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    Plenarprotokoll. 9/7 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 7. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 27. November 1980 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung 167 C Fortsetzung der Aussprache über die Erklärung der Bundesregierung Kiep CDU/CSU 129A Roth SPD 136 B Dr. Haussmann FDP 142 D Dr. Graf Lambsdorff, Bundesminister BMWi 145 C Dr. Stoltenberg, Ministerpräsident des Lan- des Schleswig-Holstein 150 C, 174 B Westphal SPD 159 B Frau Matthäus-Maier FDP 164 D Matthöfer, Bundesminister BMF . . . 168A Dr. Blüm CDU/CSU 175 C Rohde SPD 183A Cronenberg FDP 189A Dr. Ehrenberg, Bundesminister BMA . . 193 D Frau Dr. Wex CDU/CSU 197 D Kuhlwein SPD 202 D Frau Dr. Adam-Schwaetzer FDP . . . 207 B Frau Huber, Bundesminister BMJFG . 210A Antrag der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP KIM Dae-Jung — Drucksache 9/28 — 167 D Nächste Sitzung 213 C Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 215*A Deutscher Bundestag — 9. Wahlperiode — 7. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 27. November 1980 129 7. Sitzung Bonn, den 27. November 1980 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. van Aerssen 28. 11. Dr. Ahrens * 28. 11. Dr. Barzel 28.11. Büchner (Speyer) * 27. 11. Handlos 28. 11. Höffkes 28. 11. Frau Hürland 28. 11. Kunz (Berlin) 28. 11. Landré 28. 11. Mahne 28. 11. Dr. Mertens (Bottrop) 28. 11. Pawelczyk 28.11. Picard 28.11. Rappe (Hildesheim) 28. 11. Rayer 28. 11. Reddemann * 27. 11. Schmidt (Wattenscheid) 28. 11. Spilker 28. 11. Dr. Steger 28. 11. * für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
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    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: ()
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    Ich nehme zur Kenntnis, daß der Herr Lahnstein seine Aussagen korrigiert hat. Aber, Herr Kollege Roth, das Interview im „Deutschlandfunk" liegt mir hier im Originaltext, verbreitet vom Bundespresseamt, vor, und das muß j a wohl eine auch in Ihrer Sicht in etwa zuverlässige Quelle sein. Das andere ist über den Informationsdienst desselben Presseamtes auf Grund der Wiedergabe in mehreren führenden deutschen Zeitungen verbreitet worden. Ich stelle fest, daß Herr Lahnstein bestimmte Aussagen nachträglich korrigiert hat, aber ich glaube, daß die erste Fassung wohl seine kompetentere, weil unkorrigierte Meinung ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Es ist natürlich — deswegen spreche ich das an, nicht um hier jemanden in Verlegenheit zu bringen — schon bemerkenswert, wie sehr hier der Gegensatz zu dem zitierten Satz des Bundeskanzlers erkennbar wird, der j a erklärte, in gleicher wirtschaftlicher Lage würde die Bundesregierung wieder so handeln, wie sie nach 1973 gehandelt habe. Meine Damen und Herren, da besteht ein fundamentaler Gegensatz, der doch wohl ganz bestimmte Verständigungs- und Koordinierungsprobleme der Zukunft nicht nur innerhalb der Koalition, sondern auch bereits an der Spitze des Bundeskanzleramtes deutlich macht.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der CDU/CSU: Da am meisten!)

    Die Aussage . des Herrn Lahnstein, neue Programme seien jetzt nicht finanzierbar, stimmt auch mit der Aussage des Sachverständigenrates in seinem soeben vorgelegten und in anderen Punkten von Ihnen zustimmend bewerteten Gutachten überein.
    Meine Damen und Herren, in diesem Punkte sind wir den reflektierenden und kritischen Aussagen des Sprechers der Freien Demokratischen Partei, Herrn Hoppe, wesentlich näher als den insoweit ziemlich inhaltsleeren Passagen der Regierungserklärung in dem eben behandelten Bereich. Es führt überhaupt kein Weg daran vorbei — und es geht hier nicht um Rechthaberei, sondern um die Analyse der Ausgangsbedingungen der Zukunft —: Schwere Fehler der jüngsten Vergangenheit engen den Handlungsspielraum drastisch ein. Das gilt vor allem für den Bund. Länder und Gemeinden sind mitbetroffen. Wir haben unter Federführung der Bundesregierung eine prozyklische Finanzpolitik erlebt, wie sie allen Lehrbuchweisheiten der Finanzwissenschaften und der Nationalökonomie seit den Zeiten



    Ministerpräsident Dr. Stoltenberg (Schleswig-Holstein) von Adolph Wagner im Jahre 1872 völlig widerspricht.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sehr geehrter Herr Roth, wir brauchen die Kontroverse mit Herrn Milton Friedman sicher nicht im Deutschen Bundestag auszutragen; ich glaube, daß es dafür geeignetere Plätze gibt. Das andere ist das Entscheidende. Es war ein kardinaler Fehler, an dessen Folgen wir alle noch tragen werden. Fehlende politische und finanzielle Mittel für die Zukunftsaufgaben in einer schwerer werdenden Zeit sind auch durch Appelle zum „Mut zur Zukunft" überhaupt nicht zu ersetzen, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die sich verschärfende Finanzkrise ist nun natürlich zum empfindlichen Reibungspunkt der Beziehungen von Bund und Ländern geworden. Es ist ja in der 30jährigen Geschichte der Bundesrepublik Deutschland nicht neu, daß bei Gelddingen die Gemütlichkeit aufhört. Aber die sprunghaft steigenden Fehlbeträge in unseren Haushalten führen zu härteren Kontroversen über Steueranteile, über Prioritäten bei den Aufgaben und Ausgaben. Der Herr Bundeskanzler hat mit seinen Attacken gegen die Länder vor der Bundestagswahl wenig Verständnis auch bei seinen zuständigen eigenen Freunden in der SPD gefunden. In der abgewogeneren Sprache der Regierungserklärung erneuert er den Anspruch der Umverteilung der Einnahmen zugunsten des Bundes. Meine Damen und Herren, wir müssen hier einmal mit der Diskussion über die Aufgaben und Ausgaben beginnen. Es hat wirklich keinen Sinn, die immer kürzer gewordene Finanzdecke bis zum Zerreißen zwischen Bund und Ländern so heftig hin-und herzuziehen, daß die wechselseitigen Beziehungen dauerhaft geschädigt werden. Es geht um eine ernsthafte Prioritätendiskussion in der Sache auf der Aufgabenseite und der Ausgabenseite. Nur von dorther kann man den zweiten Teil der Debatte vernünftig führen.
    Meine Damen und Herren, ich muß Sie daran erinnern, daß diese Regierungskoalition nach 1969 zunächst jene Bereiche zu zentralen Zukunftsaufgaben erklärt hat, die im Finanzierungsbereich der Länder liegen, allen voran die Bildungspolitik. Der damalige Bundeskanzler, Herr Brandt, sagte in seiner ersten Regierungserklärung 1969 — ich zitiere —:
    Bildung und Ausbildung, Wissenschaft und Forschung stehen an der Spitze der Reformen, die es bei uns vorzunehmen gilt.
    Es gab dann in den folgenden Jahren, in den Jahren der schnellen Folge immer größerer Reformankündigungen, j a eine Fülle von neuen Projekten und Programmen und vor allem auch Erwartungen an die Länder und Gemeinden.
    Im übrigen gilt — trotz aller erheblichen Unterschiede in zentralen Fragen der Bildungs- und Hochschulpolitik —: Die Priorität von Bildung und Wissenschaft war schon seit 1965 zwischen den Parteien nicht strittig. Ich will Ihnen einmal die Zahlen vorlesen. 1970 wurden 23,4 Milliarden DM für Schulen und Hochschulen in der Bundesrepublik Deutschland ausgegeben, 1979 fast 56 Milliarden DM. Aber hiervon tragen Länder und Gemeinden im Rahmen ihrer Zuständigkeiten rund 97 %, wenn ich einmal die BAföG-Mittel aus diesem Bereich ausklammere, obwohl nach der Art des öffentlichen Auftretens, der Forderungen, des Erteilens von Zensuren manchmal der Eindruck entsteht, der Bund würde 97 % dieser Ausgaben tragen, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Nein, wir tragen 97 % der Mittel für Schulen und Hochschulen in der Bundesrepublik Deutschland im Rahmen unsere verfassungsmäßigen Verantwortung. Diese Mittel werden weiter steigen, um der Verantwortung gegenüber der Jugend gerecht zu werden. Sicher, man muß von Zeit zu Zeit Prioritäten überprüfen und verändern. Ab 1974 räumt die Bundesregierung der Aufgabe der Konjunkturstützung einen besonderen Vorrang ein. Heute weist der Bund auf wachsende internationale Verpflichtungen hin, während wir, meine Damen und Herren, auch im Kontext dieser Regierungserklärung, die erheblich steigenden Herausforderungen auf dem Gebiet des Umweltschutzes und der Ausländerpolitik im wesentlichen im Rahmen unserer Kompetenz, vor allem auch im Rahmen unserer Finanzausstattung, zu bewältigen haben.
    Was' nicht geht, Herr Bundeskanzler, ist ein mit akuter Finanznot begründeter abrupter Kurswechsel, eine Schnellbremsung, in wichtigen und sensiblen Bereichen wie der Wissenschafts- und Bildungspolitik. Hier nehmen sonst bedeutende Einrichtungen, vor allem aber viele Menschen schwersten Schaden. Man kann über die Neubestimmung der Ausbauziele für die Hochschulen reden. Wir befinden uns ja in der merkwürdigen Situation, daß wir bis zu Ihren Kürzungsbeschlüssen hier etwas behutsamer waren als Sie. Man kann auch prinzipiell über die finanzielle Verantwortung für den Studentenwohnheimbau reden.
    Aber ich sage sehr deutlich: Es ist absolut unerträglich, wenn die verfassungsmäßig zuständigen Bundesländer, vor allem die Hochschulen, ihre Organe selbst, die Studentenwerke und andere bis Oktober 1980 mit bestimmten finanziellen Zusagen des Bundes arbeiten und planen und dann acht Wochen vor Jahresende über Nacht erfahren, daß im nächsten Jahr Hunderte von Millionen zugesagter Bundesmittel fehlen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das ist nach meiner Überzeugung der Skandal, nicht die Tatsache, daß Sie — die Koalition, die Regierung — wegen länger erkennbarer finanzieller Schwierigkeiten zu einer mittelfristigen Umsteuerung auch in den Größenordnungen kommen wollen.
    Vieles von dem, was hier der Herr Bundeskanzler und andere sehr eindrucksvoll über das Vertrauen der Jugend und das Vertrauen der Bürger gesagt haben, wird durch eine solche Politik — nicht so sehr wegen der finanziellen Größenordnungen, aber we-



    Ministerpräsident Dr. Stoltenberg (Schleswig-Holstein) gen der Abruptheit, der Härte und der Plötzlichkeit des Vorgehens — in Frage gestellt.

    (Beifall bei der CDU/CSU — von der Heydt Freiherr von Massenbach [CDU/CSU]: Da war vorher eine Wahl!)

    Es gibt da manchmal zeitliche Übereinstimmungen. Am Montag, am Tag der Regierungserklärung, haben wir die Pressemeldung über die vorzeitige bzw. vorläufige Stillegung des bedeutendsten Forschungszentrums in Norddeutschland, des Deutschen Elektronen-Synchrotons in Hamburg, gelesen, einer Institution von höchstem internationalem Rang, weil kurzfristig die erforderlichen Bundesmittel gestrichen wurden. Für mich, der ich aus meiner früheren eigenen amtlichen Tätigkeit als Bundesminister und Abgeordneter dieses Hauses dieser Institution besonders verbunden bin, ist dies schon ein symbolhafter Vorgang.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Nebenbei bemerkt ist dies ein Vorgang, welcher der internationalen wissenschaftlichen Reputation der Bundesrepublik erheblichen Schaden zufügt, unabhängig davon, ob es noch gelingt, für 1981 durch eine Korrektur das Schlimmste zu beseitigen. Hier ist jeder Tag, jede Woche ausgenutzt, in einem Verbundsystem internationaler Hochenergiephysiker der westlichen Welt und zum Teil übrigens auch aus Osteuropa. Auch ein Ausfall von drei Wochen ist gerade im Hinblick auf das Standing der Bundesrepublik Deutschland in der internationalen wissenschaftlichen Gemeinschaft überhaupt nicht wiedergutzumachen.
    Das ist zum einen ein Beispiel für die Unberechenbarkeit, für die mangelnde Verläßlichkeit der Wissenschafts- und Finanzpolitik der Bundesregierung, zum anderen für den — was mich seit langem bedrückt — erschreckenden Rückgang des Stellenwerts vor allem der Grundlagenforschung in Ihrer Politik überhaupt, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Seitdem es üblich geworden ist ich habe das in anderem Zusammenhang hier als den „Aufstand der Amateure" bezeichnet —, daß in Verlagen mit Publikationen in hoher Auflage, beginnend mit dem Rowohlt-Verlag, Herr Duve, jeder Amateur in entscheidenden Lebensfragen etwa der Technik oder der Energiepolitik die bedeutendsten Persönlichkeiten der deutschen und internationalen Wissenschaft abqualifizieren kann, hat sich dieser geistige Rückgang in unserem Land noch verstärkt.

    (Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)

    Die Plötzlichkeit, die Unberechenbarkeit des Einschnitts ist es, die bei unseren Hochschulen, bei der Max-Planck-Gesellschaft, deren Senatsmitglied ich auch heute noch aus alter Verbundenheit bin, bei der Deutschen Forschungsgemeinschaft und beim wissenschaftlichen Nachwuchs die tiefe Bestürzung auslöst. Ich will hier keinen Zweifel bestehen lassen: Es gibt sehr gute Gründe, zu einer inhaltlichen Neuorientierung der Forschungspolitik zu kommen: Abbau der unübersehbaren Fülle an Einzelmaßnahmen direkter Forschungsförderung gegenüber Industriefirmen, Konzentration dieser direkten Förderung auf eine begrenzte Zahl besonders begründeter Programme von nationalem Interesse. Dafür sind wir seit vielen Jahren, und zwar sowohl die Kollegen des Bundestags als auch die aus den Ländern. Die Freien Demokraten haben das offenbar übernommen. Aber dies verlangt eine angemessene Zeit der Umstellung und mittelfristig angelegte Konzeptionen, zu denen natürlich auch die Verbesserung der indirekten Forschungsförderung z. B. für die Wirtschaft gehört. Die Koalitionsverhandlungen bringen statt dessen eine drastische Verringerung des Forschungshaushalts für 1981 um fast 700 Millionen DM gegenüber der geltenden Finanzplanung.

    (Dr. Spöri [SPD]: Sie fordern doch dauernd drastisches Sparen!)

    — Sie haben es nicht begriffen. Ich hatte Ihnen doch den Rat gegeben, vor ein, zwei Jahren ehrlich anzukündigen, was Sie vorhaben. Dann hätten sich die Beteiligten darauf einstellen können. Aber sie drei Wochen nach der Wahl mit Wirkung vom L Januar 1981 vor eine vollkommen veränderte Situation zu stellen — das ist mein Punkt der Kritik. Das sollten Sie doch endlich zur Kenntnis nehmen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Darüber müssen Sie sich auch vollkommen im klaren sein: Da durch die Ihnen allen bekannten Bindungsermächtigungen gerade hier umfassende rechtliche Verpflichtungen für das nächste Jahr bestehen, muß man über die akute Krise des erwähnten Hamburger Zentrums hinaus bei der Grundlagenforschung schwere Einschränkungen befürchten. Die führenden Repräsentanten haben das ja auch in aller Deutlichkeit gesagt. Das ist keine Politik, die Vertrauen in die Zukunft begründet.
    Ich muß Ihnen, Herr Bundeskanzler, zum BundLänder-Verhältnis folgendes sagen — es hat für mich nicht denselben Stellenwert —: Es ist nicht einmal mehr ein Mindestmaß an vertrauensvoller Zusammenarbeit gegeben, wenn Bundesminister in diesen Wochen, im Oktober und November — vielleicht ohne Ihr Wissen, aber doch auf Grund von generellen Kabinettsbeschlüssen —, in anderen Bereichen wie etwa bei den verschiedenen Programmen des Wohnungsbaus die Mittel, die vereinbart, die abgesprochen waren, über die wir teilweise Verwaltungsabkommen geschlossen haben, kurzfristig nicht zur Verfügung stellen. Das macht bei einem kleinen Land wie Schleswig-Holstein allein in zwei Monaten 20 Millionen DM aus. Das können Sie dann auf Hunderte von Millionen DM für die Bundesrepublik Deutschland hochrechnen. So können wir miteinander nicht umgehen — oder Sie nicht mit uns, um das noch einmal deutlicher zu sagen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das trifft private Bauherren, das trifft Wohnungsbaugesellschaften, das trifft Kommunen mit außerordentlicher Abruptheit.
    Ich habe gestern von Herrn Kollegen Brandt etwas von vorausschauender Strukturpolitik gehört.

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)




    Ministerpräsident Dr. Stoltenberg (Schleswig-Holstein) Wie viele große Planungsstäbe sind seit den ausgehenden 60er Jahren in Bonn neu entstanden! Wir haben j a gerade auch von der politischen und geistigen Linken die optimistischen Betrachtungen über Verwissenschaftlichung der Politik — ein sehr interessantes Thema, Herr Ehmke — vernommen. Aber was nützt das alles, wenn nicht die einfachsten Grundsätze einer verläßlichen, traditionellen Finanzplanung und Vertragserfüllung gegenwärtig das Verhalten der Bundesregierung bestimmen? Wir könnten uns doch wirklich ein Teil dieser Dinge sparen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich kehre jetzt zu den Grundfragen der Finanzbeschlüsse und damit auch der Beziehungen von Bund und Ländern zurück und will noch eines sagen: Es ist vollkommen klar, daß wir im Bundesrat nicht generell gesetzliche Eingriffe in Steuervorteile und Subventionen ablehnen und alle Kürzungen der Bundesregierung pauschal bekämpfen. Aber wenn wir harte Sparvorlagen — ich sehe das kommen —, die Sie auf der Ausgabenseite vorbereiten, passieren lassen, dann muß die politische Verantwortung für diesen hektischen Richtungswechsel vollkommen klar bleiben. Sie können, meine Damen und Herren von der SPD und FDP, dieser Verantwortung auf Grund der Geschichte der letzten Jahre nicht entfliehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir möchten auch als Landespolitiker der Union in unserem Handeln glaubwürdig bleiben. Wir haben deutlicher und offener als andere von den notwendigen Eingriffen geredet. Es ist für mich psychologisch interessant, wie jetzt jeder Bundesminister — zuletzt Herr Lambsdorff — behauptet, er habe das doch auch alles gesagt. Ja, warum haben es denn die Wähler nicht begriffen, meine Damen und Herren von der SPD und FDP? Warum sind Ihre eigenen Abgeordneten — doch nicht nur Herr Gansel — schokkiert über das, was sich hier ereignet? Ganz so deutlich und klar, wie es wünschenswert gewesen wäre, war es wohl nicht.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Für uns bleiben jedenfalls dieselben Maßstäbe gültig, die wir vor dem 5. Oktober 1980 vertreten haben. Ich will deshalb auch hinzufügen: Bis zu einer Klärung der grundlegenden finanzwirtschaftlichen Daten in den kommenden Monaten beabsichtigen wir nicht, im Bundesrat finanzwirksame Anträge einzubringen. Aber wenn wir hier Zurückhaltung üben, dann muß das auch für die Koalitionsfraktionen und die Bundesregierung im Verhältnis zu den Ländern und Gemeinden gelten. Ich erwarte und erhoffe von den bevorstehenden Gesprächen mit dem Herrn Bundeskanzler, daß zunächst mit den Ländern gründlich und offen darüber gesprochen wird, ob und gegebenenfalls in welcher Form es überhaupt vertretbar ist, angesichts der akuten Finanzkrise jetzt die vom Bundesrat abgelehnten kostspieligen Gesetze erneut vorzulegen.
    Ich begrüße in diesem Zusammenhang ausdrücklich zwei Aussagen meines hessischen Kollegen Holger Börner. Ich meine nicht den Flughafen, meine
    Damen und Herren von der SPD; dazu brauche ich mich nicht zu äußern. Ich meine die Bundespolitik. Er hat seine Bonner Parteifreunde im Oktober aufgefordert — ich zitiere —, „nicht weiter Speckseiten in das Schaufenster zu hängen, die von den Ländern bezahlt werden müssen".

    (Beifall bei der CDU/CSU) Das kann ich nur unterstreichen.


    (von der Heydt Freiherr von Massenbach [CDU/CSU]: Roßtäuscherei!)

    Er gab kurz danach einen Beschluß seines Kabinetts — aus SPD und FDP — bekannt, man werde bis auf weiteres neuen Bundesgesetzen, die Länder und Gemeinden finanziell belasten, nicht zustimmen. Ich sehe also hier, Herr Ehmke, eine breitere überparteiliche Mehrheit im Bundesrat bei der Vertretung unserer Grundsätze, die wir auch damals — allerdings allein — vor der Bundestagswahl vertreten haben.

    (Dr. Spöri [SPD]: Das ist doch nichts Neues!)

    Nun müssen wir natürlich in diesen kommenden Gesprächen über wichtige Themen wie etwa Verkehrslärm reden. Aber ich will Ihnen sagen: Für mich gilt der einfache Grundsatz: Wenn man seine überkommenen Verpflichtungen nicht mehr bezahlen kann, dann darf man bis zur Regelung seiner eigenen Situation keine neuen Verpflichtungen übernehmen. Das muß auch für das staatliche Handeln und den Gesetzgeber gelten.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Herr Bundeskanzler, in Ihrer Regierungserklärung findet sich u. a. der schon im Wahlkampf umstrittene Satz, der Bund habe den Ländern seit Ende 1969 mehr als 140 Milliarden Investitionen und Haushaltshilfen gegeben. Das hat j a damals Überraschung ausgelöst. Das Bundeskanzleramt hat vor dem 5. Oktober auf Anfragen hin

    (Zuruf des Abg. Franke [CDU/CSU])

    — ich lasse diese Episode einmal weg; das ist ja klargestellt — eine Darstellung aus den Finanznachrichten des Bundesfinanzministers vom April 1980 herangezogen. Da finden sich neben den Mitteln für die Gemeinschaftsaufgabe vor allem die Aufwendungen des Bundes für die Geldleistungsgesetze nach Art. 104 a Abs. 3 GG, also Mittel für Sparprämien, Wohnungsbauprämien, Gas- und Öl-Betriebsbeihilfekosten und andere, die großenteils überhaupt nicht durch die Landeshaushalte gehen. Sie werden allein vom Bund oder nach gesetzlich festgelegtem Verfahren in der Mischfinanzierung den Bürgern unmittelbar unter bestimmten Voraussetzungen überwiesen.
    Ich schlage Ihnen deshalb vor, daß diese Zahl aus der öffentlichen Diskussion der Bund-Länder-Finanzbeziehungen nun endgültig verschwindet. Denn wenn der Bund 'zur Erfüllung seiner Rechtsverpflichtungen gegenüber den Beamten und anderen im Zusammenhang mit den Kriegsfolgelasten des Zweiten Weltkrieges in den Ländern Leistungen erbringt, kann man das beim besten Willen nicht als



    Ministerpräsident Dr. Stoltenberg (Schleswig-Holstein) eine Finanzhilfe für die Länder oder auch die Korn-munen bezeichnen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Einsparungen: Ich habe bereits vor drei Jahren öffentlich gesagt, wir müßten Besitzstände überprüfen und die Sparförderung grundlegend einschränken, wenn wir neue Zukunftsaufgaben finanzieren wollen. Deswegen habe ich keine Schwierigkeiten, im Grundsatz im Bundesrat diesen Teil der Sparvorschläge zu übernehmen.

    (Dr. Spöri [SPD]: Sehr gut!)

    Aber ich will hier noch einmal sagen: Das Echo aus SPD und FDP war damals völlig negativ. Jeder, der nach 1975 konkrete einschneidende Sparvorschläge zur Diskussion stellte, wurde aus den Reihen der SPD und auch der FDP, Herr Hoppe, attackiert. Es gehört wirklich nicht zu den bleibenden Verdiensten des sozialdemokratischen Parteivorsitzenden Brandt, daß er diese Debatte mit dem Schlagwort von der „sozialen Demontage" bereichert hat, das als Schlaginstrument gegen jede verantwortungsbewußte konkrete Diskussion über Einsparungen und gesetzliche Kürzungen verwendet wurde.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Heute wurde es nicht wieder aufgenommen. Aber ich warne vor neuen Illusionen. Herr Kollege Brandt hat gestern gesagt — ich zitiere es einmal —: Hier gibt es keine Schnitte im sozialen Netz. Meine Damen und Herren, natürlich bedeuten die Koalitionsvereinbarungen auch Eingriffe in soziale Besitzstände, also insoweit in das soziale Netz. Dies gilt für die erhebliche Verschlechterung der Maßstäbe für die künftige Rentengesetzgebung ebenso wie die von der Regierung öffentlich in Aussicht gestellte erhebliche. Beschneidung vieler Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit. Sie wissen, wovon ich rede; und ich weiß es auch. Natürlich ist das ein Eingriff in das soziale Netz. Stark steigende Arbeitslosigkeit ist übrigens der schwerste soziale Rückschlag.
    Herr Bundeskanzler, wenn Sie am Montag hier gesagt haben, seit 1977 sind 900 000 neue Arbeitsplätze geschaffen worden, so ist das richtig. Allerdings haben Sie zwei entscheidende und notwendige Ergänzungen unterlassen: In den Jahren von 1973 bis 1977 ist die Zahl der berufstätigen Menschen in der Bundesrepublik Deutschland um über 2 Millionen — Arbeitnehmer und Selbständige — zurückgegangen, so daß wir trotz dieses Fortschritts Ende vergangenen Jahres weniger Arbeitsplätze hatten als 1973. Sie hätten zweitens sagen müssen, daß leider seit einigen Monaten die Arbeitsmarktstatistik nach unten weist und erneut ein Schrumpfungsprozeß eingesetzt hat, dessen Tiefpunkt noch einige Zeit vor uns liegt. Das unterstreicht in aller Eindringlichkeit die Notwendigkeit, problembewußter zu diskutieren. Jedermann, auch die Bundesregierung, sollte dafür die Chance nach dem Wahlkampf nun wirklich nutzen.
    Aber für mich ist ein anderer Sachverhalt noch schwerwiegender. Von einer Gesundung der Bundesfinanzen kann nach den Koalitionsverhandlungen überhaupt noch nicht die Rede sein. Auch das ist von Herrn Kollegen Hoppe offener ausgesprochen worden, als es in der Regierungserklärung der Fall war. Sie haben von dem Erfordernis weiterer Schritte zur notwendigen Konsolidierung gesprochen. Noch deutlicher ist der Bundeswirtschaftsminister Graf Lambsdorff am 16. November geworden. Ich zitiere aus dem Informationsdienst der Bundesregierung: Er — Lambsdorff — bezweifle, ob man mit den beschlossenen Maßnahmen wirklich über die Runden kommen könne, und verwies auf Überlegungen zur Notwendigkeit eventueller Eingriffe auch in sozialpolitische Leistungsgesetze.
    Auch ich komme zu dem Ergebnis, daß Sie mit diesen Finanzbeschlüssen nicht über die Runden kommen werden. Da spielen nicht nur die verschlechterten Konjunkturaussichten für das nächste Jahr eine Rolle, sondern auch eine Reihe von anderen unklaren Punkten, auf die der Bundesfinanzminister und auch andere hingewiesen haben.
    Allerdings, sehr geehrter Herr Bundeswirtschaftsminister Graf Lambsdorff, habe ich doch den Eindruck, Sie übernehmen gemeinsam mit Herrn Hoppe in dieser SPD-geführten Koalition zunehmend die Rolle des Chores in der antiken Tragödie, der zwar viele Sachverhalte richtig beschreiben, den falschen Gang der Ereignisse auch gelegentlich beklagen kann, aber den verhängnisvollen Weg letztlich nicht zu ändern vermag.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das war auch mein Eindruck nach einigen Passagen Ihrer heutigen Rede.

    (Erneuter Beifall bei der CDU/CSU)

    Ihre eigene Partei ist Ihnen schon bei wichtigen Punkten nicht gefolgt. Wir haben in den großen deutschen Zeitungen undementierte detaillierte Berichte über die Beratungen der FDP zum Thema des Abbaus investitionshemmender Vorschriften bei der Kernenergie gelesen. Sie wären sicher dementiert worden, wenn sie ganz falsch gewesen wären. Wir wissen natürlich auch aus Ihren Bemerkungen über die Struktur der Finanzbeschlüsse, daß Sie mit dem Erreichten nicht zufrieden sind: Sie können es nicht sein. Das Paradoxe ist allerdings, daß auch Ihre Parteifreunde den Bundesfinanzminister wieder daran gehindert haben, in dem einen oder anderen Punkt gewisse Abstriche vorzunehmen, wofür wir Verständnis gehabt hätten. Ich hätte Verständnis gehabt, wenn man gesagt hätte: Wir wollen einmal — mit Ausnahme gewisser sensibler Bereiche — im öffentlichen Dienst drei oder vier Monate lang freiwerdende Stellen nicht wieder besetzen. Wir machen das nämlich in unserem Bundesland, wobei wir allerdings gewisse sensible Bereiche ausnehmen. Aber wenn alles, was diesen großen, bedeutenden Komplex betrifft, auch die Vorschläge des Bundesfinanzministers, mit Null endet, dann ist das auch kein überzeugender Beitrag der Freien Demokratischen Partei, sehr geehrter Herr Hoppe.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Meine Damen und Herren, was noch schwerwiegender ist: Die Eckdaten Ihrer Finanzpolitik für



    Ministerpräsident Dr. Stoltenberg (Schleswig-Holstein) 1981 sind — auch nach der Regierungserklärung — unklar. Da gibt es in den letzten Tagen diesen erstaunlichen Streit zwischen dem Herrn Bundesfinanzminister und Herrn Kollegen Hoppe — für die FDP sprechend —, den sie in aller Öffentlichkeit ausgetragen haben. Das heute vom Herrn Kollegen Haussmann mit Genuß zitierte „Handelsblatt" schildert diesen Streit unter der Überschrift: „Hund und Katze". Der Text ist so, daß ich ihn angesichts meiner guten Beziehungen zu den beiden Herren hier nicht vorlesen möchte. Aber, meine Damen und Herren, es läuft — ich bringe das, was hier in langen Texten mit amtlichen Briefköpfen steht, in die Kurzfassung — auf folgendes hinaus: Der Herr Kollege Hoppe sagt: Das Eckdatum sind 4,1 % und 27 Milliarden DM; darüber hinaus geht nichts. Der Herr Matthöfer sagt: Das stimmt gar nicht. Wir haben in der Koalition 4,5 bis 4,6 % und einen Betrag vereinbart, der schon ein ganzes Stück auf 28 Milliarden zugeht. Herr Hoppe widerspricht ihm. Sie sind sich also in einem entscheidenden Punkt über das Ergebnis ihrer Koalitionsverhandlungen nicht einig. Wie sollen das denn die eigenen Parteifreunde im Lande verstehen, meine Damen und Herren?

    (von der Heydt Freiherr von Massenbach [CDU/CSU]: Der arme Bürger, der deutsche Michel! — Weiterer Zuruf von der CDU/ CSU: Wie der Bürger erst?)

    Aber darauf kommt es jetzt so sehr nicht an.
    Meine Damen und Herren, noch schwerwiegender ist für mich ein anderer Widerspruch in der Regierungserklärung selbst. Herr Bundeskanzler, Sie haben auf Seite 7 vorgetragen:
    Unsere Verteidigungsausgaben sind in den letzten zehn Jahren durchschnittlich pro Jahr um knapp drei Prozent real gestiegen. Wir haben uns verpflichtet, uns auch in Zukunft um einen gleichen Anstieg bemühen zu wollen. Wir werden unsere Verpflichtung erfüllen.
    Das heißt — so ist es auch von der Presse verstanden worden —: auch für 1981 knapp 3 %. Aber die veröffentlichten Eckdaten für den Bundeshaushalt, meine Damen und Herren, sehen eine Erhöhung der Mittel des Verteidigungshaushalts um rund 600 Millionen DM vor. Das heißt: Dies ist nominal eine Steigerungsrate von weniger als 2 %. Wenn daraus nun real — nach Abzug der Inflationsrate — 3 % werden sollen, sind nach den Berechnungen namhafter deutscher Zeitungen — ich verweise etwa auf den Artikel der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" vom 18. November — rund zweieinhalb bis drei Milliarden DM zusätzlich nötig.

    (Westphal [SPD]: Sie haben die Steigerung außer acht gelassen, die in der mittelfristigen Finanzplanung schon vorgesehen ist!)

    Meine eigenen sachkundigen Mitarbeiter kommen zu demselben Ergebnis. Der Bundeskanzler ermahnt die Länder, sich an den Rahmen der Empfehlung des Finanzplanungsrats, also 4 %, zu halten. Aber die Bundesregierung tut es — ausweislich der Kontroverse des Bundesfinanzministers mit dem Kollegen Hoppe — selbst nicht.
    Meine Damen und Herren, in den öffentlichen Debatten spielt auch der Hinweis auf die stark gestiegene Verschuldung der Länder und Gemeinden eine Rolle. Das ist richtig, aber man muß die Ursachen erkennen und beschreiben. Erstens. Der Anteil unserer finanziellen Belastungen durch Bundesgesetze hat seit 1970 ständig zugenommen.
    Zweitens. Gemeinsame Prioritätsentscheidungen und der permanente politische Druck der Bundesregierung außerhalb ihrer originären Zuständigkeiten haben überdurchschnittliche Zuwachsraten bei uns verursacht. Ich habe das hier am Beispiel der Bildungspolitik verdeutlicht.
    Drittens. Eine immer kompliziertere, administrativ belastende, für den Bürger kaum verständliche Ausgestaltung neuer Gesetze hat den Personalbestand, die Personalanforderungen bei Ländern und Gemeinden erheblich ausgeweitet.
    Viertens. Meine Damen und Herren, wir haben bei den Konjunkturprogrammen der Bundesregierung — trotz grundsätzlicher Zweifel und öffentlicher Auseinandersetzungen — unsere Mitwirkung und Mitfinanzierung bisher letztlich nicht versagt, weil wir die vorrangige, verfassungsmäßige Verantwortung des Bundes für die Konjunktur- und Arbeitsmarktpolitik anerkennen. Allerdings kann man die öffentliche Debatte mit uns nicht mit zwei sich ausschließenden Vorhaltungen, also der berühmten Doppelstrategie, wie das bei den neuen Linken in der SPD heute heißt, führen. Meine Damen und Herren, wenn wir kostspielige und komplizierte Vorlagen abgelehnt haben, hat man uns gern des Oppositionsersatzes oder der Obstruktion bezichtigt. Wenn wir nach öffentlicher Verdeutlichung unserer Gegenposition eine entsprechende Gesetzgebung des Bundes aus der Anerkennung seiner Verantwortung heraus passieren lassen, sagt man uns bei entstehenden Schwierigkeiten: Ihr habt doch alles mitgemacht. In dieser Art einer nicht korrekten und nicht honorigen Doppelstrategie können Sie nicht weiter mit den Bundesländern und nicht mit dem Bundesrat diskutieren.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die kurzfristigen einseitigen Eingriffe in die Gemeinschaftsaufgaben entsprechen auch nicht den arbeitsmarkt- und konjunkturpolitischen Erfordernissen des Jahres 1981. Ich habe über die Wirkung für die Bildungs- und Hochschulpolitik ausführlicher geredet.
    Meine Damen und Herren, Sie schaffen auch andere Zielkonflikte, die Sie nach meiner Überzeugung überhaupt nicht übersehen. Umweltschutz ist für Sie und auch für uns ein großes Thema. Aber mein zuständiger Minister hat mir gestern gesagt, daß die kurzfristige Verminderung der Bundesmittel für die Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschutz in Schleswig-Holstein bedeutet, daß wir in absehbarer Zeit nicht ein einziges Vorhaben der Abwasserbeseitigung mehr anfangen können — ein zentrales, mit hohen Mitteln des Landes und der Gemeinschaftsaufgabe gefördertes Kernthema des Umweltschutzes. Abwasserbeseitigung bleibt für mich in den nächsten Jahren weiß Gott wichtiger als die Verbandsklage, meine Damen und Herren, ge-



    Ministerpräsident Dr. Stoltenberg (Schleswig-Holstein) gen die hier schon genügend Einwände vorgetragen worden sind.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Weil Sie nicht gründlich geplant und nicht mit uns über die Folgen geredet haben, erzielen Sie auch hier schädliche Nebenwirkungen im Umweltschutz, die Ihnen und uns allen noch leid tun werden.
    Nun muß man, Herr Bundeskanzler, sehr genau unterscheiden: Alle Länder sind zu einem Gespräch mit dem Bund über die teilweise Entmischung — ich nehme Ihren Ausdruck auf — bereit. Wir haben den Diskussionsstand unter den elf Bundesländern — das haben wir auch vor der Sommerpause im Bundesrat, vor allem im Dialog mit dem Bundesfinanzminister, klargemacht —, daß wir sagen: Jawohl, der Bereich der Mischfinanzierung über die klassischen Gemeinschaftsaufgaben hinaus ist zu weit ausgewuchert. Er muß eingegrenzt und ein Stück reduziert werden. Das ist die gemeinsame Position aller elf Länder. Die überwiegende Mehrzahl der Länder, Herr Bundeskanzler, ist für die Beibehaltung der klassischen Gemeinschaftsaufgaben. Es ist für die Ländergesamtheit kein Thema, sie abzuschaffen. Ich sage das auch zu gewissen Mißverständnissen in Ihrer Rede vom Montag. Insofern haben wir eine gemeinsame Verhandlungsgrundlage. Wir haben eine Viererkommission für die Gespräche mit der Bundesregierung ab Januar 1981 benannt.
    Der jetzige Eingriff des Bundes kann nicht mit diesem Erfordernis einer Neubestimmung der Aufgaben, einer Entbürokratisierung, einer Stärkung der Landesparlamente begründet werden. Alles das wünschen wir, aber wir werden es nur erreichen, wenn wir über die Rückübertragung und Entflechtung von Aufgaben sprechen, und nicht durch eine summarische, aus Finanznot geborene pauschale Kürzung um 20 %, die die genannten Ziele überhaupt nicht fördert, meine Damen und Herren. Das will ich hier in aller Deutlichkeit sagen.
    Eine Vorbelastung für die künftigen Verhandlungen ist auch das Vorgehen des Bundes in der Steuer-und Abgabenpolitik. Im Juli haben wir einen mühsamen Kompromiß zu Steuerpaket und Kindergeld erzielt. Er entlastet, was wir begrüßen, die Steuerzahler ab 1. Januar um 12 Milliarden DM. 57 % der Ausfälle sind von Ländern und Gemeinden zu tragen. Im Oktober erleben wir eine Erhöhung der Steuern und Abgaben für den Bund um, wenn wir einmal die Nebeneinnahmen, etwa die Postabgabe, dazunehmen, um fast 9 Milliarden DM. Dabei geht es nicht nur um die weit überhöhte Erhöhung der Mineralölsteuer — weit überhöht gegenüber den Wahlaussagen —, sondern vor allem um die Erhöhung des Beitrages zur Rentenversicherung und die Zweckentfremdung dieser Einnahmen: Verringerung des allgemeinen Haushaltsdefizits — ein sozialpolitischer, ein rechtspolitischer Sündenfall ganz besonderer Art, über den hier sicher noch gesprochen wird, meine Damen und Herren.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Es ist ganz klar, daß dies bei vielen Bürgern berechtigte Kritik auslöst. Aber es ist auch eine drastische
    Veränderung der Steueranteile zugunsten des Bundes, der Steuern und der Sonderabgaben der vielen Nebenhaushalte, die wir hier auf der Seite des Bundes zunehmend erleben.
    Wir werden die Erhöhung der Mineralölsteuer ablehnen. Die energiepolitische Begründung ist überhaupt nicht überzeugend. Das Geschäft der permanenten Erhöhung der Preise besorgt die OPEC in einem Tempo, das uns nur bestürzen kann, und wir brauchen nicht einen zweiten Preistreiber, den deutschen Staat, daneben.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie können es ohne Zustimmung des Bundesrates beschließen; das ist richtig. Zustimmungspflichtig ist Ihr Konzept der Abschaffung der Kraftfahrzeugsteuer und einer entsprechenden Erhöhung der Mineralölsteuer. Es wird nach meiner Einschätzung im Bundesrat keine Mehrheit finden. Es ist für die Flächenländer, die Bürger mit weiten Wegen zum Arbeitsplatz, zum Markt — Markt im doppelten Sinne, als Wirtschaftsbürger, aber auch als Konsumenten — so belastend, daß die Nachteile für sie unzumutbar sind, insbesondere wenn zugleich der öffentliche Personennahverkehr durch andere Entscheidungen dieser Bundesregierung empfindlich verteuert wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wenn man von vorausschauender Strukturpolitik im vernünftigen Verständnis und nicht als verdeckte Investitionslenkung redet, dann müssen Sie erkennen, daß die Gefahr der Verödung der ländlichen Räume ein großes Thema der' nächsten 30 Jahre wird, auch durch die vollkommene Veränderung im Bevölkerungsaufbau und Altersaufbau durch die rapide zurückgehenden Geburtenzahlen. Wir dürfen in keinem Bereich der Politik etwas machen, was diese Abwanderung aus unseren ländlichen Räumen drastisch beschleunigt, weil wir dann hier nämlich auch nicht mehr über Naturschutz und Umweltschutz reden. Dann bekommen wir zwar eine sogenannte Naturlandschaft, aber im Bild der Versteppung und Verödung. Das kann wohl nicht das Ziel unseres Naturschutzes sein.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Statt dessen appelliere ich an die Mehrheit des Bundestages, unseren Vorschlägen zuzustimmen, nämlich der Vereinfachung der Kraftfahrzeugsteuer durch das sogenannte Plakettensystem,

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    und anderen Schritten zur kostenneutralen Verbesserung des Steuersystems. Der Bundesrat berät erneut — ich vermute, wir bekommen eine überparteiliche Mehrheit — über die Reform der Grunderwerbsteuer, die auch zur Entlastung der Verwaltung überfällig ist.

    (Beifall bei der CDU/CSU) Es gibt noch andere Initiativen.

    So sollten wir aufeinander zugehen, ohne Positionen und ohne Verantwortlichkeiten zu verwischen. Ich hätte gern noch etwas zum Thema der Personalausgaben und der besonderen Belastungen für die Länder gesagt. Ich hätte gern noch etwas ausführli-



    Ministerpräsident Dr. Stoltenberg (Schleswig-Holstein) cher über den Abbau investitionshemmender Vorschriften und über die Energiepolitik gesprochen, die für mich und viele zu den enttäuschendsten Kapiteln der Regierungserklärung des Herrn Bundeskanzlers gehört.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Aber dazu wird vielleicht im nächsten Jahr Gelegenheit sein.
    Herr Bundeskanzler, es fehlt in Ihrer sehr umfangreichen Regierungserklärung an präzisen Vorschlägen, an Initiativen für den Abbau investitionshemmender Vorschriften. Es gibt einige Hinweise auf Prüfen und Untersuchen. Ich möchte hier daran erinnern, daß wir im Jahre 1977 in der Offentlichkeit, Sie für die Bundesregierung und wir für die Länder, dies zu einem Hauptthema gemeinsamer Anstrengungen und Aufgaben gemacht haben, und zwar auch in Beratungen der Konferenz der Regierungschefs. Es liegen Ihnen, Ihren Mitarbeitern seit einiger Zeit sechs Berichte von Fachministerkonferenzen der Länder aus den Jahren 1978 und 1979 und zwei Berichte aus dem Jahre 1980 vor. Hier werden von allen elf Ländern gemeinsam, CDU, CSU, SPD und FDP, konkrete Vorschläge gemacht, einstimmig neun Vereinfachungen beim Bauplanungsrecht, acht Vereinfachungen beim Bauordnungsrecht, 13 Vereinfachungen beim Bundesimmissionsschutzrecht, getragen von den sachverständigen Mitarbeitern, den verantwortlichen Kabinettsmitgliedern aller Bundesländer aller drei Parteien. Ich hätte es wirklich begrüßt — ich verstehe natürlich den Drang der Probleme in diesen Wochen —, wenn dieses große Thema in Ihrer Regierungserklärung zu einer klaren, einer überzeugenden und einer wegweisenden Aussage geführt hätte.
    Denn es genügt doch nicht, wenn Herr Bundesminister Lambsdorff hier wieder in einem seiner sehr guten Debattenbeiträge, aber sozusagen auf eigene Rechnung, einiges dazu sagt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich unterstreiche j a den Hinweis, meine Damen und Herren — Minister Lambsdorff hat das aufgenommen, aber nicht der Bundeskanzler —, daß wir allein durch investitionshemmende Vorschriften und die unerträgliche Situation bei vielen Genehmigungsverfahren für Kohlekraftwerke, Kernkraftwerke und andere lebenswichtige Infrastrukturmaßnahmen einen Investitionsstau von 30, 40 Milliarden DM haben. Aber das ist nicht neu. Wir sind seit drei Jahren an diesem Thema. Da wäre eine der großen Chancen gewesen, Herr Bundeskanzler, eine wirkliche Reform anzukündigen, nicht eine Reform, die Geld kostet, sondern eine, die Geld spart und die der Arbeitsmarktpolitik und der Zukunftssicherung dient. Darauf warten wir.

    (Anhaltender lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)



Rede von Dr. Annemarie Renger
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Abgeordnete Westphal.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Heinz Westphal


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Es war eigentlich nicht schwierig, vorherzusehen, wie die Verlierer dieser Wahl, die CDU/ CSU, in die Debatte über die Situation der öffentlichen Finanzen, über die Finanzwirtschaft, über die künftige Finanzpolitik einsteigen würden. Da wird, Herr Stoltenberg, dem Bund vorgeworfen, er habe zuviel ausgegeben. Und in derselben Rede, ein paar Minuten später, wird beklagt, daß nun etwas gekürzt wird. Da kommt ein Länderchef zu uns, anstelle eines Finanzpolitikers aus der Oppositionsfraktion, und beklagt, daß die Streichungen, die die Bundesregierung vorsieht, die Sparmaßnahmen, die hier angekündigt sind, ihn — vielleicht auch andere — fürchterlich treffen. Herr Stoltenberg, ist Ihnen überhaupt nicht aufgefallen, daß allein die Annahme dessen, was Sie in der Dreiviertelstunde, die Sie hier gesprochen haben, vorgeschlagen haben, bedeuten würde, daß dem Bundesfinanzminister etwa drei bis vier Milliarden DM bei dem schwierigen Ausgleich, den er zu bewerkstelligen hat, fehlen würden?

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Ich will Ihnen das vorrechnen. Sie sagen: Die Mineralölsteuererhöhung lehnen wir ab. Das sind, auf ein ganzes Jahr bezogen, 2,7 Milliarden DM. Sie sagen: An die Gemeinschaftsaufgaben kann man nicht ran, das ist zu plötzlich. — Es ist nun einmal so: Wenn man darangeht, Streichungen vorzunehmen und Einsparungen zu machen, wirkt das auch irgendwo. Ich komme an anderer Stelle meiner Rede auf dieses Thema zurück. — Dies sind einige hundert Millionen DM beim Bund und übrigens, entlastend, auch bei Ihnen, den Ländern. Sie haben dann, so ganz en passant, gesagt, im übrigen müsse man die indirekte Forschungsförderung ausdehnen. Das kostet Milliarden, auch b'ei Ihnen, Herr Stoltenberg. — Sie hören gerade nicht zu. Dies sind Steuereinnahmen, die für den Ausgleich selbstverständlich gebraucht werden, die aber dann nicht zur Verfügung stehen. — Es war also nicht schwierig, diesen Einstieg in die Debatte vorauszusehen.
    Und dann kommt zusätzlich noch der nachweislich unzutreffende Vorwurf, die Regierenden hätten vor den Wahlen dem Volk nicht gesagt, daß die finanzwirtschaftliche Lage zu harten Eingriffen zwinge. Lassen Sie mich dies gleich zu Anfang hier ausräumen.
    Erstens. Wir haben mit gutem Erfolg den Wählern klargemacht, daß staatliche Kreditaufnahme der Sicherung und Schaffung von Arbeitsplätzen dient. 900 000 neue Arbeitsplätze in drei Jahren sind keine Kleinigkeit. Zur gleichen Zeit haben wir aber auch gesagt, daß die Verschuldung des Staates nicht weiter wachsen darf, wenn die konjunkturelle Entwicklung kein Gegensteuern zur Sicherung der Arbeitsplätze erfordert.
    Zweitens. Wir haben bereits bei der Beratung des Steuerpakets 1981 und bei seiner Teminierung — und in dieser Frage gegen Sie, meine Damen und Herren von der Opposition im Blick gehabt und nicht verschwiegen, daß diese Stärkung der Massenkaufkraft zu einem Zeitpunkt in Kraft treten wird, in dem sie uns helfen kann, einen bereits erkennbaren Rückgang des wirtschaftlichen Wachstums im Winterhalbjahr abzufedern.



    Westphal
    Drittens. Wir haben bereits im Wahlkampf offen angekündigt, daß wir nach dem Wahltag konkret an den Abbau nicht mehr vertretbarer Subventionen herangehen würden und daß dies bei den Betroffenen — auch Herr Stoltenberg gehört offensichtlich dazu — Schmerzen bereiten wird.
    Die von der sozialliberalen Koalition nach ihrer Bestätigung durch die Wahl vom 5. Oktober zu erwartende Finanzpolitik war also in ihren Grundzügen vorher erkennbar. Sie war darüber hinaus in den beiden für heute entscheidenden Eckdaten öffentlich bekannt, nämlich in der Absicht, das Haushaltsvolumen 1981 nur um etwa 4 % steigen zu lassen, und in der Begrenzung der Nettokreditaufnahme im Jahr 1981 bei rund 27 Milliarden DM mit sinkender Tendenz in den Folgejahren. Wir halten uns also an das, was wir vorher gesagt haben. Niemand hat auch nur das geringste Recht, uns zu unterstellen, wir hätten nicht vorher gesagt, was wir nachher tun werden.
    Die einzigen — das muß man hier offen ansprechen — neu hinzukommenden Faktoren, die nichts am Inhalt und an der Zielsetzung des Gesagten verändern, aber die zu ergreifenden Maßnahmen verschärfen mußten, waren die im Oktober dieses Jahres von den Instituten und nun Mitte November dieses Jahres auch vom Sachverständigenrat vorgelegten Zahlen über die wirtschaftlichen Erwartungen für das Jahr 1981. Diese Daten sind ungünstiger als erwartet. Sie bringen geringere Steuereinnahmen und höhere Lasten bei der Bundesanstalt für Arbeit mit sich.
    Diese Folgen für die kommenden Haushalte mußten nun in die vorher gesetzten Rahmendaten eingepaßt werden, ohne diese zu verändern. Dies bewirkt ein härteres Zugreifen beim Streichen von Subventionen, beim Kürzen von Haushaltsausgaben in einer Größenordnung von rund 9 Milliarden DM, bei der Erhöhung der Mineralöl- und der Branntweinsteuer sowie auch bei der Kürzung des Bundeszuschusses an die Rentenversicherungsträger.
    Faßt man den Inhalt der finanzpolitisch wirksamen Absichten zusammen, die der Bundeskanzler vorgetragen hat, dann ergibt sich folgendes. Das Haushaltsvolumen von 1981 wird nicht wesentlich über 4 % anwachsen. Der gesetzte Rahmen von 27 Milliarden DM neuer Kreditaufnahme wird eingehalten. Es werden zwei Steuern erhöht, die Mineralölsteuer und die Branntweinsteuer. Dies bedeutet, bezogen auf ein ganzes Jahr, ein Mehraufkommen von etwa 3,7 Milliarden DM. Die beschlossenen Steuersenkungen für 1981, die mit dem erhöhten Weihnachtsfreibetrag jetzt zu wirken beginnen, und die Kindergelderhöhung und die Wohngelderhöhung bleiben unangetastet. Sie kommen zur richtigen Zeit und umfassen ein Entlastungsvolumen für den Bürger in einer Größenordnung von 16,5 Milliarden DM. Man muß diese beiden Größenordnungen — zwei Steuern mit einer Belastung von 3,7 Milliarden DM und Steuerentlastungen, vorher beschlossen und nun wirkend, von 16,5 Milliarden DM — ja auch einmal gegenüberstellen und sehen, daß die Entlastungswirkungen den größeren Teil ausmachen. Es werden Subventionen gekürzt, und dies wird schon
    mit Wirkung für 1981 geschehen. Diese Koalition ist offensichtlich die einzige, die so etwas zustande zu bringen in der Lage ist. Und schließlich, meine Damen. und Herren, Eingriffe in das — dies sage ich hier extra noch einmal — von uns geschaffene Netz sozialer Leistungen finden nicht statt. Wer also genau hinsieht, der kommt zu dem Ergebnis, daß dies exakt die Zusammenfassung der vor dem Wahltag angekündigten Politik ist. Es gibt keine inhaltlichen Abweichungen.
    Die Erhöhung der Mineralölsteuer um 7 Pfennig je Liter bei Benzin ist allerdings gravierend. Niemand von uns redet darum herum, daß durch die Erhöhung der Mineralölsteuer diejenigen, die ihre Fahrleistung als Fernpendler auf dem Weg zur Arbeitsstelle nicht einschränken können, um 10 bis 12 Mark im Monat stärker belastet werden. Wir haben nach dem Bekanntwerden der Absichten der Koalition die Kritik, den Protest und auch die weisen Ratschläge von den verschiedensten Leuten gehört. Wenn der Arbeitnehmer, der draußen auf dem Lande wohnt und seinen Arbeitsplatz in der Stadt hat, zwar Verständnis zeigt für die wohl oder übel erforderlichen höheren Energiekosten, aber dabei nicht allein belastet sein will, sondern gleiche Maßstäbe angelegt haben möchte, z. B. durch den Abbau der Gasölbeihilfe bei der Landwirtschaft, dann ist klar, daß wir Sozialdemokraten aufhorchen und diese Kritik nicht beiseite schieben. Wenn aber Herr Wolff von Amerongen die von Herrn Strauß nicht geschaffte große Wende, diesen Salto rückwärts, herbeiführen will und dafür als konkrete Vorschläge neben allem, was wir im Steuerpaket auch für die Wirtschaft längst an Entlastungen und Hilfen beschlossen haben, nichts anderes zu bringen hat als neue Abschreibungsvergünstigungen und weitere steuerliche Entlastungen für Unternehmen, dann verkennt er die finanzpolitische Situation des Staates. Wir werden ihn daran erinnern, daß nicht Herr Strauß, sondern die sozialliberale Koalition die Wahl vom 5. Oktober gewonnen hat.
    Es klingt doch nicht sehr überzeugend, wenn ein Spitzenmanager des Bankgewerbes oder eines Unternehmensverbandes vor dem Fernsehen sagt, wir haben über unsere Verhältnisse gelebt, und deshalb meint, es müßten Sozialleistungen gekürzt werden, von denen der ja wohl sicher nicht betroffen ist. Herr Dr. Häfele — ich weiß nicht, ob er im Raum ist — führt die Lücke in der Leistungsbilanz als Beweis dafür an, daß wir über unsere Verhältnisse leben. Das ist schon richtiger. Wenn er es auch falsch verpackt, so kommt doch auch er an dem zutreffenden Schluß nicht vorbei: diese Lücke ist eine eindeutige Folge der überhöhten Ölrechnung und anderer gewaltig gestiegener Importpreise. Nur ein geringerer Ölverbrauch kann die Lücke in der Leistungsbilanz wieder schließen. Erst dann gewinnt die Bundesbank den nötigen Handlungsspielraum zurück, um die Zinsen senken zu können. Im Augenblick müssen wir ja mit anderen Ländern mit zum Teil exotischen Zinssätzen konkurrieren, um Kapitalexport zu verhindern und Kapitalimport zu bewirken. Niedrigere Zinsen sind es, die Investitionen erleichtern, insbesondere auch im Wohnungsbau. Zinssenkungen vermögen in dieser Situation — dies sei hier of-



    Westphal
    fen angesprochen — mehr für die Schaffung von Arbeitsplätzen zu bewirken als neue Ausgabenprogramme des Staates. Der Ansatzpunkt ist und bleibt der hohe Ölverbrauch.
    Aber die Logik gebietet, hier anzufügen, daß es also unzutreffend ist, den Ausbau des Sozialstaates, den wir vorher vollzogen haben, also vor den vervielfachten Ölpreisen und enormen Importpreissteigerungen, etwa zum Schuldigen für diese Situation stempeln zu wollen. Man muß sich nur einmal vorstellen, was geworden wäre, wenn wir in die erste oder in die zweite und weiteren Ölpreiskrisen ohne das Netz sozialer Sicherung hineingegangen wären. Man muß sich einmal vorstellen, bei welchen Arbeitslosenzahlen wir gelandet wären, wenn wir nicht mit kräftigen Konjunktur- und Strukturförderungsmaßnahmen gegengesteuert hätten, die in der Zeit des Abschwungs nun einmal nicht aus den dann sinkenden Steuereinnahmen, sondern nur durch die Aufnahme von Krediten finanziert werden konnten.
    Die Opposition versteigt sich aber zu der Behauptung, die Bundesrepublik habe in den letzten Jahren nahezu alles versäumt — das ist ein Häfele-Zitat —, um ihre Abhängigkeit vom Öl zu verringern. Wo wären wir heute, wenn wir à la Erhard den Steinkohlenbergbau nach den Regeln der Marktwirtschaft hätten absaufen lassen?

    (Zustimmung bei Abgeordneten der SPD)

    Haben Sie nicht zur Kenntnis genommen, welche Milliardenbeträge wir in die Förderung von Forschung und Entwicklung z. B. der Kernenergienutzung gesteckt haben, welche Programme der Nutzung neuer Energietechnologien wir staatlich fördern, was wir getan haben, um Nahverkehrssysteme auszubauen, welche gewaltigen Mittel in Energiesparmaßnahmen beim Wohnungsbau gesteckt werden?
    Es ist schon ein starkes Stück, den Koalitionspartnern zu unterstellen, sie hätten „von dem riesigen Loch in unserer Leistungsbilanz offenbar überhaupt keine Notiz nehmen wollen". Da schlägt die Regierung vor, sämtliche Subventionen auf den Mineralölverbrauch zu streichen, da gehen wir mit dem Argument „weg vom Öl", um die Leistungsbilanz in Ordnung zu bringen, mit 7 Pfennig je Liter an die Erhöhung der Mineralölsteuer heran, da setzen wir uns der Kritik der Gemeinden und der Bürger, daß als Folge dieser Maßnahme die Fahrpreise steigen werden, aus, aber die Opposition sagt, wir nähmen keine Notiz.
    Was noch schlimmer ist: Die Opposition lehnt diese Maßnahmen ab. — Herr Stoltenberg lächelt dabei noch. Sie schlägt sich opportunistisch auf die Seite der Kritiker

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    und sagt zur gleichen Zeit, die Koalition würde um
    „Minimallösungen streiten", das alles würde nicht
    ausreichen. Herr Stoltenberg, haben Sie das nicht so
    gesagt? Manchmal wünscht man sich wirklich eine bessere Opposition.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Zurufe von der CDU/CSU: Hätten Sie ja machen können!)

    Wenn man weg will vom Öl, wenn man weg muß vom Öl, ist es doch logisch, die Beträge zu streichen, mit denen der Verbrauch von Mineralöl heute subventioniert wird. Gewiß, dies geht nicht ohne Schrammen ab. In einigen Fällen, z. B. bei der Binnenschiffahrt und bei der Luftfahrt, brauchen wir, um das durchsetzen zu können, internationale Zustimmung. Das wird den Finanzminister vor schwierige Aufgaben stellen.
    Der Nahverkehr ist betroffen. Es sei hier am Rande angemerkt, daß die anomalen Preissteigerungsabsichten beim öffentlichen Personenverkehr in der Stadt, in der wir hier tagen, nicht auf dieses Konto gebucht werden können.
    Darüber hinaus ist es so, daß die Städte eher als die Landgebiete in der Lage sind, Strom aus Kohle für den öffentlichen Personennahverkehr zu verwenden. Wir wissen um diese Problematik. Doch es hilft kein Weg um die Erkenntnis herum, daß uns die Verteuerung der Energie weiter verfolgen wird. Aber der Zwang, der hieraus — und zwar auf allen Ebenen, beim Auto, bei der Bundesbahn, bei den Nahverkehrsträgern — erwächst, wird, so hoffe ich, erfinderischer machen und anderen Technologien die Wege ebnen.
    Im übrigen enthält der Abbau der Subventionierung des Mineralölverbrauchs auch eine finanzielle Umschichtung zugunsten der Gemeinden. 85 bis 90 % der Mittel, die auf der einen Seite nicht mehr zur Verfügung stehen werden, kommen auf der anderen Seite über das Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz an die Gemeinden zurück und können ihnen bei der verbesserten Gestaltung sowohl des kommunalen Straßenbaus als auch des öffentlichen Pesonennahverkehrs helfen. Dabei kann man ja auch die bisher hälftigen Anteile anders — also mehr zugunsten des Nahverkehrs — verwenden.
    Uns kommt es darauf an, daß hierbei insbesondere die Land-Stadt-Verbindungen günstiger bedacht werden müssen. Im übrigen wollen wir Sozialdemokraten und auch die Freien Demokraten während der Haushaltsberatungen prüfen, ob es möglich ist, die Gemeinden auf diesem Gebiet noch ein wenig günstiger zu stellen.
    Gegen die Absicht, meine Damen und Herren —
    auch dies ist die Meinung der Opposition —, die staatlichen Sparprämien ganz abzuschaffen, wird der Vorwurf erhoben, dies träfe die kleinen Leute. Herr Stoltenberg hat hier anders reagiert als Herr Häfele. Es ist richtig, daß diese Vergünstigung seit 1975 nur noch denjenigen zukommen kann, die ein jährliches Einkommen als Alleinstehende unter 24 000 DM und als Eheleute unter 48 000 DM beziehen. Damals haben wir bereits die Förderung durch die Einbeziehung von Einkommensgrenzen oben gekappt. Aber es muß doch wohl die Frage gestellt werden, ob man in dieser Zeit noch immer das Sparen mit Steuergeld anreizen muß, das ja auch in beacht-



    Westphal
    licher Größenordnung von den kleinen Leuten selbst aufgebracht wird.
    Seit 1969 liegt die Sparquote, also der Prozentanteil der Ersparnisse von dem verfügbaren Einkommen, bei über 13 %; nur 1977 und 1978 lag sie etwas darunter. Auch beim Arbeitnehmerhaushalt liegt die Sparquote bei etwa 12 %. Es müßte doch einsichtig sein, daß es richtiger ist, dieses Steuergeld, das bisher und bis zum Ablauf der gültigen Verträge zur Prämiierung des sowieso erfolgenden Sparens verwendet wird, künftig dafür zu verwenden, um z. B. unsere Sozialleistungen zu sichern.
    Im übrigen bleibt die Möglichkeit des Bausparens, wenn auch mit einer verlängerten Bindungsfrist. Hierbei sei allerdings angemerkt, daß man einem Sozialdemokraten wohl nicht übelnehmen kann, wenn er darüber nachdenkt, ob es noch berechtigt ist, demjenigen das Bausparen steuerlich zusätzlich zu vergünstigen, der seine Sonderausgabenhöchstbeträge bei der Einkommensteuer noch nicht auf andere Weise voll ausgeschöpft hat. Klargestellt sei aber auch bei dieser Gelegenheit, daß es selbstverständlich bei der steuerlichen Begünstigung der Vermögensbildung nach dem 624-DM-Gesetz für Arbeitnehmer bleibt. Nur die Kumulierung, d. h. die Doppelförderung durch Sparprämie oder Bausparprämie einerseits und Arbeitnehmersparzulage andererseits gleichzeitig nebeneinander, wird entfallen.
    Es liegt nahe, daß auch gegen den von der Bundesregierung vorgeschlagenen Abbau von noch bestehenden Steuervergünstigungen im Bereich des Kreditwesens von denjenigen, die sich betroffen fühlen, Sturm gelaufen wird. Dieser Abbau ist von unabhängigen Sachverständigen schon seit langem gefordert worden. Zu Zeiten der Großen Koalition ist in der Wettbewerbs-Enquete festgestellt worden, daß der Abbau der Steuervergünstigungen bei den Sparkassen und Kreditgenossenschaften und öffentlichen Kreditinstituten aus Wettbewerbsgründen erforderlich sei. Ein erster Teilabbau ist schon im Laufe der Zeit erfolgt. Die Erfahrungen haben gezeigt, daß der stufenweise Abbau dieser Steuervergünstigung eben nicht dazu geführt hat, das Geschäftsvolumen einzuschränken, sondern es ist weiter ausgedehnt worden. Ich glaube, daß man nüchtern auch an diese Subvention herangehen muß. Wir werden im Gesetzgebungsverfahren die von den Kreditinstituten vorgebrachten Argumente mit den Betroffenen selbst eingehend erörtern. Die Notwendigkeit eines ausführlichen Dialogs besteht nicht zuletzt auch deshalb, weil das Kreditwesengesetz reformiert werden soll. Diese Reform ist eine von uns äußerst wichtig genommene Aufgabe in der nun beginnenden Legislaturperiode.
    Meine Damen und Herren, die Regierungserklärung sieht vor — dieser Punkt hat Herrn Stoltenberg so tief bewegt —, alle drei Gemeinschaftsaufgaben — Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes, Ausbau und Neubau von Hochschulen und die Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur — gleichmäßig um jeweils 20% in den Ansätzen zu kürzen. Die Finanzminister der Länder werden aufatmen; die Ressortminister und viele Betroffene
    werden zum Teil mit gewichtigen Argumenten ihren Protest anmelden. So geht es einem, wenn man Einschnitte auf der Ausgabenseite unseres öffentlichen Haushalts bei Bund und Ländern vornehmen muß. Es geht eben nicht, einen Pelz zu waschen, ohne ihn naß zu machen.
    Doch hier gilt es, ein Wort mehr zu sagen. Dies bedeutet j a nicht Trennung oder Lösung von den großen Aufgaben, die gemeinsam von Ländern und Bund wahrzunehmen sind, sondern Streckung der Aufgabenerfüllung über einen längeren Zeitraum.
    Im übrigen: Wir alle wissen doch, daß z. B. für den Bereich der regionalen Wirtschaftsförderung ein neues Konzept sowieso fällig ist.

    (Beifall bei der SPD)

    Oft genug ist doch der Vorwurf erhoben worden, daß ein Teil dieser Förderung auch noch auf Gebiete trifft, die inzwischen im Vergleich zu anderen eine gesunde Struktur haben. Die Gebietsabgrenzungen und auch die Förderungskriterien, z. B. die stärkere Berücksichtigung von Gebieten mit langandauernder und überproportionaler Arbeitslosigkeit, können vielleicht leichter gelingen, wenn der Zwang geringerer Förderungsmittel dahintersteht.

    (Beifall bei Abgeordneten der SPD — Dr. Spöri [SPD]: Sehr gut!)

    Anders als bei den ihre Bedeutung behaltenden Gemeinschaftsaufgaben sieht das Konzept aus, mit dem die Bundesregierung an das Thema „Bereinigung von Mischfinanzierungstatbeständen" herangehen will. Der Bund geht positiv und direkt auf die Länder zu und erklärt seine Bereitschaft, diesen vielfältigen Bereich einer Prüfung zu unterziehen und eine Bereinigung zu bewirken, die auch Verwaltungseinsparungen bedeuten kann. Ja, der Bund unterbreitet darüber hinaus an konkreten Stellen ein Angebot. Einen Anfang der Bereinigung stellen diese Angebote dar.
    Hier wird über die Investitionsmittel im Bereich der Krankenhausfinanzierung und über die Probleme im Bereich der Finanzierung des sozialen Wohnungsbaus zu reden sein; nicht, meine Damen und Herren, mit der Absicht, finanziellen Vorteil für den Bund zu ziehen, sondern mit dem Ziel, Verwaltung und Finanzierung in die Hand der Länder zu geben, wenn es möglich ist, während natürlich die Gesetzgebungskompetenz bezüglich dieser wichtigen Fragen beim Bund bleiben muß.
    Niemand denkt daran— auch dies sei hier klargestellt —, die Förderung des Studentenwohnheimbaus abzubauen oder abzuschaffen. Die vorgesehene Einschränkung des Mittelansatzes beim Bund besagt, daß hier ein Mischfinanzierungstatbestand an die Länder übergehen soll. Die Tatsache, daß auch die Länderhaushalte schon 1981 mit rund 600 Millionen DM durch den Abbau von Subventionen mit begünstigt werden, wird es doch wohl ermöglichen, daß alle Länder zusammen beim Studentenwohnheimbau 30 Millionen DM zulegen, um die anstehenden Aufgaben, die niemand von uns verkennt, dann voll erfüllen zu können.



    Westphal
    Doch sei hier nicht verschwiegen, daß dies alles auch ein Teilthema der Großaufgabe ist, die in den vergangenen Jahren eingetretene Schieflage zwischen Bund und Ländern bei der Aufteilung des Steueraufkommens zur Bewältigung der jeweils gestellten Aufgaben der verschiedenen Ebenen unseres Staates zu überwinden. Für die vom Bund seit 1975 allein zu tragenden Leistungen für das Kindergeld in der Größenordnung von etwa — man muß die Zahl einmal für sich selbst plastisch werden lassen - 19 Milliarden DM haben sich die Länder bereiterklärt, künftig 1 Milliarde DM mit zu übernehmen. Es sei anerkannt. Doch damit ist für die Zukunft die Schieflage eben nicht aus der Welt. Der Bund muß enorm steigende Lasten aus ihm zugewachsenen, insbesondere internationalen Aufgaben erfüllen. Dies hat bei der Aufteilung des Steueraufkommens noch nicht seine Berücksichtigung gefunden. Die Deckungsquoten der Haushalte bei Bund und Ländern sind. zu unterschiedlich, um mit dem Verfassungsgebot von Art. 106 des Grundgesetzes in Übereinstimmung zu sein.
    Ich weiß, daß dies alles nicht eine in einem Jahr oder in zwei Jahren lösbare Aufgabe ist, aber es steht an, und deswegen sage ich es hier. Dazu gehört auch, daß die Lage in den einzelnen Ländern unterschiedlich ist. Das sei voll anerkannt. Der Länderfinanzausgleich sowohl in seiner vertikalen als auch in seiner horizontalen Form ist doch auch in die Überlegungen einzubeziehen. Es ist doch nicht unberechtigt, wenn der Finanzminister des Landes Nordrhein-Westfalen darauf hinweist, daß bei den bestehenden Ausgleichsregelungen nur vom normalen Steueraufkommen ausgegangen wird. Sonderbelastungen, wie sie z. B. Nordrhein-Westfalen durch die Übernahme eines vollen Drittels all unserer Kohleleistungen übernimmt, oder, Herr Kiep, Sonderentlastungen, wie sie z. B. in Niedersachsen durch den Förderzins aus den sogenannten Windfall-profits erfolgen, sind bisher — ich finde, unberechtigterweise — außer Betracht geblieben.
    Die Tatsache, daß alle Beteiligten von sehr unterschiedlichen Interessenlagen ausgehen, darf kein Hinderungsgrund dafür sein, diese Großaufgabe der 80er Jahre anzupacken.
    Wir begrüßen ausdrücklich, daß die Bundesregierung ein Konzept zur Meisterung der Probleme der europäischen Agrarpolitik erarbeitet hat. Aus der Sicht der Finanzpolitik ist es entscheidend, daß die Mehrwertsteuerabführung an die Europäische Gemeinschaft auch künftig 1 % der BemessungsgrundLage nicht übersteigen darf. Um Freiraum für europäische Strukturpolitik und europäische Sozialpolitik zu haben, muß der Anstieg der Agrarausgaben deutlich über den eigenen Einnahmen der EG liegen. Das bedeutet vorsichtige Preispolitik. Das bedeutet Erzeugerbeteiligung an den Kosten der Überschußproduktion. Das bedeutet die Aufhebung automatischer Interventionsmechanismen. Das bedeutet ein größeres Gewicht der Finanzminister im Prozeß der gemeinsamen Entscheidungsfindung mit den Ressortministern. Ja, das muß auch bedeuten — lassen Sie mich das deutlich aussprechen — Hilfe für die Kleinen, aber Subventionskürzungen bei den
    Großen und damit Sicherung des bäuerlichen Familienbetriebs.

    (Beifall bei der SPD und bei Abgeordneten der FDP)

    Wenn darüber hinaus die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der Agrarstruktur" künftig mit 20 % weniger Bundes- und Landesmitteln gefördert wird — was von der Landwirtschaft sicher als Belastung empfunden wird —, dann ist das ein Nachweis dafür, daß sich diese bedeutungsvolle Personengruppe im Vergleich zu anderen Bevölkerungsgruppen unseres Landes auch an der Meisterung der finanzwirtschaftlichen Gesamtsituation beteiligen muß. Das wird sich bei anderen von Förderungsmaßnahmen aus dem Bundeshaushalt betroffenen Institutionen oder Personengruppen fortsetzen; denn alle Ressortetats werden einen niedrigeren Aufwuchs haben, als sie ihn sich selbst wünschen oder auch als sie noch in der Planung veranschlagt waren, die einen höheren Prozentsatz für 1981 und die folgenden Jahre vorgesehen hat. Hier kann und darf es auch kein Plafondsdenken auf der Grundlage mechanistischer Steigerungsraten geben.
    Sie wissen, daß für uns Sozialdemokraten, aber genauso auch für diese Koalitionsregierung aus Sozialdemokraten und Liberalen der immer wieder entscheidende Angelpunkt gerade in finanzwirtschaftlichen Diskussionen darin besteht, daß sich der Staat nicht aus der Beschäftigungspolitik, aus dem Bemühen um die Sicherung der Arbeitsplätze zurückziehen kann und darf. Zu Recht wird die Frage aufgeworfen, ob dieser finanzpolitische Ansatz der Regierungspolitik in der Zeit einer sich abschwächenden Konjunktur richtig ist. Es gibt mehrere Gründe, die mich veranlassen, doch ja zu sagen.
    Der erste liegt darin, daß wir durch die umfangreiche steuerliche Entlastung bei der Lohn- und Einkommensteuer und die Erhöhung des Kindergelds zum richtigen Zeitpunkt von der Kaufkraftseite her die konjunkturelle Entwicklung abstützen. Ich habe das vorhin begründet.
    Der zweite Grund: Der Bundeshaushalt 1981, für den eine Kreditermächtigung von nicht weniger als rund 27 Milliarden DM ausgesprochen werden soll — die werden ja nicht für konsumtive, sondern für investive Aufgaben Verwendung finden —, ist schließlich keine konjunkturneutrale Veranstaltung, sondern sorgt in beachtlicher Weise zumindest auch für eine Verstetigung der Beschäftigung.
    Doch ich möchte hinzufügen, daß es hinsichtlich der Aussagen der wirtschaftswissenschaftlichen Institute und auch des Sachverständigenrats über die konjunkturelle Entwicklung in der zweiten Hälfte des Jahres 1981 beachtliche Unsicherheiten gibt. Die Wirtschaftsweisen sprechen von einer von ihnen erwarteten spürbaren Verbesserung. Hoffen wir, daß sie recht haben. Aber mir scheint, es wäre richtig, wenn wir im Frühjahr 1981, wenn sich die wirtschaftliche Entwicklung des Jahres besser übersehen läßt, die Lage neu prüfen.
    Dieser Staat kann und darf sich nicht als Nachtwächterstaat verhalten, wie es uns Herr Biedenkopf



    Westphal
    oder der hier heute mehrfach zitierte Herr Friedman aus Chicago empfehlen. Wir müssen, wenn es darauf ankommt, für Beschäftigungspolitik zur Verfügung stehen. Wir sind auch fähig dazu.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Dr. Hennig [CDU/CSU]: Allewege!)

    Wir wissen, daß uns von den Bürgern draußen die Frage gestellt wird, ob es uns gelungen ist, die Lasten, die eine konsequente Finanzpolitik mit sich bringt, ausreichend gerecht zu verteilen. Wir spüren hier sehr genau die Kritik, die von denen vorgetragen wird, die sich mit Recht als die kleinen Leute empfinden. Diese wären sicher noch eher bereit, ihren Teil der Last zu tragen, wenn sie noch mehr Beispiele außer denen, die ich aufgezählt habe, erkennen würden, bei denen die Einschnitte in Vergünstigungen für finanziell Bessergestellte entsprechend deren größerer Leistungsfähigkeit kräftiger ausgefallen sind.
    Aber wir wissen eben auch um die Zustimmung, die wir draußen erfreulicherweise finden, wenn wir an den zwei gravierenden Leitlinien unserer Finanzpolitik, die wir vor und nach den Wahlen zum Ausdruck gebracht haben, festhalten, nämlich Fortsetzung der Politik des „weg vom Öl" und keine weitere Ausdehnung der Neuverschuldung, wenn die konjunkturelle Lage uns nicht dazu zwingt.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Die Menschen draußen haben begriffen, was der Bundeskanzler meint, wenn er vom Mut zur Zukunft spricht, nämlich Mut, den Realitäten in einer tatsächlich schwieriger gewordenen Lage ins Auge zu sehen.
    Die Bürger wissen auch, daß es ihnen und unserem Land unvergleichlich viel besser geht als fast allen anderen Ländern um uns herum. Es ist doch wohl erlaubt, daran zu erinnern, daß es bei all den Maßnahmen, die hier für unsere Situation als harte Eingriffe geschildert worden sind, im Grunde darum geht, Verteilungsveränderungen des von unseren Bürgern selber geschaffenen Wohlstands vorzunehmen, und um nichts anderes, und das, während in vielen Teilen der Welt noch Menschen verhungern. Man muß die Relationen für uns selber klarmachen. Dann weiß man, daß das, was wir zumuten, für den Betroffenen hart ist, aber daß es im Vergleich zu anderen Situationen in der Welt, für die wir Mitverantwortung tragen, eine Sache ist, die im Grunde ein Ausgleich unter Wohlstandsgesichtspunkten und nichts anderes ist.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    In diesen Fragen kann man ja wohl sagen, daß es richtiger ist, unsere Politik darauf zu richten, Vertrauen zu gewinnen — nicht durch Versprechungen; dies hat keiner von uns getan, nicht einmal vor den Wahlen.

    (Lachen und Widerspruch bei der CDU/ CSU)

    — Dann lesen Sie mal unser Wahlprogramm nach, und Sie werden dies bestätigt finden.

    (Widerspruch bei der CDU/CSU — Zurufe von der CDU/CSU)

    — Ich glaube, Sie waren nie da, wenn einer von uns, insbesondere der Kanzler, eine Rede im Wahlkampf gehalten hat. Der hat eine Stunde lang vor den Bürgern argumentiert. All das, was ich Ihnen hier sage, hat er auch dort — sicher besser — vorgetragen.

    (Zurufe des Abg. Dr. Hennig [CDU/CSU])

    Er hat die Menschen für seinen Standpunkt gewonnen. Er hat auf irgendwelche Wahlgags verzichtet

    (Beifall bei der SPD)

    und argumentiert, um die Bürger zu gewinnen.

    (Beifall bei der SPD)

    Und sie haben ihm die Zustimmung gegeben, nicht Ihnen. Sie sind die Verlierer dieser Wahl.

    (Beifall bei der SPD — Dr. Schwarz-Schilling [CDU/CSU]: Herr Schmidt ist der Verlierer! — Schwarz [CDU/CSU]: Er hat gar nicht gewonnen!)

    Wir werden Vertrauen gewinnen — nicht durch Versprechungen, sondern durch unser so geartetes Handeln.

    (Beifall bei der SPD)

    Es gibt keinen Grund zur Skepsis. Wir sind leistungsfähig und sorgen dafür, daß unsere Finanzen in Ordnung bleiben.
    Ich komme zum Schluß und möchte abschließend nur noch folgendes sagen. Die parlamentarische Beratung über die Einzelvorlagen der Regierung, seien es die Gesetzentwürfe, sei es der Bundeshaushaltsplanentwurf, in denen die vom Bundeskanzler vorgetragene Regierungspolitik uns nun vorgelegt werden wird, gibt uns genug Gelegenheit, jedes einzelne Vorhaben gründlich zu prüfen und auch aus der Sachberatung den einen oder anderen Verbesserungsvorschlag anzubringen und zu verarbeiten. Gehen wir an die Arbeit! — Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)