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ID0901903400

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    5. Bundesfinanzminister.: 1
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    Plenarprotokoll 9/19 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 19. Sitzung Bonn, Freitag, den 30. Januar 1981 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 819 A Fortsetzung der Aussprache über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1981 (Haushaltsgesetz 1981) — Drucksache 9/50 — in Verbindung mit Beratung des Finanzplans des Bundes 1980 bis 1984 — Drucksache 9/51 — in Verbindung mit Fortsetzung der ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Mineralöl- und Branntweinsteuer-Änderungsgesetzes 1981 — Drucksache 9/91 — in Verbindung mit Fortsetzung der ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Abbau von Subventionen und sonstigen Vergünstigungen, zur Erhöhung der Postablieferung sowie zur Klarstellung von Wohngeldregelungen (Subventionsabbaugesetz) — Drucksache 9/92 — Schmidt, Bundeskanzler 819 D Dr. Kohl CDU/CSU 836 B Mischnick FDP 846 A Matthöfer, Bundesminister BMF . . . 851 C Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP Bericht der Enquete-Kommission „Zukünftige Kernenergie-Politik" — Drucksache 9/126 — 857 C Nächste Sitzung 857 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten 859* A Anlage 2 Amtliche Mitteilungen 859* C Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 19. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Januar 1981 819 19. Sitzung Bonn, den 30. Januar 1981 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein 30. 1. Dr. van Aerssen 30. 1. Dr. Ahrens* 30. 1. Dr. Althammer 30. 1. Dr. Bardens* 30. 1. Böhm (Melsungen) * 30. 1. Breuer 30. 1. Büchner (Speyer) * 30. 1. Dr. Dollinger 30. 1. Egert 30. 1. Dr. Enders* 30. 1. Feinendegen 30. 1. Francke (Hamburg) 30. 1. Gansel 30. 1. Dr. Geißler 30. 1. Dr. Geßner* 30. 1. Haase (Fürth) 30. 1. Dr. Hauff 30. 1. Dr. Hennig 30. 1. Dr. Hubrig 30. 1. Jäger (Wangen) * 30. 1. Jung (Kandel) * 30. 1. Kittelmann* 30. 1. Korber 30. 1. Dr. Kreile 30. 1. Lemmrich* 30. 1. Lenzer* 30. 1. Manning* 30. 1. Dr. Müller* 30. 1. Müller (Remscheid) 30. 1. Müller (Wadern) * 30. 1. Frau Pack* 30. 1. Peter (Kassel) 30. 1. Petersen** 30. 1. Reddemann* 30. 1. Rösch* 30. 1. Sander 30. 1. Sauter (Epfendorf) 30. 1. Dr. Schäuble* 30. 1. Schmidt (München) * 30. 1. Schmidt (Würgendorf) * 30. 1. Dr. Schroeder (Freiburg) 30. 1. Schulte (Unna) * 30. 1. Frau Simonis 30. 1. Frau Dr. Skarpelis-Sperk 30. 1. Dr. Solms 30. 1. Dr. Sprung* 30. 1. Dr. Stark (Nürtingen) 30. 1. Dr. Unland* 30. 1. Dr. Vohrer * 30. 1. Dr. Wittmann (München) * 30. 1. Dr. Wieczorek 30. 1. Frau Zutt 30. 1. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Anlagen zum Stenographischen Bericht Anlage 2 Amtliche Mitteilungen Der Präsident des Deutschen Bundestages hat gemäß § 80 Abs. 3 der Geschäftsordnung nach Vereinbarung im Ältestenrat die nachstehenden Vorlagen überwiesen: Bericht der Bundesregierung über den Stand der Unfallverhütung und das Unfallgeschehen in der Bundesrepublik Deutschland (Unfallverhütungsbericht) - Drucksache 9/43 - zuständig: Ausschuß für Arbeit und Sozialordnung Bericht des Bundesministers für Verkehr 1980 über den Fortgang der Verkehrserschließung des Zonenrandgebietes - Drucksache 9/89 - zuständig: Ausschuß für innerdeutsche Beziehungen (federführend) Ausschuß für Verkehr Ausschuß für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau Bericht der Bundesregierung an den Deutschen Bundestag über den Stand der Erörterungen innerhalb der Europäischen Gemeinschaft zum Investitionsschutz - Drucksache 9/102 - zuständig: Ausschuß für Wirtschaft (federführend) Ausschuß für wirtschaftliche Zusammenarbeit Unterrichtung durch die deutsche Delegation in der Nordatlantischen Versammlung über ihre 26. Jahreskonferenz vom 16. bis 21. November 1980 in Brüssel - Drucksache 9/75 - zuständig: Auswärtiger Ausschuß (federführend) Verteidigungsausschuß Unterrichtung durch die deutsche Delegation in der Versammlung der Westeuropäischen Union über den Zweiten Teil der 26. ordentlichen Sitzungsperiode der Versammlung der Westeuropäischen Union vom 1. bis 4. Dezember 1980 - Drucksache 9/74 - zuständig: Auswärtiger Ausschuß (federführend) Verteidigungsausschuß Unterrichtung durch den Bundesminister der Finanzen Zusammenstellung der über- und außerplanmäßigen Ausgaben im 3. Vierteljahr des Haushaltsjahres 1980 - Drucksache 9/44 - zuständig: Haushaltsausschuß 860* Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 19. Sitzung. Bonn, Freitag, den 30. Januar 1981 Unterrichtung durch den Bundesminister der Finanzen Überplanmäßige Haushaltsausgaben bei Kap. 1113 Tit. 646 05 — Leistungen des Bundes für Aufwendungen nach dem Mutterschutzgesetz usw. —— Drucksache 9/64 — zuständig: Haushaltsausschuß Unterrichtung durch den Bundesminister der Finanzen Überplanmäßige Ausgaben bei Kap. 35 02 — Besatzungskosten und Auftragsausgaben in Berlin — im Haushaltsjahr 1980 — Drucksache 9/73 — zuständig: Haushaltsausschuß Unterrichtung durch den Bundesminister der Finanzen Überplanmäßige Haushaltsausgaben bei Kap. 1111 Tit. 643 01 — Kosten der Kriegsopferfürsorge (ausgenommen Darlehen) auf Grund des Bundesversorgungsgesetzes sowie entsprechender Leistungen auf Grund des Häftlingshilfegesetzes, des Gesetzes über die Unterhaltsbeihilfe für Angehörige von Kriegsgefangenen und des Gesetzes über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten — Drucksache 9/76 — zuständig: Haushaltsausschuß Unterrichtung durch den Bundesminister der Finanzen Überplanmäßige Ausgabe bei Kap. 32 05 Tit. 575 02 — Zinsen für Bundesschatzbriefe —— Drucksache 9/100 — zuständig: Haushaltsausschuß Der Präsident des Deutschen Bundestages hat gemäß § 92 der Geschäftsordnung im Benehmen mit dem Ältestenrat die nachstehenden Vorlagen überwiesen: Aufhebbare Siebenundvierzigste Verordnung zur Änderung der Ausfuhrliste — Anlage AL zur Außenwirtschaftsverordnung —— Drucksache 9/121 — Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte, den Bericht dem Plenum rechtzeitig zum 14. Mai 1981 vorzulegen Aufhebbare Neunundvierzigste Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung — Drucksache 9/122 —Überweisung an den Ausschuß für Wirtschaft mit der Bitte, den Bericht dem Plenum rechtzeitig zum 14. Mai 1981 vorzulegen Der Vorsitzende des Innenausschusses hat mit Schreiben vom 22. Januar 1981 mitgeteilt, daß der Ausschuß beschlossen hat, bei den nachstehenden EG-Vorlagen von einer Beratung abzusehen: Vorschlag einer Richtlinie des Rates zur Ermächtigung der Französischen Republik, von der Richtlinie 73/403/EWG zur Synchronisierung der allgemeinen Volkszählungen abzuweichen — Drucksache 8/3733 Nr. 12 — Vorschläge für Verordnungen (EGKS, EWG, EURATOM) des Rates zur Änderung der Verordnung des Rates (EGKS, EWG, EURATOM) — Nr. 1859/76 vom 29. Juni 1976 zur Festlegung der Beschäftigungsbedingungen für das Personal des Europäischen Zentrums für die Förderung der Berufsbildung — Nr. 1860/76 vom 29. Juni 1976 zur Festlegung der Beschäftigungsbedingungen für das Personal der Europäischen Stiftung zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen — Drucksache 8/3670 Nr. 25 —
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    Rede von Wolfgang Mischnick


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Kollege Blüm, das ist genau wieder der Versuch, jetzt einen Punkt herauszugreifen, dabei die Frage der Wochenarbeitszeit, die Frage der Entlohnung und alles andere wegzulassen. Auf eine so ausschnittartige Diskussion werde ich mich nie einlassen.

    (Sehr gut! bei der SPD)

    Richtig ist, daß ich alle Gesichtspunkte berücksichtigen muß. Graf Lambsdorff hat nicht gesagt, der deutsche Arbeiter arbeite nicht genug. Er hat etwas anderes gesagt. Er hat gesagt: Wenn dort die und die Leistungen erbracht werden, liegt das mit daran, daß insgesamt die Arbeitszeit länger ist, und wir müssen uns überlegen, wenn wir eine kürzere Arbeitszeit aus sozialpolitischen, aus gesundheitspolitischen Gründen für notwendig halten, daß wir dann das, was an Leistung dabei herauskommen muß, um wettbewerbsfähig zu sein, durch technische Innovation ersetzen und ergänzen müssen. Das haben wir uns vorgenommen. In dieser Richtung operieren wir.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Meine Damen und Herren, Herr Kollege Kohl hat hier kritisiert, daß es um den Wehretat Auseinandersetzungen in der SPD gegeben hat. Ich verhehle nicht, daß wir dies natürlich sehr aufmerksam verfolgt haben. Nur, wenn ich das richtig verstanden habe — Sie haben ja das Beispiel aus den 30er Jahren, Panzerkreuzer A usw., angeführt —, ist es ja so gewesen, daß die SPD-Fraktion mit klarer Mehrheit eine Entscheidung getroffen hat, die auf der Linie des Bundeshaushaltes, dessen, was die Regierung vorgeschlagen hat, liegt und nicht etwa qua Fraktion etwas anderes gesagt hat als die Regierung. Deshalb scheint mir Ihr Vergleich, den Sie möglicherweise schon vor einigen Tagen herausgeholt hatten, heute, nachdem die Entscheidung der SPD-Fraktion gefallen ist, nicht mehr ganz angebracht zu sein. Das war Nachkarten und Nicht-mehr-auf-der-Höhe-der-ZeitSein. Die SPD wird selber zu diesen Dingen Stellung nehmen. Ich halte es nur nicht für gut, wenn man hier einfach übergeht, was wirklich an Entscheidungen gefallen ist.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, natürlich gibt es eine ganze Menge Punkte aus der Debatte dieser vier Tage, die man noch weiter vertiefen könnte, zu denen man Erläuterungen, Ergänzungen geben könnte. Meine Kollegen haben in diesen vier Tagen in aller Deutlichkeit den Standpunkt der Liberalen sichtbar gemacht, ob das in den Fragen der Außenpolitik durch den Bundesaußenminister war, ob es zu Fragen der Wehrpolitik, der Sozialpolitik war, ob das die Auseinandersetzung über Probleme



    Mischnick
    war, die unsere junge Generation beherrschen. Kollege Hölscher und Kollege Hoppe haben das, was auch der Bundeskanzler heute aufgegriffen und aufgenommen hat, sehr ausführlich dargelegt. Ich will dies alles nicht wiederholen.
    Lassen Sie mich zum Schluß dieser Debatte aber noch ein paar andere Bemerkungen machen. Nach meiner Überzeugung sind der soziale Friede, die gesellschaftliche Stabilität, die Freiheit des einzelnen doch die Grundbedingungen für ein menschenwürdiges Dasein und die Entwicklung schöpferischer Kräfte. Ich halte es für notwendig, daß wir am Ende dieser Debatte darauf hinweisen, daß dies alles doch bei uns gegeben ist und nicht in Frage gestellt ist. Weil es gegeben ist, sind wir in der Lage, auch kritische Situationen, wie sie zur Zeit sind, zu überwinden. Man sollte doch nicht so tun, als wäre das nicht vorhanden. Ich halte die schlichte, vielleicht selbstverständliche Tatsache doch für erwähnenswert, daß wir seit über 35 Jahren in Frieden leben. Eine so lange Periode ohne kriegerische Auseinandersetzungen hat es für uns weder in diesem noch im vergangenen Jahrhundert gegeben. Dies sollten wir auch als Erfolg werten, nämlich den Frieden zu erhalten; als Erfolg der gemeinsamen Bemühungen, wie ich hinzufügen möchte, damit das nicht mißverstanden wird, als seien hier unterschiedliche Auffassungen vorhanden. Mir scheint es aber notwendig zu sein, gerade in dieser Zeit zu mahnen, daß dies auch in Zukunft der entscheidende Auftrag für uns sein wird, diesen Frieden weiterhin zu sichern und zu erhalten.
    Ich hoffe, ich renne hier offene Türen ein, wenn ich feststelle, daß man Sicherheit und Frieden eben nicht nur auf militärische Stärke gründen kann. Das Gleichgewicht der militärischen Kräfte ist gewiß eine Voraussetzung der Friedenssicherung. Nicht weniger wichtig ist aber nach meiner Überzeugung die Fähigkeit zu einer Politik der Verständigung und des Interessenausgleichs. Beides muß miteinander verkoppelt werden; es darf nicht nur das eine gesehen werden.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Wir werden uns in diesem Prinzip, in unserem Engagement dafür nicht übertreffen lassen, genausowenig in unserer Partnerschaft mit den Vereinigten Staaten, unserem Engagement in der Europäischen Gemeinschaft und dem Nordatlantischen Verteidigungsbündnis. Ich kann nur unterstreichen, was Kollege Ehmke am Mittwochabend für die Sozialdemokraten erklärt hat, nämlich erstens: Dieses Land hat keine Sicherheit ohne das Bündnis mit den Amerikanern, und zweitens: Es ist nur zu unserem eigenen Nutzen, wenn wir über die Arbeitsteilung im Bündnis und über die gemeinsame Strategie, die nur eine Friedensstrategie sein kann, mit der neuen Administration in Washington in Ruhe und ohne jegliche Vorurteile sprechen. Wohlgemerkt, es geht dabei um eine gute und faire Zusammenarbeit.
    Ich höre manchmal in Äußerungen so eine sehnsüchtige Rückerinnerung an die sogenannte Politik der Stärke, die doch ganz und gar nicht verhindern konnte, daß gerade mitten in Deutschland der Riß zum Graben und dann zur Mauer wurde. Das scheint
    mir nicht die erfolgversprechendste Politik zu sein.

    (Beifall bei der FDP und der SPD — Dr. Barzel [CDU/CSU]: Nicht zu glauben!)

    Meine Damen und Herren, wir müssen uns doch immer wieder erinnern an die Zeit der rapiden Auseinanderentwicklung, der permanenten Krisen, der Drohungen, der Ultimaten, um die derzeitigen Schwierigkeiten richtig einzuschätzen. Was wir zur Zeit an Verständigungsproblemen und krisenhaften Erscheinungen zwischen West und Ost erleben, ist für jedermann erkennbar aus dem Osten gekommen. Das bestreitet und bezweifelt niemand. Aber ich würde es für falsch halten, daß die daraus resultierende und sichtbar gewordene Unsicherheit im Warschauer Pakt nun etwa auf uns übertragen wird. Ich teile die Meinung des Herrn Bundeskanzlers, daß wir nur hoffen können, daß die Bemühungen der Polen um ihre eigene Entwicklung erfolgreich sind.
    Unsere Bereitschaft und unsere Fähigkeit zum Dialog muß trotz all dieser schwierigen Phasen ungeschmälert bleiben. Das gilt natürlich auch für die konzertierte Mitwirkung im Rahmen der KSZE oder für unsere konstruktive Begleitung von Gesprächen zwischen den beiden Supermächten. Gerade in diesem Stadium halte ich es für ganz wichtig, daß Europa versucht, sich zu einer spürbaren Kraft mit politischen Impulsen zu entwickeln. Das geht nur auf der Basis einer gemeinsam entwickelten Außenpolitik, durch mehr Abstimmung in der Sicherheitspolitik, durch eine engere Zusammenarbeit in der Entwicklungspolitik. Alle Länder der Europäischen Gemeinschaft müssen da zu einer gemeinsamen Form und zu einer gemeinsamen Initiative finden. Ob man dann das Ganze als Europäische Union bezeichnet oder nicht, ist nicht das Entscheidende. Es kommt darauf an, daß sich die Staaten der EG auch in der Außenpolitik bemühen, mit einer Zunge zu sprechen, um damit ihr Gesamtgewicht politisch einzubringen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Der umfassende atlantische Dialog zwischen der neuen amerikanischen Regierung und den europäischen Partnern, der jetzt bevorsteht, wird nach meiner Überzeugung um so erfolgreicher verlaufen, je mehr die Europäer in der Lage sind, ihre Interessen gemeinsam zu vertreten. Dabei bin ich völlig illusionslos darüber, wie schwierig das ist. Aber es angehen, es versuchen, sich darum bemühen, das sollte unsere Aufgabe sein. Ich kann nur hoffen, daß diese Bemühungen des Bundesaußenministers erfolgreich sind.
    Aber wir Deutschen müssen uns auch immer an die Binsenweisheit erinnern, daß sich das Verhältnis der beiden deutschen Staaten zueinander nur in dem Maße wieder bessern kann, wie das der Stand der Ost-West-Beziehungen zuläßt. Diese Abhängigkeit wird sich bei realistischer Einschätzung — und wir sind immer für eine realistische Einschätzung gewesen — nicht aufheben lassen. Niemand in Europa hat unter Spannungen zwischen den europäischen Staaten unterschiedlicher Gesellschaftsord-



    Mischnick
    nung mehr zu leiden als wir Deutschen. Deshalb ist auch sonst keine Nation zur Wahrung ihrer Einheit auf so strikt vernunftsorientiertes Handeln angewiesen wie wir. Ich glaube, ich brauche der Auseinandersetzung über den Begriff Nation nur eines hinzuzufügen: Für uns gibt es keine Diskussion darüber, weil es selbstverständlich ist, daß wir eine Nation sind.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Deshalb ist eine Diskussion darüber gar nicht notwendig.
    Ich möchte allerdings gerade bei der Auseinandersetzung zu diesen Fragen auch hinzufügen: Pathos ersetzt keine Politik. Wohl aber kann Pathos auf Politik abfärben und rationale Elemente gegen emotionale austauschen.

    (Sehr richtig! bei der SPD)

    Seien wir sehr auf der Hut, daß wir dieser Versuchung nicht erliegen. Das wäre zu niemandes Nutzen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Ich hoffe, daß der Wille, zu verantwortbaren Lösungen zu kommen, nicht unter der Härte eigener Formulierungen leidet.

    (Sehr gut! bei der SPD)

    Auch dies muß man ganz klar sehen, wenn man politisch weiterkommen will.
    Was wir nach all den Jahren der vielen kleinen Schritte nach vorn und auch der Rückschläge, die wir nicht verschweigen, benötigen, ist unsere unveränderte Entschlossenheit, zäh, geduldig und vernünftig jede Chance wahrzunehmen, die der Verständigung dient und Konflikte vermeiden hilft. Wir Freien Demokraten sehen hierin nach wie vor eine herausragende Aufgabe unserer Zusammenarbeit in der Koalition. Wir sind uns einig in der Zielrichtung, einig in der Verpflichtung, für die Menschen in Deutschland, für den Zusammenhalt der Nation und für die Aufrechterhaltung des Friedens den gemeinsam eingeschlagenen Kurs einer realistischen — und etwas anderes wollten wir nie — Entspannungspolitik nicht aufzugeben.
    Wir sind das unseren Bürgern hier in der Bundesrepublik Deutschland, aber auch unseren Mitbürgern in der DDR schuldig. Wir sind es ganz speziell den Berlinern schuldig, diese Politik zu treiben.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Meine Damen und Herren, diese Stadt hat doch wie keine sonst in Deutschland Nutzen aus der OstWest/West-Ost-Verständigung gezogen. Ihre vertraglich abgesicherte Position hat sie doch erlöst aus der Rolle des ständigen internationalen Konfliktherdes. Und wir wollen, daß das so bleibt.
    Die neue Senatsmannschaft unter dem Regierenden Bürgermeister Dr. Vogel — und ich möchte hier die Gelegenheit nutzen, weil keine Debatte über den Justizetat stattgefunden hat, dem Bundesjustizminister Dr. Vogel hier herzlich für seine jahrelange hervorragende Arbeit zu danken —

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    und Dr. Brunner bringt alle politischen und fachlichen Voraussetzungen mit, um die beträchtlichen Schwierigkeiten zu meistern, die zweifellos auch — ich sage: „auch" —, aber nicht nur Ausdruck der Insellage dieser Stadt sind.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Wir Freien Demokraten begrüßen es, daß sich hochqualifizierte Spitzenpolitiker zur Verfügung gestellt haben, um auch in der Berliner Innenpolitik die bestmöglichen Bedingungen für die Bewältigung der Zukunftsaufgaben zu schaffen. Wir wünschen ihnen dabei einen vollen Erfolg; wir wünschen ihnen einen vollen Erfolg um der Stadt Berlin willen, um unseres Gesamtauftrages willen. Wir haben nie gesagt, mit Berlin falle dieses oder jenes. Wir sind überzeugt: gute Arbeit wird auch in Berlin dazu beitragen, daß das, was sozialliberale Politik für diese Stadt an Festigkeit erreicht hat, beim nächsten Wahltag nicht vergessen wird. In diesem Bemühen unterstützen wir die Bundesregierung voll und ganz.

    (Anhaltender Beifall bei der FDP und der SPD)



Rede von Richard Wurbs
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)
Das Wort hat der Bundesfinanzminister.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Hans Matthöfer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Es ist ganz unvermeidlich, daß in einer Etatdebatte auch immer die Gesamtpolitik der Bundesregierung zur Debatte steht, und der Bundeshaushalt im Laufe der Debatte etwas in den Hintergrund rückt. Ich kann mich auch heute leider nicht mit den vielen Irrtümern und Widersprüchen der Opposition so auseinandersetzen, daß Ihnen das verständlich würde; das würde sehr viel mehr Zeit beanspruchen. In meiner Einbringungsrede habe ich mir allerdings Mühe gegeben, Zusammenhänge zwischen den weltwirtschaftlichen Entwicklungen und den sich daraus für uns ergebenden Anpassungszwängen in der Bundesrepublik Deutschland sowie dem, was an Politik notwendig ist, um diesen Anforderungen gerecht zu werden, herzustellen.
    Ich hätte von Ihnen gern erfahren, wie Sie uns dabei durch Kritik und Unterstützung helfen wollen, mit den Problemen der Zukunft fertig zu werden. Ich habe wenig davon gehört, wie Sie dazu beitragen oder helfen wollen, die doch erforderlichen Anpassungen an die veränderte Lage gemeinsam mit uns für unser Volk zustande zu bringen. Ich habe auch wenig darüber gehört, wie man mit dem wachsenden Leistungsbilanzdefizit fertig werden kann. Patentrezepte gibt es in dieser Lage sicherlich nicht.
    Es hilft auch nicht Ihr stereotypes Verhalten: Immer, wenn Energieprobleme zur Debatte stehen, sagen Sie Kernenergie. Sicher, Kernenergie ist wich- tig, aber sie ist doch kein Passepartout, kein Schlüssel für alle Lösungen unserer energiepolitischen Probleme. Sie sagen ständig Kernenergie; das erinnert mich an den Unteroffizier der kaiserlichen Armee, der immer auf den Karabiner 98 kam ohne Rücksicht darauf, was das Thema der Instruktionsstunde war. Thema „Was ist Treue": Treue ist kein



    Bundesminister Matthöfer
    leerer Wahn. Was ist Wahn? — Wahn ist ein Schießplatz bei Köln. Womit schießt die kaiserliche Armee?
    — Karabiner 98. Sie hätten natürlich Kernenergie gesagt.

    (Dr. Blüm [CDU/CSU]: Sie hatten schon bessere Witze! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    — Kernenergie, Kernenergie! — Ich sage Ihnen, so wichtig die Kernenergie ist und so wichtig der Streit um Brokdorf ist — ich will das gar nicht geringschätzen —: Das Hauptpotential zur Lösung unserer Schwierigkeiten liegt im Einsparen von Energie

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    und insbesondere im Einsparen von Öl. Da habe ich gar nichts gehört, da war nur Widerstand gegen die Mineralölsteuererhöhung. Es wird nichts nützen. Sie sagen: Wie wollen Sie mit den Beschäftigungsproblemen fertig werden? — Können Sie denn die Berechtigung der Kausalkette abstreiten, die ich Ihnen schon einmal dargestellt habe? Sehr hoher Öl-verbrauch führt zu einem Leistungsbilanzdefizit. Dies führt zur Notwendigkeit von Kapitaleinfuhren, um das Leistungsbilanzdefizit zu finanzieren. Dies führt zur Notwendigkeit hoher Zinsen. Hohe Zinsen dämpfen die Investitionslust. Gedämpfte Investitionslust bringt weniger Arbeitsplätze,

    (Zuruf von der CDU/CSU: Gebetsmühle!)

    und wenn Sie Beschäftigungspolitik machen wollen, müssen Sie

    (Zuruf von der CDU/CSU: Die Mineralsteuer erhöhen!)

    diese Kausalkette zurückgehen. Wer mehr Arbeitsplätze will, muß vor allen Dingen mehr private Investitionen wollen, muß die Zinsen senken.

    (Zurufe und Beifall bei der CDU/CSU)

    — Es nützt j a nichts, daß Sie an irgendeinem Zwischenglied der Kette Beifall klatschen, wenn die Logik bei Ihnen nicht ausreicht, eine Kausalkette über fünf oder sieben Glieder zu verfolgen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Dr. Blüm [CDU/CSU]: Da langen mir schon zwei Glieder!)

    Wenn Sie private Investitionen wollen, müssen Sie die Zinsen senken. Wenn Sie die Zinsen senken wollen, müssen Sie das Leistungsbilanzdefizit vermindern. Sie müssen es auf eine Art und Weise vermindern gegenüber den Ölländern, damit Sie nicht noch für die anderen Welthandelspartner zusätzliche Schwierigkeiten schaffen, etwa durch eine aggressive Exportpolitik.
    Sie müssen den Ölverbrauch vermindern. Wie wollen Sie denn das anders tun als über den Preis? Das müssen Sie mir doch mal erklären. Da gab es die geradezu naiv-abenteuerliche Vorstellung, die Bundesregierung würde mit ihrem Vorschlag, die Mineralölsteuer zu erhöhen, nur die OPEC anreizen, die Preise zu erhöhen. Glauben Sie denn wirklich, daß die Herren, die dort zusammensitzen, sich bei ihren Entscheidungen über die Ölpreiserhöhungen mit der innerdeutschen Steuerpolitik beschäftigen? Welche Probleme haben sie denn? Sie müssen jetzt
    schon, damit die westliche Wirtschaft nicht aus Mangel an diesem strategischen Energierohstoff zusammenbricht, weit über ihren Bedarf hinaus liefern. Das ist doch die Ursache der Überschüsse. Es ist doch kein böser Wille, daß die sich da ansammeln. Der Grund ist doch die mangelnde Absorptionsfähigkeit, die mangelnde Fähigkeit, das vernünftig anzulegen. Daher kommen doch die hohen Überschüsse. Ist das denn sinnvoll für diese Leute angesichts der Tatsache, daß der Preis und der Wert des Öls viel, viel stärker wachsen als etwa die Zinsen, die sie — nach Abzug der Inflationsraten — dafür kriegen? Dies ist eine Leistung, insbesondere Saudi-Arabiens, die man anerkennen muß.
    Ich halte wenig davon, wenn der Kollege Haase hier sagt: „Dann muß er sich im Orient das Geld pumpen." Wir würden mit diesem Leihen bei den Saudis ihnen die Möglichkeit schaffen, nicht nur unsere Leistungsbilanz ziemlich schmerzlos und nach den Wünschen der Bundesbank zu finanzieren, sondern ihnen auch die Möglichkeit geben, ihre Überschüsse risikogestreut einigermaßen wertgesichert und mit einer gewissen Rendite anzulegen.
    Also lassen Sie sich das alles noch einmal durch den Kopf gehen. Überlegen Sie, ob Sie nicht doch mithelfen wollen, den Ölverbrauch in der Bundesrepublik marktgerecht und so, daß die Ressourcen für Investitionszwecke im Lande bleiben und nicht nach draußen gehen, zu sichern. Die ölexportierenden Staaten werden ihren Ölpreis steigern müssen nach der Logik ihres eigenen Interesses, bis der Ölverbrauch drastisch zurückgeht. Was auf dem Wege dorthin passiert und wie dies geschieht — da haben sie überhaupt keine Beschwerden gegen uns vorzubringen, sondern sie fordern uns geradezu auf.

    (Beifall bei der FDP)

    Wir haben große Fortschritte beim Öleinsparen erzielt. Daran ist gar kein Zweifel. Wir haben auch große Fortschritte bei unseren Exportbemühungen erzielt. Der Anteil unseres Exports ist in den letzten zehn Jahren drastisch gestiegen. Das kann doch wohl nicht an der mangelnden Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft liegen. Die ist international wettbewerbsfähig. Wir werden allerdings hier auch weiter helfen. Wir müssen das. Das bedeutet nicht, daß wir nicht Subventionen streichen, auch investitionslenkende Subventionen streichen müssen, wenn sie ihren Sinn verloren haben.
    Ein Beispiel für eine der Maßnahmen: der Wegfall der Mineralölsteuerbefreiung im öffentlichen Personennahverkehr. Das bringt mir eine Menge Arger ein und fast kein Geld für den Bundeshaushalt. Denn durch die Art und Weise, wie das bei uns organisiert ist, erhöhen sich, wenn die Mineralölsteuerbefreiung wegfällt, automatisch durch den Mechanismus der Verteilung die Investitionsmittel der Gemeinden für Verkehrsinvestitionen. 90 % des gesamten zusätzlichen Aufkommens gehen wieder an die Gemeinden zurück. Da ist doch die Frage: warum mache ich denn das, wenn so wenig für den Bundeshaushalt herauskommt — bei so viel Arger, der ja zweifellos kommen wird? Ich will Ihnen sagen, warum: um das Investitionskalkül der Verkehrsträger im ÖPNV — im öffentlichen Personennahverkehr —



    Bundesminister Matthöfer
    zu ändern, damit das Öl für sie teurer wird, damit sich energieölsparende Investitionen lohnen und ihnen im gleichen Schritt auch die Mittel für diese Investitionen zur Verfügung gestellt werden. Wenn Sie sich ansehen, wie wir versuchen, das volkswirtschaftliche Interesse bei jeder Einzelmaßnahme im Auge zu haben, können Sie vielleicht doch anders urteilen. Natürlich lenken wir hier auch Investitionen. Mir wurde ja im Laufe der Debatte vorgehalten, ich würde Investitionen lenken. Natürlich tue ich das. Ihre Geisteshaltung jagt Ihnen eine panische Berührungsangst vor einigen magischen Worten ein. Investitionslenkung ist eines davon. Ja, was machen wir denn den ganzen Tag?

    (Dr. Schwarz-Schilling [CDU/CSU]: Das frage ich mich auch!)

    Berlinförderung! Da gibt es jetzt sehr interessante Vorschläge, die bei gleichem Aufwand die effektivere Lenkung von Investitionen nach Berlin zum Ziel haben. Das wird in den nächsten Jahren sicher ein ergiebiges Diskussionsthema sein. Ich nenne weitere Beispiele für Investitionslenkung: Zonenrandförderung, die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur", § 7 b des Einkommensteuergesetzes. Was haben wir denn in all den Jahren mit § 7 b gemacht? Wir haben doch Investitionen in den Wohnungsbau gelenkt, oder sehe ich das falsch? Sicherung der deutschen Steinkohle, Bundesbahn, das Zukunftsinvestitionsprogramm, das Programm zur Förderung heizernergiesparender Investitionen, die Rolle der Bundesunternehmen in strukturschwachen Gebieten! Ja, was ist denn das anderes als Investitionslenkung? Gehen Sie doch weg von diesen ideologischen Tabus! Kommen Sie doch zur Sache! Lassen Sie uns doch darüber reden, ob das, was wir da machen, richtig und ordentlich ist! Da stehe ich Ihnen zur Verfügung. Ich bin ja für eine Verbesserung dieser Dinge.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Ich behaupte gar nicht, daß alles, was wir machen, ordentlich ist. Wir haben j a eine Menge von Ihnen übernommen. Einiges ist verbesserungsbedürftig, kann aber

    (Dr. Blüm [CDU/CSU]: Wir machen es besser selber!)

    wegen des Widerstandes der Länder und wegen der bedauerlichen Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat nicht gemacht werden. Wenn die Mehrheitsverhältnisse anders wären, könnten wir es vielleicht auch nicht machen, aber die Chance wäre größer. Wir sollten einmal miteinander darüber reden. Aber gehen Sie mir doch weg mit Ihrer Ideologie.
    Genau dasselbe gilt für die automatische Vollbeschäftigungsgarantie. Dies bedeutet doch nicht, wie mehrere Redner hier gesagt haben, wir hätten das Bestreben aufgegeben, Vollbeschäftigung in der Bundesrepublik wiederherzustellen und zu sichern.

    (Dr. Barzel [CDU/CSU]: Sie haben Pessimismus verbreitet!)

    Wie könnten wir denn, wo doch die Arbeitskraft unserer Menschen unsere große Produktivkraft ist! Es
    bedeutet nicht Abkehr vom Ziel der Vollbeschäftigung,

    (Kiep [CDU/CSU]: Aber mit Garantie, Herr Matthöfer! Das ist ein großer Unterschied! — Weiterer Zuruf von der CDU/CSU: Auf die Ergebnisse kommt es an!)

    wenn man sagt: Es wird in den 80er Jahren wesentlich schwieriger, und wir werden uns Mühe geben, so wie wir es in den letzten Jahren getan haben. Wir haben doch — Wirtschaftsforschungsinstitute haben das berechnet — mit unserer Kreditaufnahmepolitik wahrscheinlich 900 000 Arbeitsplätze gesichert. Das ist doch keine Selbstverständlichkeit. Da kann man doch die tatsächlichen Ursachen nicht einfach wegreden wollen.

    (Dr. Blüm [CDU/CSU]: Wie viele haben wir verloren?)

    — Lieber Herr Blüm, lassen wir Japan einmal außen vor; dazu komme ich gleich noch. Wenn Sie einen Vergleich ziehen zu den Preissteigerungen und der Arbeitslosigkeit in den leistungskräftigen Industrieländern der OECD, die so demokratisch organisiert sind wie wir, werden Sie sehen, daß es in allen anderen Ländern — Österreich wird hier nicht mitgerechnet —,

    (Dr. Barzel [CDU/CSU]: Warum nicht Großbritannien!)

    im Schnitt und umgerechnet auf die Größenordnung der Bundesrepublik zwischen 700 000 und 1 Million mehr Arbeitslose gibt. — Zu Großbritannien sage ich dann gleich auch noch ein Wort. — Wir hatten eine Preissteigerung in Höhe von 5 %; bei den anderen Ländern waren es im Schnitt 13 %. Das ist doch ein Wort, wenn ich sage, daß wir eine Million Arbeitslose weniger und etwas mehr als ein Drittel der dortigen Preissteigerung haben. Das ist doch eine vernünftige Politik in einem Land, das so in die internationale Arbeitsteilung verflochten ist, wie wir es sind. Wir müssen 97 % des Öls, das wir verbrauchen und 90% der Rohstoffe, die wir verbrauchen, einführen. Der Anteil der Ausfuhr am Bruttosozialprodukt beträgt 28 %. Diese Rate ist in den letzten zehn Jahren von 22,5 % auf über 28 % gestiegen. Das ist doch eine Leistung. Warum muß denn das, was wir gemeinsam, alle Deutschen, fertiggebracht haben, nun in Zweifel gezogen werden? Warum muß denn nun Unsicherheit in bezug auf die Leistungsfähigkeit unserer Wirtschaft geschaffen werden? Das hilft doch keinem. Wir werden diese vernünftige Finanzpolitik auch weiterhin betreiben, weil wir eine große Lehre aus den 30er Jahren gezogen haben.
    Redner Ihrer Fraktion und Bundesratsvertreter haben hier mehrfach gesagt: Aber Ihr habt ja in den Jahren der Hochkonjunktur das Pulver verschossen — das war die Terminologie —, das man jetzt eigentlich brauchte. Darin steckt natürlich ein Widerspruch, auf den man einmal eingehen müßte. Einmal sagen Sie, die ganzen Defizite hätten überhaupt keine Beschäftigung geschaffen, das sei alles überflüssig gewesen, und zum anderen sagen Sie: Aber Sie haben doch vorher schon alles ausgegeben, was



    Bundesminister Matthöfer
    Sie jetzt eigentlich zur Sicherung der Beschäftigung einsetzen könnten.

    (Kiep [CDU/CSU]: Das ist eine Frage der Instrumente, Herr Matthöfer!)

    — Ja, ja. — Was haben wir denn aus der großen Krise gelernt? Wir haben einmal gelernt, daß auf jeden Fall verhindert werden muß, daß es zu einer prozyklischen Haushaltspolitik kommt. Wir dürfen keine Politik à la Brüning betreiben, sondern sollten lieber Defizite in Kauf nehmen. Zum zweiten muß auf jeden Fall die internationale Zusammenarbeit gesichert werden. Es muß verhindert werden, daß es hier zu protektionistischen Maßnahmen, zu einem Zerfall des Weltmarktes kommt, weil gerade wir Deutschen darunter leiden würden. Enorm viel Arbeit muß da hineingesteckt werden: vom Bundeskanzler, vom Bundeswirtschaftsminister oder auch vom Bundesfinanzminister. Gut 35 % meiner Arbeitszeit gehen in diese internationalen Bemühungen, das funktionsfähig zu halten. Wir haben es — trotz der großen Schwierigkeiten — funktionsfähig gehalten. Deshalb ist es so wichtig, daß wir das auch in Zukunft vorantreiben.
    Nun habe ich gesagt, daß sich der strukturelle Anpassungsbedarf, vor dem wir stehen, nicht mit allgemeinen Ausgabenprogrammen befriedigen läßt und daß ich deshalb dagegen bin. Ich sehe im Moment überhaupt keinen Anlaß, zur Lösung der Probleme, mit denen wir es zu tun haben, allgemeine Ausgabenprogramme aufzulegen. Aber das bedeutet doch noch nicht, daß man nun etwas kritisiert, was man selbst gemacht hat. Wir haben Ausgabenprogramme ja nie global zur Finanzierung nur von Nachfrage eingesetzt, es sei denn in Form von Steuersenkungen; das ist doch unbestritten. Wir haben vielmehr gezielte Programme zur Modernisierung unserer Volkswirtschaft, zur Energieeinsparung, für mittlere und kleinere Unternehmen usw. durchgeführt. Auch haben wir eine entsprechende Politik für Problemgruppen des Arbeitsmarktes gemacht. Ich darf hier nur einige Beispiele nennen: Herabsetzung der Altersgrenze bei den Schwerbehinderten, Verlängerung des Mutterschaftsurlaubs für erwerbstätige Frauen, Einführung von BAföG für Jugendliche im Berufsgrundbildungsjahr im 10. Schuljahr. Das sind doch — bei aller Problematik auch dieser Maßnahmen — alles Versuche gewesen, den Gruppen zu helfen, die besondere Probleme am Arbeitsmarkt haben, und das ist mit großem Erfolg geschehen. Während die Jugendarbeitslosigkeit in Großbritannien in dieser Zeit mehr als 10 % beträgt, ist sie bei uns wesentlich niedriger und liegt sie weit unter dem Durchschnitt der allgemeinen Arbeitslosigkeit. Ist das denn keine Leistung, über die einmal zu sprechen sich lohnt? Lohnt es sich nicht, darüber zu sprechen, wie man das gemacht hat und wie man da weiter vorankommt?

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Erlauben Sie mir noch — zusätzlich zum Bundeskanzler — ein Wort zu Japan, das hier in der Debatte eine große Rolle gespielt hat. Da gibt es natürlich Übereinstimmungen: Japan ist, wie wir, ein rohstoffarmes Land, dicht besiedelt, hochindustrialisiert; aber da hört's dann auch schon auf. Im übrigen kann
    man aber aus dem japanischen Leistungssyndrom nicht einfach den eine oder anderen Aspekt her- ausnehmen und beispielsweise sagen: Die Wochenarbeitszeit ist bei denen länger. Dann kommt Herr Blüm und sagt: Die hören mit 55 Jahren aber auch schon auf.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Stimmt doch!)

    Man muß hier vielmehr doch auch einmal sehen, welche Funktion die Sprache, die Tradition, das Arbeitsethos hat, daß hier noch ein Nachholbedarf bei den Löhnen, in der Sozialpolitik, der sozialen Sicherung besteht. Das gehört doch alles in diesen Zusammenhang hinein.
    Ich will aus dem japanischen Leistungssyndrom einmal zwei Aspekte in die Debatte einführen, die ganz sicher auch dazugehören: die Zusammenarbeit zwischen Staat und Industrie bei der direkten Forschungsförderung und die japanischen Haushaltsdefizite. Darüber auch und gerade in einer Haushaltsdebatte zu sprechen, ist angebracht, wenn Japan immer so als Beispiel hingestellt wird. Das Ifo-Institut hat im Dezember eine hochinteressante Untersuchung vorgelegt, in der es wie folgt heißt:
    Alle gesamtwirtschaftlichen Projektionen gehen aus von einer grundlegenden Umstrukturierung der japanischen Wirtschaft in den 80er Jahren.
    Ich darf hinzufügen: sich gründend auch auf eine enorme Anstrengung im japanischen Bildungswesen, die arbeits- und industriebezogen organisiert ist; davon kann man sicher etwas lernen.
    Innerhalb dieser Struktur soll der Maschinenbau mit dem Schwergewicht Präzisionsmaschinen und Elektrotechnik stark wachsen. Die technologischen Fortschritte auf dem Gebiet der elektronischen Bausteine — das erwarten die Japaner — werden den Maschinenbau stark befruchten. Andere Industrien, die sie mit Macht fördern, sind Nachrichtentechnik, Computerindustrie, elektromedizinische Geräte und Werkzeugmaschinen.
    In Japan ist es nun so, daß die Industrie diesen Umstrukturierungsprozeß gemeinsam mit dem Staat angeht. Dabei wird sie mit vielfältigen Hilfen und Subventionen — Entwicklungskredite, Steuervergünstigungen und was weiß ich — unterstützt. Als Beispiel darf ich hier einmal die Herstellung elektronischer Bauelemente anführen. Da haben sich 1976 das Ministerium für internationalen Handel und Industrie, das berühmte Miti, und die größten nationalen Hersteller elektronischer Bauelemente zusammengesetzt und ein Vier-Jahres-Programm für Größtintegration vereinbart, das mit 650 Millionen DM gefördert worden ist. In diesen vier Jahren sind die dann zu mikroelektronischen Bauelementen gekommen — auf englisch: very large scale integration —, die beispielhaft und den amerikanischen weit überlegen sind. Aber das ist das Ergebnis der Zusammenarbeit großer Konzerne mit enormem finanziellem Einsatz des Staates. Wenn wir in den nächsten Jahren Schwierigkeiten mit dem Import japanischer Elektronik haben, dann nicht, weil die Japaner billiger sind oder mehr arbei-



    Bundesminister Matthöfer
    ten, sondern weil hier ein jahrelanger Vorlauf in der Förderung bestimmter industrieller Techniken durch den Staat bei der Industrie besteht.

    (Dr. Schwarz-Schilling [CDU/CSU]: Und bei uns Blockierungen durch den Staat! Die müssen Sie erst einmal wegbringen! — Dr. Blüm [CDU/CSU]: Wer war denn hier Forschungsminister?)

    — Sie glauben j a wohl nicht, man könnte mikroelektronische Bauelemente, die man für die numerische Steuerung von Werkzeugmaschinen benötigt, mit Hilfe indirekter Forschungsförderung bekommen. Das ist doch wohl das, was Sie uns im Wahlkampf immer um die Ohren geschlagen haben.

    (Zuruf von der CDU/CSU)

    — Ich will ja gar nichts von Japan übertragen. Ich sage nur: Wenn man über Japan spricht, muß man auch das sehen.
    Dann muß man natürlich auch die Kreditfinanzierung sehen. Von 1975 bis 1979 stieg die japanische Staatsschuldenlast um 325 %; bei uns stieg sie um 117 %. In diesem Jahr wird der japanische Staatshaushalt wie auch in den vergangenen Jahren — ich habe das erst gar nicht glauben können — zu 30 bis 35 % durch Kredit finanziert: bei uns sind es 12 %. In Japan ist die Kreditfinanzierungsquote des Haushalts dreimal so hoch wie bei uns. Das können Sie doch wohl nicht vergessen, wenn Sie uns anklagen, wir hätten den Staat verschuldet und dadurch, Herr Sprung, das Leistungsbilanzdefizit. Ich würde mich j a gern mit Ihnen auseinandersetzen, wenn ich die Zeit dazu hätte.

    (Dr. Blüm [CDU/CSU]: Nur Mut!)

    Vielleicht ergibt sich das noch einmal. Sie werfen uns also vor, wir hätten durch die Staatsverschuldung die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft vermindert und sollten uns doch bitte die große japanische Leistungsfähigkeit als Beispiel ansehen. Gehen Sie doch einmal nach Japan und untersuchen Sie einmal genau, worauf dies zurückzuführen ist: auf kreditfinanzierte zukunftbezogene Strukturpolitik. Davon brauchen wir mehr und nicht weniger auch in der Bundesrepublik.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Dr. Schwarz-Schilling [CDU/CSU]: Sie regieren doch seit 1969! — Dr. Sprung [CDU/CSU]: Dafür haben Sie das Geld nicht ausgegeben!)

    Ein breites Spektrum von Maßnahmen ist nötig, um die unternehmerischen Initiativen zu stärken, vor allem Forschung, Technologie und Innovationen zu fördern und den Regionen und Wirtschaftszweigen, die in besonderem Maße von Strukturwandel betroffen sind, zu helfen, kleinen und mittleren Unternehmen, von denen wir möglichst viele und möglichst leistungsfähige brauchen, denen wegen ihrer Flexibilität und Anpassungsfähigkeit eine große Bedeutung zukommt. Damit haben wir ja nicht erst gestern begonnen, sondern wir machen das ja schon seit einem Jahrzehnt.
    Das strategische Hauptziel der Bemühungen in den nächsten Jahren aber muß sein, als Voraussetzung einer vernünftigen Beschäftigungspolitik Öl einzusparen. Bis dies in ausreichendem Maße gelingt, müssen wir als großer Industriestaat unserer Verantwortung gerecht werden und dafür Sorge tragen, daß die Leistungsbilanzdefizite überall in der Welt finanzierbar bleiben und daß das Gleichgewicht auf den internationalen Kapitalmärkten diese funktionsfähig erhält. Angesichts eines OPEC¡Jberschusses von zwischen 80 und 100 Milliarden Dollar im Jahre 1981 wird das gar nicht leicht sein; das ist eine sehr schwierige Aufgabe.
    Vor diesem Hintergrund muß man den Haushalt betrachten. Ich wäre Ihnen dankbar — ich wiederhole das, weil es so wichtig ist —, wenn Sie mir darin zustimmten, daß die Erhöhung der Benzinsteuer unverzichtbar ist. Jede Ausgleichsmaßnahme, die die verbrauchshemmende Wirkung der Steuererhöhung neutralisiert, wäre bedenklich.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Wir kommen an der fundamentalen Wahrheit nicht vorbei, daß man nicht weniger Öl verbrauchen kann, ohne weniger Öl zu verbrauchen. Das geht doch nicht anders.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Lachen und ironische Zustimmung bei der CDU/ CSU — Dr. Schwarz-Schilling [CDU/CSU]: Eine ganz neue Erkenntnis! — Kiep [CDU/ CSU]: Endlich sprechen Sie eine Sprache, die auch wir verstehen!)

    Es haben sich nun mal auf der Grundlage falscher Marktsignale durch die niedrigen Ölpreise bei uns Siedlungsstrukturen, Produktionsstrukturen, Verbrauchsgewohnheiten und Erwartungshaltungen gebildet, die geändert werden müssen. Das wird schmerzhaft sein. Ich appelliere an Sie, uns bei dieser gesamtstaatlichen Aufgabe hier nicht in den Rücken zu fallen und sich aus kleinlichen Überlegungen heraus gegen die Erhöhung der Mineralölsteuer zu wenden, weil Sie sich diesen oder jenen Vorteil davon versprechen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Wir müssen die Fehlentwicklungen aus der Periode des scheinbar billigen Öls korrigieren und dürfen nichts tun, was diese Fehlentwicklungen noch weiter in die Zukunft hinein verlängert. Dazu habe ich in dieser Debatte eigentlich ganz wenig gefunden. Herr Häfele legt dar: Die CDU/CSU sagt zu der Anhebung der Mineralölsteuer und der Branntweinsteuer — erstaunlicherweise — nein. Zum Subventionsabbaugesetz sagt man: im Prinzip richtig. Aber jede einzelne Einsparungsmaßnahme ist hier von Ihren Rednern kritisiert worden; nicht eine einzige unserer Einsparungsmaßnahmen ist diesem Schicksal entgangen. Jeder hatte hier seine Klientel: Herr Kiechle zur Landwirtschaft, Herr Pieroth zur Entwicklungspolitik, die Verteidigungspolitiker, die Sozialpolitiker. Jeder sagt: Wir beklagen eure Ausgabenwirtschaft, ihr müßt sparen; aber in dem Bereich hier müßt ihr drei Prozent real bringen, hier müßt ihr 0,7 % des Bruttosozialprodukts aufwenden; dort



    Bundesminister Matthöfer
    tut ihr zu wenig für die Bauern, und für die Bildung tut ihr auch zu wenig!

    (Zuruf von der CDU/CSU: Internationale Zusagen!)

    Diese Opposition ist in einem Zustand, bei dem jeder Interessenvertreter seine Wünsche vortragen kann. Herr Kiep, ich denke, Sie sind der große Koordinator! Sie haben noch eine Menge Arbeit vor sich,

    (Heiterkeit und Beifall bei der SPD und der FDP)

    um eine kohärente, in sich geschlossene Alternative der Opposition vorzuweisen. Das geht doch alles nicht zusammen!