Rede:
ID0900707600

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    Plenarprotokoll. 9/7 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 7. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 27. November 1980 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 167 C Fortsetzung der Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung Kiep CDU/CSU 129A Roth SPD 136 B Dr. Haussmann FDP 142 D Dr. Graf Lambsdorff, Bundesminister BMWi 145 C Dr. Stoltenberg, Ministerpräsident des Lan- des Schleswig-Holstein 150 C, 174 B Westphal SPD 159 B Frau Matthäus-Maier FDP 164 D Matthöfer, Bundesminister BMF . . . 168A Dr. Blüm CDU/CSU 175 C Rohde SPD 183A Cronenberg FDP 189A Dr. Ehrenberg, Bundesminister BMA . . 193 D Frau Dr. Wex CDU/CSU 197 D Kuhlwein SPD 202 D Frau Dr. Adam-Schwaetzer FDP . . . 207 B Frau Huber, Bundesminister BMJFG . 210A Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP KIM Dae-Jung — Drucksache 9/28 — 167 D Nächste Sitzung 213 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 215*A Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 7. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. November 1980 129 7. Sitzung Bonn, den 27. November 1980 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. van Aerssen 28. 11. Dr. Ahrens * 28. 11. Dr. Barzel 28.11. Büchner (Speyer) * 27. 11. Handlos 28. 11. Höffkes 28. 11. Frau Hürland 28. 11. Kunz (Berlin) 28. 11. Landré 28. 11. Mahne 28. 11. Dr. Mertens (Bottrop) 28. 11. Pawelczyk 28.11. Picard 28.11. Rappe (Hildesheim) 28. 11. Rayer 28. 11. Reddemann * 27. 11. Schmidt (Wattenscheid) 28. 11. Spilker 28. 11. Dr. Steger 28. 11. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Helga Wex


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Ich bin sehr froh, daß Sie diese Frage stellen. Ich habe ausgeführt — das ist sehr wichtig —, daß wir bei dieser Dikussion, an der sich gerade auch der Generalsekretär der FDP beteiligt, langsam in die Gefahr geraten, den besonderen Schutz von Ehe und Familie und ihre Unverwechselbarkeit zur Disposition zu stellen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir haben eindeutig gesagt, daß niemand das Recht hat, jemandem seinen Lebensentwurf vorzuschreiben.

    (Sehr gut! bei der SPD)

    Das Entscheidende ist, daß Toleranz in bezug auf alle Möglichkeiten praktiziert wird. Aber wenn jemand seinen eigenen Lebensentwurf wählt, kann er nicht gleichzeitig wie selbstverständlich denselben Schutz beanspruchen, den das Grundgesetz der Familie gewährt. Das ist der Unterschied.
    Ich glaube, wir befinden uns auf einem völlig falschen Wege, wenn wir uns in dieser Form auseinandersetzen. Ich finde, es wäre viel wichtiger, einmal über die Entlastungsfunktion von Institutionen zu sprechen, statt immer ihren repressiven Charakter in den Vordergrund zu stellen. Das gilt gerade dann, wenn sie vom Grundgesetz geschützt sind.

    (Beifall bei der CDU/CSU)



Rede von Georg Leber
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Frau Abgeordnete, erlauben Sie noch eine Frage des Abgeordneten Hölscher?

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Helga Wex


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Ich darf den Gedankengang eben zu Ende führen. Vielleicht verstehen wir uns dann besser.
    Ich möchte darauf eingehen, wer hier Adressat ist. Die Koalition, die Regierung sind die Adressaten der Fragen der Opposition. Sie müssen Klärungen zum Wohle unserer Menschen herbeiführen. Wenn wir vom Mut zur Zukunft sprechen, gehört dazu auch, daß man den Abbau von Unsicherheit zum Mittelpunkt dessen macht, wofür man Verantwortung trägt. Das muß hier geklärt werden. Wo soll es sonst geklärt werden?

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wenn wir an diesem Punkte sind, möchte ich doch einmal den Bundeskanzler zitieren, wobei ich hoffe, daß dort, wo wir einig sind, auch eine Chance besteht, daraus Konsequenzen zu ziehen. Der Bundeskanzler hat in seiner Regierungserklärung gesagt, er erkenne die Familie als sozialen und kulturellen Mittelpunkt des Lebens an. Es hätte doch nahegelegen, wenn er in diesem Zusammenhang z. B. ein Wort zur zukünftigen Ausgestaltung des Familienlastenausgleichs gesagt hätte. Er beließ es aber bei einem kurzen Rückblick auf die Vergangenheit. Er ließ eben den Mut zu Lösungen vermissen.
    Wir alle sind uns doch bewußt, daß angesichts der Finanzlage in den öffentlichen Haushalten Sparsamkeit oberste Pflicht ist. Die CDU/CSU hat hier ihre Unterstützung zugesagt. Aber muß denn diese Sparsamkeit immer bei den Familien und bei den Frauen beginnen? Wir sind der Überzeugung — dies haben CDU und CSU in ihren Wahlaussagen deutlich gemacht —, daß das Sparen im Bereich der Familienpolitik eine der teuersten Formen des Sparens überhaupt darstellt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Deswegen steht die Familie im Mittelpunkt unserer Gesellschaftspolitik; denn Sparen im Bereich der Familienpolitik zieht soziale Kosten im Bereich öffentlicher Hilfen und Beratungen nach sich, die — abgesehen von den nicht zu behebenden immateriellen Schäden — zukünftige Haushalte in weit stärkerem Maße belasten werden.
    Wir hätten gern gewußt, wie sich die Bundesregierung den weiteren Weg für den Familienlastenausgleich vorstellt. Im Wahlkampf ist von den Koalitionsparteien dazu zuviel Unterschiedliches und Widersprüchliches geäußert worden, als daß wir uns davon wirklich ein Bild machen könnten, an dem wir uns orientieren können. Die FDP fordert einen degressiven Betreuungszuschlag zum Kindergeld. Der ehemalige Staatssekretär Wolters fordert die Einführung eines Erziehungsgeldes. Er mußte dann gehen. Frau Huber machte sich für einkommensabhängige Kindergeldzuschläge stark. Frau Fuchs und neulich im Rundfunk auch Frau Schlei forderten die Abschaffung des Ehegatten-Splittings. Und Frau Matthäus-Maier forderte die Einführung eines Familien-Splittings. Wenn schon angesichts der Finanzlage aktuelle Verbesserungen für die nächste Zukunft nicht in Sicht sind, so muß doch wenigstens eine Perspektive erwartet werden.
    Hier stellen sich drei grundsätzliche Fragen:
    1. In welcher Höhe sollten die Kosten für die Kinder von der öffentlichen Hand ohne Einmischung



    Frau Dr. Wex
    in die Autonomie der Familie übernommen werden? Uns allen ist hierbei klar, daß die Erziehungsleistung der Familie vom Staat nicht etwa gänzlich bezahlt werden kann.
    2. An welchem Kostenfaktor für das Heranwachsen eines Kindes sollte der Familienlastenausgleich sich orientieren?
    3. In welcher Form sollte dieser Familienlastenausgleich konkret ausgestaltet werden?
    Nach Aussagen der Sachverständigen im Dritten Familienbericht ist der größte Kostenfaktor die Zuwendung an Zeit, wenn ein Partner auf eine außerhäusliche Erwerbstätigkeit verzichtet. Die CDU/ CSU ist der Ansicht, daß es durch eine entsprechende Ausgestaltung des Familienlastenausgleichs und des Systems der sozialen Sicherung im Rahmen der 84er Reform gelingen muß, in Familien mit Kindern einem Elternteil für die Bedürfnisse der Familie ohne allzu große ökonomische Benachteiligung den Verzicht auf außerhäusliche Erwerbstätigkeit zu ermöglichen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Darum haben CDU und CSU in ihrem Wahlprogramm die Einführung eines Erziehungsgeldes bis zum vollendeten dritten Lebensjahr eines Kindes gefordert und für diesen Vorschlag einen entsprechenden Finanzierungsmodus vorgelegt. Mit dem Erziehungsgeld soll ein Beitrag geleistet werden, daß Kindern in der ersten und entscheidenden Entwicklungsphase ihres Lebens das größtmögliche Maß an Liebe, Sorge und Zuwendung von den Eltern zuteil wird.
    Der Herr Wirtschaftsminister hat mit Recht heute morgen auf die finanziellen Zwänge hingewiesen. Aber wenn es eine wichtige Zukunftsinvestition gibt, dann gehört die Sorge um die Familie und die Kinder ganz bestimmt dazu.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Herr Wirtschaftsminister, das sind keine Wahlversprechungen. Es sind Versprechungen von unserer Seite, an diesem wichtigen Ziel festzuhalten. Diese Aussage gilt auch unter den veränderten wirtschaftlichen Verhältnissen.
    Wenn ich es richtig sehe, stimmen wir hier mit dem Bundeskanzler überein, der die Tätigkeit der Frau in der Familie und die Familie selbst aufgewertet wissen will. Das bedeutet aber, daß wir uns hier zusammen Gedanken machen müssen, wie auch unter geänderten wirtschaftlichen Voraussetzungen ein solcher Plan langfristig realisiert werden kann.
    Heute morgen gab es schon bei der Rede von Herr Kiep eine kurze Diskussion über den Stellenwert des Godesberger Programms. Da ist unter dem Kapitel „Familie" zu lesen:
    Hausfrauenarbeit muß als Berufsarbeit anerkannt werden. Hausfrauen und Mütter bedürfen besonderer Hilfe. Mütter von vorschulpflichtigen und schulpflichtigen Kindern dürfen nicht genötigt sein, aus wirtschaftlichen Gründen einem Erwerb nachzugehen.
    Das steht im Godesberger Programm. Daraus müßte sich doch etwas machen lassen — es sein denn, die ökonomischen Zwänge, die vorgetragen werden, sind nicht der einzige Grund für die Ablehnung unseres Vorschlags.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Nach wie vor gilt: Es gibt für die Entwicklung eines Menschen nichts so Wichtiges wie die Nähe und Zuwendung der Eltern, gerade in den ersten Lebensjahren. Die Erziehungsleistung in der Familie anzuerkennen, steht auch im Zusammenhang mit einer recht verstandenen Emanzipation der Frau. Denn die Hausfrauen und Mütter sind heute die eigentlich Benachteiligten unter den Frauen.
    Besondere Aufmerksamkeit verdienen die ausländischen Familien in der Bundesrepublik, die häufig kinderreich sind. Es kann nicht überraschen, daß sich, wenn schon die soziale Situation der deutschen kinderreichen Familien, wie es auch der Dritte Familienbericht ausweist, zu wünschen übrigläßt, sich die ausländischen Familien infolge der Integrations- und Sprachschwierigkeiten und der nationalen Eigenheiten besonderen Schwierigkeiten gegenübersehen. Es müssen besondere Anstrengungen unternommen werden — darüber sind wir sicher einig —, damit ein Ausgleich im Bildungsgefälle erreicht wird und die Integration der zweiten und dritten Generation dieser Familien gewährleistet ist.
    Der Bundeskanzler beklagt, daß die Gleichberechtigung der Frau nur auf dem Papier stehe, und erklärt hierzu, das meiste dabei müsse die Gesellschaft leisten. Die Leistungen der Frau in der Familie müßten ebenso hoch bewertet werden wie die Arbeit der Frau im Beruf. CDU und CSU können diesen Aussagen nur zustimmen; wir haben dies schon seit langem vertreten.
    Aber wie sieht die Gleichwertigkeit von familiärer Berufstätigkeit und außerhäuslicher Erwerbstätigkeit heute auf Grund der von SPD und FDP geführten Politik aus? In dem von der SPD und der FDP durchgesetzten Mutterschaftsurlaubsgesetz geht die nichterwerbstätige Frau leer aus, der im Haushalt für die Erziehung der Kinder Tätige hat keine Unfallversicherung. In der Rentenversicherung besteht kein eigenständiger Schutz. Nach den Plänen von SPD und FDP soll nach der Reform von 1984 der im Haushalt Tätige mit einem Jahr rentenrechtlicher Anerkennung abgespeist werden.
    In bildungspolitischer Hinsicht wird argumentiert — z. B. in der Stellungnahme der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen zum Dritten Familienbericht —, in Haushalt und Kindererziehung könne man höhere Ausbildung nicht entsprechend anwenden. Meine Damen und Herren, dies nenne ich schlicht arrogant und eine Mißachtung dieser Tätigkeit. Denn nichts, was man gelernt hat, ist für die Erziehung der Kinder überflüssig.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wie der Streit um den Kinderbetreuungsbetrag sehr deutlich zeigt, ist die Arbeit der Mutter im Steuerrecht nichts wert. Auch in den jüngsten Materialien der SPD zu Grundsatzfragen der Familienpoli-



    Frau Dr. Wex
    tik vom 5. November 1979 ist von der gleichwertigen Tätigkeit der Hausfrau und der erziehenden Mutter nicht die Rede.
    Das von der SPD und der Bundesregierung in Wahlreden gebrauchte Wort von der Wahlfreiheit von Mann und Frau ist so lange eine leere Worthülse, wie man gleichzeitig eine Politik betreibt, die auf eine einseitige Begünstigung der berufstätigen Frau hinausläuft.
    Angesichts dieser Situation ist es nur zu verständlich, daß die Bevölkerung bei der Frage der Durchsetzung der Gleichberechtigung der Frau immer skeptischer wird. So zeigen Vergleichsuntersuchungen über gleiche Chancen für Frauen im Beruf, daß der Anteil derer, die der Meinung sind, diese unterschiedliche Behandlung bestehe nicht, seit Anfang der 70er Jahre rapide abgenommen hat. Waren im Jahr 1967 noch 40 % der Bevölkerung der Ansicht, daß Frauen gleiche Chancen haben, so ist diese Zahl im Jahre 1979 auf 10 % gesunken. Parallel dazu ist die Zahl derer, die der Meinung sind, Männer würden bevorzugt, von 44 % auf 72 % angestiegen.
    In diesem Zusammenhang muß darauf hingewiesen werden, daß sich nach Umfragen heute bereits mehr als ein Drittel der weiblichen Wähler von den im Bundestag vertretenen Parteien nicht mehr ausreichend vertreten fühlt.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

    Dies ist eine Fehlentwicklung, die politisch alarmieren muß. Es sollte eine der Hauptaufgaben der Politik sein, diese Entwicklung zur Kenntnis zu nehmen und für Abhilfe zu sorgen.
    Die Aussagen der Koalitionsparteien berechtigen jedoch nicht zu dieser Zuversicht. Jeder weiß heute: Die im Grundgesetz niedergelegte Gleichberechtigung ist im Alltag noch nicht verwirklicht, und das über 30 Jahre nach Inkrafttreten des Grundgesetzes. Die Versäumnisse der Vergangenheit aber müssen aufgearbeitet werden, trotz der neuen Herausforderungen, vor denen wir stehen. Auch vor dem Hintergrund, daß das soziale Klima in der Bundesrepublik Deutschland in den 80er Jahren durch die Fehler in der Politik der 70er Jahre noch rauher wird, könnte eine auf wahrer Partnerschaft beruhende Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau zu den wichtigen stabilisierenden Faktoren gehören, auf denen sich unsere Gesellschaft abstützen könnte.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Der Bundesregierung fällt nichts Besseres ein, als die Zweckmäßigkeit eines Antidiskriminierungsgesetzes prüfen zu lassen. Bereits die Beratungen der von der CDU/CSU vorgeschlagenen Enquete-Kommission „Frau und Gesellschaft" in der 7. und 8. Legislaturperiode haben deutlich gemacht, daß ein Antidiskriminierungsgesetz keinen grundsätzlichen Beitrag zur Durchsetzung der Gleichberechtigung der Frau leisten kann. Es ist verfassungspolitisch unsinnig, da es in der konkreten Ausformulierung lediglich wieder nur eine Generalklausel sein kann, die mit Art. 3 Abs. 2 des Grundgesetzes in der Bundesrepublik bereits gegeben ist. Es verstärkt sich der Eindruck, daß die Durchsetzung der Gleichberechtigung auf Grund immer neuer Prüfungsvorschläge letztlich immer weiter hinausgeschoben werden soll. Aber wir müssen handeln!
    Die Union hat vor dem 5. Oktober ein Zehn-Jahres-Programm zur Gleichberechtigung der Frau angeregt. Wir stehen weiter zu diesem Vorschlag. Wir als Opposition bieten der Bundesregierung und den Koalitionsparteien auf diesem Feld unsere Zusammenarbeit an. In Zusammenarbeit mit den Tarifparteien, den Landesregierungen, den Kirchen, den Wirtschaftsverbänden und anderen sollte ein solches Zehn-Jahres-Programm zur Herstellung gleicher Chancen für Frauen und Männer im Arbeitsleben, in der Familie und im öffentlichen Leben erstellt werden, um so zukünftige Lösungen zu ermöglichen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Es ist richtig, wenn der Bundeskanzler betont, daß ein Hauptgrund dafür, daß die tatsächliche Gleichberechtigung noch immer hinter der gesetzlich vorgeschriebenen zurückliegt, auf eine schlechtere Berufsausbildung von Mädchen und Frauen in der Vergangenheit zurückzuführen ist. Diese Analyse aber stellt für die Frauen noch keine Hilfe dar. Die Probleme der betroffenen Frauen werden auf Grund der vorhersehbaren Entwicklungen auf dem Arbeitsmarkt, z. B. durch das Eintreten der geburtenstarken Jahrgänge in das Arbeitsleben und durch das verstärkte Eindringen der Elektronik in den Produktionsprozeß, in den kommenden Jahren weiter zunehmen. Gleichzeitig vertieft sich der Graben zwischen den außerhäuslich erwerbstätigen Frauen und den Frauen, die einer familiären Berufstätigkeit nachgehen.
    Die SPD vertritt weitgehend die Auffassung, die Befreiung der Frauen erfordere ihre Eingliederung in den industriellen Arbeitsprozeß. Aber sie versäumt gleichzeitig, durch eine entsprechende Wirtschafts- und Sozialpolitik hierfür die Voraussetzungen auf dem Arbeitsmarkt zu schaffen. Das Ergebnis dieser Politik ist: Die Frauen in der Familie gelten als nicht emanzipiert, die Frauen im Beruf bekommen keinen Arbeitsplatz. Hier hätten wir, wenn Sie schon keine Lösungsmöglichkeiten anbieten, doch wenigstens erwarten können, daß Sie diesen Problemkreis einmal vorurteilslos abstecken, damit wir zu gemeinsamen Überlegungen kommen können.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Frauen und Männer wollen heute in Partnerschaft über ihren Lebensweg entscheiden. Die Familie wird heute nicht nur von der Jugend als gemeinsame Aufgabe von Mann und Frau angesehen. Sie ist nicht mehr einseitig die Aufgabe der Frau, sie ist vielmehr eine partnerschaftliche Aufgabe. Nicht alles, was in der Familie nicht klappt, ist von vornherein nur den Frauen anzulasten. Es wäre deshalb wünschenswert gewesen, wenn der Bundeskanzler in seiner Regierungserklärung mehr konkrete Aussagen zu mehr Wahlmöglichkeiten und größerer sozialer Sicherheit gemacht hätte, die diesem partnerschaftlichen Verständnis der Lebensgestaltung Rechnung tragen. Auch wenn die Kassen leer sind,



    Frau Dr. Wex
    darf das Nachdenken über Zukunftslösungen eben nicht aufhören. CDU/CSU werden auch weiter dafür eintreten, daß die Verwirklichung der Gleichberechtigung nicht nur seitens des Staates, sondern auch seitens der gesellschaftlichen Kräfte umfassend erfolgt: Gleichberechtigung im Beruf, Gleichberechtigung aber auch im Sinne wirklicher Wahlfreiheit von Mann und Frau.
    Zur Verwirklichung dieser Forderungen gehören vielfältige Maßnahmen. Ich nenne hier z. B. die Notwendigkeit, die Erwerbstätigkeit und die Familientätigkeit besser in Einklang zu bringen. Dazu bedarf es auch der Schaffung von mehr Teilzeitarbeitsplätzen. Ich nenne aber auch all diejenigen Maßnahmen, die die Wiedereingliederung der Frau in die Berufswelt erleichtern. Hierzu gehört schließlich auch, daß die von der Koalition zu verantwortende Schlechterstellung der Hausfrau im Mutterschaftsurlaubsgeldgesetz beseitigt wird, eine Schlechterstellung, die fast schon den Charakter einer Diskriminierung hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Gerster [Mainz] [CDU/CSU]: So ist es!)

    Wir werden deshalb zu gegebener Zeit erneut einen Familiengeldgesetzentwurf einbringen.
    Wir werden auch auf eine verstärkte Anerkennung von Erziehungszeiten im Rentenrecht drängen.
    Wir werden uns bemühen, daß sich die Neuordnung der Hinterbliebenenversorgung nicht zu Lasten der Frauen auswirkt, so, wie man dies nach den Koalitionsvereinbarungen vermuten kann.

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    Mit dem Modell der Partnerrente haben CDU und CSU hierzu die Richtung gewiesen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Mit Blick auf die Jugend wird immer drängender die Frage nach dem angeblichen oder tatsächlichen Wertewandel gestellt. Sicher ist oft nicht der Wertewandel vorrangig; es gibt vielmehr verschiedene Formen, dieselben Werte auch für das eigene Leben verbindlich zu machen. Auch diesen Fragen wollen und müssen wir uns stellen.
    Es stellt sich auch die Frage nach den Ursachen. Kommt die Unsicherheit über die Grundwerte bei der Jugend nicht auch daher, daß sinnvolle Werte von den Politikern, aber auch von der öffentlichen Meinung, nicht glaubhaft genug vertreten werden? Ist die Skepsis der Jugend ihnen gegenüber nicht auch darin begründet, daß sie sich zum Teil gegenüber Fragen der Jugend verschlossen haben, ja, daß heute vielfach einander schon sprachlich nicht mehr verstanden wird? Ist die Skepsis der Jugend immer unbegründet, daß ein für sie undurchschaubares Geflecht von Lobbyisten mehr das jeweilige Eigeninteresse als das Gesamtinteresse verfolgt?

    (Zustimmung bei der CDU/CSU)

    Aber mehr noch: Wachsen nicht Unsicherheit und Skepsis besonders auf dem Nährboden einer anonymen Massengesellschaft, in der die Erziehungskraft. von Elternhaus und Schule schwächer wird? Muß
    also nicht hier durch politisches Handeln in Bund und Ländern angesetzt werden, das Ehe und Familie ebenso stärkt, wie es wieder ein Schulwesen aufbaut, in dem nicht nur Wissen vermittelt, sondern human erzogen wird?

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Tun wir das nicht, so verweigern wir uns der Jugend.
    In diesem Zusammenhang gehört auch die Notwendigkeit, entsprechend einem recht verstandenen Subsidiaritätsprinzip Fragen der Jugendhilfe primär den freien Kräften der Gesellschaft anzuvertrauen; denn auch hier gilt, daß nicht der Staat, sondern eher die gesellschaftlichen Kräfte in der Lage sind, personal erfahrbare Hilfen anzubieten und durch ihre ehrenamtliche Tätigkeit Leistungen zu erbringen, die der Staat, wollte er etwa ihre Aufgaben übernehmen, überhaupt nicht bezahlen könnte.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Diesen Fragen und den Zukunftsängsten der Jugend darf sich keiner verschließen. Die Jugend hat berechtigte Sorgen bezüglich der Zukunft der Familie, ihrer Umwelt, des Arbeitsmarktes und der Fortentwicklung unserer Wohlstandsgesellschaft in mehr Gerechtigkeit und Freiheit. Sie wird immer skeptischer im Hinblick auf die Kraft der Politik, diese Aufgaben sinnvoll zu bewältigen. Nicht zuletzt der Papst-Besuch hat einmal mehr verdeutlicht, daß die Jugend zu Engagement und Verantwortung bereit ist und auch unbequeme Überzeugungen ernst nimmt, die glaubhaft vorgetragen werden.
    Mut 'muß man beweisen, Mut zur Zukunft muß sich an der Tapferkeit messen lassen, mit der Konsequenzen aus gewonnenen Erkenntnissen gezogen werden. Die Jugend erwartet nicht Vorablob und Belohnung. Sie erwartet von uns allen, vor allem aber von denen, die Macht ausüben, glaubwürdige Perspektiven und gelebte Grundwerte. Wir von der CDU/CSU haben den notwendigen Dialog aufgenommen und werden ihn verstärkt fortführen.

    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU)