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    Plenarprotokoll 9/26 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 26. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 19. März 1981 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 1151 A Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP Bericht der Enquete-Kommission Frau und Gesellschaft — Drucksache 9/124 — Frau Dr. Wex CDU/CSU 1151 B Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 1154 B Eimer (Fürth) FDP 1157 A Gerster (Mainz) CDU/CSU 1159 C Frau Huber, Bundesminister BMJFG . . 1161 C Frau Verhülsdonk CDU/CSU 1165 A Frau Fromm FDP 1167 D Frau Steinhauer SPD 1169 C Schmidt, Bundeskanzler 1171 C Frau Krone-Appuhn CDU/CSU 1174 B Frau Matthäus-Maier FDP 1176 C Frau Dr. Däubler-Gmelin SPD 1179 B Frau Karwatzki CDU/CSU 1181 A Dr. Diederich (Berlin) SPD 1183 C Frau Dr. Wilms CDU/CSU 1185 B von Schoeler, Parl. Staatssekretär BMI . 1187 D Frau Dr. Timm SPD 1188 C Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung in Verbindung mit Beratung des Antrags der Abgeordneten Erhard (Bad Schwalbach), Dr. Klein (Göttingen), Dr. Wittmann, Dr. Stark (Nürtingen), Dr. Dregger und der Fraktion der CDU/CSU Auswirkungen rechtspolitischer Entscheidungen oder Unterlassungen — Drucksache 9/183 — Dr. Schmude, Bundesminister BMJ . . . .1207 B Erhard (Bad Schwalbach) CDU/CSU . . .1215 B Dr. Emmerlich SPD 1221 B Kleinert FDP 1226 A Dr. Hillermeier, Staatsminister des Freistaates Bayern 1230 A Dr. Herzog, Minister des Landes BadenWürttemberg 1237 A Dr. Vogel, Regierender Bürgermeister des Landes Berlin 1240 D Dr. von Weizsäcker CDU/CSU 1246 D Schmidt, Bundeskanzler 1250 C Dr. Kohl CDU/CSU 1256 C Engelhard FDP 1262 A II Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. März 1981 Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Rechtsausschusses zu der dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsache vor dem Bundesverfassungsgericht — Drucksache 9/210 — 1264 D Beratung der Übersicht 1 des Rechtsausschusses über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht — Drucksache 9/162 — 1265 A Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Schulte (Schwäbisch Gmünd), Dr. Dollinger, Pfeffermann, Bühler (Bruchsal), Neuhaus, Linsmeier, Lintner, Maaß, Weirich, Dr. Riedl (München), Dr. Köhler (Wolfsburg), Dr. Wörner, Sauter (Epfendorf), Dr. Jenninger, Wissmann und der Fraktion der CDU/CSU Bessere Bedingungen für den CB-Funk — Drucksache 9/128 — Dr. Linde SPD 1265 B Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung der Wirtschaftspläne des ERP-Sondervermögens für das Jahr 1981 (ERP-Wirtschaftsplangesetz 1981) — Drucksache 9/228 — 1265 C Fragestunde — Drucksache 9/226 vom 13. 03. 1981 — Benachteiligung der Versicherten in Großstädten durch die geplante neue Regionalstruktur der Kraftfahrzeughaftpflichtprämien MdlAnfr 68, 69 13.03.81 Drs 09/226 Fischer (Hamburg) CDU/CSU Antw PStSekr Grüner BMWi . . . . 1191 A, C, D, 1192 A, B ZusFr Fischer (Hamburg) CDU/CSU . 1191 B, C, 1192 A Wettbewerbsnachteile der deutschen Stahlindustrie durch den EG-Ministerratsbeschluß MdlAnfr 70 13.03.81 Drs 09/226 Menzel SPD Antw PStSekr Grüner BMWi 1192 B, D, 1193 A, B, C, D, 1194 A ZusFr Menzel SPD 1192 D ZusFr Hoffmann (Saarbrücken) SPD . . 1193 A ZusFr von der Wiesche SPD 1193 B ZusFr Dr. Lammert CDU/CSU 1193 B ZusFr Meininghaus SPD 1193 C ZusFr Urbaniak SPD 1193 D Einführung einer Grenzabgabe für einreisende Autobusse und Erhöhung der Abfertigungsgebühren für Lastzüge in Dänemark MdlAnfr 72, 73 13.03.81 Drs 09/226 Stutzer CDU/CSU Antw PStSekr Grüner BMWi . . . 1194 A, B, C, D, 1195 A ZusFr Stutzer CDU/CSU . . . . 1194 C, D, 1195 A Vorfinanzierung der Kraftwerke in Cattenom durch Stromabnahmeverträge deutscher Energieversorgungsunternehmen mit der Electricité de France MdlAnfr 74 13.03.81 Drs 09/226 Schreiner SPD Antw PStSekr Grüner BMWi . . . 1195 A, B, C, D ZusFr Schreiner SPD 1195 B, C ZusFr Hoffmann (Saarbrücken) SPD . .1195 C ZusFr Engelsberger CDU/CSU 1195 D Rückgang der Zahl der Genehmigungen zur Ausreise aus Polen und der Sowjetunion seit 1978 MdlAnfr 39, 40 13.03.81 Drs 09/226 Dr. Bötsch CDU/CSU Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 1196 B, D, 1197 A, B, C ZusFr Dr. Bötsch CDU/CSU 1196 C, D ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU 1197 A ZusFr Jäger (Wangen) CDU/CSU 1197 B Pflege deutscher Kriegsgräber in der Sowjetunion MdlAnfr 44 13.03.81 Drs 09/226 Jäger (Wangen) CDU/CSU Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 1197 C, 1198 A, B, C ZusFr Jäger (Wangen) CDU/CSU . . . . 1197 D, 1198 A ZusFr Dr. Bötsch CDU/CSU 1198 B ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU 1198 B ZusFr Graf Huyn CDU/CSU 1198 C Festnahme von vier deutschen Staatsbürgern nach einem Gewerkschaftstreffen in Santiago de Chile MdlAnfr 45 13.03.81 Drs 09/226 Weisskirchen (Wiesloch) SPD Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 1198 D, 1199 A ZusFr Weisskirchen (Wiesloch) SPD . . 1198 D ZusFr Hansen SPD 1199 A Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. März 1981 III Verzicht auf die Stationierung neuer Mittelstreckenraketen in Europa MdlAnfr 46 13.03.81 Drs 09/226 Thüsing SPD Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 1199 A, D ZusFr Hansen SPD 1199 D Störung der Entspannungspolitik durch Sendungen von Radio Free Europe und Radio Liberty MdlAnfr 47, 48 13.03.81 Drs 09/226 Hansen SPD Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 1200 A, B, D, 1201A,C,D, 1202A,B ZusFr Hansen SPD 1200 B, C, D ZusFr Graf Huyn CDU/CSU 1201 A, B ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU 1201 B, C ZusFr Graf Stauffenberg CDU/CSU . 1201 C, D ZusFr Jäger (Wangen) CDU/CSU 1201 D ZusFr Thüsing SPD 1202 A ZusFr Dr. Schöfberger SPD 1202 B Reaktion der Bundesregierung auf die Festnahme des Bayreuther Universitätsprofessors Konrad Löw sowie Folgerungen für den Akademikeraustausch und das Kulturabkommen mit der CSSR MdlAnfr 49 13.03.81 Drs 09/226 Engelsberger CDU/CSU Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 1202 C, D, 1203 A, B ZusFr Engelsberger CDU/CSU 1202 D ZusFr Graf Huyn CDU/CSU 1203 A ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU 1203 A Protest gegen die Inhaftierung des Bayreuther Universitätsprofessors Konrad Löw bei der tschechoslowakischen Regierung MdlAnfr 50 13.03.81 Drs 09/226 Dr. Hupka CDU/CSU Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 1203 B, C ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU 1203 B, C ZusFr Graf Stauffenberg CDU/CSU . . .1203 C Überreichung von Listen mit Härtefällen der Familienzusammenführung und Ausreise an osteuropäische Delegationen während des KSZE-Nachfolgetreffens in Madrid MdlAnfr 51 13.03.81 Drs 09/226 Dr. Hupka CDU/CSU Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 1203 D, 1204 A ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU . . . 1203 D, 1204 A Vereinbarkeit der Anwesenheit des Wachbataillons „Feliks Dzierzynski" in Ost-Berlin mit dem entmilitarisierten Status GroßBerlins MdlAnfr 52 13.03.81 Drs 09/226 Graf Stauffenberg CDU/CSU Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 1204 A, B, C ZusFr Graf Stauffenberg CDU/CSU . . . 1204 B ZusFr Thüsing SPD 1204 C Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen des fünf Jahre in Warschau inhaftierten Deutschen Achim Rösch gegenüber der polnischen Regierung MdlAnfr 53 13.03.81 Drs 09/226 Graf Stauffenberg CDU/CSU Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 1204 C, 1205 A ZusFr Graf Stauffenberg CDU/CSU . . . .1205 A Benachteiligung von Bundeswehroffizieren aus der Truppe gegenüber Bundeswehrhochschulabsolventen durch das geänderte Punktesystem für die Einstellung von Berufsoffizieren MdlAnfr 75, 76 13.03.81 Drs 09/226 Daweke CDU/CSU Antw StSekr Dr. Hiehle BMVg . 1205 B, 1206 C, D, 1207 A ZusFr Daweke CDU/CSU 1206 B, C, D Nächste Sitzung 1265 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 1266* Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. März 1981 1151 26. Sitzung Bonn, den 19. März 1981 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Böhme (Freiburg) 20. 3. Büchner (Speyer) * 20. 3. Dr. Enders * 20. 3. Fellner 20. 3. Dr. Geißler 20. 3. von der Heydt Freiherr von Massenbach 20. 3. Dr. Hubrig 20. 3. Jung (Kandel) 20. 3. Kiehm 20. 3. Kittelmann * 20. 3. Korber 20. 3. Dr. Graf Lambsdorff 20. 3. Männing 20. 3. Dr. Mitzscherling 20. 3. Dr. Müller * 20. 3. Müller (Wadern) * 20. 3. Picard 20. 3. Reddemann ** 19. 3. Frau Roitzsch 20. 3. Frau Schlei 20. 3. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim * 20. 3. Voigt (Frankfurt) 20. 3. Dr. Wendig 20. 3. Dr. Wieczorek 20. 3. Frau Will-Feld 20. 3. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Alfred Emmerlich


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Regierungserklärung des neuen Bundesministers der Justiz zeigt, daß er in der Kontinuität der von Gustav Heinemann begonnenen Reform der Rechtsordnung steht und daß er sie wie Horst Ehmke, Gerhard Jahn und Hans Jochen Vogel fortführen und ihr zu weiteren Erfolgen verhelfen wird.

    (Zuruf von der CDU/CSU: „Von Erfolg zu Erfolg"!)

    Die Rechtspolitik der sozialliberalen Koalition, Herr Kollege Erhard, hat tatsächlich wichtige Verbesserungen unserer Rechtsordnung bewirkt. Mit ihrer Rechtspolitik hat die Koalition bewiesen, daß ihr Reformwille und ihre Reformfähigkeit fortbestehen. Die heutige Regierungserklärung zeigt, wie die Politik der Reform unseres Rechts auch unter den veränderten Rahmenbedingungen der 9. Legislaturperiode weitergeführt werden kann.
    Die sozialdemokratische Bundestagsfraktion ist davon überzeugt, daß die Rechtspolitik entsprechend dem Auftrag unseres Grundgesetzes einen unverzichtbaren Beitrag leisten kann und leisten muß, damit die Freiheit der Bürger und ihre Sicherheit bewahrt und mehr Gerechtigkeit in unserer Gesellschaft erreicht werden. Das Recht hat vor allem die Aufgabe, den Schwächeren gegen den Stärkeren zu schützen.
    Wir Sozialdemokraten wissen, daß die Rechtspolitik in den zentralen Fragen auf einen breiten Grundkonsens angewiesen ist. Wir haben diesen Grundkonsens stets angestrebt und werden das weiterhin tun. Wir halten Kompromißbereitschaft und Kompromißfähigkeit für demokratische Tugenden. Das, lieber Herr Erhard, bedeutet aber nicht, daß wir der Opposition ein Vetorecht einräumen. Es bedeutet ferner nicht, daß wir uns von tagespolitischer Opportunität leiten lassen.

    (Beifall bei der SPD)

    Sozialdemokraten wissen auch, daß neue Gesetze diejenigen, die sie anwenden müssen, vor zusätzliche Aufgaben stellen. Der Gesetzgeber darf die Bürger, aber auch die Rechtsanwälte, die Verwaltung und die Gerichte mit neuen gesetzlichen Vorschriften nicht überfordern. Infolge des von der jetzigen Opposition verursachten Reformstaus haben wir die Rechtsanwender in den vergangenen Jahren erheblich fordern müssen.

    (Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Sehr richtig!)

    Nachdem der drängendste Reformstau abgebaut worden ist, kann das Tempo der Erneuerung auf das Maß herabgesetzt werden, das ohne Schwierigkeiten verkraftet werden kann.

    (Dr. Schäuble [CDU/CSU]: Die Kasse ist leer! Da könnt ihr nicht mehr!)

    Herr Kollege Erhard, Sie haben in der Begründung zu dem Antrag Ihrer Fraktion auf Drucksache 9/183 schriftlich ausgeführt, die Bedeutung von Recht und Gesetz sei im Verhältnis von Staat, Gesellschaft und Bürger zunehmend unsicher geworden. Es ist — das werden Sie mir zugeben — nicht ganz einfach zu erkennen, was mit dieser verschwommenen Formulierung zum Ausdruck gebracht werden soll. Zur Erläuterung führen Sie Altbekanntes aus dem konservativen Lager an: die Gesetzesflut, die zu geringe Beständigkeit und Berechenbarkeit des Rechts. Ihre heutigen Ausführungen haben sich zu einem großen Teil auf dieser Linie bewegt.
    Lassen Sie mich dazu folgendes sagen. Zugegeben, die Beständigkeit des Rechts ist ein wichtiger Wert. Wir sind aber gleichwohl der Auffassung, daß die Anpassung des Rechts an Veränderungen der gesellschaftlichen Verhältnisse und des Rechtsbewußtseins unerläßlich ist.

    (Erhard [Bad Schwalbach] [CDU/CSU]: Einverstanden!)

    Wir sind ferner der Auffassung, Herr Kollege Erhard, daß die Politik auch nicht auf eine Veränderung der gesellschaftlichen Verhältnisse und des Bewußtseins durch Rechtsreformen verzichten kann. Politik, Herr Kollege Erhard, bedeutet nicht bloß Nachvollzug von sich innerhalb der Gesellschaft vollziehenden Veränderungen, sondern Politik bedeutet auch bewußte Gestaltung gesellschaftlicher Prozesse.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Langer [CDU/ CSU]: Da muß man aber sehr behutsam sein!)

    Die einseitige, konservative Überbetonung der Beständigkeit der Rechtsordnung ist, meine sehr ge-



    Dr. Emmerlich
    ehrten Damen und Herren, keineswegs ein Beweis für besondere Rechtstreue, sondern vielmehr der Versuch der ideologischen Überhöhung konservativen Politikverständnisses und nicht selten auch der damit einhergehende Versuch, der Reformpolitik die Legitimation zu entziehen.
    Berechenbarkeit rechtlicher Entscheidungen, wer wünschte sich das nicht! Aber bisher hat es noch kein Gesetz gegeben — und das wird auch in Zukunft nicht anders werden, Herr Kollege Erhard —, bei dem keine Interpretationsprobleme und keine Interpretationsspielräume bestanden. Die Gerechtigkeit, das ist die Resultante aus möglichst guten Gesetzen und ihrer möglichst vernünftigen Anwendung im Einzelfall.
    Einer meiner Lehrer, Professor Schumann, hat uns Studenten immer wieder darauf hingewiesen, daß ein guter Richter mit einem schlechten Gesetz noch vieles bewirken könne und ein schlechter Richter auch mit einem guten Gesetz kaum etwas Vernünftiges zustande bringe.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Zurufe von der CDU/CSU)

    — Ich habe ja nur zitiert, Herr Kohl.

    (Dr. Kohl [CDU/CSU]: Ich weiß aber nicht, ob das eine gute Lehre war, die Ihnen Ihr Lehrer da gegeben hat! — Dr. Schäuble [CDU/CSU]: Aber das ist doch keine Begründung dafür, schlechte Gesetze zu machen!)

    — Ich bin in der Praxis immer wieder von der Richtigkeit dieser Einsicht überzeugt worden. Lassen Sie uns, meine sehr geehrten Damen und Herren, statt perfekte Gesetze im Sinne juristischer Scholastik und der überholten Begriffsjurisprudenz anzustreben, solche Gesetze machen, die der Rechtsanwendung die Entscheidungskriterien in die Hand geben, die es möglich machen, im Einzelfall ein Höchstmaß an Gerechtigkeit zu verwirklichen!
    Nach der Regierungserklärung sollen Gesetzeslücken, die bei der Verfolgung neonazistischer Aktivitäten zutage getreten sind, geschlossen werden. Ich weiß, daß in diesem Zusammenhang Mißverständnisse entstanden sind. Erlauben Sie mir deshalb einige Bemerkungen dazu.
    Der gesamte Deutsche Bundestag — ich sage das bewußt, weil ich davon überzeugt bin — ist darüber besorgt, daß sich an vielen Stellen in der Bundesrepublik neonazistische Grüppchen zusammenrotten und daß immer unverhohlener und dreister versucht wird, insbesondere jüngeren Mitbürgern den Nazismus schmackhaft zu machen. In der neonazistischen Szene besteht darüber hinaus eine zunehmende Bereitschaft zur Gewalttätigkeit. Alarmierend sind die terroristischen Aktivitäten bestimmter neonazistischer Cliquen. Eine vorrangige Aufgabe der deutschen Politik ist es, diesen Anfängen entschieden und mit allen zu Gebote stehenden Mitteln entgegenzutreten. Wir dürfen nicht die Augen davor verschließen, daß der Neonazismus, z. B. bei einer tiefgreifenden Veränderung der ökonomischen Rahmenbedingungen, zu einer Gefahr für Freiheit, Demokratie und Rechtsstaat werden könnte.

    (Beifall bei der SPD)

    Entscheidend bei der Bekämpfung des Neonazismus ist die Aufklärung, vor allem der Jugend, über den Nazismus. Was den Nazismus vor allem anderen kennzeichnet, ist, daß er als Maßstab für politisches Handeln nicht ethische Kategorien anerkennt, sondern als eigentliches Ziel der Politik die Erringung und Erhaltung der Macht für die eigene Gruppe programmiert. An die Stelle politischer Moral tritt „das Recht des Stärkeren". Gemeiner Sozialdarwinismus ersetzt die Wertbezogenheit der Politik und die Achtung vor der Würde des Menschen.
    Dieser nazistische Politik-Ansatz zerstört die Grundlagen für ein friedliches Zusammenleben der Menschen. Der Nazismus ist daher vom Grunde menschenfeindlich und verbrecherisch.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Insofern unterscheidet er sich von allen anderen extremistischen politischen Strömungen. Wenn es gelingt, diesen verbrecherischen Charakter des Nazismus deutlich zu machen, dann wird der Neonazismus kaum Anziehungskraft entfalten können. Das ist im übrigen der Grund dafür, daß sich die neonazistische Propaganda so sehr darum bemüht, die Verbrechen des Nazismus zu leugnen, zu verharmlosen oder sie als für den Nazismus nicht typische Kriegsverbrechen hinzustellen. Es ist meine Überzeugung, daß wir diese neonazistische Propaganda in unserem Land angesichts unserer historischen Erfahrung und dessen, was von unserm Land ausgegangen ist, nicht dulden dürfen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Ich bitte alle Kolleginnen und Kollegen, diese Erwägungen zu prüfen. Die Bekämpfung des Neonazismus ist nach meinem Verständnis eine Aufgabe, der sich alle demokratischen Parteien gemeinsam widmen müssen.
    Meine sehr geehrten Damen und Herren, Herr Kollege Erhard hat gesagt, die Veränderung des Demonstrationsstrafrechts habe die Gewalttätigkeiten bei Demonstrationen bewirkt. Lassen Sie mich dazu Bundesanwalt Völz zitieren. Er hat in der 8. Sitzung des Rechtsausschusses am 18. Februar dieses Jahres u. a. folgendes — das auch zu Ihrer Geschichtsklitterung, Herr Erhard — ausgeführt:
    In den 60er Jahren habe es dasselbe Problem gegeben, wenn auch mit anderer Zielsetzung ... Auch damals hätten Tausende ... gewalttätig demonstriert; sie hätten Schaufensterscheiben eingeworfen, geplündert, Baufahrzeuge in Brand gesetzt usw.

    (Erhard [Bad Schwalbach] [CDU/CSU]: Und sind verhaftet worden!)

    Der Bundesanwalt fährt dann fort:



    Dr. Emmerlich
    ... aber mit Änderungen des materiellen und prozessualen Strafrechts könne man dieses Problem nicht in den Griff bekommen.

    (Gnädinger [SPD]: Genauso war es! — Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Recht hat er in der Sache!)

    Herr Kollege Erhard, was wollen Sie an Änderungen des geltenden Demonstrationsstrafrechts? Sie wollen, daß auch friedliche Demonstranten — auch friedliche Demonstranten! — unter dem Eintritt bestimmter Bedingungen mit Strafe bedroht werden; und zwar liegen diese Bedingungen ausschließlich in dem Verhalten anderer Personen,

    (Frau Dr. Däubler-Gmelin [SPD]: Sehr richtig!)

    nämlich derjenigen, die sich in gewalttätiger Absicht unter die Demonstration mischen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Damit die nicht gedeckt werden!)

    Nach dem Grundgesetz kann zwar das Demonstrationsstrafrecht gesetzlich im einzelnen geregelt werden, aber eine derartige gesetzliche Regelung darf das Demonstrationsrecht in seinem Kern, in seinem Wesensgehalt nicht antasten. Eine solche Regelung, die das Demonstrationsrecht eines Bürgers davon abhängig macht, wie ein anderer Bürger sich verhält, tastet jedoch das Demonstrationsrecht in seinem Kern, in seinem Wesensgehalt an.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Dr. Schäuble [CDU/CSU]: Absurd! — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Eine kühne Behauptung!)

    Im übrigen sagen Sie, es gebe wenn man der Gewalttäter habhaft werden wolle, Beweisschwierigkeiten. Dies trifft zu.

    (Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: Sophistisch!)

    Nur können Sie, wenn wir derartige Beweisschwierigkeiten haben, diesen doch nicht dadurch begegnen, daß wir friedliche Demonstranten — die man leichter packen kann, weil sie friedlich sind und stehenbleiben — unter Strafe stellen. Dies halte ich für rechtsstaatswidrig.
    Für gefährlich halte ich — wenn ich das noch hinzufügen darf — darüber hinaus folgendes. Wenn Sie die Polizei unter dem Druck des Legalitätsprinzips zwingen, gegen friedliche Demonstranten vorzugehen, verhindern Sie, daß die Polizei ihre eigentliche Aufgabe wahrnehmen kann, sich auf ihre eigentliche Aufgabe konzentrieren kann, nämlich der Gewalttätigen habhaft zu werden, derjenigen, die das Demonstrationsrecht zur Gewalttätigkeit mißbrauchen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)



Rede von Richard Wurbs
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Verzeihen Sie, Herr Abgeordneter. Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Herrn Abgeordneten Pinger?

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Alfred Emmerlich


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Wenn ich dies noch sagen darf: Insofern ist Ihr Vorschlag nicht nur unter rechtsstaatlichen Gesichtspunkten in hohem Maße bedenklich, sondern auch völlig ineffektiv. Er hat keine positiven, sondern ausschließlich negative Wirkungen.

    (Gnädinger [SPD]: Ausschließlich! — Dr. Langner [CDU/CSU]: Deswegen fordern das alle Polizeipräsidenten so!)