Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kollegen! Die Beiträge der beiden Kol-
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legen lassen vermuten, daß diese Debatte mindestens atmosphärisch ruhiger wird als die dritte Lesung.
— Die dritte Lesung dieses Gesetzes in der 8. Legislaturperiode, Herr Kollege George, um das korrekt zu formulieren.
Das Protokoll verzeichnet nach meinem Beitrag damals die Bemerkung des leider -- und ich meine das sehr ehrlich — nicht mehr anwesenden Kollegen Becker: „Wir sprechen uns wieder!" Er hat mindestens darin recht behalten, daß wir dieses Gesetzesvorhaben hier heute noch einmal zu behandeln haben. Aber er hat auch in Erwartung dieser Entwicklung gesagt: „Wir sprechen uns wieder!" und nicht: „Wir werden wieder miteinander polemisieren", wie das in der dritten Lesung damals war. Insofern freue ich mich auf diese Auseinandersetzung, wenngleich ich den Eindruck habe: dies ist eine Debatte um eine inzwischen alte Sache, und sie wird wohl, Herr Kollege Zink, mit alten Argumenten geführt; denn bei aller Bereitschaft in der Forni ist von Ihnen in der Sache nicht viel Neues vorgetragen worden.
— Selbstverständlich, Herr Kollege Köhler, werden wir zu untersuchen haben, ob Ihre alten Argumente möglicherweise richtig sind. Und wir werden uns ganz sicher auch ernsthaft mit ihnen auseinandersetzen.
[ch möchte in diesem Zusammenhang unsere Bereitschaft zu einer solchen Diskussion zum Ausdruck bringen, aber auch unsere Position noch einmal deutlich darlegen, damit dadurch der Rahmen, in dem diese Diskussion, sinnvollerweise im Ausschuß, stattfinden kann, abgesteckt ist.
Herr Kollege Zink, bevor ich unsere Positionsbeschreibung vornehme, lassen Sie mich noch einmal auf ein Argument, das Sie hier wieder vorgebracht haben und das, wie ich meine, nicht schlüssig ist, eingehen. Sie sagen: Ihr Wunsch, einen individuellen Beitrag für den versicherten Künstler zu erheben, würde — wäre er im Gesetz realisiert — nicht zu Wettbewerbsverzerrungen am Markt führen. Herr Kollege Zink, bei allem Respekt vor den Vermarktern und ihrer Bereitschaft, individuelle Gestaltungen für die Aufbringung ihrer Beiträge zu finden — die Galeristen haben j a durch eine konkrete Rahmenvereinbarung bewiesen, daß es geht —, bleibt die Tatsache bestehen, daß der in der Sozialversicherung versicherte Künstler entweder weniger Honorar bekommt oder teurer verkaufen muß. Dies ist nun einmal das klassische Beispiel einer Wettbewerbsbenachteiligung, die wir — aus guten Gründen, wie ich meine — auch auf diesem Markt für unerträglich halten. Deswegen ist es — bei allem Respekt vor dem Versuch, individuelle Beitragserbringungskonstruktionen zu finden — nicht wahr, daß dadurch keine Wettbewerbsverzerrungen entstehen würden. Wir haben hier den — wie ich meine, erfolgreichen -- Versuch unternommen, eine Aufbringungsmethode zu finden, die einerseits die Beitragsverpflichtung des Künstlers, und zwar nur desjenigen, für den die Notwendigkeit einer Versicherung besteht, gewährleistet und andererseits eine gerechte Verteilung des Beitragsanteils der Vermarkter — ich bin sehr dankbar dafür, daß der Ausdruck „Quasi-Arbeitgeber" in dieser Debatte nicht gefallen ist — sicherstellt. Diese Lösung ist sinnvoll und richtig, weil sie die Lasten vernünftig verteilt.
Ich möchte unsere Position noch einmal zu beschreiben versuchen, damit klar wird, worum es uns geht und wie der Rahmen, in dem wir diese Diskussion unserer Meinung nach zu führen haben, gesteckt werden sollte.
Die FDP hat — wen wird das überraschen? — besonderen Wert darauf gelegt, daß der soziale Schutz und die persönliche Freiheit der selbständigen Künstler und Publizisten gewährleistet ist. Dem trägt die Wahlfreiheit bei der Krankenversicherung und Alterssicherung in diesem Gesetz Rechnung. Die vorgesehenen Finanzierungsregelungen entsprechen auch der Systematik unseres Sozialversicherungsrechts.
Der Versicherte zahlt einen einkommensbezogenen Beitragsanteil — wie auch die versicherten Arbeitnehmer --- in Höhe von 50 % des Gesamtbeitrages, der für ihn erbracht wird. Die andere Beitragshälfte wird für den Selbstvermarkter aus Zuschüssen der öffentlichen Hand und für die übrigen Künstler und Publizisten von ihren Vermarktern aufgebracht. Die Vermarkter werden dazu mit einer Künstlersozialabgabe belastet, die dem Beitragsaufkommen der Versicherten entspricht, die nicht Selbstvermarkter sind. Es ist also — um das noch einmal ganz klarzustellen — gewährleistet: Die Abgabe kann nicht höher sein als die Summe der Beiträge der versicherten Künstler.
Daraus ergibt sich, daß die Künstlersozialabgabe im Gegensatz zu einer an die Stelle des lohnbezogenen Arbeitgeberanteils tretenden Maschinensteuer systemkonform ist, denn es wird parallel zum lohnbezogenen Arbeitgeberbeitrag an die Entgelte der Versicherten angeknüpft, nicht wie bei der Maschinensteuer an Wertschöpfung oder irgendwelche anderen Maßstäbe. Es bleibt bei der hälftigen Finanzierung durch Versicherte und Vermarkter. Die Absicht der Maschinensteuer ist j a u. a., diese Hälftigkeit zu gefährden, mit der weiteren Absicht, den Arbeitgeberanteil nach Bedarf zu erhöhen. Das jetzt gefundene Erhebungssystem gewährleistet, daß keine Parallelen zu der sogenannten Maschinensteuer gezogen werden können. Die Kritik, die Künstlersozialabgabe sei ein Einstieg in die Maschinensteuer, ist nicht nur falsch; sie ist geradezu gefährlich, weil dadurch möglicherweise jemand auf falsche Ideen kommt. Ich bin den Kollegen der SPD ungewöhnlich dankbar, daß sie in der vorigen Wahlperiode in der Debatte über diesen Punkt von dieser Stelle aus ausdrücklich festgestellt haben, daß hier
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weder Präjudizierungen vorgenommen werden noch Parallelen ziehbar sind. Sie sollten daher tunlichst darauf verzichten, dieses Argument in dieser Debatte so vorzubringen.
Die von der FDP bei den parlamentarischen Beratungen in der 8. Wahlperiode durchgesetzten Änderungen und Ergänzungen ermöglichen die von Ihnen mit Recht verlangte Individualisierung der Künstlersozialabgabe. Für die einzelnen Sparten der Vermarkter soll der Erhebungssatz für die Künstlersozialabgabe entsprechend dem Beitragsaufkommen der Versicherten der jeweiligen Sparte festgelegt werden. Der Kollege Lutz hat ja daran erinnert, daß die Galeristen hier erfreulicherweise schon eine solche Vereinbarung getroffen haben. Ich kann Ihnen zu Ihrer Information von hier aus mitteilen, daß weitere Sparten in ernsthafte Gespräche über solche Regelungen eingetreten sind.
Lassen Sie mich auch dies festhalten: Innerhalb der spartenspezifischen Regelungen können die Vermarkter in eigener Verantwortung Ausgleichsregelungen treffen. Diese ermöglichen eben, die Belastung des einzelnen Vermarkters auf Grund der Künstlersozialabgabe so festzulegen, als wenn der Vermarkter individuelle Beitragszahlung zu leisten hätte. Das heißt, wir haben alle Forderungen, die Sie aufgestellt haben, in diesem Gesetzentwurf — leider ist ja nochmals ein Gesetzentwurf erforderlich geworden — realisiert.
Deswegen müßte es Ihnen eigentlich ohne Gesichtsverlust möglich sein, der von uns vorgeschlagenen Regelung zuzustimmen.
Auch die für Künstler und Publizisten bereits bestehenden Versorgungseinrichtungen werden in die Neuregelung einbezogen. Das heißt, bestehende Institutionen, die Sinnvolles und Gutes leisten, werden in die gesetzlichen Regelungen einbezogen.
Insgesamt sind also die gefundenen Regelungen systemgerecht, ordnungspolitisch ohne Bedenken und verwaltungsmäßig praktikabel. Sie vermeiden Wettbewerbsnachteile, wie sie mit einer unmittelbaren individuellen Beitragszahlung durch die Vermarkter zu Lasten der nach diesem Gesetz versicherten Künstler und Publizisten verbunden wären. Ich bitte Sie, sich das noch einmal ganz konkret vor Augen zu führen.
Wenn Sie individuelle durch den jeweiligen Abnehmer gestaltete Beiträge wünschen, dann bedeutet das: Für einen Künstler, aufgeteilt auf möglicherweise mehrere Vermarkter, muß dieser Beitrag ermittelt werden. Das ist mit ungewöhnlich viel Verwaltungsaufwand bei den einzelnen Vermarktern verbunden, weil j a zunächst einmal das Beitragsaufkommen dieses Künstlers dem einzelnen Vermarkter nicht bekannt ist. Wenn Sie dies durch eine Krankenkasse feststellen lassen, wie das von Ihnen einmal vorgeschlagen worden ist, so bedeutet das einen ungeheueren Aufwand für die einzelne nicht informierte Krankenkasse
bei Vermarktern, die über die ganze Bundesrepublik verteilt sind. Aber wir möchten doch alle, daß die Arbeitsmöglichkeiten des Künstlers nicht etwa durch diese Künstlersozialabgabe beschränkt werden — sozusagen unter dem Motto: Ich vermarkte Sie nicht zusätzlich, weil ich dann noch einen habe, für den ich abzuführen habe. Damit all dieser zusätzliche Bürokratismus nicht entsteht, erscheint es uns geradezu ein Beitrag zu weniger Bürokratie, daß wir hier eine Clearingstelle, ein vernünftiges Inkassobüro eingerichtet haben.
— Herr Kollege George, auch Ihr Schmunzeln in dieser Angelegenheit ändert nichts an der Richtigkeit dieser meiner Behauptung.
Denn genau wir haben, wie Sie wissen, peinlichst diesen Fragenkomplex untersucht,
weil wir natürlich jede Möglichkeit, hier Einsparungen vorzunehmen, ernsthaft untersucht haben.
Wir sind zu der Erkenntnis gekommen, daß dieses Inkassobüro
— j a, peinlichst; unter Pein festgestellt, sozusagen — ein Beitrag zu dem von uns allen gewünschten und verlangten Weniger an Bürokratie ist.
Ich möchte noch einmal deutlich sagen — für diejenigen, die sich neu mit der Materie beschäftigen —, daß dies ein Inkassobüro ist und nicht etwa ein neuer Rentenversicherungsträger. Dies ist ja bei den Kommentaren und Berichten, die über die vergangenen Debatten geschrieben worden sind, leider übersehen worden.
Daß unsere Bereitschaft vorhanden ist, Erfahrungen, die sich aus der Anwendung des Gesetzes ergeben, zu überprüfen und solche Erfahrungen dann auch in die gesetzgeberischen Überlegungen einzubeziehen, das mögen Sie daraus ersehen, daß wir uns alle einig waren, eine Pflicht für die Bundesregierung, über die Ergebnisse des Gesetzes zu berichten, einzuführen.
Ihre Einwände, die Sie bezüglich möglicher verfassungsrechtlicher Bedenken vorgetragen haben, kann ich in einem solchen Kurzbeitrag — einen Tag, nachdem das Urteil zum Ausbildungsförderungsgesetz in Karlsruhe verkündet ist — nicht gewichten. Soweit ich bisher unterrichtet bin, hat das Bundesverfassungsgericht die Ausbildungsabgabe nicht inhaltlich abgelehnt, sondern hat gesagt, daß die Zuweisung bestimmter Verwaltungsaufgaben an die Länder die Zustimmungspflicht bei diesem Gesetz begründeten.
— Ich möchte das mal vorsichtig so vortragen, Herr
Kollege George. Aber ich sehe — auch nachdem ich
mir heute vormittag das Gesetz noch einmal angese-
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hen habe — keine vergleichbaren Tatbestände, die eine solche Zustimmungspflicht begründen könnten, weil durch das Gesetz keine Verwaltungsaufgaben den Ländern zugewiesen werden. Aber, wie gesagt, wir haben ganz sicher die Pflicht, diesen Fragenkomplex noch einmal zu untersuchen. Das hat wohl weniger unser Ausschuß denn ein anderer, nämlich der Rechtsausschuß, zu tun.
Abschließend möchte ich der Hoffnung Ausdruck geben, daß die klimatischen Zeichen, die hier durch Sie, Herr Kollege Zink, gesetzt worden sind, die Beratungen im Ausschuß bestimmen werden. Ich würde es auch dankbar begrüßen, wenn sich Ihre Anregungen und Verbesserungsvorschläge auf den hier skizzierten Rahmen begrenzten, weil wir dann nicht mehr die Debatte von gestern zu führen hätten. Innerhalb dieses Rahmens sind wir selbstverständlich bereit, alle Vorschläge einer ernsthaften Überprüfung zu unterziehen. Im Interesse der Künstler hoffe ich sehr, daß wir dann recht bald zur Verabschiedung eines verfassungsrechtlich unbedenklichen Gesetzes kommen. Herzlichen Dank.