Rede:
ID0901711600

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 7
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. der: 1
    5. Herr: 1
    6. Abgeordnete: 1
    7. Würzbach.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 9/17 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 17. Sitzung Bonn, Mittwoch, den 28. Januar 1981 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 607 A Eidesleistung des Bundesministers für Bildung und Wissenschaft Engholm, Bundesminister BMBW 607 B Fortsetzung der Aussprache über den von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung des Bundeshaushaltsplans für das Haushaltsjahr 1981 (Haushaltsgesetz 1981) — Drucksache 9/50 — in Verbindung mit Beratung des Finanzplans des Bundes 1980 bis 1984 — Drucksache 9/51 — in Verbindung mit Fortsetzung der ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Mineralöl- und Branntweinsteuer-Änderungsgesetzes 1981 — Drucksache 9/91 — in Verbindung mit Fortsetzung der ersten Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zum Abbau von Subventionen und sonstigen Vergünstigungen, zur Erhöhung der Postablieferung sowie zur Klarstellung von Wohngeldregelungen (Subventionsabbaugesetz) — Drucksache 9/92 — Dr. h. c. Strauß, Ministerpräsident des Freistaates Bayern 608A Dr. Posser, Minister des Landes NordrheinWestfalen 622 C Hoppe FDP 633 B Dr. von Weizsäcker CDU/CSU 637 D Brandt SPD 645A Genscher, Bundesminister AA 652 B Würzbach CDU/CSU 661 D Dr. Apel, Bundesminister BMVg 666 C, 680B, 681 B Jung (Kandel) FDP 673 C Biehle CDU/CSU 675 D Würtz SPD 678 D II Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 17. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. Januar 1981 Dr. Wörner CDU/CSU 680 D Dr. Mertes (Gerolstein) CDU/CSU . . . 682 B Dr. Ehmke SPD 686 B Schäfer (Mainz) FDP 691 C Dr. Hupka CDU/CSU 693 D Pieroth CDU/CSU 696 B Schluckebier SPD 698 D Frau Schuchardt FDP 701 B Offergeld, Bundesminister BMZ 704 D Dr. Köhler (Wolfsburg) CDU/CSU 707 C Dr. Hupka CDU/CSU (Erklärung nach § 32 GO) 709 C Nächste Sitzung 709 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . . 710*A Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 17. Sitzung. Bonn, Mittwoch, den 28. Januar 1981 607 17. Sitzung Bonn, den 28. Januar 1981 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. van Aerssen 30. 1. Dr. Ahrens * 30. 1. Dr. Althammer 30. 1. Dr. Bardens * 30. 1. Böhm (Melsungen) * 30. 1. Büchner (Speyer) * 30. 1. Dr. Dollinger 30. 1. Dr. Enders * 30. 1. Francke (Hamburg) 30. 1. Dr. Geßner * 30. 1. Dr. Hennig 30. 1. Hoffie 28. 1. Dr. Hubrig 30. 1. Jäger (Wangen) * 30. 1. Junghans 28. 1. Kittelmann * 30. 1. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates ** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Klein (Dieburg) 30. 1. Korber 30. 1. Lemmrich * 30. 1. Lenzer * 30. 1. Männing * 30. 1. Dr. Müller * 30. 1. Müller (Wadern) * 30. 1. Frau Pack * 30. 1. Peter (Kassel) 30. 1. Petersen ** 30. 1. Reddemann * 30. 1. Rösch * 30. 1. Sander 30. 1. Dr. Schäuble * 30. 1. Schmidt (München) * 30. 1. Schmidt (Würgendorf) * 30. 1. Dr. Schroeder (Freiburg) 30. 1. Schulte (Unna) * 30. 1. Frau Simonis 30. 1. Frau Dr. Skarpelis-Sperk 30. 1. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim * 30. 1. Dr. Sprung * 30. 1. Dr. Unland * 30. 1. Dr. Vohrer * 30. 1. Dr. Wittmann (München) * 30. 1. Dr. Wieczorek 30. 1.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Hans-Dietrich Genscher


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Kollege, das, was Sie mit Ihrer Frage zum Ausdruck bringen wollen, ist ja gerade Gegenstand des Vortrages, den ich eben hier halte.
    Meine Damen und Herren, es ist deutlich: Nicht nur das Schicksal der Entspannung, sondern das Schicksal der Menschheit wird in den achtziger Jahren entscheidend davon abhängen, ob es gelingt, weltweit von Konfrontation zu Kooperation und Interessenausgleich zu kommen. Dazu gehört, daß alle Industriestaaten die Selbständigkeit und Unabhängigkeit der Staaten der Dritten Welt respektieren. Deshalb müssen wir auch alle einer Übertragung des Ost-West-Gegensatzes auf die Dritte Welt widerstehen. Aber dieser für uns ëntscheidende Grundsatz darf nicht dazu führen, daß der Westen nun in seiner Gesamtheit zusieht, wenn Staaten der Dritten Welt in ihrer Unabhängigkeit durch raumfremde Kräfte bedroht sind.
    Wir müssen erkennen — und da komme ich auf _ das zurück, was Kollege Brandt gesagt hat —, daß die innere Stärkung, daß wirtschaftliche Entwicklung und soziale Gerechtigkeit von zentraler Bedeutung für die innere und äußere Sicherheit auch dieser Länder sind. Hier muß der Schwerpunkt unserer Bemühungen liegen. Unsere in der ersten Afghanistan-Debatte des Deutschen Bundestages geforderte und in ihren Grundzügen damals dargelegte Gesamtkonzeption des Westens hat im Laufe des Jahres 1980 an Gestalt gewonnen. Diese arbeitsteilige Konzeption hat zu zunehmender Vertrauensbildung gerade bei den Staaten der Dritten Welt geführt, die sich durch raumfremdes Machtstreben bedroht fühlen. An dieser Konzeption muß weitergearbeitet werden.
    Meine Damen und Herren, es darf nicht dazu kommen, daß der Wille zu Unabhängigkeit und Selbständigkeit und die Bereitschaft zur Partnerschaft von Staaten der Dritten Welt mit dem Westen als ein Risiko erscheinen, das man nur durch Anlehnung an den Osten abwenden kann.
    Hier wird auch die Bewegung der Blockfreien eine zunehmende Bedeutung gewinnen. Die Fähigkeit und der Wille, aus der Position der Blockfreiheit heraus zur Lösung von Konflikten beizutragen, wird immer stärker.
    Ich erwähne hier nur die Mitwirkungen der Frontstaaten in Afrika bei der Lösung des Problems von Simbabwe. Ich erwähne die Bemühungen dieser Staaten béi der Lösung der Namibia-Frage. Ich denke, daß diejenigen, die an der Begegnung mit den Vertretern der Interessengemeinschaft der Deutschen in Namibia teilgenommen haben, von dem beeindruckt waren, was uns diese Deutschen aus Namibia über ihre Zusammenkunft mit der SWAPO-Führung in Genf erzählt haben, eine Zusammenkunft, die wir als Bundesregierung ermöglicht und begünstigt haben. Hier ist ein Beitrag für eine Vertrauensbildung geleistet worden, ohne die es eine Lösung der Namibia-Frage nicht geben wird. Ich hoffe, daß aus dem Vokabular des Deutschen Bundestages jene Begriffe über Befreiungsbewegungen verschwinden, die eine rationale Debatte der Entwicklung in Afrika über viele Jahre in diesem Hause verhindert haben.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Ich möchte, wenn ich die Rolle der Blockfreienbewegung unter Staaten in der Blockfreienbewegung auch bei der Überwindung internationaler Konflikte erwähne, hier besonders feststellen, daß ich beeindruckt und von Dankbarkeit erfüllt bin über die erfolgreiche Vermittlung Algeriens zwischen den USA und dem Iran, die letztlich dann zur Freilassung der amerikanischen Geiseln geführt hat.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Hier hat ein wichtiges blockfreies Land gezeigt, wie es seine Verantwortung für den Weltfrieden sieht.
    Meine Damen und Herren, so zeigt sich, daß sich die deutsche Außenpolitik an der Schwelle dieses Jahres unverändert der Notwendigkeit gegenübersieht, das für die eigene Sicherheit Erforderliche zu tun, die Bemühungen um Rüstungskontrolle und Abrüstung beharrlich fortzusetzen, immer wieder die Bereitschaft zum Ausgleich und zur Zusammenarbeit mit den Staaten Osteuropas zu unterstreichen und unsere große Aufgabe im Hinblick auf Frieden und Stabilität in der Dritten Welt zu sehen.
    Wenn ich von der Bereitschaft zum Ausgleich und zur Zusammenarbeit mit den Staaten des Warschauer Pakts spreche, so meine ich auch Zusammenarbeit mit der DDR. Ich habe am Anfang gesagt, daß wir uns bewußt sind, daß das deutsch-deutsche Verhältnis von uns nur dann erfolgreich gestaltet



    Bundesminister Genscher
    werden kann, wenn wir es in Zusammenarbeit und im Rahmen des westlichen Bündnisses gestalten. Da wissen wir: Das kann man nicht isoliert losgelöst sehen und tun.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Das haben wir immer gesagt!)

    Ich denke, daß die Führung der DDR ernsthaft überdenken sollte, ob nicht auch für sie in dieser Zusammenarbeit die größeren Vorteile liegen. Reisebeschränkungen durch Zwangsumtauscherhöhung verstoßen gegen den Geist des Grundlagenvertrages. Daß gerade diejenigen darunter leiden, deren Einkommen nicht zu den höchsten bei uns gehören, ist eigentlich nur ein Zeichen für die Verkennung der wirklichen Probleme, die die Menschen in Deutschland bedrängen. Die Menschen möchten nämlich unabhängig von ihrem Einkommen, wenn schon die Reise von Ost nach West nicht möglich ist, wenigstens von West nach Ost zu ihren Angehörigen reisen.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Verstoß gegen die Geschäftsgrundlagen des Vertrages!)

    Die DDR möge erwägen, ob sie das Verhältnis weiter belasten will oder ob sie nicht einen Beitrag zur Entlastung des deutsch-deutschen Verhältnisses leisten sollte, was auch einen positiven Impuls für die Entwicklung in Europa haben kann und vielleicht auch in den Rahmen der Konferenz passen würde, die jetzt in Madrid stattfindet.
    Da muß man sich auch bewußt sein, daß es nicht zum Wohle der Menschen im geteilten Land weiterführen kann, wenn Forderungen neu aufgestellt werden, deren Nichtdurchführbarkeit sich beim Abschluß des Grundlagenvertrages gezeigt hat. Die Nichtregelung bestimmter Positionen der Bundesrepublik Deutschland und der DDR ist ja gerade ein Teil des Modus vivendi, den man gefunden hat und auf dem der Grundlagenvertrag überhaupt erst möglich wurde. Daran soll man jetzt nicht rütteln. Das soll man nicht in Frage stellen.
    Da wird mit Recht darauf hingewiesen, daß die Staatsbürgerschaftsforderungen, die vom Osten erhoben werden, gegen das Grundgesetz und gegen das Urteil des Verfassungsgerichts verstoßen. Das ist richtig. Doch ich würde unsere Politik als national nicht verantwortlich empfinden, wenn wir uns in dieser Frage nur auf das Grundgesetz beriefen. Ich denke, daß wir uns im Deutschen Bundestag darüber einig sein sollten, daß man unabhängig davon, ob das Grundgesetz es verbietet oder es durch Nichterwähnung zulassen würde, auf gar keinen Fall bereit sein werden, durch Gesetz der Bundesrepublik Deutschland unsere deutschen Mitbürger in der DDR zu Ausländern zu machen.

    (Beifall bei allen Fraktionen)

    Das würde hier wie dort und nirgends in der Welt verstanden werden.
    Die geschichtliche Entwicklung geht auf Selbstbestimmung der Völker, geht nicht auf Trennung. Die geschichtliche Entwicklung geht auf Überwindung des Trennenden. Deshalb ist unsere Politik des Willens zur Zusammenarbeit und des Interessenausgleichs wahrlich nicht eine Politik des Alles oder Nichts. Deshalb ist unsere Politik des Willens zur Zusammenarbeit und des Interessenausgleichs eine Politik, die diesem geschichtlichen Grundtrend entspricht, den wir durch diese Politik mitbestimmen, sie ist ein Ausdruck dieses geschichtlichen Grundtrends. Wir handeln bei dieser Politik nicht nur in der Verantwortung vor unserem Volke, sondern auch in der Verantwortung vor den Völkern Europas und dem Frieden Europas.
    Denn das ist wohl richtig, was der Bundeskanzler gesagt hat, hier in Übereinstimmung mit dem, was der Staatsratsvorsitzende Honecker sagte: daß es eine geschichtliche Verantwortung der Deutschen gibt, daß von deutschem Boden nie wieder ein Krieg ausgeht. Nur, denke ich, muß diese geschichtliche Verantwortung noch mehr bedeuten: daß von deutschem Boden auch nicht zusätzliche Spannungen für die Welt ausgehen sollten.
    In diesem Willen zum Frieden, in diesem Willen zum Interessenausgleich, in diesem Willen zur Zusammenarbeit wollen wir hier in der Bundesrepublik Deutschland fortfahren. Er ist breit getragen in unserem Lande. Ich hoffe, daß wir in diesem Willen auch in konkreten Fragen immer mehr Übereinstimmung finden können. Herr Kollege Kohl hat das bei der Debatte über die Regierungserklärung angeboten. In diesem Willen zum Interessenausgleich, zur Friedenssicherung, zur Rüstungskontrolle und Abrüstung, aber auch in dem Willen, den Frieden in Freiheit zu bewahren, in diesem Willen ist unsere Außenpolitik berechenbar. In diesem Willen muß sie berechenbar sein. Das ist der beste Beitrag, den wir zum Frieden in der Welt leisten können. — Ich danke Ihnen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Würzbach.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Peter Kurt Würzbach


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Turbulenzen bei dem Flugzeug Tornado beziehen sich nicht nur auf dieses Flugzeug, sondern sie kennzeichnen und bestimmen im Augenblick auch den gesamten Bereich des Bundesministers der Verteidigung und seines Haushaltes, über den wir heute hier reden. Sie dehnen sich zunehmend auch auf bestimmte Sektoren der Bündnispolitik aus. Für uns ist wichtig, sehr wichtig — und hier knüpfe ich an mehrfache Äußerungen des Bundesministers des Auswärtigen an —, daß wir von diesen Turbulenzen wieder wegkommen hin zu einer stabilen Grundlage. Diese stabile Grundlage stellt sich für uns unausweichlich in folgenden Punkten dar. Dazu gehört nicht nur die NATO, sondern eine intakte NATO. Dazu gehört eine Bundeswehr, die dem ihr gegebenen Auftrag gerecht werden kann. Dazu gehört die Präsenz der Amerikaner in Deutschland, in Europa. Dazu gehört auch die Bereitschaft der Bevölkerung, dieses Anliegen zu verstehen, zu unterstützen, mitzutragen. Dies setzt un-



    Würzbach
    ser gemeinsames Wirken in dieser Richtung voraus.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir sehen in diesen skizzierten Voraussetzungen die Grundlage für den Frieden bei uns im Lande in Freiheit. Wir alle wollen diesen Frieden in Freiheit. Daß es seit dem Zweiten Weltkrieg in der Welt 128 kriegerische Auseinandersetzungen gegeben hat und wir hier davon frei sein konnten, hängt damit zusammen, daß wir im Westen rechtzeitig die NATO gegründet haben und wir Mitglied in diesem Bündnis geworden sind und daß wir unseren wohl teuren — das kann niemand wegdiskutieren —, aber auf Grund der Situation nötigen Beitrag für dieses Bündnis in Form unserer Bundeswehr leisten.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich will gerne und nicht nur an die Adresse der 24 oder 37, sondern weit darüber hinaus, für uns alle sagen: Keiner — ich bin sicher, dies gilt nicht nur in der Union, sondern sollte für das ganze Haus gelten, und ich bin sicher, daß dies so ist — gibt gern diese vielen Milliarden für die Verteidigung aus. Nur, Frieden in Freiheit ist ein so teures Gut für uns, daß wir, gemessen an der Bedrohung, die bei uns hier ist — und hier wurden Beispiele gegeben —, dies leider tun müssen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die Geschichte gerade der eben erwähnten Kriege, auch der jüngeren der 128, lehrt, daß der Frieden nur dann und nur dort erhalten werden kann,

    (Vorsitz : Vizepräsident Dr. von Weizsäcker)

    wo Gleichgewicht besteht, wo Stabilität vorhanden ist, und dies nur dort, wo man Übergriffe dadurch abwehren kann, daß man das Risiko nicht nur hoch hält, sondern — egal, auf welcher Stufe — unkalkulierbar für einen möglichen Angreifer gestaltet. Derjenige, der an diesen Voraussetzungen rüttelt, sie in Frage stellt, der erleichtert es der anderen Seite, Spannungen zu schaffen,

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Sehr gut!)

    den Frieden in Frage zu stellen und Unfrieden zu stiften.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich werde während meiner Ausführungen hier nicht so sehr häufig Gelegenheit haben, den Bundesminister der Verteidigung als Zeugen an meine Seite zu rufen. In diesem Zusammenhang darf ich das um so freudiger tun, Herr Minister. Letzten Sonntag haben Sie an der Grenze zwischen Ihrem und meinem Wahlkreis vor dem Hintergrund dessen, was ich eben ausführte, folgendes gesagt — eine Sache, die ich voll für uns unterstreiche —: Wer Frieden ohne Waffen erreichen wolle, sollte sich folgerichtig ausdrücklich auch dazu bereit finden, notfalls in einem System à la DDR leben zu können.

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Und dort gibt es Waffen!)

    — Und dann gibt es nicht nur Waffen, sondern dann
    ist das weg, was wir übereinstimmend als Frieden in
    Freiheit bezeichnen. Der Bundesaußenminister
    sagte soeben mit anderer Formulierung dasselbe, nämlich daß das in die Sackgasse der Abhängigkeit — so war seine Formulierung — führe. Ich bin sicher, daß Sie diese Ihre Äußerung vor dem Hintergrund der Bedrohung, wie sie wirklich ist, getan haben.
    Ich darf dem vielen, was hier soeben gesagt worden ist, einige wenige Punkte hinzufügen, und zwar zunächst im Bereich der konventionellen Waffen. Ich tue dies, weil es notwendig ist, besonders bei der Jugend — aber nicht nur dort — Verständnis für die notwendigen politischen Maßnahmen des Westens zu wecken. Zunächst also einige Schlagworte im Hinblick auf die konventionelle Bedrohung, wie sie uns gegenübersteht: Wir haben etwa 10 000 Panzer, auf der anderen Seite sind es 40 000; wir haben 6 000 Artilleriegeschütze — konventioneller Bereich —, auf der anderen Seite sind es 20 000; wir haben 2 000 Schützenpanzer, 12 000 sind es auf der anderen Seite. Zur Erinnerung: Es gibt Leute, die gesagt haben, das diene alles nur zur eigenen Verteidigung und geschehe aus defensiven Überlegungen. Ich gehe hier aus ganz bestimmten Erwägungen nicht auf die Munitionslage ein; aus gemeinsamem Interesse tue ich dies nicht.

    (Zuruf von der SPD: Warum erwähnen Sie es denn?)

    — Ich gehe nicht auf Einzelheiten ein, und gerade Sie sollten dies verstehen.
    Ich erwähne den enormen militärischen Fortschritt der Sowjetunion bei der Entwicklung von militärisch nutzbaren Satelliten im Weltraum sowie die weltweit operierende Marine. Hier ist soeben vor mir aus berufenem Munde die Formulierung „globale Weltmacht" gebraucht worden. Denen, die immer noch sagen, die hätten zwar mehr, aber wir hätten Besseres, sei gesagt, daß auf der Hardthöhe gesagt, geschrieben und berichtet wird, daß der Osten den Westen inzwischen auch hinsichtlich der Qualität eingeholt hat. Daß dies alles offensiven Charakters ist, ist inzwischen ja auch nicht mehr bestritten. Hinzuzufügen ist der Hinweis auf die gewaltige Dynamik, mit der die Aufrüstung durch die Sowjetunion ständig fortgesetzt wurde. Diese Dynamik hat auch dann keinen Knick bekommen, als die Politik der Entspannung formuliert wurde.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    Hier ist überhaupt kein Knick zu beobachten.
    Ich darf den Beispielen aus dem Bereich der konventionellen Waffen einige aus dem atomaren Bereich hinzufügen. Hier hat die Sowjetunion nicht geredet, so wie wir über konventionelle Modernisierung geredet haben und noch reden, sondern sie hat gehandelt. Sie hat allein in den letzten fünf, sechs Jahren über fünf neue atomare Systeme eingeführt. Ich will hier einmal nur über die landgestützten Mittelstreckenwaffen in Europa reden. Die NATO hat in diesem Bereich keine, 0, Frankreich hat 18, die Sowjetunion dagegen — ich runde einmal ab — 1 360 solcher Mittelstreckenwaffen.



    Würzbach
    Von den fünf Systemen der letzten Jahre ist uns allen die SS 20 geläufig — sie ist oft in der Diskussion —, der Backfire-Bomber. Drei weitere Systeme, die in der Diskussion oft untergehen, die SS 21, die SS 22 und die SS 23, sind in der letzten Zeit ebenfalls etabliert worden.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Und das soll alles defensiv sein!)

    Hier nun will ich in Richtung der Fraktion der SPD fragen: Wo bleiben denn in bezug auf diese Waffen Ihre beschwörenden Appelle, wie sie — quer durch die Bundesrepublik und mit viel Resonanz — in Formulierungen wie „Perversion des menschlichen Denkens und Handelns" ihren Niederschlag gefunden haben? Wo bleiben diese Ihre Appelle im Hinblick auf diese sowjetischen, uns bedrohenden Systeme?

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Warum wird denn hier nicht zu Bürgerinitiativen gegen diese Waffen bzw. zu Bürgerinitiativen für die Information über diese Waffen aufgerufen? Dies müssen Sie sich fragen lassen. Ich hoffe, daß Sie sich das auch selber fragen.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Da muß man den Herrn Wehner einmal fragen!)

    Weil ich glaube, daß dies erfolgen sollte, möchte ich einmal eine dieser Waffen — man kann nehmen, welche man mag — nicht nur mit dem Namen nennen, sondern einmal ihre Wirkungsweise schildern; ich nehme hier die SS 20. Übrigens: Jede Woche wird eine neue gebaut, nicht am Reißbrett entworfen, sondern installiert. Folgende Fakten kennzeichnen dieses System: Diese Waffe ist mobil. Sie bewegt sich hin und her und ist schwer aufzuklären. Sie hat eine Reichweite von 4 500 km. Sie zerlegt sich während des Fluges in drei unabhängig voneinander weiterfliegende Gefechtsköpfe. Jeder dieser Gefechtsköpfe hat eine solche Zielgenauigkeit, daß Sie noch sagen können — wenn Sie das auf ein Fußballfeld übertragen —, ob der Zielmittelpunkt diese Eckfahne oder diagonal gegenüber die andere Eckfahne sein soll. Jeder dieser Gefechtsköpfe hat die Zerstörungskraft der Bombe von Hiroschima fünfzehnmal und mehr übersteigend.
    Mit diesem Beispiel rufe ich Sie und uns alle auf, nicht nur niedlich über die genaue Bezeichnung des Namens und die Wirkung zu informieren, sondern Verständnis für das zu erwecken, was nötig ist. Ich sage dies auch deshalb, weil es augenscheinlich in Ihrer Bundestagsfraktion Kollegen gibt, die diese Zusammenhänge und die sich daraus ergebenden politischen Folgerungen, über die wir ja in der Öffentlichkeit Rede und Antwort zu stehen haben, nicht kennen. Es ist das zu unterstützen, was der Bundeskanzler im Februar 1979 vor Ihrer Fraktion gesagt hat, indem er darauf hinwies, daß, wenn dies auf der östlichen Seite so weitergeht, die sowjetischen Führer das politische Mittel in der Hand hätten, ohne militärische Mittel einsetzen zu müssen, politisch zu bestimmen, was hier geschehen soll. Dies heißt im Klartext, daß sie den Westen erpressen könnten. Vor diesem Hintergrund muß — das sollten wir nicht nur akademisch tun, sondern wir sollten auch wirklich werbend dafür eintreten — der Beschluß der Außen- und Verteidigungsminister vom 12. Dezember letzten Jahres in Brüssel über Modernisierung und Rüstungskontrollangebot unterstützt werden. Herr Minister Dr. Apel, ich darf Sie ein zweites Mal hier an meine Seite holen. Am 8. Dezember 1980 — das ist gar nicht lange her — bekräftigten alle elf Verteidigungsminister der Eurogroup unter Ihrem Vorsitz noch einmal, daß dieser Doppelbeschluß zur Modernisierung und Abrüstung nicht nur die Grundlage für unsere Abschreckung nach der Strategie der NATO ist, sondern — dies darf ich zitieren — „die Grundlage für die Verfolgung ernsthafter Rüstungskontrollverhandlungen". Hier ersuchen wir Sie und alle Ihre Kollegen aus der Fraktion und alle Regierungsmitglieder, dies, wo immer es möglich ist, und noch darüber hinaus zu betonen, zu vertreten und die Zusammenhänge deutlich zu machen.
    Ich will hier noch einmal diejenigen in der Fraktion der SPD, die von Ihnen augenscheinlich doch nicht mehr überzeugt werden können — man geht inzwischen zu manch anderer Verhaltensweise über —, nur bitten und im gemeinsamen Interesse dann allerdings auch auffordern, sich mit den Zielen der Strategie der Sowjetunion auseinanderzusetzen, um die Brücke zu wirklich ernstgemeinten Abrüstungsverhandlungen zu verstehen, damit wir wieder zu einer gemeinsamen Grundlage zurückkehren können. Ich bitte diese Kollegen, sich auch einmal die Berichte vorzunehmen, die der aus Wien zu uns gekommene sowjetische Dolmetscher uns zur Kenntnis gegeben hat. Dort ist die Rede von der enorm gestiegenen Bereitschaft der Sowjetunion, Risiken auf sich zu nehmen, anders als in den zurückliegenden Jahren. Hier müssen wir feststellen, daß es bisher in der Frage der Modernisierung und der zu schaffenden Grundlage für wirkliche Abrüstungsvereinbarungen quer durch alle Fraktionen in diesem Parlament und in der NATO Übereinstimmung bestanden hat. Nun allerdings müssen wir nicht nur durch Einzelsignale, sondern durch die Bildung kleiner, aber größer werdender Gruppierungen feststellen, daß hinter diese Übereinstimmung leider nicht nur ein kleines Fragezeichen, sondern ein erheblich größer werdendes Fragezeichen zu setzen ist. Auch hier sind Vokabeln wie „unberechenbar", „unsicher", aber auch „verunsichernd" zu benutzen. Ich kann hier nur die Ausführungen unseres Kollegen Richard von Weizsäcker unterstreichen, der darauf hingewiesen hat, daß der Bundeskanzler gerade in diesem wichtigen, bedeutenden Punkt seine geistige und politische Führung wahrnehmen und sich nicht verstecken sollte, um diesem im Augenblick unpopulären Thema aus dem Wege zu gehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Vor diesem Hintergrund, auf dieser Grundlage darf ich nun zu unserem Beitrag zur Bundeswehr kommen und mich zunächst Ihnen, Herr Minister, zuwenden. Die Vorgänge um das Flugzeug „Tornado" zeigen — andere wichtige Themen sind übrigens leider durch die Beschäftigung damit verdrängt wor-



    Würzbach
    den —, daß Sie das Verteidigungsministerium nicht mehr führen, daß Sie es nicht einmal mehr verwalten, daß Sie es überhaupt nicht — ich benutze Ihre Vokabel — im Griff haben.

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    Wie könnte Ihnen sonst das größte Rüstungsvorhaben der Geschichte der Bundeswehr — der Bundeskanzler hat formuliert: das größte Rüstungsvorhaben seit Christi Geburt — in einer solchen Form aus den Händen geglitten sein, wie dies geschehen ist?

    (Haase [Kassel] [CDU/CSU]: Er hat es noch nie in den Händen gehabt!)

    Für diejenigen, die sich unter diesem Flugzeug und der damit verbundenen finanziellen Dimension nicht so ganz viel vorstellen können, darf ich das in ein anderes Bild übertragen: Diese Flugzeugbeschaffung ist 50 % teurer als alle heute in der Bundeswehr vorhandenen und zulaufenden Panzer und Schützenpanzer. Und dies geht in der Entwicklung an den Minister in der Form, wie es erlebt wurde, vorbei.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

    Wichtige Dinge, Herr Minister, sind hintangestellt worden.
    Ihre Aussagen, Ihre Einlassungen, Ihre Reaktionen in den letzten Wochen und Tagen vermitteln immer mehr den Eindruck von — ich benutze vornehme Beschreibungen — Unsicherheit und Unglaubwürdigkeit. Aus beidem ergibt sich für einen Mann mit einem solchen Amt auch eine Unberechenbarkeit.
    Ich muß Beispiele anführen, um diese Aussagen zu belegen, und ich tue dies. Ich komme zunächst zu Ihrer Behauptung, im Jahre 1980 bis in den November hinein von dieser gewaltigen Finanzlücke nichts gewußt zu haben, und dies, obwohl im Februar von Ihrem Staatssekretär Dr. Schnell — das ist ja nicht irgendeiner — eine Akte auf den Tisch gelegt wurde, aus der das Fehl von 650 Millionen DM — 650 Millionen DM! — für die Jahre 1980 und 1981 deutlich hervorging.

    (Graf Huyn [CDU/CSU]: Hört! Hört!)

    Ich muß zugeben, daß dies eine schriftliche Vorlage war, und ich muß zugeben, daß die Seitenzahl dieses Vorgangs 48 beträgt. Zugegeben: ein langer Vorgang, bei dem etwa 18 Seiten — vielleicht nur 17 Seiten — geschriebener Text waren. Der Rest war eine den Text untermauernde Anlage mit Tabellen und Aufstellungen, in die sich ein gründlicher Leser, wenn er Dinge hätte überprüfen wollen, hätte vertiefen können.

    (Graf Huyn [CDU/CSU]: Müssen!)

    — Es wäre schon gut gewesen, hätte er die Textseiten gelesen.
    Nun gibt es zu diesem Vorgang zwei Versionen, Herr Minister. Die eine Version lautet: Diese 48 Seiten sind zuviel, und es ist für mich als Minister unzumutbar, sie zu studieren. Das haben Sie theatralisch schön gemacht, indem Sie uns im Ausschuß dieses
    Ding gezeigt haben. Sie haben es aber abgezeichnet, und Sie haben die Begründung nachgeschoben, schließlich sei der Staatssekretär, der Ihnen dies vorlegte, „ein netter Mensch". Ich setze in Klammern hinzu: Hätten Sie es vielleicht nicht abgezeichnet, wenn er nicht „ein netter Mensch" wäre? Aber das ist von mir wirklich in Klammern gesagt. Aber Sie sagen, Sie hätten dies wegen des Umfangs des Vorgangs nicht gelesen.
    Die ander Version, die eine Stunde später von Ihnen kam, lautete: Sie haben es doch gelesen, aber obwohl Sie es gelesen haben, haben Sie es nicht geglaubt,

    (Haase [Kassel] [CDU/CSU]: Nicht kapiert!)

    weil Dinge im Konjunktiv formuliert waren, und warum sollen dann beim Minister bei einem solchen Objekt die Alarmglocken schrillen, damit er nachfaßt?
    Hier muß sich jeder seinen eigenen Eindruck verschaffen; ich brauche dies gar nicht zu werten.
    Es ist ja nicht nur dieser Vorgang seitens des Staatssekretärs gewesen, sondern im Mai legte Ihnen Ihr oberster Soldat, der Generalinspekteur, einen Vorgang auf den Tisch — hier muß ich sagen: es war ein kurzer Vorgang, nur fünf Seiten —, bei dem bereits auf der ersten Seite ein deutlich formulierter Hinweis steht, daß Sie schon verschiedentlich — so die Formulierung — auf diese Finanzprobleme hingewiesen worden sein sollen. Auf Seite 2, ziemlich weit vorn, steht wörtlich, daß „eine sinnvolle Planung innerhalb des Finanzrahmens nicht mehr möglich ist".
    Nicht nur die Zeit verbietet mir, hier noch weiter in Einzelheiten zu gehen. Es gibt eine lange Liste, um das, was ich eingangs beschrieb, und ihr Bild, wie es sich nicht nur für uns darstellt, noch deutlicher machen zu können. Dies werden wir im Ausschuß weiter behandeln, und auch dabei werden wir auch weitere Einzelheiten hervorbringen.
    Ich will nur soviel sagen: Unabhängig von weiteren Untersuchungen und klareren Antworten Ihrerseits steht für uns heute fest, daß eine solche Art und Weise, Ihr Amt zu führen, als leichtfertig — und ich muß mich fragen, ob nicht schon als liederlich — zu bezeichnen ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das Ganze, Herr Minister, wird j a nun noch dadurch erheblich verschlimmert, daß Sie uns nur scheibchenweise und nach Vorhaltung von bestimmten Dingen die volle Wahrheit eingeräumt haben. Verschlimmert wird dies vor allem dadurch: Wegen der Finanznot, in die Sie auf Grund dieser Amtsführung gekommen sind, ist es nicht mehr ausgeschlossen, daß Sie einen Eingriff in wichtige Systeme dieses Flugzeuges vornehmen müssen, und zwar in solche Systeme, die Vorbedingung dafür waren, ein solch teures Flugzeug für fast 70 Millionen DM für die Bundeswehr und für die NATO überhaupt anzuschaffen.
    Herr Minister, haben Sie sich eigentlich einmal überlegt und sich selbst gefragt, welchen Eindruck



    Würzbach
    der Bürger draußen, der dies alles bezahlen muß, von einem solchen Umgang mit seinem Steuergroschen haben muß? Was wäre denn wohl, wenn der Vorsitzende eines Sportvereins, irgendein Kassierer oder einer Ihrer Untergebenen in einer auch nur annähernd gleichen Art und Weise so leichtfertig, so unordentlich mit ihm anvertrauten öffentlichen Mitteln umgegangen wäre?
    Ich muß Ihnen sagen, daß sich diese Art der Amtsführung nicht nur auf dieses Flugzeug beschränkt. Ich will ein paar andere Beispiele hinzufügen, die deutlich machen, daß das auch in anderen Bereichen fast genauso ist. Ich nehme Beispiele aus dem Haushalt, weil er zur Debatte steht.
    Nach unserer Erkenntnis müssen Rechnungen aus dem Haushaltsjahr 1980 unter der Überschrift „Reparatur, Ersatzteile", im Fachjargon „Erhaltung" — allein bei den Schiffen mit 160 Millionen DM, bei den Fahrzeugen mit 200 Millionen DM, bei den Flugzeugen mit 110 Millionen DM —, aus dem Jahre 1980 ins Jahr 1981 hinübergenommen werden. Wer addiert hat, ist schon bei wenigen Millionen unter einer halben Milliarde DM angekommen.

    (Zuruf von der CDU/CSU: Hört! Hört!)

    Mit den gesetzlich sicherlich zulässigen, aber bei der öffentlichen Hand bisher unüblichen Versuchen, Rechnungen hinauszuzögern in das nächste Jahr, schiebt man, ebenso wie durch Inkaufnahme von Mahnungen oder durch Stundung von Mehrwertsteuerbeträgen, immer mehr vor sich her, und das trifft Sie dann in solcher Härte, daß Sie nicht mehr planen können. Wir können zusammenfassend übersetzen: Leben nicht mehr nur von der Substanz — das ging einige Jahre —, sondern leben auf Kosten der Zukunft!

    (Zuruf von der CDU/CSU: Wechselreiterei!)

    Diese Liste ist noch viel länger; ich will aber jetzt keine weiteren Einzelheiten aufführen.
    Neben diesen Einzelbeispielen, Herr Minister, ist im Überbau für Ihre Amtsführung kennzeichnend, daß heute, da der Haushalt eingebracht wird, den zuständigen Fachausschüssen — in diesem Bereich also unserem — die Erläuterungen zum Haushalt, aus denen Einzelheiten zu ersehen sind, überhaupt nicht vorliegen, obwohl — ich bin sicher, daß das auch in diesem Jahre so sein wird — diese Erläuterungen in Ihrem Haus existieren, und, so soll dies ja auch sein — es wird bei Ihnen auch so sein —, Grundlage für die inzwischen schon gewonnenen Haushaltsberatungen für 1982 sind. Ich betrachte dies — bezogen auf diesen Bereich — zumindest als eine Mißachtung und stelle das in die Wertung, die ich vorher durchführte.
    Der zweite Punkt. Anfang März, Herr Minister, führen Sie eine Klausurtagung wegen der Rüstung durch, und Sie sagen: Da müssen wir mal sehen, was noch geht. Eigenartig übrigens, daß Sie so rangehen und sagen: Wir wollen mal sehen, was wir noch bezahlen können, was wir für die Bundeswehr brauchen. Umgekehrt sollte der vernünftige Einstieg sein. Aber warum ist diese Klausur im März und nicht jetzt? Warum haben Sie das nicht vorher gemacht, um uns sagen zu können, was geht, und was nicht geht? Hier spielen Sie auf Zeitgewinn. Für uns zeichnet sich allein auf Grund der Dinge, die da sind, deutlich sichtbar ab: Sie werden mit Ihrem Verwalten dieses Ministeriums im März feststellen, daß Sie finanziell bankrott sind.
    Ich will Ihnen hierfür nur einen Kronzeugen — auch hier gäbe es mehr — nennen. Der stellvertretende Generalinspekteur schreibt dem Minister Anfang Januar dieses Jahres, daß bei dieser Finanzerwartung „eine sinnvolle Planung nicht mehr möglich ist". Hier wäre es übrigens interessant, von unserem Bundeskanzler, der in diesem Ministerium auch einmal Verantwortung getragen hat, zu hören, wie er diese Entwicklung und die sich daraus ergebenden Gefährdungen einschätzt.
    Zu einem anderen Gebiet! Der Verteidigungsminister trat seinen Dienst auf der Hardthöhe mit der Devise an: Der Mensch steht im Mittelpunkt. Auch hier, Herr Minister, klaffen heute Anspruch und Wirklichkeit weit auseinander. Sie haben ein gefährliches Fehl von Ausbildern zu beklagen; die sind überlastet. Die Folge ist, daß die Wehrpflichtigen, die sie ausbilden sollen, sich nicht mehr gefordert fühlen. Es gehen mehr Wehrpflichtige unzufrieden und mit weniger Verständnis für diesen Dienst aus der Bundeswehr, als sie beim Eintritt in die Bundeswehr hatten. Das ist ein schlimmer Zustand.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Es gibt viele Faktoren mehr, die dringend repariert werden müssen, damit Sie verwirklichen können, daß der Mensch mehr beachtet wird. Wir müssen glauben, daß die Bundeswehr inzwischen, von Ihnen geprägt, zwei Gesichter bekommen hat: Das eine im Weißbuch beschrieben und zum Vorzeigen, das andere, wie es wirklich ist, und zwar auf Kosten und zu Lasten besonders der Menschen.
    Ein kurzes Wort zu dem, was wir mit den öffentlichen Gelöbnissen — Stichworte: Bremen und Bonn — verbinden, Herr Minister. Hier muß ich — nicht nur Sie — fragen: Was meinen Sie, wie verheerend die Wirkung auf die Soldaten, auf die Jugendlichen, die Soldaten waren oder die es demnächst sein werden, aber auch auf die gesamte Öffentlichkeit ist, nachdem miterlebt wurde, daß in Bonn auf dem Marktplatz der Bundeskanzler und sein Verteidigungsminister bei den Soldaten stehen, geschützt von Tausenden von Polizisten, und am gleichen Ort ein nicht unwichtiger Mann aus der Fraktion eine Gegenveranstaltung — gegen wen? — gegen die Veranstaltung mit Bundeskanzler und Verteidigungsminister macht? Eine verheerende Wirkung nicht nur auf uns in Deutschland, sondern auch auf die Ausländer, und zwar nicht nur auf die Freunde, sondern auch auf die Gegner.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Herr Minister, die Soldaten haben einen Anspruch, nicht versteckt, nicht ins Ghetto abgedrängt zu werden. Die Soldaten dienen nicht der Bundeswehr, sondern das sind junge Männer, die ihre Pflicht, teilweise knurrend, aber mit Einsicht erfül-



    Würzbach
    len, die der gesamten deutschen Bevölkerung dienen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Daß Sie nun, Herr Minister — unter welchem Eindruck eigentlich, unter dem der Randalierer, der Intoleranten? — verbieten, öffentliche Gelöbnisse durchzuführen, ist eine Ungeheuerlichkeit, wo Sie auf den erbitterten Widerstand nicht nur unserer Fraktion, sondern auch bei solchen Bevölkerungsteilen stoßen, die der Bundeswehr, der Streitkraft und der NATO etwas distanziert gegenüberstehen. Wir fordern Sie. auf: Machen Sie dieses Verbot so schnell wie möglich rückgängig!

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie haben die von Ihnen gewollte und immer wieder verschobene und verdrängte Diskussion über die Frage der Tradition durch dieses Verbot darüber hinaus in einer unzulässigen Weise präjudiziert. Gehen Sie mal — oder lassen Sie es sich melden — in Städte, in denen seit zwei Jahrzehnten und mehr unsere Soldaten stationiert sind, gehen Sie in solche Städte, in denen — ich sage dies einmal — die Welt gesund ist, in der es ein vernünftiges Miteinander gibt, in Städte in der Nähe von Germersheim oder nach Trappenkamp in Schleswig-Holstein, in die Städte, in denen für den nächsten oder den übernächsten Monat eine öffentliche Gelöbnisfeier angesetzt war.

    (Dr. Wörner [CDU/CSU]: Wo der Bürgermeister es will!)

    In diesen Städten, die Vorbereitungen beschlossen hatten, kamen jetzt Briefe an oder es wurde mündlich gemeldet oder mußte gemeldet werden: Wir machen das nicht, das wird in die Kaserne verschoben. Überlegen Sie sich die Wirkung!
    Ich möchte — und zwar bewußt an dieser Stelle — für die CDU und die CSU allen wehrpflichtigen Soldaten, allen Mannschaften, allen Unteroffizieren, allen Offizieren, allen Beamten und zivilen Arbeitnehmern der Bundeswehr, die trotz all der schwieriger gewordenen Dinge im Äußeren und im Inneren ihres Dienstes ihre Pflicht mit Engagement und Leistungswillen geleistet haben, unseren herzlichen Dank aussprechen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich darf an dieser Stelle ein besonderes Wort des Dankes an die Soldaten hinzufügen, die über Weihnachten, die über Silvester nicht bei ihren Familien haben sein können, sondern die in dem Erdbebengebiet in Italien Einsatz geleistet haben.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich möchte — dies schließt an die Eingangsbemerkungen an — ebenfalls einen Dank an die Soldaten unserer Verbündeten richten, die hier in Europa und in Deutschland Dienst tun und mit ein Garant für die Freiheit in unserer NATO sind. Das gilt besonders für die Amerikaner.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Bezüglich der Amerikaner bitten wir Sie, das, was Ihnen durch verschiedene Ressorts der Bundesregierung seit längerem und immer nachdrücklicher vorgetragen wird — das letzte ist der Stoessel-Besuch mit seinem Papier —, ernster zu nehmen. Ich möchte nur einen Punkt herausgreifen: Wenn die Amerikaner uns anbieten, in Garnisonen näher der Grenze verlegt zu werden, sollten wir dies, so meine ich, dankbarst unterstützen.
    Bei der Wertung der von mir geschilderten Vorgänge — ich entnehme der Reaktion der SPD-Fraktion, daß auch sie mir zustimmt —, die ausnahmslos durch Fakten belegt sind, und bei einer Würdigung der Haushaltssituation fordern wir die Bundesregierung dringend auf, unsere Verteidigung als Voraussetzung für das, wo Einigkeit bestand — Frieden in Freiheit —, wieder auf eine stabile, auf eine glaubwürdige Grundlage zu stellen. Heute mehr als zur Gründungszeit der NATO gilt: Wachsamkeit ist der Preis der Freiheit. Hierfür haben wir ebenfalls unseren entscheidenden Anteil zu leisten.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)