Rede von
Hermann
Kroll-Schlüter
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren. Die CDU/CSU-Bundestagsfraktion hat in der vergangenen Legislaturperiode der Neuordnung des Betäubungsmittelrechts zugestimmt. Wir waren in den zügigen Beratungen der zuständigen Ausschüsse zu Kompromissen bereit. Wir waren trotz Ablehnung unserer erheblichen Verbesserungsvorschläge bereit, dem Entwurf die Zustimmung nicht zu versagen um damit ein Signal zu geben, dieses Gesetz möglichst schnell wirksam werden zu lassen. Wir hatten auf eine entsprechende Kompromißbereitschaft der Koalition gehofft, und wir hoffen weiter darauf, denn ohne sinnvolle Kompromisse kann es dieses Gesetz nicht geben. Wir stehen also unter dem Zwang — obwohl es weniger Zwang als Einsicht sein sollte —, vernünftige Kompromisse zu finden, damit auf der Grundlage des Gesetzes gehandelt werden kann. Auch wir stehen also in der Pflicht zu handeln. Dabei lassen wir uns von folgenden Grundsätzen leiten:
Wir möchten einmal, daß die Verherrlichung des Drogenmißbrauchs bestraft wird. Wir sehen nicht ein, warum SPD und FDP dies ablehnen. Fast wöchentlich liest man von irgendeinem aufstrebenden Politiker die Forderung, Alkoholwerbung solle verboten werden. Fragt man die Bundesregierung, ob dies möglich sei, sagt sie nein. Was also nicht möglich ist, will man, aber was möglich ist, will man nicht; denn die Bestrafung der Verherrlichung des Drogenmißbrauchs ist möglich. Wer durch die Verherrlichung anderen Schaden zufügt, wer auf diese Art und Weise die Gesundheit eines anderen verletzt, warum sollte der angesichts der Dramatik des Drogenproblems nicht bestraft werden? Das müßte doch ganz einsichtig sein. Vielleicht kommen wir hier zu einem sinnvollen Kompromiß.
Interessant und faszinierend ist die These „Therapie statt Strafe". Wir haben mehrmals gesagt und haben uns diesbezüglich auch von den Experten in der Anhörung leiten lassen: Auf Strafe kann nicht verzichtet werden. Es ist so, daß die Strafandrohung durchaus ein wichtiger Grund zur Besserung sein kann, daß Strafe durchaus die entscheidende Motivation für den Therapieerfolg sein kann, daß sie Voraussetzung für den Therapieerfolg ist. Deswegen haben wir gesagt: Therapie und Strafe.
304 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 10. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 11. Dezember 1980
Kroll-Schlüter
Drittens sollte Therapie vor Strafe gehen, sie muß aber einsichtig, muß sinnvoll sein. Es muß ein Ziel erkennbar sein. Es hat keinen Sinn, jemanden nur einige Wochen oder Monate zu behandeln und ihn dann wieder ins Leere des Alltags zu schicken. Gefordert ist eine lebenslange Aufgabe. Er braucht nachhaltige Nachsorge, er braucht einen Arbeitsplatz, er braucht Betreuung, braucht einen Lebenssinn, braucht ein Ziel. Dies scheint mir in diesem Zusammenhang überhaupt das Wichtigste zu sein.
Auch unter diesem Gesichtspunkt möchten wir eine schnelle Verabschiedung des Gesetzes. Wir wollen handeln, damit die vielen tausend freiwilligen Helfer draußen im Lande handeln können. Wir sollten hier keine Debatte vorübergehen lassen, um den vielen freiwilligen ehrenamtlichen Helfern, den vielen fleißigen, in dieser aufopferungsvollen Arbeit tätigen Männern und Frauen in der Drogenszene, in der Therapie, die dort ohne allzu große staatliche Hilfe tätig sind, ein ausdrückliches Dankeschön zu sagen und sie ermutigen, weiterzumachen.
Man kann sie aber nur ermutigen, wenn man selbst den Mut zur klaren Entscheidung hat. Deswegen erkläre ich unsere nachhaltige Bereitschaft, durch eine zügige Beratung und Behandlung unseren Beitrag zur schnellstmöglichen Verabschiedung dieses Gesetzentwurfes zu leisten.
Ich darf noch einen Gedanken anfügen: Drogenmißbrauch ist keine einmalige Erscheinung, ist keine Modeerscheinung, die sich sozusagen von selbst erledigt. Wir haben diese Erscheinung seit fast zwei Jahrzehnten. Wir wollen bekunden, daß sie einmal ausgemerzt werden soll. Dazu sind noch erhebliche Anstrengungen notwendig. Wir müssen uns darüber im klaren sein, daß es sich hier um ein komplexes Thema handelt. Wir müssen jeden Bürger fragen, ob wir nicht auch den einzelnen durch eine ungehemmte Sucht nach Medikamenten verführen. Der Alkohol ist in diesem Zusammenhang anzusprechen.
Medikamentensucht des Älteren, der Eltern oder anderer sind sicherlich oft auch eine Verführung und der erste Schritt. Zumindest tragen sie nicht dazu bei, die Gefährlichkeit der Drogenszene auf zu-zeigen. Dieser Bereich ist komplex zu betrachten, und alle sind aufzufordern, in der Gesellschaftspolitik, in der Justiz, in der Gesundheits- und Familienpolitik, sorgsam zu beobachten, welche Verführungen vor der Drogenszene liegen, die zunächst nichts mit Drogen zu tun haben.
Es ist zu fragen, ob dieser Staat für junge Menschen attraktiv genug ist, ob er genug Herausforderungen formuliert oder ob er nicht ständig dabei ist, sie pädagogisch, therapeutisch zu betreuen. Es ist sehr wichtig, daß dieser Staat auch von jungen Menschen als eine Herausforderung begriffen wird. Wir sehen darin den besten und nachhaltigsten Therapieerfolg; nein, es ist die beste Prophylaxe, die beste Vorbeugung überhaupt, um junge Menschen davor zu gewahren, in die Resignation oder die Drogenszene abzugleiten.
Insofern sind wir weit darüber hinaus gefordert, insofern sind wir nachhaltig gefordert, und insofern ist es mit einem Gesetz nicht getan. Der erste Schritt sollte zügig getan werden, und dann sind wir gemeinsam aufgerufen, nicht nur zu beobachten, sondern klug, gesellschaftspolitisch, human, auf den ganzen Menschen bezogen, politisch umfassend zu handeln. Unsere Bereitschaft dazu haben wir nachhaltig bekundet und werden unsere Initiativen dazu nachhaltig ergreifen. — Herzlichen Dank.