, trotz aller Vorteile.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Wem so klare Beispiele nicht genügen, von dem unsinnigen Gedanken abzukommen, man könne hier die Sache besser machen, indem man sie in der bisherigen — falschen — Richtung weitertreibt, dem ist dann wohl wahrlich nicht mehr zu helfen.
    Nützlich wäre in diesem Bereich wahrscheinlich auch ein gewisser Mindestunterricht über volkswirtschaftliche Zusammenhänge, die ja letzten Endes hinter allem, was wir hier gesetzgeberisch machen, stehen, mindestens stehen sollten, auch an den Schulen, und nicht statt dessen die Verbreitung einiger Schlagwörter zu Fragen, die schon ein Teil der Lehrer in ihrer Studienzeit nicht richtig verstanden hat und dann so unverstanden weitergibt.

    (Heiterkeit)

    Das kann natürlich nicht sein. Ein Kollege der Union, den ich wegen seines Humors sehr schätze — er ist dafür auch schon offiziell geehrt worden —, hat heute als eine der erwägenswerten Reformen die Trennung von Schule und Unterricht ins Auge gefaßt.

    (Heiterkeit)

    Ich muß sagen: Dieser Vorschlag scheint gar nicht
    mehr so weit abzuliegen, wenn man einige Fehlent-



    Kleinert
    wicklungen ins Auge faßt. Wir hoffen, daß sich das bessert.
    Das wird uns dann auch im Bereich der Gesetzgebung und im Rahmen des Verständnisses für die Gesetzgebung und für unser Recht sehr hilfreich sein.
    Wenn man in diesem Zusammenhang nicht nur immer mehr Leistung von seiten des Staates gibt, von seiten der Eltern, von allen möglichen Seiten, sondern auch einmal Leistung verlangt, dann wird man vielleicht auch in einem Teilbereich einer der Ursachen der um sich greifenden Verwirrung, die dann zu schlimmen Ausschreitungen geführt hat, auf die Spur kommen und abhelfen können.

    (Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

    Ich glaube, es wäre wert, in diesem Sinne weiterzudenken, statt hier zu groben Mitteln zu greifen oder sich gar untereinander zu verzanken über eine Frage, die nur in Gemeinsamkeit auf der Basis des gesunden Rechtsstaates, den wir haben, gelöst werden kann. — Ich danke Ihnen.

    (Beifall bei der FDP, bei der SPD und bei der CDU/CSU)