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ID0902600200

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    4. Frau: 1
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    6. Schmidt: 1
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    Plenarprotokoll 9/26 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 26. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 19. März 1981 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 1151 A Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP Bericht der Enquete-Kommission Frau und Gesellschaft — Drucksache 9/124 — Frau Dr. Wex CDU/CSU 1151 B Frau Schmidt (Nürnberg) SPD 1154 B Eimer (Fürth) FDP 1157 A Gerster (Mainz) CDU/CSU 1159 C Frau Huber, Bundesminister BMJFG . . 1161 C Frau Verhülsdonk CDU/CSU 1165 A Frau Fromm FDP 1167 D Frau Steinhauer SPD 1169 C Schmidt, Bundeskanzler 1171 C Frau Krone-Appuhn CDU/CSU 1174 B Frau Matthäus-Maier FDP 1176 C Frau Dr. Däubler-Gmelin SPD 1179 B Frau Karwatzki CDU/CSU 1181 A Dr. Diederich (Berlin) SPD 1183 C Frau Dr. Wilms CDU/CSU 1185 B von Schoeler, Parl. Staatssekretär BMI . 1187 D Frau Dr. Timm SPD 1188 C Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung in Verbindung mit Beratung des Antrags der Abgeordneten Erhard (Bad Schwalbach), Dr. Klein (Göttingen), Dr. Wittmann, Dr. Stark (Nürtingen), Dr. Dregger und der Fraktion der CDU/CSU Auswirkungen rechtspolitischer Entscheidungen oder Unterlassungen — Drucksache 9/183 — Dr. Schmude, Bundesminister BMJ . . . .1207 B Erhard (Bad Schwalbach) CDU/CSU . . .1215 B Dr. Emmerlich SPD 1221 B Kleinert FDP 1226 A Dr. Hillermeier, Staatsminister des Freistaates Bayern 1230 A Dr. Herzog, Minister des Landes BadenWürttemberg 1237 A Dr. Vogel, Regierender Bürgermeister des Landes Berlin 1240 D Dr. von Weizsäcker CDU/CSU 1246 D Schmidt, Bundeskanzler 1250 C Dr. Kohl CDU/CSU 1256 C Engelhard FDP 1262 A II Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. März 1981 Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Rechtsausschusses zu der dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsache vor dem Bundesverfassungsgericht — Drucksache 9/210 — 1264 D Beratung der Übersicht 1 des Rechtsausschusses über die dem Deutschen Bundestag zugeleiteten Streitsachen vor dem Bundesverfassungsgericht — Drucksache 9/162 — 1265 A Beratung des Antrags der Abgeordneten Dr. Schulte (Schwäbisch Gmünd), Dr. Dollinger, Pfeffermann, Bühler (Bruchsal), Neuhaus, Linsmeier, Lintner, Maaß, Weirich, Dr. Riedl (München), Dr. Köhler (Wolfsburg), Dr. Wörner, Sauter (Epfendorf), Dr. Jenninger, Wissmann und der Fraktion der CDU/CSU Bessere Bedingungen für den CB-Funk — Drucksache 9/128 — Dr. Linde SPD 1265 B Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über die Feststellung der Wirtschaftspläne des ERP-Sondervermögens für das Jahr 1981 (ERP-Wirtschaftsplangesetz 1981) — Drucksache 9/228 — 1265 C Fragestunde — Drucksache 9/226 vom 13. 03. 1981 — Benachteiligung der Versicherten in Großstädten durch die geplante neue Regionalstruktur der Kraftfahrzeughaftpflichtprämien MdlAnfr 68, 69 13.03.81 Drs 09/226 Fischer (Hamburg) CDU/CSU Antw PStSekr Grüner BMWi . . . . 1191 A, C, D, 1192 A, B ZusFr Fischer (Hamburg) CDU/CSU . 1191 B, C, 1192 A Wettbewerbsnachteile der deutschen Stahlindustrie durch den EG-Ministerratsbeschluß MdlAnfr 70 13.03.81 Drs 09/226 Menzel SPD Antw PStSekr Grüner BMWi 1192 B, D, 1193 A, B, C, D, 1194 A ZusFr Menzel SPD 1192 D ZusFr Hoffmann (Saarbrücken) SPD . . 1193 A ZusFr von der Wiesche SPD 1193 B ZusFr Dr. Lammert CDU/CSU 1193 B ZusFr Meininghaus SPD 1193 C ZusFr Urbaniak SPD 1193 D Einführung einer Grenzabgabe für einreisende Autobusse und Erhöhung der Abfertigungsgebühren für Lastzüge in Dänemark MdlAnfr 72, 73 13.03.81 Drs 09/226 Stutzer CDU/CSU Antw PStSekr Grüner BMWi . . . 1194 A, B, C, D, 1195 A ZusFr Stutzer CDU/CSU . . . . 1194 C, D, 1195 A Vorfinanzierung der Kraftwerke in Cattenom durch Stromabnahmeverträge deutscher Energieversorgungsunternehmen mit der Electricité de France MdlAnfr 74 13.03.81 Drs 09/226 Schreiner SPD Antw PStSekr Grüner BMWi . . . 1195 A, B, C, D ZusFr Schreiner SPD 1195 B, C ZusFr Hoffmann (Saarbrücken) SPD . .1195 C ZusFr Engelsberger CDU/CSU 1195 D Rückgang der Zahl der Genehmigungen zur Ausreise aus Polen und der Sowjetunion seit 1978 MdlAnfr 39, 40 13.03.81 Drs 09/226 Dr. Bötsch CDU/CSU Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 1196 B, D, 1197 A, B, C ZusFr Dr. Bötsch CDU/CSU 1196 C, D ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU 1197 A ZusFr Jäger (Wangen) CDU/CSU 1197 B Pflege deutscher Kriegsgräber in der Sowjetunion MdlAnfr 44 13.03.81 Drs 09/226 Jäger (Wangen) CDU/CSU Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 1197 C, 1198 A, B, C ZusFr Jäger (Wangen) CDU/CSU . . . . 1197 D, 1198 A ZusFr Dr. Bötsch CDU/CSU 1198 B ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU 1198 B ZusFr Graf Huyn CDU/CSU 1198 C Festnahme von vier deutschen Staatsbürgern nach einem Gewerkschaftstreffen in Santiago de Chile MdlAnfr 45 13.03.81 Drs 09/226 Weisskirchen (Wiesloch) SPD Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 1198 D, 1199 A ZusFr Weisskirchen (Wiesloch) SPD . . 1198 D ZusFr Hansen SPD 1199 A Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. März 1981 III Verzicht auf die Stationierung neuer Mittelstreckenraketen in Europa MdlAnfr 46 13.03.81 Drs 09/226 Thüsing SPD Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 1199 A, D ZusFr Hansen SPD 1199 D Störung der Entspannungspolitik durch Sendungen von Radio Free Europe und Radio Liberty MdlAnfr 47, 48 13.03.81 Drs 09/226 Hansen SPD Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 1200 A, B, D, 1201A,C,D, 1202A,B ZusFr Hansen SPD 1200 B, C, D ZusFr Graf Huyn CDU/CSU 1201 A, B ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU 1201 B, C ZusFr Graf Stauffenberg CDU/CSU . 1201 C, D ZusFr Jäger (Wangen) CDU/CSU 1201 D ZusFr Thüsing SPD 1202 A ZusFr Dr. Schöfberger SPD 1202 B Reaktion der Bundesregierung auf die Festnahme des Bayreuther Universitätsprofessors Konrad Löw sowie Folgerungen für den Akademikeraustausch und das Kulturabkommen mit der CSSR MdlAnfr 49 13.03.81 Drs 09/226 Engelsberger CDU/CSU Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 1202 C, D, 1203 A, B ZusFr Engelsberger CDU/CSU 1202 D ZusFr Graf Huyn CDU/CSU 1203 A ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU 1203 A Protest gegen die Inhaftierung des Bayreuther Universitätsprofessors Konrad Löw bei der tschechoslowakischen Regierung MdlAnfr 50 13.03.81 Drs 09/226 Dr. Hupka CDU/CSU Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 1203 B, C ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU 1203 B, C ZusFr Graf Stauffenberg CDU/CSU . . .1203 C Überreichung von Listen mit Härtefällen der Familienzusammenführung und Ausreise an osteuropäische Delegationen während des KSZE-Nachfolgetreffens in Madrid MdlAnfr 51 13.03.81 Drs 09/226 Dr. Hupka CDU/CSU Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 1203 D, 1204 A ZusFr Dr. Hupka CDU/CSU . . . 1203 D, 1204 A Vereinbarkeit der Anwesenheit des Wachbataillons „Feliks Dzierzynski" in Ost-Berlin mit dem entmilitarisierten Status GroßBerlins MdlAnfr 52 13.03.81 Drs 09/226 Graf Stauffenberg CDU/CSU Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 1204 A, B, C ZusFr Graf Stauffenberg CDU/CSU . . . 1204 B ZusFr Thüsing SPD 1204 C Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen des fünf Jahre in Warschau inhaftierten Deutschen Achim Rösch gegenüber der polnischen Regierung MdlAnfr 53 13.03.81 Drs 09/226 Graf Stauffenberg CDU/CSU Antw StMin Frau Dr. Hamm-Brücher AA 1204 C, 1205 A ZusFr Graf Stauffenberg CDU/CSU . . . .1205 A Benachteiligung von Bundeswehroffizieren aus der Truppe gegenüber Bundeswehrhochschulabsolventen durch das geänderte Punktesystem für die Einstellung von Berufsoffizieren MdlAnfr 75, 76 13.03.81 Drs 09/226 Daweke CDU/CSU Antw StSekr Dr. Hiehle BMVg . 1205 B, 1206 C, D, 1207 A ZusFr Daweke CDU/CSU 1206 B, C, D Nächste Sitzung 1265 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 1266* Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 26. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 19. März 1981 1151 26. Sitzung Bonn, den 19. März 1981 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Böhme (Freiburg) 20. 3. Büchner (Speyer) * 20. 3. Dr. Enders * 20. 3. Fellner 20. 3. Dr. Geißler 20. 3. von der Heydt Freiherr von Massenbach 20. 3. Dr. Hubrig 20. 3. Jung (Kandel) 20. 3. Kiehm 20. 3. Kittelmann * 20. 3. Korber 20. 3. Dr. Graf Lambsdorff 20. 3. Männing 20. 3. Dr. Mitzscherling 20. 3. Dr. Müller * 20. 3. Müller (Wadern) * 20. 3. Picard 20. 3. Reddemann ** 19. 3. Frau Roitzsch 20. 3. Frau Schlei 20. 3. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim * 20. 3. Voigt (Frankfurt) 20. 3. Dr. Wendig 20. 3. Dr. Wieczorek 20. 3. Frau Will-Feld 20. 3. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Westeuropäischen Union
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Helga Wex


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Das Parlament hat 1973 auf Antrag der CDU/CSU eine EnqueteKommission Frau und Gesellschaft eingesetzt, deren Empfehlungen zur Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau in unserer Gesellschaft wir heute beraten. Die Enquete-Kommission wurde 1974 konstituiert und legte 1976 einen Zwischenbericht vor. 1977 wurde auf Antrag aller Fraktionen erneut eine Enquete-Kommission eingesetzt, die die in der 7. Wahlperiode begonnene Arbeit weiterführte und abgeschlossen hat. Ich spreche sicher in Ihrer aller Namen, wenn wir den Kollegen und den Sachverständigen, besonders aber auch den beiden Vorsitzenden in den beiden Legislaturperioden, Frau Timm und Frau Schleicher, hier unser aller Dank für die geleistete Arbeit aussprechen.

    (Beifall bei allen Fraktionen)

    Die Enquete-Kommission Frau und Gesellschaft wurde in der Erkenntnis eingesetzt, daß die Aufbereitung des ebenso umfangreichen wie bedeutenden. aber auch so komplexen Problemkreises der Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau in Staat und Gesellschaft notwendig und geboten ist. Mit der Einsetzung einer Enquete-Kommission hat das Parlament von seinem Recht Gebrauch gemacht, durch Abgeordnete aller im Deutschen Bundestag vertretenen Fraktionen sowie durch nichtparlamentarische Sachverständige eine vielschichtige und bedeutende Materie, wie sie die Gleichberechtigung der Frau darstellt, zu untersuchen, überschaubar darzustellen und Lösungsvorschläge auszuarbeiten. Mit der Einsetzung einer Enquete-Kommission hat das Parlament auf die außerordentliche Bedeutung der Verwirklichung der Gleichberechtigung der Frau hingewiesen.
    Der vorliegende Bericht zeigt, daß der Deutsche Bundestag fähig und in der Lage ist, Probleme aufzugreifen, von denen, zumal unter jüngeren Mitbürgern, die Meinung verbreitet ist, Politiker täten nicht genügend, um sie wirklich zu lösen. Heute wird viel davon gesprochen, junge Menschen hätten keine Ziele mehr, für die es sich einzusetzen lohne. Der Bericht der Enquete-Kommission Frau und Gesellschaft zeigt ein solches Ziel auf: unsere Zukunft durch mehr Partnerschaft zwischen Mann und Frau menschlicher zu gestalten. Wir Politiker sind uns bewußt: Allein mit den Mitteln der Gesetzgebung werden wir diese Partnerschaft nicht erreichen. Wir brauchen die Mitwirkung aller Bürger. Wir brauchen vor allem die Mitwirkung junger Menschen, die diese Partnerschaft ja auch leben und verwirklichen sollen.



    Frau Dr. Wex
    Der vorliegende Bericht spiegelt die vielfältige Diskussion wider, die das Thema Gleichberechtigung und Emanzipation im vergangenen Jahrzehnt durchgemacht hat. Es ist nicht verwunderlich, daß auch hier in Mehrheits- und Minderheitsvoten verschiedene Positionen zum Ausdruck kommen. Dies klärt die Situation und fördert die Diskussion, die an die verschiedene Einschätzung der Sachthemen geknüpft werden muß.
    Wir haben die breite Bewegung für Emanzipation zu Beginn der 70er Jahre erlebt, in der die Meinung vorherrschte, die Frau könne sich vor allem im Beruf, oft nur unter erschwerten Bedingungen für die Familie, manchmal auf Kosten der Kinder, emanzipieren. Wir haben die Bewegung erlebt, die bei der Diskussion um den § 218 einen Umfang annahm, der mit dem der Studentenunruhen der 60er Jahre vergleichbar war. Wir haben erlebt, daß die Gleichberechtigungspolitik vor allem als Sozialpolitik verstanden wurde, die nur mit viel Geld verwirklicht werden könne.
    Dies alles hat sich geändert. Zu Beginn der 70er Jahre, als die Enquete-Kommission beschlossen wurde, ging es um den Ausbau des sozialen Netzes, ging es um den Einsatz modernster Technologien für den wirtschaftlichen Fortschritt.
    Die heutige Szene sieht anders aus. Heute geht es um die Sicherung des sozialen Netzes. Heute geht es um die Auswirkung von Technisierung und Automation auf die Situation des einzelnen Menschen in der Arbeitswelt, Familie und Freizeit. Heute geht es darum, wie in naher und mittlerer Zukunft eine ausreichende Menge an Energie zu bezahlbaren Preisen zur Verfügung gestellt werden kann. Heute geht es um die Reduzierung der Bürokratie auf ein für den Bürger und die Wirtschaft sinnvolles Maß. Ging es damals um die große, so geht es heute auch um die kleine Welt.
    Der Bericht muß Grundlage sein, um eine Politik des menschlichen Maßes zu entwickeln. Heute muß eine realistische Politik davon ausgehen, daß wir in den nächsten Jahren niedrigere Wachstumsraten als bisher haben werden.
    Auf der Grundlage des vorliegenden Berichts brauchen wir ein Konzept, wie in einer veränderten ökonomischen Lage unsere politische Handlungsfähigkeit in Sachen Gleichberechtigung erhalten und gesichert werden kann. Diese Probleme hängen mit der Frage zusammen, wie wir den sozialen Frieden erhalten können, wie wir die zusätzlichen Aufgaben etwa im Umweltschutz in der Verteidigung und in der Entwicklungshilfe bewältigen können.
    Trotzdem müssen wir fragen: Was ist an politischen und institutionellen Veränderungen notwendig, um unter geänderten sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen eine Politik zu betreiben, die dem Verfassungsauftrag der Gleichberechtigung gerecht wird, ihn vorantreibt und nicht zurückwirft?
    Eine solche Politik muß anders als die der letzten Jahre aussehen. Wir stehen vor einer neuen Qualität der Politik. Diese Politik muß den Übergang von einer wachstumsorientierten Gesellschaft zu einer gleichgewichtsorientierten Gesellschaft finden. Wir können keine Politik machen, die die wirtschaftlichen und sozialen Schwierigkeiten negiert und nicht zur Kenntnis nimmt, welche Aufgaben wir allein durch die Notwendigkeit vor uns haben, den aufgehäuften Schuldenberg zu tragen oder abzubauen.

    (Kroll-Schlüter [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    Eine Politik für die Frauen darf nicht davon absehen, daß die Sicherung der Renten und der Sozialleistungen ein wesentlicher Faktor unserer Politik ist und daß der finanzielle Handlungspielraum des Staates eingeengt worden ist. Das heißt aber nicht, daß eine Politik für die Gleichberechtigung der Frau etwa am Ende ist. Das heißt: Wir brauchen neue Strategien. Wir brauchen neue Verbündete.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Wir können nicht einfach sagen — wie in letzter Zeit schon gehört —: Die soziale Sicherung für alle Frauen kann nun nicht mehr gemacht werden, weil der finanzielle Spielraum zu eng geworden ist. Nein. Wir müssen sagen: Die eigenständige soziale Sicherung aller Frauen muß sichergestellt werden, obwohl der finanzielle Spielraum enger geworden ist. Notwendig ist ein neuer Anlauf für ihre Verwirklichung, der den veränderten Bedingungen Rechnung trägt. Unsere Gesellschaft wandelt sich. Das Bedürfnis nach überschaubaren Einheiten wächst. Diese Tatsache sollte uns ermutigen, eine Politik für die Partnerschaft auch unter geänderten Bedingungen durchaus als eine Chance zu begreifen.
    Es ist nicht zu übersehen, daß der verfassungsrechtlich garantierte Grundsatz der Gleichberechtigung von Mann und Frau heute immer noch nicht verwirklicht ist, und viele Frauen sehen das auch selbst so. So fühlen sich 38 % der Frauen von den in Bonn vertretenen Parteien in ihren Belangen nicht mehr ausreichend vertreten. So sind 72 % der Frauen der Ansicht, sie seien im Beruf und im gesellschaftlichen Leben gegenüber den Männern benachteiligt. Diese Zahl ist eine erhebliche Steigerung gegenüber der von vor acht Jahren. Obwohl Fortschritte gemacht worden sind, wie etwa bei den Löhnen und Gehältern der berufstätigen Frauen, verstärkt sich das Gefühl der Benachteiligung. Diese Zahlen sollen alarmieren, denn hier wird deutlich, daß es unter den Frauen ein großes Potential gibt, dessen Vertrauen in die politische Gestaltungsfähigkeit schwindet. Hier könnte der Prozeß der politischen Verweigerung sich ausweiten, wie wir ihn zum Teil in der jungen Generation zur Zeit schon erleben. Hier liegt eine Herausforderung für unsere Politik. Was wir brauchen, ist eine neue Wahrhaftigkeit in der Politik um mehr Partnerschaft.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Grundlagen für diese neue Wahrhaftigkeit kommen durchaus im Bericht der Enquete-Kommission zum Ausdruck. So besteht zwischen den Fraktionen Einigkeit, daß wir Wahlfreiheit zwischen Familie und Beruf ermöglichen müssen. Dies ist ein großer Fortschritt. Wahlfreiheit ist aber nur dann garantiert, wenn wir alle anerkennen, daß die innerhäusliche Tätigkeit der außerhäuslichen gleichwertig ist. In Zukunft darf es nach diesen Vorstellungen kein Gesetz mehr geben wie zum Beispiel das zum Mut-



    Frau Dr. Wex
    terschaftsurlaub, das die Hausfrauen über Gebühr benachteiligt.
    Politik — hier ist das ganze Parlament angesprochen — muß sich an Prinzipien orientieren, um die Gleichberechtigung von Mann und Frau zu erreichen:
    der Entscheidungsfreiheit von Mann und Frau, ihre Rolle in Gesellschaft, Ehe und Familie selbstverantwortlich zu finden und zu gestalten,
    der anerkannten und gemeinsam wahrgenommenen Verantwortung von Mann und Frau für die Gestaltung und Ordnung innerhalb der Familie,
    der Möglichkeit zur intensiven Hinwendung zum Kind von Mann und Frau durch Anerkennung einer für die Gesellschaft erbrachten Leistung und
    der Schaffung von Rahmenbedingungen, die den Frauen helfen, ihren Lebensweg so zu gestalten, daß sie auf familiengerechte Weise ihre Aufgaben in der Familie mit ihrem Wunsch nach außerhäuslicher Erwerbstätigkeit verbinden können.
    An wen wendet sich der Bericht? Der Bericht wendet sich zuerst einmal an uns, den Deutschen Bundestag. Wir müssen ein abgestuftes Programm zur Erreichung der Gleichberechtigung in unserer Gesellschaft entwickeln. Der Bericht wendet sich zweitens an die Bundesregierung, die in einer gleichgewichtigen Politik für die Frau und die Familie in den letzten Jahren sich zu oft versagt hat. Sie hat hier eine Richtschnur ihres politischen Handelns. Und drittens wendet sich der Bericht an die Arbeitgeber-und Arbeitnehmerorganisationen. Vieles, was wir erreichen müssen — etwa eine bessere Abstimmung zwischen Familien- und Arbeitswelt, so z. B. durch Ermöglichung von Teilarbeitszeit und Jobsharing, wie aber auch eine verstärkte Vertretung in den jeweiligen Organisationen, so z. B. in den Betriebs- und Aufsichtsräten — ist eine Sache der Sozialpartner. Auch für sie gilt, daß die Gleichberechtigung über 30 Jahre nach Inkrafttreten des Grundgesetzes noch nicht erreicht ist, und an dieser Verantwortung haben auch sie mitzutragen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Viertens wendet sich der Bericht an jeden einzelnen Bürger. Wir können noch so viele Gesetze machen — wenn das Bewußtsein für diese Probleme nicht geschärft, wenn die Bereitschaft, sie zu lösen, nicht gegeben ist, dann werden uns alle Gesetzes nichts nützen.

    (Kroll-Schlüter [CDU/CSU]: So ist es!)

    Überhaupt möchte ich an dieser Stelle davor warnen, den sensiblen Bereichen des Verhältnisses zwischen Mann und Frau, zwischen Partnern und ihren Kindern, lediglich gesetzestechnisch in den Griff bekommen zu wollen. So halte ich auch in Übereinstimmung mit der Enquete-Kommission ein „Antidiskriminierungsgesetz" für entbehrlich.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Keine neuen Bürokratien errichten, sondern die Verantwortlichen in die Pflicht nehmen! Dieses Indie-Pflicht-Nehmen bedeutet aber vor allem, daß wir dafür sorgen, daß allen bewußt wird, wie wichtig
    diese gesellschaftliche Aufgabe für die Zukunft unserer gesamten Gesellschaft ist. Gemeinsam müssen wir zeigen: eine freiheitliche Gesellschaft, die auf der Sozialen Marktwirtschaft aufbaut, ist auf eine Partnerschaft zwischen Mann und Frau geradezu angewiesen. Wir dürfen Soziale Marktwirtschaft nicht allein aus der Sicht der Steuer- und Finanzpolitik, allein aus der Sicht mächtiger Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen interpretieren, sondern die Soziale Marktwirtschaft muß auch aus der Sicht der Familien, der Männer und Frauen definiert werden.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Dieser Bericht der Enquete-Kommission Frau und Gesellschaft bietet eine Chance zu einem Pakt für die Gleichberechtigung, einem Pakt, an dem sich die Politik, die Sozialpartner, die Kirchen, die Landesregierungen, jeder einzelne Betrieb beteiligen müssen, wenn wir über eine angemessene Zeit Erfolge erzielen wollen, wenn wir bei der Mehrheit unserer Bevölkerung glaubwürdig bleiben wollen. Wir brauchen auch die Wahrhaftigkeit, mit der jeder Verantwortliche sich selber fragt, was er in Sachen Gleichberechtigung getan hat und was er tun will und kann.
    Hierzu gehört vor allem, von der Vorstellung Abschied zu nehmen, daß alle Maßnahmen gleich mit Geld verbunden sein müssen. Ich erinnere daran, daß die Kommission eingehend den Vorschlag der Enquete-Kommission Verfassungsreform diskutiert hat, nach z. B. bayerischem Vorbild bei den Bundestagswahlen die begrenzt offene Liste einzuführen. Das könnte die Möglichkeit eröffnen, mit der Zweitstimme einen bestimmten Listenbewerber innerhalb der Liste, die man wählt, zu kennzeichnen, um damit die Reihenfolge der Kandidaten auf der Liste zu verändern.

    (Beifall bei Abgeordneten aller Fraktionen)

    Hier bestünde die Möglichkeit, durch den Wählerwillen mehr Frauen in die Parlamente zu entsenden. Das ist auch ein Beispiel, das zeigt, daß wir eine intensive Diskussion um den richtigen Weg der Gleichberechtigung führen müssen.
    Dieser Bericht hat — das sollten wir ohne Zögern zugeben — auch Mängel. So kommt der internationale Aspekt zu kurz; die Einbindung in die gesamtgesellschaftliche Diskussion ist nicht immer geglückt. Aber insgesamt haben wir eine Grundlage, mit der wir arbeiten können.
    Sicherlich ist der Bericht nicht in allen Bereichen der so komplexen Materie zu einer einheitlichen, überzeugenden Antwort gekommen. Aber das gerade sollten wir aus meiner Sicht begrüßen. Der Bericht sollte nicht als Ende einer Diskussion, sondern vielmehr als Beitrag zu einer begonnenen und noch nicht vollendeten Diskussion verstanden werden.
    Die Aufnahme dieses Berichts wird uns sicher auch in die Lage versetzen, in vielem die Gewichte anders zu verteilen. So stellt sich das Problem der Gleichberechtigung von Mann und Frau heute nicht nur als Problem im Bereich der Erwerbstätigkeit



    Frau Dr. Wex
    dar, sondern umgreift eben besonders auch die Rechtsstellung der Nichterwerbstätigen, die sich der Erziehung der Kinder widmen und damit einen gesellschaftlich unverzichtbaren Dienst leisten, seien es nun Mann oder Frau.

    (Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

    Die CDU/CSU hat von Anfang an ihre konstruktive Zusammenarbeit angeboten. Sie hat u. a. vor einiger Zeit einen Vorschlag für ein Zehn-Jahres-Programm zur Durchsetzung der Gleichberechtigung von Mann und Frau vorgelegt, ein Programm, das in vielen Punkten Ergebnisse des Berichtes unterstreicht.
    Ich weiß, daß die allgemeinen und speziellen Zielsetzungen, die auch im Bericht der Enquete-Kommission aufgezeigt werden, nicht von heute auf morgen zu verwirklichen sind. Zu groß ist zum Teil ihre Abhängigkeit von Faktoren z. B. wirtschaftspolitischer oder sozialpolitischer Natur, die ohne Schaden nicht beliebig schnell geändert werden können. Das festzustellen heißt aber nicht, den Bericht der Kommission etwa zu den Akten zu legen.
    In Zukunft wird es darum gehen, das, was in dem Bericht der Enquete-Kommission beschrieben worden ist, auch weiterhin beharrlich und mit dem Blick für die Notwendigkeit der stets aufgegebenen Reformen als unser aller Aufgabe anzusehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat Frau Abgeordnete Schmidt (Nürnberg).

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Renate Schmidt


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Herren! Meine Damen! In Deutschland wurde der internationale Tag der Frau erstmals am 19. März 1911 gefeiert. Es ist also ein historisches Datum, an dem wir heute den Bericht der Enquete-Kommission Frau und Gesellschaft diskutieren, historisch in zweierlei Hinsicht: Weil heute der 70. Jahrestag dieses Datums ist und weil der Forderungskatalog der Frauen des Jahres 1911 nur sehr lückenhaft erfüllt worden ist. Vieles von dem, was damals gefordert wurde, findet sich in anderen Worten, auf unsere heutige Gesellschaft zugeschnitten, in den Empfehlungen der Enquete-Kommission wieder. Einige Probleme sind gelöst, andere hinzugekommen. Aber wie ein roter Faden zieht sich durch die Veröffentlichungen der Frauenbewegung die Forderung nach Gleichstellung im Beruf, nach Recht auf Arbeit.
    Wie sieht es heute damit aus? Die Arbeitslosenquote der Frauen betrug im Februar 1981 6,4 %, die der Männer 5 % und dies bei einer wesentlich geringeren Erwerbstätigkeit der Frauen. Hinzu kommt die Anzahl der Frauen, die es längst aufgegeben haben, einen Arbeitsplatz zu suchen, weil sie keinerlei Aussicht haben, eine Teilzeitarbeit zu bekommen, sei es, weil sie bereits mit 40 Jahren nach längerem Ausscheiden aus dem Beruf als zu alt angesehen werden, sei es, weil es in ihrem Beruf zu den von ihnen gewünschten Zeiten keine Arbeitsplätze gibt.
    Damit sind wir bei einem Teil der Ursachen der unverhältnismäßig hohen Arbeitslosigkeit der Frauen, wie sie auch die Enquete-Kommission festgestellt hat. Erstens suchen Frauen in großem Ausmaße Teilzeitarbeit in den Vormittagsstunden, weil sie es eben nach wie vor sind, die Familie und Beruf miteinander vereinbaren müssen. Die Berufsausbildung der Frauen ist nach Aussetzen der Arbeit in dem Beruf in großem Ausmaße entwertet. Das Management der Haushaltsführung, die Kenntnisse der Kindererziehung, die sich diese Frauen angeeignet haben, werden von kaum einem Arbeitgeber anerkannt. Die weiteren, ganz wesentlichen Gründe sind folgende: Mädchen haben zwar in den letzten Jahren bei den Schulabschlüssen mit den Jungen beinahe gleichgezogen; aber das sagt leider nur teilweise etwas über die Lehrinhalte aus. Mädchen werden immer noch durch Schulbücher und Curricula auf ihre herkömmlichen Rollen festgelegt. In Bayern z. B. sieht es dann so aus. In Art. 131 der bayerischen Verfassung steht auch heute noch: Die Mädchen sind außerdem in der Säuglingspflege, der Kindererziehung und Hauswirtschaft zu unterweisen.

    (Zurufe von der CDU/CSU: Sehr gut!)

    Zwar ist es seit wenigen Jahren endlich möglich, daß Mädchen und Jungen gemeinsamen Handarbeitsunterricht haben; aber auch da sieht der Lehrplan Unterschiede vor. Die Mädchen lernen Nähen und Häkeln, die Jungen plastisches Gestalten und Papier- und Stoffdruck. So zieht sich das durch die gesamte Schullaufbahn. Der Junge im Wahlpflichtfach Hauswirtschaft und Kochen bleibt die Ausnahme, und der sozialwissenschaftliche Zweig der Gymnasien steht nur Mädchen offen. Arbeitslehre, in der die Kinder etwas über Berufe erfahren, wie sie heute aussehen, findet kaum statt. Wie sollen auch Lehrer darüber Auskunft geben können, kennen sie doch die betriebliche Praxis nur in den seltensten Fällen!

    (Zustimmung bei der SPD)

    Wen wundert es dann, daß sich Mädchen im Berufsleben auf einige wenige Berufe konzentrieren, daß sie das Beispiel ihrer Mütter übernehmen, kurze Ausbildungszeiten suchen, sich auf Dienstleistungsberufe beschränken, die — zu Recht oder zu Unrecht — schlechter bezahlt sind und weniger Aufstiegschancen haben?
    Als Betriebsrätin habe ich bei der Begrüßung der neuen Auszubildenden immer wieder dasselbe erlebt. Bei den kaufmännischen Berufen, in denen unser Betrieb ausgebildet hat, waren die Mädchen immer in der Überzahl. Bei den Gesprächen mit den neuen Auszubildenden hat sich dann herausgestellt: die Mädchen wollten Bürokaufmann oder Verkäuferin werden, die Jungen Datenverarbeitungskaufmann oder Einzelhandelskaufmann. In den gewerblichen Berufen habe ich in der Bekleidungsfertigung keinen einzigen Jungen gesehen. Nähenlernen ist eben nach wie vor Mädchensache. Bei den Rundfunk- und Fernsehmechanikern habe ich kein einziges Mädchen gesehen. Die Mädchen gehen also in Berufe, die von Rationalisierungsmaßnahmen betroffen sind, die wenig Zukunftschancen haben, die zwar nach kurzer Ausbildungszeit schnellen Verdienst versprechen, der aber wegen mangelnder



    Frau Schmidt (Nürnberg)

    Aufstiegschancen und Unterbewertung kaum steigt.
    Meine Herren, meine Damen, in der Struktur- und Arbeitsmarktpolitik sind zwar in der Zwischenzeit Erfolge zu verzeichnen. Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen kommen zunehmend auch Frauen zugute. Der Bericht der Enquete-Kommission bemängelt aber zu Recht, daß staatliche Fördermittel nach wie vor nach dem Gießkannenprinzip verteilt werden, daß die Arbeitslosenquote von Frauen bei der Wahl von zu fördernden Regionen keine Berücksichtigung findet, daß Unternehmen keine Auflagen erhalten, auch Dauerarbeitsplätze für Frauen bei Inanspruchnahme von Fördermitteln einzurichten. Ein Zusammenwirken aller Beteiligten, der Betriebs- und Personalräte, der Selbstverwaltungsorgane, der Kommunalparlamente, findet nicht statt. Was hilft es, wenn dann sogar Arbeitsplätze für Frauen entstehen, diese aber nicht von den Frauen besetzt werden können, weil die Frauen dort Kindergärten vorfinden, die Öffnungszeiten von 8 bis 12 Uhr und von 14 bis 16.30 Uhr haben, wenn Ganztags- und Gesamtschulen fehlen, wenn die nächste Einrichtung, in der die Frau sich weiterbilden und umschulen lassen kann, 50 km entfernt ist und dort selbstverständlich die Möglichkeit fehlt, Kinder mitzubringen und betreuen zu lassen?
    Meine Herren, meine Damen, lassen Sie mich noch einige Worte zur Unterbewertung von Frauentätigkeiten sagen. Die Bundesregierung hat ein erfolgreiches Modellvorhaben „Mädchen in Männerberufen" durchgeführt. Diese Mädchen und Frauen werden in dem neuen Beruf mit großer Wahrscheinlichkeit dasselbe verdienen wie ihre männlichen Kollegen. Gleicher Lohn für gleiche Arbeit — dagegen verstößt kaum mehr ein Arbeitgeber. Aber gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit ist noch lange nicht verwirklicht.

    (Beifall bei der SPD und der FDP sowie bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Das liegt einmal am geteilten Stellenmarkt, der bestehen bleiben wird, solange nur Kann- und SollBestimmungen das untersagen, und dieser geteilte Stellenmarkt führt dazu, daß Tätigkeiten eben nach wie vor beinahe ausschließlich von Frauen ausgeübt werden.
    Wir schlagen deshalb — und wir meinen das ernst — auch ein Modellvorhaben „Männer in Mädchenberufen" vor. Nur wenn der Stenotypist nicht nur im Bundestag genauso normal ist wie die Stenotypistin, wenn in der Datenerfassung nicht nur die Abteilungsleiter Männer sind, sondern an den Terminals auch Männer und Frauen sitzen, wenn nicht mehr nur Sekretärinnen, sondern auch Sekretäre gesucht und gefunden werden, wird sich hier Grundlegendes ändern. Erst als im Bereich der Krankenpflege zunehmend auch Männer beschäftigt wurden, hat sich die Bewertung dieser Tätigkeit und damit ihre Bezahlung geändert. Die derzeitige Arbeitsplatzbewertung hat weitgehend nichts mit objektiven Maßstäben zu tun. In afrikanischen und asiatischen Ländern, wo schwere körperliche Arbeit wie z. B. Straßenbau Frauensache ist und jede Art von Bürotätigkeit Männersache, ist selbstverständlich auch einfachste Bürotätigkeit besser bezahlt als von Frauen ausgeübte Schwerstarbeit.
    Wir nehmen deshalb gern die Empfehlung der Enquete-Kommission auf, neue Grundsätze der analytischen Arbeitsplatzbewertung zu entwickeln. Wir wollen uns dabei aber nicht auf eine Aufforderung an die Tarifvertragsparteien beschränken. Wir fordern die Bundesregierung auf, Rahmenrichtlinien für eine objektive Arbeitsplatzbewertung zu entwikkeln. Selbstverständlich wollen wir damit nicht in die Tarifautonomie der Sozialpartner hineinregieren. Wir wollen aber Hilfestellung für die Tarifpartner geben, zu einer gerechten Einordnung der Tätigkeiten in den einzelnen Branchen zu kommen.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Gerade Tarifkommissionen, meist auf Länderebene, sind oftmals überfordert, diese grundsätzliche Arbeit zu leisten. So sitzen sich z. B. seit mehr als zwei Jahren Arbeitgeber und Gewerkschaften gegenüber und versuchen zu klären, ob die Tätigkeit einer im Akkord beschäftigten Versandpackerin gleich hoch zu bewerten ist wie die eines Lagerarbeiters.
    Noch einen Grund gibt es, hier allgemeinverbindliche Rahmenrichtlinien zu erlassen. Gehen wir einmal davon aus, daß doch die eine oder andere Frau nach dem arbeitsrechtlichen EG-Anpassungsgesetz versucht, ihre Rechte durchzusetzen. In § 612 Abs. 3 BGB ist festgeschrieben: Für gleichwertige Arbeit muß gleicher Lohn gezahlt werden. Wie lange wird es dauern, wenn Richter in jedem Einzelfall und immer wieder feststellen müssen, ob das der Fall ist, wenn derartige Rahmenrichtlinien nicht existieren?
    Damit bin ich schon bei dem Punkt: Was soll geschehen? Erstens: Wir fordern die Bundesregierung auf, keine zweistufigen Ausbildungsordnungen für die Erstausbildung mehr zu erlassen, da sich hier gezeigt hat: Das wirkt sich beinahe ausschließlich auf Mädchen aus.

    (Beifall bei der SPD)

    Betroffen davon sind immerhin beinahe 130 000 Ausbildungsplätze.
    Zweitens. Wir wollen, daß der Bildungsausschuß, der Minister für Bildung und Wissenschaft und die Kultusministerkonferenz Möglichkeiten der Aus- und Weiterbildung der Lehrer entwickeln. Es soll sichergestellt werden, daß Lehrer als wichtige Bezugspersonen für ihre Schüler besser Auskunft geben können über Berufe, die Arbeitswelt, berufliche Möglichkeiten für Mädchen. Dies sollte für alle Lehrer unabhängig von der Schulart gelten.
    Betriebspraktika für Schüler sollten allgemeinverbindlich werden. In den Gymnasien darf der hauswirtschaftliche Unterricht, dürfen Erkenntnisse über Erziehung und Familienführung für Mädchen und Jungen nicht vollständig unter den Tisch fallen. Und weiterhin darf es nicht immer nur bei Absichtserklärungen bleiben — die wir alle miteinander schon häufig genug abgegeben haben —, rollentypische und rollenfestlegende Inhalte aus den Schulbüchern zu entfernen.



    Frau Schmidt (Nürnberg)

    Drittens. Frauen, die zeitweise mit der Berufstätigkeit aussetzen, müssen in dieser Zeit die Möglichkeit der Aus- und der Weiterbildung, des Auf-demlaufenden-Bleibens, erhalten.

    (Beifall bei der SPD)

    Vielleicht könnte dazu ein Modellvorhaben aufgelegt und vor allem Frauen aus ländlichen Bereichen berücksichtigt werden. Die von den Frauenverbänden ins Leben gerufene Aktion „Neuer Start mit 35" sollte geprüft und sinnvoll unterstützt werden.
    In diesem Zusammenhang auch noch ein Wort an die Arbeitgeber: Verschließen Sie sich nicht dem Wunsch nach Arbeit der Frauen, die aus familiären Gründen längere Zeit nicht berufstätig waren. Frau Kapteina, Autorin der Serie „Mädchen in Männerberufen" einer Tageszeitung und Preisträgerin der Bundesanstalt für Arbeit, hat in ihrer Rede sehr richtig gesagt:
    Man kann doch nicht gerade diesen Frauen, die eine Familie versorgt, Kinder erzogen und durch die Schule gebracht, einen Haushalt geführt haben, unterstellen, nicht arbeitswillig oder gar unzuverlässig zu sein.

    (Beifall bei allen Fraktionen)

    Viertens. Den Empfehlungen der Kommission zur Struktur- und Arbeitsmarktpolitik schließen wir uns an. Uns erscheint besonders wichtig, in der Strukturpolitik alle Beteiligten einzubeziehen. Die Befugnisse der Selbstverwaltung der Bundesanstalt für Arbeit müssen bei der Vergabe von Fördermitteln erweitert werden. Es sollte die Pflicht bestehen, Betriebs- und Personalräte vor jeder Entscheidung anzuhören. Eine gute Anregung scheint uns zu sein, Unternehmen zu verpflichten, über ihre Anstrengungen, wie sie Frauen gleiche Chancen eingeräumt haben, zu berichten.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Manch ein Unternehmen wird vielleicht dadurch überhaupt erst den Anstoß erhalten, etwas zu tun. Wir schlagen vor, zu prüfen, welche Unternehmen in eine solche Berichtspflicht aufgenommen werden können, und Wege aufzuzeigen, wie diese Berichtspflicht durchgesetzt werden kann.
    Fünftens. In einem Punkt gehen unsere Vorstellungen über die der Enquete-Kommission hinaus. Wir halten eine Quotierung von Ausbildungs- und von Arbeitsplätzen für möglich und wünschenswert. Diese positive Diskriminierung, die in meinen Augen nur bisherige Verstöße gegen das Grundgesetz heilen hilft, sollte zumindest teilweise durchzusetzen versucht werden, z. B. immer da, wo in irgendeiner Form staatliche Zuschüsse gegeben werden.

    (Zustimmung bei der SPD)

    Wir empfehlen, zu prüfen wo Quotierungen sinnvoll vorgeschrieben werden können, ohne eine riesige Bürokratie entstehen zu lassen.

    (Kroll-Schlüter [CDU/CSU]: Im Familienministerium!)

    Weiterhin bitten wir den Rechtsausschuß, die juristischen Bedenken gegen eine derartige Quotierung zu klären.
    Sechstens. Teilzeitarbeit für Frauen ist für uns keine Möglichkeit, die Gleichstellung der Frau im Beruf zu erreichen. Teilzeitarbeit führt dazu, daß die Aufgabe, Familie und Beruf zu vereinen, weiter alleinige Aufgabe der Frauen bleibt.

    (Zustimmung bei der SPD — Frau Dr. Wex [CDU/CSU]: Nein!)

    Teilzeitarbeit führt insgesamt zu weniger und nicht zu mehr Arbeitsplätzen, solange nicht Betriebsräte Mitbestimmung in allen wirtschaftlichen Fragen und bei der Personalplanung haben. Teilzeitarbeit führt nicht zu mehr, sondern zu weniger sozialer Sicherheit der Frauen, solange sich Arbeitgeber durch das Sparen von Beiträgen zur Sozial- und Arbeitslosenversicherung selbst noch einen zusätzlichen Vorteil verschaffen. Die Beschäftigten der Putzkolonnen, die Reduzierung der Arbeitsplätze im Einzelhandel, wo überdurchschnittlich viele Teilzeitarbeitsplätze angeboten werden, sind Beispiele dafür, wie wir uns Gleichstellung der Frau im Beruf nicht vorstellen.
    Meine Herren, meine Damen, die sozialdemokratische Fraktion ist der Auffassung: Der wichtigste Schritt zur Gleichberechtigung von Mann und Frau ist die Gleichstellung im Beruf. Ohne Gleichstellung im Berufsleben wird sich für die Frauen auch auf allen anderen Gebieten nichts ändern.
    Lassen Sie mich zur Illustration noch ein ganz klein wenig literarisch werden und mit Erlaubnis des Herrn Präsidenten aus einem Gedicht zitieren:
    Du hast Hände, die schreiben und streicheln und bauen können.
    Du hast einen Mund, der sprechen und küssen und lächeln kann.
    Du hast Beine, die gehen und stehen und tanzen können.
    Du hast Augen, du hast einen Kopf.
    Du kannst sehen, denken, rechnen, überlegen und fordern.
    Du kannst erfinden, dichten, erkennen, verändern.
    Eigentlich bist du ein Mensch,
    keine Kuh, kein Staubsauger, keine Kaffeemaschine, keine Legehenne, keine Puppe.
    Du bist ein Mensch.
    Du kannst sogar einen Menschen zur Welt bringen.
    Deshalb bist du arbeitslos,
    deshalb bekommst du weniger Ausbildung, weniger Lohn.
    Du bist eine Frau.
    Tun wir gemeinsam alles dafür, daß Frauen nicht weitere 70 Jahre warten müssen, bis derartige Gedichte der Geschichte angehören!
    Die sozialdemokratische Fraktion wird in den Ausschußberatungen über die Empfehlungen der Enquete-Kommission konstruktiv mitarbeiten und geht davon aus, daß diese Mitarbeit endlich auch in



    Frau Schmidt (Nürnberg)

    gesetzgeberische Initiativen mündet. — Danke fürs Zuhören.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)