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ID0901719500

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    Plenarprotokoll 9/17 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 17. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 28. Januar 1981 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 607 A Eidesleistung des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft Engholm, Bundesminister BMBW 607 B Fortsetzung der Aussprache über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1981 (Haushaltsgesetz 1981) — Drucksache 9/50 — in Verbindung mit Beratung des Finanzplans des Bundes 1980 bis 1984 — Drucksache 9/51 — in Verbindung mit Fortsetzung der ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Mineralöl- und Branntweinsteuer-Änderungsgesetzes 1981 — Drucksache 9/91 — in Verbindung mit Fortsetzung der ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Abbau von Subventionen und sonstigen Vergünstigungen, zur Erhöhung der Postablieferung sowie zur Klarstellung von Wohngeldregelungen (Subventionsabbaugesetz) — Drucksache 9/92 — Dr. h. c. Strauß, Ministerpräsident des Freistaates Bayern 608A Dr. Posser, Minister des Landes NordrheinWestfalen 622 C Hoppe FDP 633 B Dr. von Weizsäcker CDU/CSU 637 D Brandt SPD 645A Genscher, Bundesminister AA 652 B Würzbach CDU/CSU 661 D Dr. Apel, Bundesminister BMVg 666 C, 680B, 681 B Jung (Kandel) FDP 673 C Biehle CDU/CSU 675 D Würtz SPD 678 D II Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 17. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. Januar 1981 Dr. Wörner CDU/CSU 680 D Dr. Mertes (Gerolstein) CDU/CSU . . . 682 B Dr. Ehmke SPD 686 B Schäfer (Mainz) FDP 691 C Dr. Hupka CDU/CSU 693 D Pieroth CDU/CSU 696 B Schluckebier SPD 698 D Frau Schuchardt FDP 701 B Offergeld, Bundesminister BMZ 704 D Dr. Köhler (Wolfsburg) CDU/CSU 707 C Dr. Hupka CDU/CSU (Erklärung nach § 32 GO) 709 C Nächste Sitzung 709 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 710*A Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 17. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. Januar 1981 607 17. Sitzung Bonn, den 28. Januar 1981 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. van Aerssen 30. 1. Dr. Ahrens * 30. 1. Dr. Althammer 30. 1. Dr. Bardens * 30. 1. Böhm (Melsungen) * 30. 1. Büchner (Speyer) * 30. 1. Dr. Dollinger 30. 1. Dr. Enders * 30. 1. Francke (Hamburg) 30. 1. Dr. Geßner * 30. 1. Dr. Hennig 30. 1. Hoffie 28. 1. Dr. Hubrig 30. 1. Jäger (Wangen) * 30. 1. Junghans 28. 1. Kittelmann * 30. 1. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Klein (Dieburg) 30. 1. Korber 30. 1. Lemmrich * 30. 1. Lenzer * 30. 1. Männing * 30. 1. Dr. Müller * 30. 1. Müller (Wadern) * 30. 1. Frau Pack * 30. 1. Peter (Kassel) 30. 1. Petersen ** 30. 1. Reddemann * 30. 1. Rösch * 30. 1. Sander 30. 1. Dr. Schäuble * 30. 1. Schmidt (München) * 30. 1. Schmidt (Würgendorf) * 30. 1. Dr. Schroeder (Freiburg) 30. 1. Schulte (Unna) * 30. 1. Frau Simonis 30. 1. Frau Dr. Skarpelis-Sperk 30. 1. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim * 30. 1. Dr. Sprung * 30. 1. Dr. Unland * 30. 1. Dr. Vohrer * 30. 1. Dr. Wittmann (München) * 30. 1. Dr. Wieczorek 30. 1.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Horst Ehmke


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Sie können es nachlesen. Soweit sich Herr Hansen dafür einsetzt, daß man vom Militärhaushalt etwas zur Entwicklungshilfe hinüberbringt, halte ich das für eine Frage, die diskutiert und dann in der Sache entschieden werden muß. Wir haben sie entschieden. In der Form, in der er das gestern mit uns gemacht hat, kann er das mit uns nicht machen. Ich bin nicht bereit, mich beleidigen zu lassen, schon gar nicht aus meiner eigenen Partei.
    Sie haben von der „Droge Entspannung" gesprochen. Ich komme damit auf die Außenpolitik zurück. Ich verstehe das nicht ganz. Wir haben mit dem Harmel-Bericht zusammen mit den Verbündeten angefangen, Entspannungspolitik auf der Basis des Gleichgewichts zu machen.

    (Dr. Barzel [CDU/CSU]: Auf der Basis von Abschreckung und nicht von Entspannung, sondern von Zusammenarbeit mit dem Ziel, politische Spannungsursachen zu beseitigen! Das ist der Text von Harmel!)

    — Auf der Basis des Gleichgewichts eine Zusammenarbeit für Entspannung, die das zweite Bein ist neben der Verteidigung.

    (Dr. Barzel [CDU/CSU]: Abschreckung heißt es dort!)

    — Gleichgewicht gehört zur Abschreckung. Das ist kein Streit zwischen Mertes und mir.
    Nun bitte ich Sie, lesen Sie doch einmal den Beschluß des NATO-Ministerrats vom letzten Dezember. Es ist doch nicht so, daß wir inzwischen anderer Meinung sind. Natürlich spiegelt dieser Beschluß wider, was passiert ist: starke sowjetische Rüstung, Afghanistan.



    Dr. Ehmke
    Was wir übrigens in dieser Debatte noch nicht gesagt haben, was ich aber sagen möchte: Ich halte das Verhalten der Sowjetunion in der Frage der amerikanischen Geiseln in Teheran nicht für etwas, was dem Entspannungsklima förderlich war. Hier lag eine schwere Verletzung des Völkerrechts vor, die, wenn sie hingenommen würde, den zivilisierten Verkehr unter Nationen zum Erliegen bringen würde. Die Sowjetunion hat am Anfang die Geiselnahme mit Mühe ein bißchen kritisiert und am Ende versucht, die Abmachung über die Geiselbefreiung zu Fall zu bringen. Dazu müssen wir von diesem Platz aus sagen, das ist nicht das, was wir uns unter Entspannungspolitik vorstellen.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Sagen Sie doch ein eindeutiges Wort! Jeder versteht unter Entspannung etwas anderes!)

    — Es hat doch keinen Zweck, daß wir hier Wortdefinitionen machen. Wir müssen in die konkreten Probleme hineingehen.
    Ich komme auf ein anderes Problem. Sie haben hier über die neue amerikanische Regierung gesprochen. Ich warne davor, das zu machen, was Kollege Strauß heute gemacht hat, nämlich zu sagen, wie dicht die CDU/CSU doch an den Amerikanern sei und was wir alles kritisch zu den Amerikanern sagen. Dies ist lächerlich. Wir haben oft Streit gehabt im Bündnis. Zu Adenauers Zeit hatten wir Streit um den Radford-Plan. Dann hatten wir eine heroische Auseinandersetzung um die MLF, wo wir als letzte die Fahne hochhielten und mit ihr untergingen, Herr Wörner, wir alle, noch zusammen mit dem Kollegen Erler. Dann hatte Herr Erhard seinen Streit um Offset. So etwas gehört zu einem freien Bündnis.
    Und Herr Strauß — mein Gott, soll ich alles zitieren, was der über die Amerikaner gesagt hat? Er hat nur noch einen feinen Unterschied gemacht, weil er die Europäer „Pygmäen" genannt hat; die sind offenbar noch schlechter als die Amerikaner.
    Ich sage Ihnen: Ein deutscher Patriot, in welcher Partei er auch immer ist, wird doch nicht den gewachsenen Handlungsspielraum der Bundesrepublik in Frage stellen wollen. Weder Sie noch wir werden zwei Dinge in Frage stellen wollen: Wir sind loyale Bündnispartner: dieses Land hat keine Sicherheit ohne das Bündnis mit den Amerikanern. Das ist Nummer 1. Nummer 2: Wir sind keine Satelliten; wenn man uns zu etwas haben will, dann muß man darum unsere Interessen mit berücksichtigen, mit uns sprechen und sich einigen.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Das ist doch selbstverständlich!)

    Daher muß — ich sage das nach allen Seiten — damit aufgehört werden, daß man immer die amerikanische Regierung, die gerade dran ist, für sich allein in Anspruch nimmt. Sie müssen auch nicht meinen, daß das drüben großen Eindruck macht; das sind Profis, die wissen, woran sie sind.
    Nun will ich zu der amerikanischen Politik noch zwei Dinge sagen. Ich warne meine Kollegen, die zum Nachrüstungsbeschluß reden, davor, irgend etwas in Amerika zu antizipieren, was gar nicht passiert ist. Wer an den Verhandlungen festhalten will, die Teil des Nachrüstungsbeschlusses sind, der muß auch am ersten Teil festhalten. Sonst geht es umgekehrt so, daß andere nur am ersten und nicht auch am zweiten Teil festhalten. Da darf man nicht nervös sein und darf nicht unterstellen, was man noch gar nicht weiß. Die Amerikaner haben schon erklärt — Außenminister Haig in seiner Anhörung vor dem Senat — daß SALT weitergeführt werden soll, daß sie aber meinen, das müsse anders gehen als bisher. Das wird man sehen. Ich halte es übrigens nicht für ausgeschlossen, daß nach einer gewissen Vorbereitungszeit die Gespräche schneller wieder in Gang kommen, als heute mancher meint.
    Man muß auch sehen, daß die Amerikaner doch die gleichen Schwierigkeiten haben wie wir. Bei dem Tornado ist die CDU/CSU nicht sehr konsequent, Herr Wörner. Da fehlt offensichtlich Geld; auf der anderen Seite wollen Sie noch TKF machen, dann fehlt noch mehr Geld.

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Es kommt darauf an, worum es geht!)

    Dann habe ich von Ihrem Parteivorsitzenden sogar noch eine Äußerung aus dem September, auch der Verteidigungsetat sei nicht tabu.

    (Abg. Dr. Wörner [CDU/CSU] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

    — Herr Wörner, Sie haben Ihr Soll an Zwischenfragen heute erfüllt. Ich bin gebeten worden, meine Zeit einzuhalten. Sie können sich j a wieder melden.

    (Dr. Wörner [CDU/CSU]: Sie haben fortlaufend die Dinge verdreht, Herr Ehmke!)

    Also ich sage: Diese Problematik, die wir beim Verteidigungshaushalt haben, haben die Amerikaner doch auch. Die Amerikaner werden nicht in der Lage sein, etwa 6 % des Bruttosozialprodukts für Verteidigungskosten aufzubringen — diese Zahl ist einmal genannt worden —, dazu drei Jahre hintereinander 10 % Steuersenkung across the board, wie gesagt worden ist und dann das Budget auszugleichen. Da kann man alles streichen, was von der Auslandshilfe noch übriggeblieben ist, und es stimmt dann immer noch nicht. Das heißt, auch die Amerikaner müssen das als gesamt-ökonomisch-militärisch-politisches Problem behandeln. Ich bin der Meinung, wir müssen uns ohne Vorurteile zusammensetzen und das machen, was wir seit Afghanistan gefordert haben, nämlich eine gemeinsame Strategie und eine Arbeitsteilung. Ich stimme Ihnen zu, Herr Kollege Mertes, da werden sich dann auch die Europäer nicht vor der Frage der Lasten in der Arbeitsteilung drücken können.
    Ich habe zu der Frage, was wir vernünftigerweise zusätzlich machen können, neulich in der Presse Stellung genommen und will das hier nicht wiederholen. Aber meine herzliche Bitte an alle Beteiligten geht dahin, das in Ruhe mit der neuen Administration zu besprechen mit dem Wunsch, zu mehr Gemeinsamkeit und zu mehr Handlungsfähigkeit zu kommen, anstatt alle möglichen Gespenster zu se-



    Dr. Ehmke
    hen und darauf zu schießen, bevor noch überhaupt klar ist, was die eigentlichen Probleme zwischen uns sein werden.
    Ich darf jetzt einen kritischen Punkt nennen und damit schon zur Frage der Entwicklungshilfe und der Dritten Welt überleiten. Es könnte nämlich sein, daß die Fragen der Dritten Welt kontroverser sein werden zwischen uns und den Amerikanern als die Ost-West-Fragen. Herr Haig hat in gewisser Weise recht, wenn er sagt, „Dritte Welt" sei kein guter Begriff, wir verdeckten unter diesem Sammelnamen sehr unterschiedliche Probleme. Darüber muß man nachdenken.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Das ist so!)

    Afghanistan zum Beispiel: Ich habe nie verstanden, warum der Westen eigentlich nie — ich habe, wie Sie wissen, auch unsere amerikanischen Freunde oft danach gefragt — eine politische Stellungnahme zu denen abgegeben hat, die in Afghanistan gegen die militärische Besetzung kämpfen. Ich halte das für einen Fehler. Dazu muß man sich politisch äußern, auch um der Glaubwürdigkeit in der Dritten Welt wegen. Das ist ein Akt des Kolonialismus, und der muß so behandelt werden, wie andere Akte des Kolonialismus auch. Das hat der Westen bisher nicht deutlich genug getan. Das ist eines der Dinge, die wir machen müssen, aber das ist nur ein Problem.
    Es ist ja auch nicht so, Herr Kollege Mertes, daß etwa nur der Westen Niederlagen in der Dritten Welt hinnehmen müßte. Ägypten war z. B. eine große Niederlage der Sowjets; es gibt noch andere. Mozambique z. B. sieht für sie auch nicht so schön aus. Es gibt dann eine ganze Reihe von Fällen, wo wir Niederlagen erlitten haben, wo wir aber überlegen müssen, inwieweit wir selbst daran schuld waren. Weder in Vietnam noch in Kambodscha, weder in Angola noch im Iran und auch nicht in der Türkei sähe es so aus, wie es heute aussieht, hätte es nicht schwere Fehler der westlichen Politik gegeben. Auch das muß offen diskutiert werden, weil man sonst nicht zu einer Analyse kommen kann, wie man es gemeinsam besser machen könnte.
    Da wir von Angola sprechen: Ich bin dem Außenminister immer dankbar gewesen, wie er sich in der Namibia-Frage eingesetzt hat. Ich halte die Lösung der Namibia-Frage so, wie es die Fünf vorgeschlagen haben, für eine zentrale Voraussetzung dafür, daß wir auch in der Frage Südafrika weiterkommen. Ich habe mit Interesse beobachtet, welche innenpolitische Machtposition sich in den letzten Monaten der Ministerpräsident von Südafrika geschaffen hat, um freiere Hand auch für einen Wandel zu haben. Ich bin gespannt, was er, nachdem er sich diese Voraussetzungen in Partei und Regierung geschaffen hat, nun wirklich wird tun können. Aber wir sollten in der Namibia-Frage nicht zurückstecken; denn das ist eine zentrale Frage der Glaubwürdigkeit des Westens in Afrika.

    (Zustimmung bei der SPD und der FDP)

    Ich will dann auf etwas eingehen, was schon zu Kontroversen mit der Carter-Regierung geführt hatte, auf die Fragen El Salvador und Nicaragua. Keiner von uns kann ohne Sorge sein über das, was dort vorgeht. Und das wird noch weitergehen. Ich möchte deshalb heute wiederholen, was Kollege Genscher kürzlich in einem sehr bemerkenswerten Vortrag zum 25jährigen Jubiläum der Deutschen Gesellschaft für Außenpolitik gesagt hat:
    Der Westen würde schließlich die Grundsätze einer fairen Partnerschaft mit den Staaten der Dritten Welt auch da verletzen, wo er sich als Protektor überholter Strukturen mißbrauchen ließe.
    Und er fügte ein prophetisches Wort hinzu:
    Die Entwicklung in Mittelamerika wird ein Testfall sein, ob der Westen diese Einsicht zu beherzigen weiß.
    Ich brauche über die Strukturen dieser Länder, über die Entwicklung, die dort vorgeht, nicht zu sprechen. Dort steht nicht das zur Debatte, was man in der amerikanischen öffentlichen Meinung gelegentlich den „amerikanischen Hinterhof" nennt — da bin ich sehr kritisch, denn das habe ich in Afghanistan von der anderen Großmacht auch gehört. Es geht vielmehr um die Glaubwürdigkeit westlicher Politik, in erster Linie der der Amerikaner als unserer Führungsmacht in Lateinamerika. Auch darüber muß in Ruhe gesprochen werden. Auch da mag übrigens eine Politik der Arbeitsteilung zwischen Europäern, sogar verschiedenen Europäern, und Amerika dem Westen insgesamt mehr dienen — ich sehe es im Nahen Osten ähnlich — als ein Versuch einer Gleichschaltung auf die amerikanische Linie. Auch das muß mit erörtert werden.
    Zum Schluß ein Wort über die Gefahren, in denen wir, wie ich glaube, alle stehen. Sehen Sie sich einmal die Entwicklungshilfe in Zahlen an! Ich bin zwar nicht der Meinung, daß die offizielle Entwicklungshilfe, der Transfer, die zentrale Frage unseres Verhältnisses zur Dritten Welt ist. Da gibt es ganz andere Fragen, Fragen der Weltwirtschaftsordnung. Im Zusammenhang mit dem Lomé-Abkommen z. B. haben wir einige dieser Fragen erörtert. Aber wir haben nun einmal 0,7 % des Bruttosozialprodukts versprochen. Die Bundesrepublik hatte 1965 0,4 % erreicht. Wir geben jetzt 0,43 % unseres Bruttosozialprodukts für die Entwicklungshilfe. Der Umfang der Entwicklungshilfe der Amerikaner ist in diesem Zeitraum von 0,5 % des Bruttosozialprodukts auf 0,2 % zurückgegangen. Die der westlichen Industriestaaten insgesamt beträgt 0,35 %. Da nützt das, was die Regierungschefs in Venedig gesagt haben, daß nämlich die Ölstaaten mehr geben müßten, auch nur begrenzt. Die Ölstaaten sind zwar finanziell flüssig, aber sie sind nicht reich im Sinn entwickelter Länder. Sie müssen bei der Währungssituation sogar noch um die Sicherheit ihres Geldüberhangs fürchten. Außenminister Haig hat neulich einiges dazu gesagt, wie Amerika mit seinem Dollar umgeht. Auch ein so reiches Land wie Amerika kann auf die Dauer nicht auf Kreditkarte leben. Außerdem leisten die Ölländer ihrerseits bereits eine Entwicklungshilfe in Höhe von 4 % ihres Bruttosozialpro-



    Dr. Ehmke
    dukts. Das ist das Zwölffache von dem, was die westlichen Industriestaaten leisten.

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Sie nehmen ihnen durch die Erhöhung der Preise aber mehr, als der gesamte Westen gibt! — Dr. Wörner [CDU/CSU]: Das ist eine sehr fragwürdige Rechnung, die Sie da aufmachen!)

    — Die Rechnung ist nicht fragwürdig. Richtig ist aber das, was Kollege Marx sagt: Sie geben viel Hilfe, aber die hohen Ölpreise bringen die Entwicklungsländer trotzdem in eine Situation, in der sie mehr für das 01 aufzubringen haben, als die Hilfe ausmacht. Da müßte man jetzt über die Gründe für die Ölpreise reden. Ich sage nur: Es ist nicht so, daß die wenig leisten. Aber wir laufen aus Gründen, die jeder kennt, in die Gefahr westlichen Versagens. Wir sehen es j a im eigenen Lande, bei der eigenen Regierung: Herausforderung durch die Rüstung der Sowjets; innenpolitische Notwendigkeit von Steuersenkungen, die wir vorgenommen haben und der amerikanische Präsident angekündigt hat, auf der anderen Seite die Notwendigkeit, der Inflation nicht noch weiter Vorschub zu leisten, das Budget also eng zu halten, was Gegenstand unserer heutigen Debatte ist. Wir laufen in eine Gefahr, in die wir uns nicht begeben sollten: daß die Amerikaner, aber auch wir anderen insgesamt auf dem Gebiet der Entwicklungshilfe in immer niedrigere Zahlen kommen, bis fast nichts mehr da ist. Das dürfen wir nicht zulassen. Und da liegt natürlich eine Spannung mit dem Rüstungshaushalt.
    Im Kampf um die Dritte Welt sind auch militärische Probleme zu lösen. Die Amerikaner sind z. B. dabei — in stiller Zusammenarbeit mit den Franzosen und den Engländern —, die Lage im Indischen Ozean einigermaßen zu stabilisieren. Von dieser Anstrengung her kommt auf die Europäer die Frage der Arbeitsteilung im Bündnis zu. Aber wir sind uns doch einig: die Dritte Welt ist im Zentralen ein Problem der politischen und wirtschaftlichen Stabilisierung. Amerika, Westeuropa und Japan zusammen haben eine wirtschaftliche Kapazität von 5 : 1 oder 5 : 1,5 gegenüber der Sowjetunion. Diese Kapazität muß gegenüber der Dritten Welt zum Tragen gebracht werden. Das ist mindestens so wichtig wie die militärischen Maßnahmen, trotz aller wirtschaftlichen und sonstigen Schwierigkeiten, über die ich gesprochen habe.
    Ich glaube, es wäre des Schweißes der Edlen wert, auch bei dieser Haushaltslage einen gemeinsamen Versuch zu machen, jedenfalls unseren Teil beizutragen, daß der Westen nicht aus den wirtschaftlichen Schwierigkeiten, in denen er selbst ist, dieses grundlegende Ziel, das Willy Brandt mit seiner Nord-Süd-Kommission so klar analysiert hat, aus den Augen verliert. Auf die Dauer wird das, was im Nord-Süd-Verhältnis passiert, mindestens ebenso wichtig, vielleicht sogar noch wichtiger sein für die Sicherheit unseres Volkes und der künfigen Generationen, als aufzupassen, daß im Ost-West-Verhältnis das Gleichgewicht erhalten bleibt. Keiner hat eine Patentantwort. Mein Eindruck war, daß die heutige Diskussion mit dazu beigetragen hat, vielleicht doch aus der sterilen Auseinandersetzung herauszukommen und uns wieder in etwas größerer, vielleicht nicht Gemeinsamkeit, aber Zuhörbereitschaft den Problemen zu widmen, vor denen wir gemeinsam stehen. — Schönen Dank.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)



Rede von Dr. Richard von Weizsäcker
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Abgeordnete Schäfer.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Helmut Schäfer


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich darf zunächst Herrn Kollegen Mertes für die hervorragende Beherrschung der, ich möchte sagen: materialistischen Dialektik, aber zumindest der Dialektik hier ein Kompliment machen. Denn die Art und Weise, wie Sie verschiedene Namen immer mit Für und Wider nannten, hat uns alle hier erfreut. Nur, Herr Kollege Mertes, zu diesem System These/Antithese gehört ja auch die Synthese. Da würde ich nicht sagen, es sei pervers, wenn die Opposition unserer Außen- und Sicherheitspolitik näherkommt, sondern ich würde sagen: Es ist ein Akt der gebotenen Vernunft. Vielen Dank für diese hervorragende Art und Weise zu argumentieren.

    (Beifall bei der FDP)

    Ich habe auch bei Herrn Kollegen Ehmke festgestellt, daß im Gegensatz zu früheren Debatten eigentlich so ein bißchen der Dampf heraus ist, daß es immer „des Schweißes der Edlen wert" sei, gemeinsame Bemühungen zu machen. Ich finde das sehr gut. Denn ich glaube, das Thema ist zu ernst, als daß man sich in Debatten verlieren dürfte, wie sie leider in den vergangenen Tagen da und dort zu hören waren.
    Herr Kollege Mertes, wenn Sie von einem Neubeginn sprechen, bin ich allerdings etwas verwirrt. Denn ich habe mir ein bißchen notiert, was der Bundesaußenminister als die Grundzüge dieser Politik dargelegt hat. Ich brauche das nicht mehr allzu sehr auszubreiten, aber vielleicht doch noch einmal vier mir wichtige Kernpunkte herausstellen.
    Erstens: die Einbettung unserer Außen- und Sicherheitspolitik in die Europäische Gemeinschaft und das Nordatlantische Bündnis; da sind wir, glaube ich, einverstanden. Einigkeit, Geschlossenheit und damit Stärke und Handlungsfähigkeit dieses Bündnisses; das werden Sie unterschreiben. Koordinierte und solidarische Politik der Partner; das hat der Herr Ehmke angesprochen, wobei wir Europa als gleichgewichtig ansehen. Ich finde, das wäre natürlich auch ganz wohltuent in der Europäischen Gemeinschaft, wenn man angesichts der zu lösenden großen Probleme gelegentlich bei kleineren Problemen etwas kulanter verführe. Ich denke an die Fischereirechte, die zu solchen Auseinandersetzungen Anlaß gegeben haben. Hier könnten unsere Freunde vielleicht auch mal die Großzügigkeit beweisen, die wir gelegentlich in der Vergangenheit innerhalb der Europäischen Gemeinschaft bewiesen haben.
    Herr Genscher hat zweitens gesagt: Wahrung des militärischen Gleichgewichts auf möglichst niedrigem Niveau. Ich bin nicht ganz sicher, ob wir hier



    Schäfer (Mainz)

    übereinstimmen, ob Sie das möglichst niedrige Niveau unterstützen würden,

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Das haben wir gesagt, haben wir unterstützt!)

    oder angesichts Ihres weltgeschichtlichen Weitblikkes hier größere Sorgen hätten. — Gut, auch hier stelle ich Einigkeit fest.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Strauß hat das mehrfach gesagt!)

    Ich gehe davon aus, daß Sie mit uns auch darin übereinstimmen, daß wir jede nur erdenkliche Möglichkeit nutzen wollen, sei es bei der Fortsetzung der Madrider KSZE-Folgekonferenz, bei der MBFR in Wien oder vielleicht auch bei der möglichen kommenden europäischen Abrüstungskonferenz,

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Da müssen Sie mit der SPD sprechen!)

    dazu beizutragen, Herr Kollege Mertes, daß es uns gelingt, die astronomischen Steigerungen unserer Rüstungshaushalte abzusenken, das heißt, auch daß wir auf politische Krisensituationen nicht ständig allein militärische Antworten zu geben versuchen;

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Das habe ich doch gesagt!)

    ich glaube, das ist sehr wesentlich. Wir sollten auch wissen, daß im Osten die gleiche Problematik auftritt, daß nämlich auch diese Volkswirtschaft bald nicht mehr in der Lage sein wird, die unglaublichen Kosten moderner Waffensysteme auf Dauer ohne schwere Einbußen hinzunehmen. Ich glaube, das ist unser aller Sorge. Ich bin zufrieden, daß auch Sie das gesagt haben.
    Es ist dann die Dritte-Welt-Politik angesprochen worden. Hier sehe ich keinen Neubeginn, sondern die Fortsetzung einer sehr erfolgreichen Politik dieser Regierung, nämlich Nord-Süd-Gefälle abbauen durch eine verstärkte Entwicklungspolitik — Kollegin Schuchardt wird dazu noch Stellung nehmen —, Selbständigkeit und Unabhängigkeit der Staaten der Dritten Welt achten und die Bewegung der Blockfreien in ihrer Bemühung um einen Ausgleich der Spannungen unterstützen. Auch das, würde ich meinen, sollte nicht durch einen Neubeginn geändert werden.
    Die Bereitschaft der Europäischen Gemeinschaft, bei der Lösung friedensbedrohender Konflikte in der Welt mitzuhelfen, sollte hier, meine ich, vielleicht doch noch einmal einen Augenblick etwas kritischer beleuchtet werden, weil ich mich daran erinnere, daß querbeet durch alle Fraktionen gelegentlich die Meinung besteht, wir sollten uns bei schwierigen Krisen in der Welt zurückhalten und sollten das lieber anderen überlassen, wobei man bei Gelegenheit als Begründung auch hört: auf Grund unserer historischen Verantwortung. Hier, meine ich, sollten wir vorsichtig sein. Denn kein Land der Dritten Welt nimmt uns heute noch ab, daß wir zwar der mächtigste Handelspartner sind, uns aber bei der Bewältigung von Krisen vornehm zurückhalten oder uns aus der Verantwortung stehlen können. Ich glaube nicht, daß wir das durchhalten, sondern meine, daß wir in Asien und in Afrika und auch in Lateinamerika als Europäer und auch als Deutsche gefordert sind, zu solchen Lösungen beizutragen. Hier zieht es eben, meine ich, nicht mehr, sich sozusagen mit der Vergangenheit exkulpieren zu wollen, sondern hier wird Zukunftsbewältigung verlangt.
    Meine Damen und Herren, das gilt auch für den Nahen Osten. Ich möchte hier nicht in eine NahostDebatte eintreten; aber man sollte bei dieser Frage ein bißchen redlicher verfahren. Wir sollten nicht immer so tun, als sei nur eine Seite die bedrohte und die andere diejenige, die bedroht, sondern wir sollten bitte auch einmal sehr deutlich werden und unseren Freunden — ich sage das hier ganz offen — in Israel klarmachen, daß man die Friedensbemühungen von Camp David nicht zu einem erfolgreichen Abschluß bringen kann, wenn eine Regierung, die weiß, daß sie nur noch einen gewissen Zeitraum regieren wird, noch in dieser Woche ihre Siedlungspolitik fortsetzt und gleichzeitig — ich muß sagen, ein bißchen scheinheilig — sagt, der König von Jordanien solle sich bitte beeilen, diesem Abkommen beizutreten. Das kann man nicht. Man kann nicht Jordanien in diese Friedensbemühungen einbeziehen, wenn man gleichzeitig eine Siedlungspolitik betreibt, die natürlich auch elementar gegen die Auffassung von Jordanien geht. Ich meine, das dürfte man ja wohl trotz unserer Vergangenheit gelegentlich noch mal unseren Freunden in Israel sagen; denn die isolieren sich, glaube ich, mit einer solchen Politik selbst, und dieser Isolation gilt doch unsere Sorge. Wir machen hier doch nicht eine antiisraelische Politik oder lassen uns, wie das so heißt, durch das Öl erpressen. Wir sollten uns aber — ich sage das in aller Deutlichkeit — auch nicht durch unsere Vergangenheit erpressen lassen.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Sie machen sich das ein bißchen leicht!)

    — Ich mache mir das nicht leicht. Ich glaube, hier werden manchmal Fakten übersehen, Herr Mertes. Ich meine, man sollte auch immer Vergleiche ziehen hinsichtlich dessen, was schon an Rüstungspotential in den Ländern des Nahen Ostens wirklich vorhanden ist, bevor man zu voreiligen Fehlschlüssen kommt. Das kann ich demnächst sicher noch in einem Aufsatz etwas genauer erläutern.
    Auch die Rolle der Sowjetunion in der Dritten Welt und die immer wieder herausgestellte globale Strategie der Sowjetunion sollten wir natürlich ein bißchen genauer abklopfen. Hier genügt mir nicht die Aufzählung bestimmter Fälle von Angola bis zum Horn von Afrika, sondern wir müssen uns in der politischen Analyse auch einmal die Frage stellen, welche möglichen Fehler des Westens zu dem Erfolg sowjetischer Bemühungen beigetragen haben,

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Auch dazu habe ich etwas gesagt!)

    in ein Vakuum vorzustoßen. Hier kann man doch nicht einfach nach theologischem Grundmuster schwarz — weiß, gut — böse sagen, daß das Böse immer nur von der anderen Seite kommt. Vielmehr müssen wir uns fragen: Haben wir z. B. Befreiungsbewegungen rechtzeitig richtig analysiert? Sind wir



    Schäfer (Mainz)

    in Mittelamerika jetzt möglicherweise nicht wieder auf dem Wege, zu sagen: Weil in einem Land bestimmte Sympathien für Kuba vorhanden sind oder sich sozialistische Tendenzen bei bestimmten Mitgliedern einer Junta abzeichnen, dürfen wir das nicht mehr unterstützen? Begehen wir da nicht die alten Fehler, ein solches Land in das gegnerische oder, wenn Sie so wollen, in das östliche Lager zu treiben? Ich meine, hier muß Weltpolitik doch auch ansetzen. Hier müssen wir uns doch einmal die Frage stellen: Wie können wir verhindern, daß der Sowjetunion Chancen geboten werden?
    Hier meine ich manchmal, daß es ein bißchen an der Analyse fehlt, auch bei Ihnen, daß Sie manchmal zu voreilig immer nur die Schuld bei den anderen suchen, statt zu fragen: Wo hätte man aus den eigenen Fehlern der Vergangenheit lernen müssen? Zu dem geschichtlichen Weitblick, den Sie fordern, gehörte es wohl auch, einen geschichtlichen Rückblick vorzunehmen und aus den Fehlern der 50er Jahre zu lernen.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Auch aus denen der 70er Jahre!)

    Dazu gehört natürlich auch die Einschätzung der Palästinenser-Frage. Es gibt wohl kaum einen Staatsmann im Mittleren Osten, im Nahen Osten oder auch in Ostasien, der Ihnen nicht sagen wird — Herr Mertes, das wissen Sie genauso gut wie ich —, daß das der Schlüssel für die Lösung einer Fülle von Problemen ist und daß der Sowjetunion, solange diese Frage nicht gelöst werden kann, Chancen geboten werden, sich in einer Weise zu betätigen, die uns nicht lieb sein kann. Ich glaube, das müssen wir ganz einfach sehen. Ich sage damit kein Wort zu einem Palästinenser-Staat oder der Beteiligung der PLO, sondern ich sage dazu nur: Wir können dieses Problem nicht von uns wegschieben

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Das sagt doch niemand!)

    und sagen, wir dürften uns mit diesem Problem eigentlich gar nicht befassen.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Wer sagt das denn?)

    Ich halte das für unredlich und politisch auch für falsch. — Ich habe in diesem Augenblick nicht an Sie gedacht, Herr Mertes. Sie dürfen sich nicht dauernd betroffen fühlen. Es gibt natürlich in allen Fraktionen Leute, die das sagen: bei Ihnen, bei uns und auch bei der SPD, um das sehr deutlich zu sagen.
    Ich darf zum Schluß kommen. Meine Damen und Herren, es ist manchmal vielleicht etwas leicht, aus dem Blickpunkt eines Unterbezirksparteitages weltpolitische Entwicklungen zu beurteilen, dabei möglicherweise auf das Schema schwarz und weiß zurückzugreifen und dann eine in komplizierten Situationen handelnde Bundesregierung unflätig anzugreifen. Ich meine, wir sollten doch ein bißchen mehr Vertrauen in die Leistungen dieser Regierung haben, und zwar insbesondere als Regierungsfraktionen. Das gilt zwar für meine Partei nicht, aber ich muß Ihnen offen sagen: Dinge, die jetzt gelegentlich zu hören waren, erscheinen mir sehr unangebracht. Mir haben gerade vor einer Woche in China deutsche Lehrer gesagt: Lieber Herr Schäfer, wenn Sie etwas Sinnvolles tun wollen, dann fragen Sie doch einmal im Deutschen Bundestag: Warum macht ihr einen solchen Pessimismus? Warum bewertet ihr eure Leistungen derart verheerend? Was ist in euch gefahren? Wieso muß das so laufen? Ich meine, das müssen wir natürlich auch an die Adresse von Mitgliedern der Koalitionsfraktionen sagen.

    (Kiep [CDU/CSU]: An die der Regierung!)

    In einer diffizilen Situation z. B. sollte man dieser Regierung nicht sofort unterstellen, sie sei leichtfertig bereit, in den Rüstungsexport hineinzuschlittern oder was weiß ich zu tun. Man sollte die Regierung höchstens fragen: Warum werden die Fraktionen vor schwierigen Problemen nicht manchmal rechtzeitiger problembewußt gemacht? Warum können wir uns in den Fraktionen mit diesen Problemen nicht manchmal rechtzeitiger auseinandersetzen, statt das verspätet zu erfahren

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Vor allem durch die Presse!)

    und hinterher Irritationen zu erleben, die man hätte vermeiden können? Das auch an die Adresse der Regierung; ich erlaube mir, das kritisch anzumerken. Da ließe sich vielleicht manches manchmal geschickter machen, statt hinterher die großen Auseinandersetzungen auszutragen.
    Meine Damen und Herren, ich habe nur einige zusätzliche Bemerkungen machen wollen. Ich glaube, die Zeit gebietet es, daß ich hier abbreche und die Geduld der letzten, die hier in diesem Saale weilen, nicht über Gebühr beanspruche. — Herzlichen Dank.

    (Beifall bei allen Fraktionen)