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Metadaten- insert_drive_fileAus Protokoll: 9007
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tocInhaltsverzeichnisPlenarprotokoll. 9/7 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 7. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 27. November 1980 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 167 C Fortsetzung der Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung Kiep CDU/CSU 129A Roth SPD 136 B Dr. Haussmann FDP 142 D Dr. Graf Lambsdorff, Bundesminister BMWi 145 C Dr. Stoltenberg, Ministerpräsident des Lan- des Schleswig-Holstein 150 C, 174 B Westphal SPD 159 B Frau Matthäus-Maier FDP 164 D Matthöfer, Bundesminister BMF . . . 168A Dr. Blüm CDU/CSU 175 C Rohde SPD 183A Cronenberg FDP 189A Dr. Ehrenberg, Bundesminister BMA . . 193 D Frau Dr. Wex CDU/CSU 197 D Kuhlwein SPD 202 D Frau Dr. Adam-Schwaetzer FDP . . . 207 B Frau Huber, Bundesminister BMJFG . 210A Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP KIM Dae-Jung — Drucksache 9/28 — 167 D Nächste Sitzung 213 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 215*A Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 7. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. November 1980 129 7. Sitzung Bonn, den 27. November 1980 Beginn: 9.00 Uhr
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folderAnlagenAnlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. van Aerssen 28. 11. Dr. Ahrens * 28. 11. Dr. Barzel 28.11. Büchner (Speyer) * 27. 11. Handlos 28. 11. Höffkes 28. 11. Frau Hürland 28. 11. Kunz (Berlin) 28. 11. Landré 28. 11. Mahne 28. 11. Dr. Mertens (Bottrop) 28. 11. Pawelczyk 28.11. Picard 28.11. Rappe (Hildesheim) 28. 11. Rayer 28. 11. Reddemann * 27. 11. Schmidt (Wattenscheid) 28. 11. Spilker 28. 11. Dr. Steger 28. 11. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
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insert_commentVorherige Rede als Kontext
Rede von Dr. Helga Wex
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Ich darf den Gedankengang eben zu Ende führen. Vielleicht verstehen wir uns dann besser.
Ich möchte darauf eingehen, wer hier Adressat ist. Die Koalition, die Regierung sind die Adressaten der Fragen der Opposition. Sie müssen Klärungen zum Wohle unserer Menschen herbeiführen. Wenn wir vom Mut zur Zukunft sprechen, gehört dazu auch, daß man den Abbau von Unsicherheit zum Mittelpunkt dessen macht, wofür man Verantwortung trägt. Das muß hier geklärt werden. Wo soll es sonst geklärt werden?
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wenn wir an diesem Punkte sind, möchte ich doch einmal den Bundeskanzler zitieren, wobei ich hoffe, daß dort, wo wir einig sind, auch eine Chance besteht, daraus Konsequenzen zu ziehen. Der Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung gesagt, er erkenne die Familie als sozialen und kulturellen Mittelpunkt des Lebens an. Es hätte doch nahegelegen, wenn er in diesem Zusammenhang z. B. ein Wort zur zukünftigen Ausgestaltung des Familienlastenausgleichs gesagt hätte. Er beließ es aber bei einem kurzen Rückblick auf die Vergangenheit. Er ließ eben den Mut zu Lösungen vermissen.
Wir alle sind uns doch bewußt, daß angesichts der Finanzlage in den öffentlichen Haushalten Sparsamkeit oberste Pflicht ist. Die CDU/CSU hat hier ihre Unterstützung zugesagt. Aber muß denn diese Sparsamkeit immer bei den Familien und bei den Frauen beginnen? Wir sind der Überzeugung — dies haben CDU und CSU in ihren Wahlaussagen deutlich gemacht —, daß das Sparen im Bereich der Familienpolitik eine der teuersten Formen des Sparens überhaupt darstellt.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Deswegen steht die Familie im Mittelpunkt unserer Gesellschaftspolitik; denn Sparen im Bereich der Familienpolitik zieht soziale Kosten im Bereich öffentlicher Hilfen und Beratungen nach sich, die — abgesehen von den nicht zu behebenden immateriellen Schäden — zukünftige Haushalte in weit stärkerem Maße belasten werden.
Wir hätten gern gewußt, wie sich die Bundesregierung den weiteren Weg für den Familienlastenausgleich vorstellt. Im Wahlkampf ist von den Koalitionsparteien dazu zuviel Unterschiedliches und Widersprüchliches geäußert worden, als daß wir uns davon wirklich ein Bild machen könnten, an dem wir uns orientieren können. Die FDP fordert einen degressiven Betreuungszuschlag zum Kindergeld. Der ehemalige Staatssekretär Wolters fordert die Einführung eines Erziehungsgeldes. Er mußte dann gehen. Frau Huber machte sich für einkommensabhängige Kindergeldzuschläge stark. Frau Fuchs und neulich im Rundfunk auch Frau Schlei forderten die Abschaffung des Ehegatten-Splittings. Und Frau Matthäus-Maier forderte die Einführung eines Familien-Splittings. Wenn schon angesichts der Finanzlage aktuelle Verbesserungen für die nächste Zukunft nicht in Sicht sind, so muß doch wenigstens eine Perspektive erwartet werden.
Hier stellen sich drei grundsätzliche Fragen:
1. In welcher Höhe sollten die Kosten für die Kinder von der öffentlichen Hand ohne Einmischung
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200 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 7. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. November 1980
Frau Dr. Wex
in die Autonomie der Familie übernommen werden? Uns allen ist hierbei klar, daß die Erziehungsleistung der Familie vom Staat nicht etwa gänzlich bezahlt werden kann.
2. An welchem Kostenfaktor für das Heranwachsen eines Kindes sollte der Familienlastenausgleich sich orientieren?
3. In welcher Form sollte dieser Familienlastenausgleich konkret ausgestaltet werden?
Nach Aussagen der Sachverständigen im Dritten Familienbericht ist der größte Kostenfaktor die Zuwendung an Zeit, wenn ein Partner auf eine außerhäusliche Erwerbstätigkeit verzichtet. Die CDU/ CSU ist der Ansicht, daß es durch eine entsprechende Ausgestaltung des Familienlastenausgleichs und des Systems der sozialen Sicherung im Rahmen der 84er Reform gelingen muß, in Familien mit Kindern einem Elternteil für die Bedürfnisse der Familie ohne allzu große ökonomische Benachteiligung den Verzicht auf außerhäusliche Erwerbstätigkeit zu ermöglichen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Darum haben CDU und CSU in ihrem Wahlprogramm die Einführung eines Erziehungsgeldes bis zum vollendeten dritten Lebensjahr eines Kindes gefordert und für diesen Vorschlag einen entsprechenden Finanzierungsmodus vorgelegt. Mit dem Erziehungsgeld soll ein Beitrag geleistet werden, daß Kindern in der ersten und entscheidenden Entwicklungsphase ihres Lebens das größtmögliche Maß an Liebe, Sorge und Zuwendung von den Eltern zuteil wird.
Der Herr Wirtschaftsminister hat mit Recht heute morgen auf die finanziellen Zwänge hingewiesen. Aber wenn es eine wichtige Zukunftsinvestition gibt, dann gehört die Sorge um die Familie und die Kinder ganz bestimmt dazu.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Herr Wirtschaftsminister, das sind keine Wahlversprechungen. Es sind Versprechungen von unserer Seite, an diesem wichtigen Ziel festzuhalten. Diese Aussage gilt auch unter den veränderten wirtschaftlichen Verhältnissen.
Wenn ich es richtig sehe, stimmen wir hier mit dem Bundeskanzler überein, der die Tätigkeit der Frau in der Familie und die Familie selbst aufgewertet wissen will. Das bedeutet aber, daß wir uns hier zusammen Gedanken machen müssen, wie auch unter geänderten wirtschaftlichen Voraussetzungen ein solcher Plan langfristig realisiert werden kann.
Heute morgen gab es schon bei der Rede von Herr Kiep eine kurze Diskussion über den Stellenwert des Godesberger Programms. Da ist unter dem Kapitel „Familie" zu lesen:
Hausfrauenarbeit muß als Berufsarbeit anerkannt werden. Hausfrauen und Mütter bedürfen besonderer Hilfe. Mütter von vorschulpflichtigen und schulpflichtigen Kindern dürfen nicht genötigt sein, aus wirtschaftlichen Gründen einem Erwerb nachzugehen.
Das steht im Godesberger Programm. Daraus müßte sich doch etwas machen lassen — es sein denn, die ökonomischen Zwänge, die vorgetragen werden, sind nicht der einzige Grund für die Ablehnung unseres Vorschlags.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Nach wie vor gilt: Es gibt für die Entwicklung eines Menschen nichts so Wichtiges wie die Nähe und Zuwendung der Eltern, gerade in den ersten Lebensjahren. Die Erziehungsleistung in der Familie anzuerkennen, steht auch im Zusammenhang mit einer recht verstandenen Emanzipation der Frau. Denn die Hausfrauen und Mütter sind heute die eigentlich Benachteiligten unter den Frauen.
Besondere Aufmerksamkeit verdienen die ausländischen Familien in der Bundesrepublik, die häufig kinderreich sind. Es kann nicht überraschen, daß sich, wenn schon die soziale Situation der deutschen kinderreichen Familien, wie es auch der Dritte Familienbericht ausweist, zu wünschen übrigläßt, sich die ausländischen Familien infolge der Integrations- und Sprachschwierigkeiten und der nationalen Eigenheiten besonderen Schwierigkeiten gegenübersehen. Es müssen besondere Anstrengungen unternommen werden — darüber sind wir sicher einig —, damit ein Ausgleich im Bildungsgefälle erreicht wird und die Integration der zweiten und dritten Generation dieser Familien gewährleistet ist.
Der Bundeskanzler beklagt, daß die Gleichberechtigung der Frau nur auf dem Papier stehe, und erklärt hierzu, das meiste dabei müsse die Gesellschaft leisten. Die Leistungen der Frau in der Familie müßten ebenso hoch bewertet werden wie die Arbeit der Frau im Beruf. CDU und CSU können diesen Aussagen nur zustimmen; wir haben dies schon seit langem vertreten.
Aber wie sieht die Gleichwertigkeit von familiärer Berufstätigkeit und außerhäuslicher Erwerbstätigkeit heute auf Grund der von SPD und FDP geführten Politik aus? In dem von der SPD und der FDP durchgesetzten Mutterschaftsurlaubsgesetz geht die nichterwerbstätige Frau leer aus, der im Haushalt für die Erziehung der Kinder Tätige hat keine Unfallversicherung. In der Rentenversicherung besteht kein eigenständiger Schutz. Nach den Plänen von SPD und FDP soll nach der Reform von 1984 der im Haushalt Tätige mit einem Jahr rentenrechtlicher Anerkennung abgespeist werden.
In bildungspolitischer Hinsicht wird argumentiert — z. B. in der Stellungnahme der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen zum Dritten Familienbericht —, in Haushalt und Kindererziehung könne man höhere Ausbildung nicht entsprechend anwenden. Meine Damen und Herren, dies nenne ich schlicht arrogant und eine Mißachtung dieser Tätigkeit. Denn nichts, was man gelernt hat, ist für die Erziehung der Kinder überflüssig.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Wie der Streit um den Kinderbetreuungsbetrag sehr deutlich zeigt, ist die Arbeit der Mutter im Steuerrecht nichts wert. Auch in den jüngsten Materialien der SPD zu Grundsatzfragen der Familienpoli-
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Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 7. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. November 1980 201
Frau Dr. Wex
tik vom 5. November 1979 ist von der gleichwertigen Tätigkeit der Hausfrau und der erziehenden Mutter nicht die Rede.
Das von der SPD und der Bundesregierung in Wahlreden gebrauchte Wort von der Wahlfreiheit von Mann und Frau ist so lange eine leere Worthülse, wie man gleichzeitig eine Politik betreibt, die auf eine einseitige Begünstigung der berufstätigen Frau hinausläuft.
Angesichts dieser Situation ist es nur zu verständlich, daß die Bevölkerung bei der Frage der Durchsetzung der Gleichberechtigung der Frau immer skeptischer wird. So zeigen Vergleichsuntersuchungen über gleiche Chancen für Frauen im Beruf, daß der Anteil derer, die der Meinung sind, diese unterschiedliche Behandlung bestehe nicht, seit Anfang der 70er Jahre rapide abgenommen hat. Waren im Jahr 1967 noch 40 % der Bevölkerung der Ansicht, daß Frauen gleiche Chancen haben, so ist diese Zahl im Jahre 1979 auf 10 % gesunken. Parallel dazu ist die Zahl derer, die der Meinung sind, Männer würden bevorzugt, von 44 % auf 72 % angestiegen.
In diesem Zusammenhang muß darauf hingewiesen werden, daß sich nach Umfragen heute bereits mehr als ein Drittel der weiblichen Wähler von den im Bundestag vertretenen Parteien nicht mehr ausreichend vertreten fühlt.
(Hört! Hört! bei der CDU/CSU)
Dies ist eine Fehlentwicklung, die politisch alarmieren muß. Es sollte eine der Hauptaufgaben der Politik sein, diese Entwicklung zur Kenntnis zu nehmen und für Abhilfe zu sorgen.
Die Aussagen der Koalitionsparteien berechtigen jedoch nicht zu dieser Zuversicht. Jeder weiß heute: Die im Grundgesetz niedergelegte Gleichberechtigung ist im Alltag noch nicht verwirklicht, und das über 30 Jahre nach Inkrafttreten des Grundgesetzes. Die Versäumnisse der Vergangenheit aber müssen aufgearbeitet werden, trotz der neuen Herausforderungen, vor denen wir stehen. Auch vor dem Hintergrund, daß das soziale Klima in der Bundesrepublik Deutschland in den 80er Jahren durch die Fehler in der Politik der 70er Jahre noch rauher wird, könnte eine auf wahrer Partnerschaft beruhende Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau zu den wichtigen stabilisierenden Faktoren gehören, auf denen sich unsere Gesellschaft abstützen könnte.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Der Bundesregierung fällt nichts Besseres ein, als die Zweckmäßigkeit eines Antidiskriminierungsgesetzes prüfen zu lassen. Bereits die Beratungen der von der CDU/CSU vorgeschlagenen Enquete-Kommission „Frau und Gesellschaft" in der 7. und 8. Legislaturperiode haben deutlich gemacht, daß ein Antidiskriminierungsgesetz keinen grundsätzlichen Beitrag zur Durchsetzung der Gleichberechtigung der Frau leisten kann. Es ist verfassungspolitisch unsinnig, da es in der konkreten Ausformulierung lediglich wieder nur eine Generalklausel sein kann, die mit Art. 3 Abs. 2 des Grundgesetzes in der Bundesrepublik bereits gegeben ist. Es verstärkt sich der Eindruck, daß die Durchsetzung der Gleichberechtigung auf Grund immer neuer Prüfungsvorschläge letztlich immer weiter hinausgeschoben werden soll. Aber wir müssen handeln!
Die Union hat vor dem 5. Oktober ein Zehn-Jahres-Programm zur Gleichberechtigung der Frau angeregt. Wir stehen weiter zu diesem Vorschlag. Wir als Opposition bieten der Bundesregierung und den Koalitionsparteien auf diesem Feld unsere Zusammenarbeit an. In Zusammenarbeit mit den Tarifparteien, den Landesregierungen, den Kirchen, den Wirtschaftsverbänden und anderen sollte ein solches Zehn-Jahres-Programm zur Herstellung gleicher Chancen für Frauen und Männer im Arbeitsleben, in der Familie und im öffentlichen Leben erstellt werden, um so zukünftige Lösungen zu ermöglichen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Es ist richtig, wenn der Bundeskanzler betont, daß ein Hauptgrund dafür, daß die tatsächliche Gleichberechtigung noch immer hinter der gesetzlich vorgeschriebenen zurückliegt, auf eine schlechtere Berufsausbildung von Mädchen und Frauen in der Vergangenheit zurückzuführen ist. Diese Analyse aber stellt für die Frauen noch keine Hilfe dar. Die Probleme der betroffenen Frauen werden auf Grund der vorhersehbaren Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt, z. B. durch das Eintreten der geburtenstarken Jahrgänge in das Arbeitsleben und durch das verstärkte Eindringen der Elektronik in den Produktionsprozeß, in den kommenden Jahren weiter zunehmen. Gleichzeitig vertieft sich der Graben zwischen den außerhäuslich erwerbstätigen Frauen und den Frauen, die einer familiären Berufstätigkeit nachgehen.
Die SPD vertritt weitgehend die Auffassung, die Befreiung der Frauen erfordere ihre Eingliederung in den industriellen Arbeitsprozeß. Aber sie versäumt gleichzeitig, durch eine entsprechende Wirtschafts- und Sozialpolitik hierfür die Voraussetzungen auf dem Arbeitsmarkt zu schaffen. Das Ergebnis dieser Politik ist: Die Frauen in der Familie gelten als nicht emanzipiert, die Frauen im Beruf bekommen keinen Arbeitsplatz. Hier hätten wir, wenn Sie schon keine Lösungsmöglichkeiten anbieten, doch wenigstens erwarten können, daß Sie diesen Problemkreis einmal vorurteilslos abstecken, damit wir zu gemeinsamen Überlegungen kommen können.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Frauen und Männer wollen heute in Partnerschaft über ihren Lebensweg entscheiden. Die Familie wird heute nicht nur von der Jugend als gemeinsame Aufgabe von Mann und Frau angesehen. Sie ist nicht mehr einseitig die Aufgabe der Frau, sie ist vielmehr eine partnerschaftliche Aufgabe. Nicht alles, was in der Familie nicht klappt, ist von vornherein nur den Frauen anzulasten. Es wäre deshalb wünschenswert gewesen, wenn der Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung mehr konkrete Aussagen zu mehr Wahlmöglichkeiten und größerer sozialer Sicherheit gemacht hätte, die diesem partnerschaftlichen Verständnis der Lebensgestaltung Rechnung tragen. Auch wenn die Kassen leer sind,
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202 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 7. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. November 1980
Frau Dr. Wex
darf das Nachdenken über Zukunftslösungen eben nicht aufhören. CDU/CSU werden auch weiter dafür eintreten, daß die Verwirklichung der Gleichberechtigung nicht nur seitens des Staates, sondern auch seitens der gesellschaftlichen Kräfte umfassend erfolgt: Gleichberechtigung im Beruf, Gleichberechtigung aber auch im Sinne wirklicher Wahlfreiheit von Mann und Frau.
Zur Verwirklichung dieser Forderungen gehören vielfältige Maßnahmen. Ich nenne hier z. B. die Notwendigkeit, die Erwerbstätigkeit und die Familientätigkeit besser in Einklang zu bringen. Dazu bedarf es auch der Schaffung von mehr Teilzeitarbeitsplätzen. Ich nenne aber auch all diejenigen Maßnahmen, die die Wiedereingliederung der Frau in die Berufswelt erleichtern. Hierzu gehört schließlich auch, daß die von der Koalition zu verantwortende Schlechterstellung der Hausfrau im Mutterschaftsurlaubsgeldgesetz beseitigt wird, eine Schlechterstellung, die fast schon den Charakter einer Diskriminierung hat.
(Beifall bei der CDU/CSU — Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: So ist es!)
Wir werden deshalb zu gegebener Zeit erneut einen Familiengeldgesetzentwurf einbringen.
Wir werden auch auf eine verstärkte Anerkennung von Erziehungszeiten im Rentenrecht drängen.
Wir werden uns bemühen, daß sich die Neuordnung der Hinterbliebenenversorgung nicht zu Lasten der Frauen auswirkt, so, wie man dies nach den Koalitionsvereinbarungen vermuten kann.
(Sehr richtig! bei der CDU/CSU)
Mit dem Modell der Partnerrente haben CDU und CSU hierzu die Richtung gewiesen.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Mit Blick auf die Jugend wird immer drängender die Frage nach dem angeblichen oder tatsächlichen Wertewandel gestellt. Sicher ist oft nicht der Wertewandel vorrangig; es gibt vielmehr verschiedene Formen, dieselben Werte auch für das eigene Leben verbindlich zu machen. Auch diesen Fragen wollen und müssen wir uns stellen.
Es stellt sich auch die Frage nach den Ursachen. Kommt die Unsicherheit über die Grundwerte bei der Jugend nicht auch daher, daß sinnvolle Werte von den Politikern, aber auch von der öffentlichen Meinung, nicht glaubhaft genug vertreten werden? Ist die Skepsis der Jugend ihnen gegenüber nicht auch darin begründet, daß sie sich zum Teil gegenüber Fragen der Jugend verschlossen haben, ja, daß heute vielfach einander schon sprachlich nicht mehr verstanden wird? Ist die Skepsis der Jugend immer unbegründet, daß ein für sie undurchschaubares Geflecht von Lobbyisten mehr das jeweilige Eigeninteresse als das Gesamtinteresse verfolgt?
(Zustimmung bei der CDU/CSU)
Aber mehr noch: Wachsen nicht Unsicherheit und Skepsis besonders auf dem Nährboden einer anonymen Massengesellschaft, in der die Erziehungskraft. von Elternhaus und Schule schwächer wird? Muß
also nicht hier durch politisches Handeln in Bund und Ländern angesetzt werden, das Ehe und Familie ebenso stärkt, wie es wieder ein Schulwesen aufbaut, in dem nicht nur Wissen vermittelt, sondern human erzogen wird?
(Beifall bei der CDU/CSU)
Tun wir das nicht, so verweigern wir uns der Jugend.
In diesem Zusammenhang gehört auch die Notwendigkeit, entsprechend einem recht verstandenen Subsidiaritätsprinzip Fragen der Jugendhilfe primär den freien Kräften der Gesellschaft anzuvertrauen; denn auch hier gilt, daß nicht der Staat, sondern eher die gesellschaftlichen Kräfte in der Lage sind, personal erfahrbare Hilfen anzubieten und durch ihre ehrenamtliche Tätigkeit Leistungen zu erbringen, die der Staat, wollte er etwa ihre Aufgaben übernehmen, überhaupt nicht bezahlen könnte.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Diesen Fragen und den Zukunftsängsten der Jugend darf sich keiner verschließen. Die Jugend hat berechtigte Sorgen bezüglich der Zukunft der Familie, ihrer Umwelt, des Arbeitsmarktes und der Fortentwicklung unserer Wohlstandsgesellschaft in mehr Gerechtigkeit und Freiheit. Sie wird immer skeptischer im Hinblick auf die Kraft der Politik, diese Aufgaben sinnvoll zu bewältigen. Nicht zuletzt der Papst-Besuch hat einmal mehr verdeutlicht, daß die Jugend zu Engagement und Verantwortung bereit ist und auch unbequeme Überzeugungen ernst nimmt, die glaubhaft vorgetragen werden.
Mut 'muß man beweisen, Mut zur Zukunft muß sich an der Tapferkeit messen lassen, mit der Konsequenzen aus gewonnenen Erkenntnissen gezogen werden. Die Jugend erwartet nicht Vorablob und Belohnung. Sie erwartet von uns allen, vor allem aber von denen, die Macht ausüben, glaubwürdige Perspektiven und gelebte Grundwerte. Wir von der CDU/CSU haben den notwendigen Dialog aufgenommen und werden ihn verstärkt fortführen.
(Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU)
Rede von Georg Leber
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Kuhlwein.
-
insert_commentNächste Rede als Kontext
Rede von Eckart Kuhlwein
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Bundeskanzler hat . in seiner Regierungserklärung von einer sehr widersprüchlichen Diskussion in unserer Gesellschaft über Ehe und Familie gesprochen und gesagt, die einen vermittelten den Eindruck, als gebe es eine heile Welt der geborgenen, glücklichen Familie, und die anderen täten so, als sei die Familie überall in Auflösung. Das ist sozusagen die Doppelstrategie, die die Union immer vorführt — soeben haben wir es wieder gehört —, wenn sie über Familie politisch diskutiert. Je nach politischer Zweckmäßigkeit beschwört sie auf der einen Seite das Bild der heilen und intakten Familie, wenn sie den Ausbau öffentlicher Hilfen zurückweisen will, und sie beschwört in einem Schauergemälde den Zusammenbruch der Familie am Rande
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Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 7. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. November 1980 203
Kuhlwein
der Gesellschaft, wenn sie die soziale Situation der Familie in unserer Gesellschaft darstellen will.
(Beifall bei der SPD)
Beides gleichzeitig kann doch wohl nicht richtig sein. Ich teile die Auffassung des Bundeskanzlers, daß weder das eine noch das andere richtig ist.
(Dr. Blüm [CDU/CSU]: Was ist dann richtig?)
— Ich komme gleich darauf. Seien Sie nicht so ungeduldig, Herr Kollege Blüm! Ich mache nicht nur Feuilleton, sondern ich will sachliche Aussagen machen.
(Beifall bei der SPD — Dr. Blüm [CDU/ CSU]: Mehr ist euch nicht eingefallen? — Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: Nur kein Neid!)
Wir sind der Meinung, daß die große Mehrheit der Familien mit ihren Problemen, die sich etwa aus dem Zusammenleben der Partner, aus der Erziehung der Kinder ergeben, im großen und ganzen selbst fertig wird. Wir sind der Meinung, daß Ehe und Familie nach wie vor erstrebenswerte Formen des Zusammenlebens sind, wie das der Parteivorstand der SPD vor einem Jahr in einer Entschließung festgestellt hat. Wir sind aber der Meinung, daß Familien nicht aus sich allein mit allen gesellschaftlichen Einflüssen und Anforderungen fertig werden können, die in die Familie hineinwirken, ob man das will oder nicht will.
Um die Unsicherheit von Frau Dr. Wex abbauen zu helfen und um die von Ihnen konstruierten Widersprüche der SPD-Position gegenüber dem Bundeskanzler auszuräumen, möchte ich zur Klarstellung noch einiges aus dem Parteitagsbeschluß vom 5. November 1979 wiedergeben.
Erstens. Familie und Ehe sind für uns tragende Formen menschlichen Zusammenlebens.
Zweitens. Wir gehen davon aus, daß die Erziehung der Kinder am besten in der Familie geleistet werden kann und auch vorrangig geleistet werden muß.
Drittens. Staat und Gesellschaft haben Ehe und Familie zu schützen, zu fördern und zu stärken. Dabei gehen wir davon aus, daß die Familie selbst ohne staatliche Reglementierung darüber entscheiden soll, wie sie ihr Zusammenleben gestalten will.
Viertens. Wir wollen der Familie keine festen Leitbilder vorgeben. Unsere Familienpolitik ist auch für neue Formen partnerschaftlicher Lebensgestaltung offen, wobei es dann nicht darum gehen muß, ob man nun rechtlich, ökonomisch und sozial alle Formen anderer Lebensgestaltung absichert. Dabei muß es aber wohl, wie es der Kollege Hölscher in seiner Zwischenfrage sehr richtig bemerkt hat, darum gehen, daß man krasse soziale Diskriminierungen anderer Formen abbaut. Darüber sollten wir auch gemeinsam nachdenken.
(Beifall bei der SPD und der. FDP)
Fünftens. Wir bejahen den Anspruch von Frau und Mann auf Selbstverwirklichung in der Familie
und im Berufsleben, und wir sehen eine Aufgabe von Staat und Gesellschaft darin, Kindererziehung und Beruf vereinbar zu machen.
(Vorsitz: Vizepräsident Wurbs)
Sechstens. Für die SPD ist Familienpolitik Teil einer Gesellschaftspolitik, die dem Sozialstaatsgebot des Grundgesetzes verpflichtet ist, d. h., wir wollen ungerechte soziale Unterschiede zwischen den Familien abbauen und gleiche Voraussetzungen für Familien und Kinder schaffen.
Siébentens. Daraus folgt für uns, daß wir Schwerpunkte vor allem für. solche Familien setzen, die besonderen Belastungen und Schwierigkeiten ausgesetzt sind. Eine der Problemgruppen, die ja auch von der Kollegin Frau Dr. Wex genannt worden sind, sind etwa die Familien ausländischer Arbeitnehmer. Da wollen wir alle gemeinsam, glaube ich, in diesem Hause in den nächsten vier Jahren vorankommen. Sie sollten da auch einen Appell an Ihre Bildungspolitiker in den Ländern richten, damit in Zukunft Förderstunden für Kinder ausländischer Arbeitnehmer in den Schulen mit Hilfe von Planstellen durchgeführt werden und nicht höchst mangelhaft über Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen ermöglicht werden müssen.
Aber Familien haben auch Probleme. Sie entwikkeln sich nicht im luftleeren Raum. Wie sie leben können, hängt sehr stark von Bedingungen der arbeitsteilig organisierten modernen Industriegesellschaft ab, ist beeinflußt durch die räumliche Trennung von Familienleben und Arbeitswelt, hängt davon ab, daß die Kleinfamilie von heute weniger soziale Partizipation hat als die Familie früher, hängt davon ab, daß Erziehung und Sozialisation der Kinder heute teilweise auf andere Träger verlagert werden. Das ist nun kein Begriff, den ich so erfunden habe, sondern das ist mit ein Ergebnis der Arbeit der Frauen-Enquete-Kommission, die das so geschrieben hat. Und einer dieser Sozialisationsträger ist die Schule. Auch da gilt ja wohl das, was ich soeben bezüglich der Betreuung von Ausländerkindern festgestellt habe. Auch da trifft die Verantwortung dafür, daß Eltern häufig als Hilfslehrer herangezogen werden, auch Bildungspolitiker aus Ländern, in denen Sie die Regierung stellen.
(Beifall bei der SPD)
Mir ist für familienpolitische Debatten die Lektüre der Süddeutschen Zeitung immer hilfreich. Mir ist da auf der Seite 40 heute ein Leserbrief aufgefallen, wo ein Elternbeiratsvorsitzender für die Volksschulen in der Landeshauptstadt München schreibt:
Bei uns sind eben die Eltern zu Hause die Hilfslehrer, die häufig in der Schule versäumte Detailhilfe nachholen müssen, ...
Solange Sie das in den von Ihnen regierten Ländern nicht korrigieren und reparieren, werden Sie immer Störungen im Familienleben auch aus dem Schulbereich haben.
(Beifall bei der SPD und der FDP)
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204 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 7. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. November 1980
Kuhlwein
Ich gebe ja zu, Frau Dr. Wex, daß auch in den von uns regierten Ländern da einiges mehr getan werden könnte.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Aber ich stelle fest, daß die Elternmitverwaltung in fast allen Schulverwaltungs- oder Schulgesetzen sozialliberal regierter Länder weit stärker ausgebaut ist als in den Schulgesetzen, die Ihre Regierungen verantworten.
(Beifall bei der SPD — Zurufe von der CDU/ CSU)
Nun haben Sie wieder das Klischee vorgetragen, die Sozialdemokraten diffamierten mit ihrer Politik die Hausfrauen. Sie tun immer so und haben auch in vielen Presseverlautbarungen einen derartigen Zusammenhang hergestellt. Ich habe noch einmal nachgelesen, was Sie so im letzten Dreivierteljahr zur Familienpolitik getönt haben. Da wird doch, so meine ich, die angebliche Verunsicherung der Hausfrau durch die Politik der Bundesregierung und durch die Reden von SPD- und FDP-Politikern ganz gewaltig überschätzt. Denn das gesellschaftliche Umfeld, in dem sich Hausfrauen heute bewegen, besteht ja nicht nur aus Radiosendungen, und die Radiosendungen bringen j a nicht nur Erklärungen der Bundesregierung und der SPD. Selbst wenn wir so etwas erklärt hätten, könnte das also nicht so durchschlagen, daß deshalb die Hausfrau, die sich nur der Kindererziehung widmet, in ihrer Rolle verunsichert worden und unglücklich geworden wäre.
Frau Kollegin Dr. Wex, wenn Sie mit uns darin übereinstimmen, daß Männer und Frauen selbstbestimmt entscheiden können sollen, wie sie Familie und Erwerbstätigkeit organisieren, und wenn Sie mit uns darin übereinstimmen, daß Frauen und Männer dabei gleichberechtigt vorgehen können müssen, dann kann die Frage j a eigentlich nicht mehr lauten: Hausfrau oder Berufstätigkeit, sondern sie müßte lauten: Was können wir tun, um Vätern und Müttern die Wahlfreiheit zu schaffen, die Voraussetzung für eine freie Entscheidung ist?
(Beifall bei der SPD und der FDP — Zurufe von der CDU/CSU)
— Ihrer Zustimmung, Frau Kollegin Fischer, entnehme ich, daß da zumindest zwischen uns, die wir uns der Familienpolitik widmen, Konsens besteht, aber wahrscheinlich ein Nachholbedarf bei vielen Ihrer Kollegen.
(Zuruf der Abg. Frau Fischer [CDU/CSU])
Diese Wahlfreiheit ist zur Zeit nicht gegeben. Das kann man auch in dem Bericht der Enquete-Kommission „Frau und Gesellschaft" nachlesen. Die Überlegungen, die dort angestellt worden sind, seien der Aufmerksamkeit aller Fraktionen dieses Hauses empfohlen. Es handelt sich um Überlegungen, die auf eine generelle Arbeitszeitverkürzung hinauslaufen, um Vätern und Müttern mehr Zeit für die Familie, mehr Zeit für ihre Kinder zu ermöglichen. Oder Überlegungen, Teilzeitarbeit auch unter dem Aspekt stärker zu diskutieren, daß einer der beiden Partner dann mehr Zeit für die Kinder und für die Familie zur Verfügung hat. Oder Überlegungen zu dem sicherlich umstrittenen, Herr Kollege Blüm, Job-Sharing. Oder Überlegungen vor allem für eine erleichterte Rückkehr in den Beruf durch zusätzliche Maßnahmen im Arbeitsförderungsgesetz oder für eine Weiterentwicklung des Mutterschaftsurlaubs oder für die Einführung eines arbeitsrechtlichen Elternurlaubs oder auch für eine Arbeitszeitverkürzung für berufstätige Eltern mit kleinen Kindern. Dies alles sollte sehr sorgfältig geprüft werden, damit wir hier gemeinsam zu neuen Überlegungen kommen.
Da der Einsetzungsauftrag des Deutschen Bundestages an die Kommission sinngemäß gelautet hat, Entscheidungen vorzubereiten, die zur Verwirklichung der vollen rechtlichen und sozialen Gleichberechtigung der Frau in der Gesellschaft führen sollten, sind die Fraktionen dieses Hauses am Zuge, die Überlegungen dort auszuwerten und gesetzgeberische Initiativen einzuleiten, wenn wir als Parlament die Arbeit, die wir selber in Auftrag gegeben haben, auch ernstnehmen wollen. Da für uns Sozialdemokraten die Regierungserklärung kein Gesetzesdogma ist, werden auch wir uns energisch in den nächsten vier Jahren damit beschäftigen.
(Beifall bei der SPD und der FDP)
Ich will die ewig-alte Diskussion über das Erziehungsgeld wegen der Kürze der Zeit hier nicht noch einmal wieder aufnehmen. Die Argumente sind oft genug ausgetauscht worden. Sie werden uns, auch wenn Sie einen neuen Familiengeldantrag im Deutschen Bundestag einbringen sollten, nicht dazu bringen, Ihre Position zu übernehmen.
Was mich vielmehr fasziniert, sind einige Ihrer Überlegungen zu einer strukturellen Veränderung des Familienlastenausgleichs, wobei die Berufung auf den Dritten Familienbericht insofern auch schon in diesem Hause abgehandelt worden ist, als wir nachgewiesen haben, daß die Zahlen, die dort zugrunde lagen, vom Anfang der 70er Jahre stammen und bei den inzwischen stattgefundenen Kindergelderhöhungen mindestens mit großer Vorsicht zu genießen sind.
Wir haben große Fortschritte durch Kindergelderhöhungen seit 1976 gemacht. Durch das Steuerentlastungsgesetz 1981 erhalten 4,6 Millionen Familien 2 Milliarden Mark mehr an Kindergeld. Es gibt Verbesserungen beim Wohngeld, allgemeine Steuererleichterungen, die auch Familien mit Kindern zugute kommen, Anhebung des Haushaltsfreibetrages ab 1982 für alleinerziehende Mütter oder Väter. Frau Dr. Wex, seit 1975 ist das Kindergeld für die VierKinder-Familie um 81 % gestiegen. Für dritte und weitere Kinder ist das Kindergeld verdoppelt worden. Das ist weit mehr, als die Preissteigerungen in dieser Zeit ausgemacht haben. Das ist ein Mehrfaches dessen, was es an Kindergeld in den Zeiten gab, als Sie die Verantwortung für die Bundesrepublik in der Bundesregierung trugen.
(Beifall bei der SPD und der FDP)
Aber ich bin auch der Meinung, daß die nächste Verbesserung des Familienlastenausgleichs nicht wieder von einem Wirtschaftsgipfel oder von einem Steuerreformprogramm abhängig gemacht werden darf.
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Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 7. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. November 1980 205
Kuhlwein
Die CDU hat keine Antworten gegeben, wie sie die Struktur des Familienlastenausgleichs verbessern würde. Aber sie hat dazu einige, wie ich meine, sehr richtige und wichtige Fragen gestellt. Bei künftigen Kindergelderhöhungen, so meinen wir allerdings, müßte auch eine stärkere soziale Komponente eingebaut werden.
(Beifall bei der SPD)
Es ist nicht einzusehen, warum Kindergelderhöhungen auch Bundestagsabgeordneten oder leitenden Chefärzten zugute kommen und warum Sozialhilfeempfänger an Kindergelderhöhungen nach unserem heutigen System nicht profitieren können.
(Beifall bei der SPD und der FDP)
Wir werden auch, wie es in der Regierungserklärung angekündigt worden ist, die Finanzamtslösung prüfen müssen. Wir hoffen da auf Ihre kooperative Mitarbeit. Weil das nämlich weniger bürokratisch ist. Sie wollen j a wohl Bürokratie abbauen. Das ist für den einzelnen besser nachvollziehbar, wenn er durch seine Kinder Steuerersparnis hat, als wenn er erst Steuern zahlen muß und kriegt auf dem Umweg über das Finanzamt wieder etwas zurück.
(Beifall bei der SPD)
Was wir auf keinen Fall mitmachen werden, ist eine Rückkehr zu zusätzlichen progressiv wirkenden Kinderfreibeträgen.
(Beifall bei der SPD)
Da frage ich diejenigen, die so gern mit der neuen sozialen Frage operieren, wie sie es vereinbaren können, auf der einen Seite zu sagen: Wir haben nur noch wenig Wirtschaftswachstum und wir müssen deswegen mehr soziale Gerechtigkeit walten lassen und vor allem den schwachen Gruppen in unserer Gesellschaft helfen, und andererseits aus dem wenigen, was wir haben, denjenigen noch mehr geben wollen, die ohnehin schon eine ganze Menge haben, was man nur zu Lasten derjenigen geben kann, die heute arm oder unter dem Strich sind.
(Beifall bei der SPD — Dr. Blüm [CDU/ CSU]: Sind Sie auch gegen Weihnachtsfreibeträge?)
— Herr Kollege Blüm, diese Frage habe ich schon einmal von einem Ihrer Kollegen gehört. Ich halte jeden progressiv wirkenden Freibetrag für problematisch. Ich bin für Grundfreibeträge, aber das ist meine persönliche Meinung. Bloß, was das Kindergeld oder die progressiv wirkenden Kinderfreibeträge betrifft, da ist das die Meinung unserer Fraktion und unserer Partei.
In diesem Zusammenhang sollte dann auch noch die Frage des Splitting diskutiert werden. Frau Kollegin Dr. Wex, Sie haben, als Anke Fuchs im Bundestagswahlkampf die Überlegung anstellte, ob man denn, wenn man zusätzlich familienpolitische Leistungen finanzieren will, nicht beim Splitting Konsequenzen ziehen müßte, sehr heftig reagiert. Ich möchte Sie bitten, diese heftige Reaktion noch einmal zu überlegen und hier nicht Fronten zu schaffen, die eigentlich nicht notwendig sind, weil es natürlich nicht so aussehen wird, wenn man darüber nachdenkt, daß man das generell beschneidet, sondern daß man Auswüchse des Splittings beschneidet, die mit der Intention derjenigen, die Ende der 50er Jahre das Splitting im Einkommensteuerrecht eingeführt haben, und mit der Intention des Urteils des Bundesverfassungsgerichts nicht mehr übereinstimmen. Sie können auch länger nachlesen, was darüber in dem Bericht der Enquete-Kommission „Frau und Gesellschaft" steht. Ich meine, das ist eine sehr schlüssige Begründung dafür, daß hier herangegangen werden muß, wenn wir überhaupt die Chance haben wollen — über 30 Milliarden DM werden jährlich im Moment an Familien mit und ohne Kinder dadurch umverteilt, daß der Splittingvorteil wahrgenommen wird —, einen Teil für wirksame Familienpolitik — für Familien mit Kindern — einzusetzen. Dann hätten wir eine ganze Menge gewonnen.
(Beifall bei der SPD und der FDP — Zurufe von der CDU/CSU)
— Ich dachte immer, Herr Kroll-Schlüter, die Opposition mache gelegentlich auch Vorschläge. Wir wollen es uns ja nicht so einfach machen, und Ihnen werden wir es nicht so einfach machen, daß wir Sie aus der Verantwortung entlassen, die auch eine parlamentarische Opposition haben sollte, ab und zu mal konstruktiv zu werden.
(Zurufe von der CDU/CSU)
Was die Reform '84 angeht, Frau Kollegin Dr. Wex, so werden wir als Fraktion uns dafür einsetzen, daß sie so, wie wir sie als Partei vorgelegt haben, auch ausfallen wird. Wir werden dafür sorgen, daß sie nicht auf dem Rücken der erwerbstätigen Frauen ausgetragen wird. Wir werden uns auch dafür einsetzen, daß ein Erziehungsjahr für alle anerkannt wird, auch rückwirkend. Ihre fünf Jahre waren natürlich ein Wechsel auf die Zukunft. Wenn das mal Gesetz würde, würden die Zukunftschancen der jungen Generation ganz erheblich beeinträchtigt.
(Beifall bei der SPD und der FDP)
So mutig sind wir bei aller Planungsbesessenheit nicht, daß wir voraussagen wollen, wie die Situation der öffentlichen Haushalte oder der Rentenversicherung im Jahre 2010 oder 2020 sein wird, wenn Ihre Versprechungen dann wirksam werden würden.
Noch eine Bemerkung zum Jugendhilfegesetz, das der Herr Kollege Blüm heute in seiner betont qualifizierten Art angesprochen hat und das die Frau Kollegin Wex dann etwas sachkundiger in die Betrachtung mit einbezogen hat. In der Regierungserklärung fehlt ein Hinweis auf das weitere Schicksal des JHG. Dabei handelt es sich hier auch um ein Stück Familienpolitik, weil wir mit diesem Gesetz Eltern und Kindern wirksamer als bisher helfen und die Förderung der Jugendarbeit damit ausbauen wollen. Aber dieses Gesetz ist ja im Wahlkampf an der Strategie der Union und ihres gewesenen Spitzenkandidaten gescheitert, und was der Kollege Blüm heute hier darüber gesagt hat, demonstriert seine tiefe Ahnungslosigkeit von den Problemen, die dahinterstecken.
(Beifall bei der SPD und der FDP)
Metadaten/Kopzeile:
206 Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 7. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. November 1980
Kuhlwein
Wir werden natürlich dafür sorgen, daß das, was er gesagt hat, auch bei den Tausenden von Sozialarbeitern, Herr Kollege Blüm, und bei den Tausenden von ehrenamtlichen Mitarbeitern in der Jugendhilfe, bei der Caritas, beim Diakonischen Werk, bei der Arbeiterwohlfahrt, bei den Gemeinden herumerzählt wird — das ist ja legitim; Parlamentsprotokolle dürfen j a überall nachgelesen werden —, damit die mal begreifen, wie gering Sie deren Arbeit einschätzen,
(Dr. Blüm [CDU/CSU]: Überhaupt nicht!)
wenn Sie sie hier vor diesem Hohen Hause- lächerlich machen,
(Dr. Blüm [CDU/CSU]: Überhaupt nicht!) wie Sie das getan haben.
(Beifall bei der SPD und der FDP)