Rede von
Hans
Matthöfer
- Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede:
(SPD)
- Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich hatte wirklich gedacht, die Union hätte etwas aus dem Wahlkampf gelernt. Aber sie verfällt immer wieder in denselben Fehler. Sie verbiegt die Wirklichkeit, sie interpretiert sie um, und dann wird das Zerrbild unseres Landes so übersteigert, daß kein Mensch das wirkliche Bild in der Argumentation mehr wiedererkennt. Diesen Eindruck bekomme ich, wenn ich Herrn Stoltenberg höre, der von wachsenden Fehlbeträgen und von Finanzkrisen spricht.
Lieber Herr Stoltenberg, wir werden genau das tun, was wir im ganzen Wahlkampf angekündigt haben. Ich darf Ihnen das alles noch einmal sagen, was wir zum Teil gemeinsam beschlossen haben.
Der Haushalt wird um 4 % wachsen. Ich habe gesagt, daß wir die Steuermindereinnahmen, die durch die Senkung bewirkt werden, durch Streichungen im Haushalt kompensieren werden. Das haben Sie selbst mindestens dreimal im Bundesrat gehört, auch hier an dieser Stelle, und 182mal habe ich dies in Wahlkampfveranstaltungen gesagt. Und wir haben gesagt, wir werden ein Defizit von ungefähr 27 Milliarden DM machen. Wir werden zwei — —
— Natürlich wird es Nachtragshaushalte geben. Sie kennen das Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Sie kennen die Praxis dieses Hauses, daß dann, wenn neue Dinge auftreten, die Bundesregierung nicht selbständig irgend etwas tun kann, sondern daß die Budgethoheit dieses Hauses gewahrt bleibt. Das haben der Haushaltsausschuß und dieses Haus bisher auch immer respektiert und akzeptiert, und sie haben dabei mitgearbeitet.
— 27 Milliarden DM werden wir in meinem Haushaltsvorschlag vorlegen. Wenn keine unvorhergesehenen Dinge eintreten, wird es auch dabei bleiben. Warum soll es denn dann anders werden? Das geht j a gar nicht mehr, wenn der Haushalt so verabschiedet wird.
Schließlich haben wir gesagt: wir werden zwei Steuern erhöhen. Gestern höre ich zu meinem großen Erstaunen Herrn Zimmermann, der sagt, ich hätte gesagt, wir würden die Mehrwert- und die Tabaksteuer nicht erhöhen, und das würden wir nun doch tun. Wer hat denn hier jemals von einer Erhöhung der Mehrwertsteuer und der Tabaksteuer gesprochen? Sind Sie noch immer so befangen in Ihrer eigenen Wahlpropaganda, daß Sie die Wirklichkeit nicht zur Kenntnis nehmen? Wir erhöhen zwei Steuern, die Branntweinsteuer und die Mineralölsteuer. Dies haben wir im Juni durch Kabinettsbeschluß festgelegt. Warum sie ein bißchen höher ausfällt, als wir beschlossen haben, werde ich Ihnen gleich erklären.
Das hat seinen guten, Beschäftigung sichernden Grund.
Es ist doch absurd, Herr Stoltenberg, wenn Sie uns jetzt in Artikeln oder auch heute in Ihrer Rede eine prozyklische Haushalts- und Finanzpolitik vorwerfen. Das muß man sich überlegen: ein Haushalt mit 27 Milliarden Defizit ist für Herrn Stoltenberg „prozyklisch". Lieber Herr Stoltenberg, was heißt denn „prozyklisch"? Wenn nationalökonomische Terminologie noch überhaupt irgendeine Bedeutung hat, dann sagen Sie: Das Defizit ist zu niedrig.
Oder Sie hoffen, daß die Leute vergessen, was Sie gestern gesagt haben.
Wir haben 27 Milliarden gesagt. Wir bleiben dabei. Das ist nicht prozyklisch. Es ist doch ein Unsinn, zu behaupten, ein Haushalt mit 27 Milliarden DM Defizit sei prozyklisch, d. h. verstärke den Wirtschaftsabschwung.