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    Plenarprotokoll 9/26 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 26. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 19. März 1981 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 1151 A Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP Bericht der Enquete-Kommission Frau und Gesellschaft — Drucksache 9/124 — Frau Dr. Wex CDU/CSU 1151 B Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 1154 B Eimer (Fürth) FDP 1157 A Gerster (Mainz) CDU/CSU 1159 C Frau Huber, Bundesminister BMJFG . . 1161 C Frau Verhülsdonk CDU/CSU 1165 A Frau Fromm FDP 1167 D Frau Steinhauer SPD 1169 C Schmidt, Bundeskanzler 1171 C Frau Krone-Appuhn CDU/CSU 1174 B Frau Matthäus-Maier FDP 1176 C Frau Dr. Däubler-Gmelin SPD 1179 B Frau Karwatzki CDU/CSU 1181 A Dr. Diederich (Berlin) SPD 1183 C Frau Dr. Wilms CDU/CSU 1185 B von Schoeler, Parl. Staatssekretär BMI . 1187 D Frau Dr. Timm SPD 1188 C Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung in Verbindung mit Beratung des Antrags der Abgeordneten Erhard (Bad Schwalbach), Dr. Klein (Göttingen), Dr. Wittmann, Dr. Stark (Nürtingen), Dr. Dregger und der Fraktion der CDU/CSU Auswirkungen rechtspolitischer Entscheidungen oder Unterlassungen — Drucksache 9/183 — Dr. Schmude, Bundesminister BMJ . . . .1207 B Erhard (Bad Schwalbach) CDU/CSU . . .1215 B Dr. Emmerlich SPD 1221 B Kleinert FDP 1226 A Dr. Hillermeier, Staatsminister des Freistaates Bayern 1230 A Dr. Herzog, Minister des Landes BadenWürttemberg 1237 A Dr. Vogel, Regierender Bürgermeister des Landes Berlin 1240 D Dr. von Weizsäcker CDU/CSU 1246 D Schmidt, Bundeskanzler 1250 C Dr. Kohl CDU/CSU 1256 C Engelhard FDP 1262 A II Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. März 1981 Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Rechtsausschusses zu der dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsache vor dem Bundesverfassungsgericht — Drucksache 9/210 — 1264 D Beratung der Übersicht 1 des Rechtsausschusses über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht — Drucksache 9/162 — 1265 A Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Schulte (Schwäbisch Gmünd), Dr. Dollinger, Pfeffermann, Bühler (Bruchsal), Neuhaus, Linsmeier, Lintner, Maaß, Weirich, Dr. Riedl (München), Dr. Köhler (Wolfsburg), Dr. Wörner, Sauter (Epfendorf), Dr. Jenninger, Wissmann und der Fraktion der CDU/CSU Bessere Bedingungen für den CB-Funk — Drucksache 9/128 — Dr. Linde SPD 1265 B Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung der Wirtschaftspläne des ERP-Sondervermögens für das Jahr 1981 (ERP-Wirtschaftsplangesetz 1981) — Drucksache 9/228 — 1265 C Fragestunde — Drucksache 9/226 vom 13. 03. 1981 — Benachteiligung der Versicherten in Großstädten durch die geplante neue Regionalstruktur der Kraftfahrzeughaftpflichtprämien MdlAnfr 68, 69 13.03.81 Drs 09/226 Fischer (Hamburg) CDU/CSU Antw PStSekr Grüner BMWi . . . . 1191 A, C, D, 1192 A, B ZusFr Fischer (Hamburg) CDU/CSU . 1191 B, C, 1192 A Wettbewerbsnachteile der deutschen Stahlindustrie durch den EG-Ministerratsbeschluß MdlAnfr 70 13.03.81 Drs 09/226 Menzel SPD Antw PStSekr Grüner BMWi 1192 B, D, 1193 A, B, C, D, 1194 A ZusFr Menzel SPD 1192 D ZusFr Hoffmann (Saarbrücken) SPD . . 1193 A ZusFr von der Wiesche SPD 1193 B ZusFr Dr. Lammert CDU/CSU 1193 B ZusFr Meininghaus SPD 1193 C ZusFr Urbaniak SPD 1193 D Einführung einer Grenzabgabe für einreisende Autobusse und Erhöhung der Abfertigungsgebühren für Lastzüge in Dänemark MdlAnfr 72, 73 13.03.81 Drs 09/226 Stutzer CDU/CSU Antw PStSekr Grüner BMWi . . . 1194 A, B, C, D, 1195 A ZusFr Stutzer CDU/CSU . . . . 1194 C, D, 1195 A Vorfinanzierung der Kraftwerke in Cattenom durch Stromabnahmeverträge deutscher Energieversorgungsunternehmen mit der Electricité de France MdlAnfr 74 13.03.81 Drs 09/226 Schreiner SPD Antw PStSekr Grüner BMWi . . . 1195 A, B, C, D ZusFr Schreiner SPD 1195 B, C ZusFr Hoffmann (Saarbrücken) SPD . .1195 C ZusFr Engelsberger CDU/CSU 1195 D Rückgang der Zahl der Genehmigungen zur Ausreise aus Polen und der Sowjetunion seit 1978 MdlAnfr 39, 40 13.03.81 Drs 09/226 Dr. Bötsch CDU/CSU Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 1196 B, D, 1197 A, B, C ZusFr Dr. Bötsch CDU/CSU 1196 C, D ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU 1197 A ZusFr Jäger (Wangen) CDU/CSU 1197 B Pflege deutscher Kriegsgräber in der Sowjetunion MdlAnfr 44 13.03.81 Drs 09/226 Jäger (Wangen) CDU/CSU Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 1197 C, 1198 A, B, C ZusFr Jäger (Wangen) CDU/CSU . . . . 1197 D, 1198 A ZusFr Dr. Bötsch CDU/CSU 1198 B ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU 1198 B ZusFr Graf Huyn CDU/CSU 1198 C Festnahme von vier deutschen Staatsbürgern nach einem Gewerkschaftstreffen in Santiago de Chile MdlAnfr 45 13.03.81 Drs 09/226 Weisskirchen (Wiesloch) SPD Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 1198 D, 1199 A ZusFr Weisskirchen (Wiesloch) SPD . . 1198 D ZusFr Hansen SPD 1199 A Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. März 1981 III Verzicht auf die Stationierung neuer Mittelstreckenraketen in Europa MdlAnfr 46 13.03.81 Drs 09/226 Thüsing SPD Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 1199 A, D ZusFr Hansen SPD 1199 D Störung der Entspannungspolitik durch Sendungen von Radio Free Europe und Radio Liberty MdlAnfr 47, 48 13.03.81 Drs 09/226 Hansen SPD Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 1200 A, B, D, 1201A,C,D, 1202A,B ZusFr Hansen SPD 1200 B, C, D ZusFr Graf Huyn CDU/CSU 1201 A, B ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU 1201 B, C ZusFr Graf Stauffenberg CDU/CSU . 1201 C, D ZusFr Jäger (Wangen) CDU/CSU 1201 D ZusFr Thüsing SPD 1202 A ZusFr Dr. Schöfberger SPD 1202 B Reaktion der Bundesregierung auf die Festnahme des Bayreuther Universitätsprofessors Konrad Löw sowie Folgerungen für den Akademikeraustausch und das Kulturabkommen mit der CSSR MdlAnfr 49 13.03.81 Drs 09/226 Engelsberger CDU/CSU Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 1202 C, D, 1203 A, B ZusFr Engelsberger CDU/CSU 1202 D ZusFr Graf Huyn CDU/CSU 1203 A ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU 1203 A Protest gegen die Inhaftierung des Bayreuther Universitätsprofessors Konrad Löw bei der tschechoslowakischen Regierung MdlAnfr 50 13.03.81 Drs 09/226 Dr. Hupka CDU/CSU Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 1203 B, C ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU 1203 B, C ZusFr Graf Stauffenberg CDU/CSU . . .1203 C Überreichung von Listen mit Härtefällen der Familienzusammenführung und Ausreise an osteuropäische Delegationen während des KSZE-Nachfolgetreffens in Madrid MdlAnfr 51 13.03.81 Drs 09/226 Dr. Hupka CDU/CSU Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 1203 D, 1204 A ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU . . . 1203 D, 1204 A Vereinbarkeit der Anwesenheit des Wachbataillons „Feliks Dzierzynski" in Ost-Berlin mit dem entmilitarisierten Status GroßBerlins MdlAnfr 52 13.03.81 Drs 09/226 Graf Stauffenberg CDU/CSU Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 1204 A, B, C ZusFr Graf Stauffenberg CDU/CSU . . . 1204 B ZusFr Thüsing SPD 1204 C Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen des fünf Jahre in Warschau inhaftierten Deutschen Achim Rösch gegenüber der polnischen Regierung MdlAnfr 53 13.03.81 Drs 09/226 Graf Stauffenberg CDU/CSU Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 1204 C, 1205 A ZusFr Graf Stauffenberg CDU/CSU . . . .1205 A Benachteiligung von Bundeswehroffizieren aus der Truppe gegenüber Bundeswehrhochschulabsolventen durch das geänderte Punktesystem für die Einstellung von Berufsoffizieren MdlAnfr 75, 76 13.03.81 Drs 09/226 Daweke CDU/CSU Antw StSekr Dr. Hiehle BMVg . 1205 B, 1206 C, D, 1207 A ZusFr Daweke CDU/CSU 1206 B, C, D Nächste Sitzung 1265 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 1266* Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. März 1981 1151 26. Sitzung Bonn, den 19. März 1981 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Böhme (Freiburg) 20. 3. Büchner (Speyer) * 20. 3. Dr. Enders * 20. 3. Fellner 20. 3. Dr. Geißler 20. 3. von der Heydt Freiherr von Massenbach 20. 3. Dr. Hubrig 20. 3. Jung (Kandel) 20. 3. Kiehm 20. 3. Kittelmann * 20. 3. Korber 20. 3. Dr. Graf Lambsdorff 20. 3. Männing 20. 3. Dr. Mitzscherling 20. 3. Dr. Müller * 20. 3. Müller (Wadern) * 20. 3. Picard 20. 3. Reddemann ** 19. 3. Frau Roitzsch 20. 3. Frau Schlei 20. 3. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim * 20. 3. Voigt (Frankfurt) 20. 3. Dr. Wendig 20. 3. Dr. Wieczorek 20. 3. Frau Will-Feld 20. 3. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union
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    Rede von Dr. Alfred Emmerlich


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Nun, wir haben auf seine Abschaffung gedrängt, und wir haben es ja auch in dem Moment, in dem das möglich war, im rechtsstaatlichen Sinne geändert.

    (Dr. Kohl [CDU/CSU]: Aber doch nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen! Was Sie hier sagen, stimmt doch gar nicht! Sie haben es aus Gründen des Opportunismus geändert, doch nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen!)

    — Herr Kollege Kohl, dieser Einwand, den Sie hier bringen, indem Sie jemandem, der darum bemüht ist, seine Motive deutlich zu machen, den Vorwurf des Opportunismus entgegenhalten,

    (Dr. Kohl [CDU/CSU]: Ja!)

    diese Art der politischen Diskussion straft Ihre Behauptung, die Sie nach draußen verkünden, Sie wollten Gemeinsamkeit, Lügen, und das erschwert es, daß wir zusammenarbeiten können.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Dr. Kohl [CDU/CSU]: Das war doch keine Antwort! — Weitere Zurufe von der CDU/ CSU)

    Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Herr Kollege Erhard hat ausgeführt, im deutschen Volk seien die Achtung vor dem anderen, die Achtung vor dem Recht und die Achtung vor dem Eigentum geschwunden. Ich weise diese durch nichts gerechtfertigte Unterstellung, diese durch nichts gerechtfertigte Beleidigung des deutschen Volkes auf das entschiedenste zurück!

    (Zustimmung bei der SPD)

    Herr Kollege Erhard, Sie haben auch — und dies liegt auf der Ebene des Zwischenrufs, den Herr Kohl eben gemacht hat — den Pazifismus — wenn ich das richtig verstanden habe; wenn ich es falsch verstanden habe, bitte ich Sie, mich sofort zu korrigieren — als Beweis für das Zerbröseln des Pflichtbewußtseins hingestellt. Ich sage Ihnen: Wenn Sie eine solche Haltung, die des Pazifismus, die in vielen Fällen überaus wertbezogene Grundlagen hat, die wertbezogen ist, in einer solchen Weise, die ihr die Wertbezogenheit völlig aberkennt, die ihr sogar attestiert, daß sie Werte zerstört, werten, dann ist es Ihnen eben unmöglich, in ein Gespräch mit Minderheiten



    Dr. Emmerlich
    in unserem Volke zu gelangen. Dann leisten Sie einen Beitrag dazu, daß Minderheiten an den Rand der Gesellschaft und letztlich aus unserer Gesellschaft gedrängt werden.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Kohl [CDU/ CSU]: Ein Schauergemälde ist das! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Ich unterstelle Ihnen diese Absicht nicht, aber Sie sollten sich dieser Konsequenzen bewußt sein.
    Das gleiche trifft für die Ausführungen zu, mit denen Sie Toleranz in die Nähe des Nihilismus gerückt haben. Sie sollten Ihren Lessing eigentlich besser gelesen und verstanden haben.

    (Erhard [Bad Schwalbach] [CDU/CSU]: Da haben Sie etwas anderes daraus gemacht!)

    Meine sehr geehrten Damen und Herren, lassen Sie mich nunmehr zu aktuellen rechtspolitischen Fragen einige abschließende Bemerkungen machen.
    Das Demonstrationsrecht hat für die Demokratie konstitutive Bedeutung. Demonstrationen sind nicht etwas, was wir widerwillig dulden oder erdulden müssen. Ohne Demonstrationsfreiheit gibt es keine Demokratie. Die Demonstrationsfreiheit hat den gleichen Rang wie die Meinungsfreiheit und die Pressefreiheit.

    (Vogel [Ennepetal] [CDU/CSU]: Was ist daran denn aktuell?!)

    Sie gibt denen, die nicht über Massenmedien verfügen oder keinen Zugang zu den Massenmedien haben, die Möglichkeit, ihre Auffassung einer breiteren Öffentlichkeit bekanntzumachen. Wer in Demonstrationen — und jetzt komme ich zu dem, was daran aktuell ist, verehrter Herr Kollege Vogel — die Mobilisierung der Straße erblickt und meint, durch Demonstrationen unter den Druck der Straße zu geraten, der zeigt, daß er das Wesen der Demokratie nicht begriffen hat.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Lachen bei der CDU/CSU — Dr. Kohl [CDU/CSU]: Das ist kümmerlich! Sie sollten etwas mehr investieren als solche Sprüche!)

    Bemerkenswert an den jüngsten Demonstrationen ist für mich, wie viele und vor allem junge Menschen daran teilnehmen und mit welchem Engagement sie für ihre Überzeugung eintreten. Das verdient Achtung und Respekt selbst dann, wenn man ihre Meinung nicht teilt, selbst dann, wenn Ordnungsverstöße von einzelnen Gruppen begangen werden.


Rede von Richard Wurbs
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Verzeihen Sie, Herr Abgeordneter, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Klein?

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Alfred Emmerlich


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Jetzt nicht mehr. Ich komme sonst mit meiner Zeit nicht aus. Ich bitte vielmals urn Entschuldigung. Sie haben ja gleich als einer der folgenden Redner Gelegenheit, Ihre Auffassung darzulegen.
    Ähnliches wie für Demonstrationen — nicht das gleiche — gilt für Hausbesetzer. So vielfältig ihre persönlichen Motive und ihre Lebensumstände auch sein mögen, in ihrer großen Mehrheit wollen sie gegen das protestieren, was sie als unerträglich in unserem Lande und als unerträglich an der Politik der von ihnen so genannten etablierten Parteien empfinden.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    — Keineswegs. — Gewiß gibt es bei ihnen vielfach zu hohe Erwartungen an den Staat und die Politik, nicht selten begleitet von zu hohen persönlichen Ansprüchen.
    Es gibt aber auch unübersehbare Mißstände: leerstehende Wohnungen und leerstehende Häuser auf der einen Seite und viele Menschen auf der anderen Seite, die keine Wohnung finden, die sie bezahlen können oder die ihren Bedürfnissen entspricht. Richtig ist, daß nicht wenige junge Mitbürger glauben, daß sie sich bei der Vertretung der Forderungen, die sie als existentiell ansehen, über Ordnungsvorschriften hinwegsetzen dürfen. Hausbesetzer halten sogar Hausfriedensbruch für gerechtfertigt, jedenfalls für entschuldbar.
    Richtig ist ferner, daß einige meinen, ein Widerstandsrecht in Anspruch nehmen zu können, z. B. gegen den Bau von Kernkraftwerken, gegen die Räumung von besetzten Wohnungen, gegen Ermittlungs- und Ordnungsmaßnahmen der Polizei. Einige wenige glauben, dabei Gewalt anwenden zu dürfen, Gewalt gegen Sachen und auch Gewalt gegen Polizeibeamte.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Es mischen sich auch solche Personen und Gruppen unter die Demonstranten und die Hausbesetzer, die nichts anderes wollen als „Randale machen", und solche, die nichts anderes im Sinne haben als den gewaltsamen Aufstand.
    Falsch wäre es, wenn sich unsere Aufmerksamkeit nur den Gewalttätigkeiten und den Ordnungsverstößen — ich bitte, auf dieses Wort zu achten — zuwenden würde, wenn wir glauben, darin bestehe das eigentliche Problem.
    Notwendig ist vielmehr, den Blick auf die Anliegen der Protestierenden zu richten, sich in ihre Gedankenwelt, in ihre Sicht der Dinge und in ihre Bewußtseinslage hineinzuversetzen, ernsthaft den Versuch zu unternehmen, sie zu verstehen und sie zu begreifen. Erforderlich ist es, den jungen Menschen das Gefühl zu geben, daß sie dazugehören, daß sie mitreden und mitentscheiden können, daß sie eine Chance haben und daß der Staat und die Gesellschaft bereit und in der Lage sind, das zu tun, was zur Bewältigung ihrer Probleme erforderlich ist.
    Völlig falsch wäre es, gegen Ordnungsverstöße junger Leute ohne Rücksicht auf Verluste mit der geballten Staatsmacht vorzugehen; zumal das bei Ordnungsverstößen anderer Art, z. B. bei Verstößen gegen das Zweckentfremdungsverbot für Wohnraum, bei Verstößen gegen Jugendarbeitsschutzvorschriften, gegen Schutzvorschriften gewerberechtlicher Natur und gegen steuerrechtliche Bestimmun-



    Dr. Emmerlich
    gen j a auch nicht geschieht. Notwendig ist vielmehr, daß bei staatlichen Reaktionen auf Ordnungsverstöße bei Demonstrationen und Hausbesetzungen der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und das Gebot der Güterabwägung strikt beachtet werden, daß nicht mit Kanonen auf Spatzen geschossen wird.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Verheerend ist es, meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn der Staat nach dem Motto handelt „Wo gehobelt wird, fallen Späne" und den Boden der Rechtsordnung verlassend berserkerhaft Exempel statuiert. Verheerend ist es vor allem, wenn das Verhalten bayerischer Staatsorgane in Nürnberg Schule macht.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    In Nürnberg ist zweifellos schlimmes Unrecht geschehen.

    (Beifall bei der SPD)

    141 Menschen, darunter 21 Jugendliche und 54 18- bis 21jährige sind auf Grund pauschal unterstellter Verdachts- und Haftgründe verhaftet worden. Eine Einzelfallprüfung hat selbst dann nicht stattgefunden, wenn von den Betroffenen Entlastungsbeweise angeboten wurden.
    Die Massenverhaftung von Nürnberg ist ein in der Geschichte der Bundesrepublik einmaliger Vorgang.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Ich erwarte, daß der anwesende bayerische Justizminister vor dem Deutschen Bundestag und dem deutschen Volk an dieser Stelle und hier und heute deutlich macht, wie er seiner Verantwortung gerecht werden will.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Kohl [CDU/ CSU]: Werden Sie doch einmal Ihrer Verantwortung gerecht! Unter Ihrer Regierung ist doch dieser Zustand in der Bundesrepublik eingerissen! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    — Herr Kohl, ich weiß ja, daß es wehtut,

    (Dr. Kohl [CDU/CSU]: Es tut gar nichts weh!)

    aber das liegt nicht an mir, sondern an dem, was dort passiert ist.

    (Dr. Kohl [CDU/CSU]: In diesen elf Jahren ist doch der Staat bei Ihnen heruntergekommen!)

    Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Anlaß für diesen einmaligen Vorgang war ein Sachschaden in Höhe von 20 000 bis 30 000 DM. Eine große Zahl der Verhafteten, wahrscheinlich die Mehrzahl, war unschuldig.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Mehr als die Hälfte der Verhafteten war unter 21 Jahren alt. Eltern blieben teilweise tagelang ohne Nachricht über den Verbleib ihrer Kinder.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Für diesen unglaublichen Vorgang tragen, lieber Herr Kohl, nicht nur die unmittelbar beteiligten Staatsorgane die Verantwortung,

    (Dr. Kohl [CDU/CSU]: Ja, ja!)

    sondern auch diejenigen, die im Zusammenhang mit Demonstrationen und Hausbesetzungen von einer Krise des Rechtsstaats und davon geredet haben, daß ein neuer Terrorismus entstehe. Sie haben die Hysterie geschürt.

    (Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/ CSU)

    Sie heizen die Stimmung an, und andere, siehe Nürnberg, lassen sich davon hinreißen.

    (Dr. Kohl [CDU/CSU]: Der Ermordete ist schuld!)

    Ein Innenminister, der im Zusammenhang mit Demonstrationen und Hausbesetzungen den polizeilichen Schußwaffengebrauch erörtert, darf sich nicht wundern, wenn irgendwann einmal tatsächlich von der Schußwaffe Gebrauch gemacht wird.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Das ist ja unglaublich!)

    Ein Staat, der rechtsstaatliche Grundsätze mißachtet, um den starken Mann zu spielen, höhlt das Rechtsbewußtsein aus

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    und gefährdet den Rechtsstaat mehr als die, die in Nürnberg die Schaufenster eingeschlagen haben. Wer nach den Maximen von Nürnberg handelt, integriert die protestierende Jugend nicht, sondern vergrößert ihre Distanz zu unserem Staat und zu unserer gesellschaftlichen Ordnung.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Die Ereignisse von Nürnberg sind ein schlimmer Exzeß.

    (Dr. Bötsch [CDU/CSU]: Ihre Rede ist ein Exzeß!)

    Dieser Exzeß macht deutlich, wie verfehlt die Rezepte sind, mit denen die CSU und in ihrem Gefolge leider auch große Teile der CDU der Protestbewegung unserer Tage begegnen wollen. Die Forderung nach Wiedereinführung des obrigkeitsstaatlichen Demonstrationsrechts beruht auf den gleichen vordemokratischen und letztlich hilflosen Denkansätzen, die den Exzeß von Nürnberg ausgelöst haben.
    Ich möchte mir wünschen, daß sich der bayerische Justizminister bei den Behörden in Schleswig-Holstein und beim Regierenden Bürgermeister von Berlin

    (Lachen bei der CDU/CSU)

    Rat darüber holt, wie man mit Augenmaß und unter Berücksichtigung der Grundsätze der Güterabwägung und der Verhältnismäßigkeit Frieden in unserem Lande bewahren kann.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)