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ID0822905000

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 8/229 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 229. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 3. Juli 1980 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung . . . . 18675 C Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung zum Treffen der sieben Staats- und Regierungschefs in Venedig und zu den Gesprächen des Bundeskanzlers und des Bundesministers des Auswärtigen in Moskau Schmidt, Bundeskanzler 18583 A Dr. h. c. Strauß, Ministerpräsident des Freistaates Bayern . 18588 D Genscher, Bundesminister AA 18606 A Dr. Jaeger CDU/CSU 18611 B Wehner SPD 18616 D Mischnick FDP 18620 B Beratung des Berichts über den Stand der Arbeit und die Ergebnisse der EnqueteKommission Zukünftige KernenergiePolitik" — Drucksachen 8/2353, 8/2628, 8/4341 — Dr. Stavenhagen CDU/CSU 18624 B Ueberhorst SPD 18627 A Dr.-Ing. Laermann FDP 18630 B Gerstein CDU/CSU 18635 B Reuschenbach SPD 18637 C Dr. Gruhl fraktionslos 18639 B Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu dem Antrag der Abgeordneten Lenzer, Dr. Probst, Pfeifer, Benz, Engelsberger, Gerstein, Dr. Hubrig, Dr. Riesenhuber, Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Dr. Laufs, Pfeffermann, Dr. Stavenhagen, Frau Dr. Walz und der Fraktion der CDU/CSU Rationelle und sparsame Energieverwendung — Drucksachen 8/1963, 8/4355 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Riesenhuber, Dr. Narjes, Dr. Dollinger, Pfeifer, Lenzer, Dr. Probst, Benz, Breidbach, Engelsberger, Gerstein, Dr. Hubrig, Dr. Laufs, Dr. II Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Juli 1980 Freiherr Spies von Büllesheim, Pfeffermann, Dr. Stavenhagen und der Fraktion der CDU/CSU Energiepolitisches Programm zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Dollinger, Dr. Narjes, Pfeifer, Dr. Riesenhuber, Lenzer, Dr. Waigel, Dr. Laufs, Gerstein, Kolb, Dr. Czaja, Dr. Probst, Engelsberger, Dr. Hubrig, Pfeffermann, Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Dr. Stavenhagen, Frau Dr. Walz, von Hassel, Benz, Dr. Jenninger und der Fraktion der CDU/CSU Sicherung der Energieversorgung und Zukunftsorientierung der deutschen Energiepolitik zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zur Beratung der Großen Anfrage der Abgeordnten Dr. Dollinger, Pfeifer, Dr. Riesenhuber, Dr. Narjes, Lenzer, Benz, Engelsberger, Gerstein, Dr. Hubrig, Dr. Probst, Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Dr. Laufs, Pfeffermann, Dr. Stavenhagen, Frau Dr. Walz und der Fraktion der CDU/CSU Beitrag der Kernenergie zur Sicherung der Energieversorgung — Drucksachen 8/1394 (neu), 8/2961 (neu), 8/3434, 8/4354 — Dr. Dollinger CDU/CSU 18642 A Wolfram (Recklinghausen) SPD . . . 18644 A Dr.-Ing. Laermann FDP 18646 C Dr. Narjes CDU/CSU 18648 C Dr. Graf Lambsdorff, Bundesminister BMWi 18652 A Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Kriegsdienstverweigerung und des Zivildienstes (Kriegsdienstverweigerungs-Neuordnungsgesetz) — Drucksache 8/3019 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 8/4250 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung — Drucksache 8/4222 — in Verbindung mit Zweite Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Kriegsdienstverweigerung und des Zivildienstes (Kriegsdienstverweigerungs-Neuordnungsgesetz) — Drucksache 8/3020 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 8/4250 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung — Drucksache 8/4222 — Kühbacher SPD 18656A Porzner SPD 18656 C Dr. Jenninger CDU/CSU 18656 D Wolfgramm (Göttingen) FDP 18657 B Biermann SPD 18657 C Berger (Lahnstein) CDU/CSU 18659 D Hölscher FDP 18663A Jungmann SPD 18667 B Frau Tübler CDU/CSU 18668 C Dr. Zumpfort FDP 18671 D Dr. Ehrenberg, Bundesminister BMA . 18672 B Lutz SPD 18673 A Immer (Altenkirchen) SPD (Erklärung nach § 59 GO) 18675 B Namentliche Abstimmung 18677 B Dr. Jenninger CDU/CSU (zur GO) . . 18678 D Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Gerlach (Obernau), Handlos, Dr. Dregger, Dr. Wörner, Dr. Marx, Dr. Miltner, de Terra, Spranger, Weiskirch (Olpe), Biechele, Dr. Laufs, Frau Krone-Appuhn, Dr. Kraske, Dr. Riedl (München), Gerster (Mainz), Dr. Waffenschmidt, Biehle, Broll, Regenspurger, Dr. Friedmann, Frau Pieser, Dr. Hüsch, Dr. Meyer zu Bentrup und der Fraktion der CDU/CSU Gesamtverteidigung — Drucksachen 8/2295, 8/4340 — . . . 18675 D Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Narjes, Dr. Marx, Dr. Mertes (Gerolstein), Dr. Dollinger, Dr. Stercken, Dr. von Geldern, Kittelmann, Dr. Klein (Göttingen), Dr. Hoffacker, Hüsch, Sick, Dr. Voss, Hartmann, Dr. Wittmann (München), Dr. Hupka, Kunz (Berlin), Dr. Ritz, Amrehn, Broll, Dr. Hornhues, Schetter, Seiters, Graf Huyn, Hanz, Dr. Köhler (Wolfsburg), Dr. Hammans, Dr. Möller, Berger (Lahnstein), Würzbach, Werner, Dr. Sprung, Schröder (Wilhelminenhof), Dr. Wulff, Reddemann, Bahner, Frau Berger (Berlin) und der Fraktion der CDU/CSU III. VN-Seerechtskonferenz Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Juli 1980 III Antrag der Fraktionen der SPD und FDP Dritte Seerechtskonferenz der Vereinten Nationen — Drucksachen 8/3760, 8/3910, 8/4328 — 18676A Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Narjes, Grunenberg, Angermeyer, Dr. Corterier, Ewen, Dr. von Geldern, Kittelmann, Rapp (Göppingen), Dr. Wittmann (München) und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Tiefseebergbaus — Drucksache 8/2363 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft — Drucksache 8/4359 — 18676 B Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP Sportförderung in den Entwicklungsländern — Drucksache 8/5357 — 18676 C Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft zu dem Antrag der Abgeordneten Frau Dr. Wilms, Pfeifer, Rühe, Schedl, Frau Benedix-Engler, Pieroth, Hasinger, Daweke, Prangenberg, Dr. Hornhues, Frau Krone-Appuhn, Voigt (Sonthofen), Berger (Lahnstein), Dr. Blüm, Dr. George, Frau Dr. Wisniewski, Dr. Möller, Frau Karwatzki, Neuhaus, Dr. Laufs, Dr. Langguth, Hauser (Krefeld), Josten, Würzbach, Dr. Jenninger und der Fraktion der CDU/CSU Berufliche Fortbildung in Betrieben und überbetrieblichen Einrichtungen — Drucksachen 8/2884, 8/4294 — . . . 18676D Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Verteidigungsausschusses zum Jahresbericht 1979 des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages — Drucksachen 8/3800, 8/4374 — . . . 18676D Beratung der Sammelübersicht 77 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 8/4375 - 18677 A Nächste Sitzung 18679A Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 18681 *A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Juli 1980 18583 229. Sitzung Bonn, den 3. Juli 1980 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. van Aerssen * 4. 7. Dr. Ahrens ** 4. 7. Dr. Aigner * 4. 7. Alber ** 4. 7. Dr. Bangemann * 3. 7. Dr. Barzel 4. 7. Baum 4. 7. Dr. Blüm * 4. 7. Blumenfeld * 3. 7. Frau von Bothmer ** 4. 7. Büchner (Speyer) ** 4. 7. Dr. Evers ** 4. 7. Fellermaier * 4. 7. Flämig ** 4. 7. Frau Dr. Focke * 4. 7. Friedrich (Würzburg) * 4. 7. Dr. Fuchs * 4. 7. Dr. Geßner ** 4. 7. von Hassel * 4. 7. Dr. Holtz ** 3. 7. Hoppe 4. 7. Katzer * 4. 7. Dr. h. c. Kiesinger 4. 7. Kittelmann ** 4. 7. Dr. Klepsch * 4. 7. Lagershausen ** 4. 7. Lenzer ** 4. 7. Lücker * 4. 7. Luster * 4. 7. Dr. Mende ** 4. 7. Dr. Müller ** 4. 7. Dr. Pfennig * 4. 7. Reddemann ** 4. 7. Scheffler ** 4. 7. Frau Schleicher * 4. 7. Schmitz (Baesweiler) 4. 7. Dr. Schwencke (Nienburg) * 4. 7. Seefeld * 4. 7. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim ** 4. 7. Dr. Sprung 4. 7. Ueberhorst ** 4. 7. Dr. Vohrer ** 4. 7. Walkhoff 4. 7. Frau Dr. Walz * 4. 7. Weber (Heidelberg) 4. 7. Wischnewski 3. 7. Dr. Wulff 4. 7. Zebisch ** 4. 7. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Reinhard Ueberhorst


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Mit dieser Aussprache setzen wir die Diskussion in der Enquete-Kommission fort. Es ist heute nicht der Tag, wo die Fraktionen — ob Koalitionsfraktionen oder Oppositionsfraktion — zu dem vorgelegten Bericht bereits definitiv Stellung nehmen können. Meinerseits habe ich das vorzustellen, was die Mehrheit der Kommission, die Herr Stavenhagen soeben schon ansprach, beschlossen hat. Es ist vielleicht gut, daß wir uns hier im Parlament und in der Öffentlichkeit vergegenwärtigen, daß wir in der Kommission 15 Mitglieder hatten und weder die drei parlamentarischen Mitglieder der Opposition noch die vier parlamentarischen Mitglieder der Koalition dort eine Mehrheit bilden konnten; wenn eine Mehrheit zu bilden war, war es erforderlich, Sachverständige, den Sachverstand zu gewinnen, und das war ein heilsamer Zwang bei der Arbeit dieser Kommission.
    Ich möchte deshalb an erster Stelle den Sachverständigen nicht nur für ihre Mitarbeit, sondern auch dafür danken, daß sie sich nicht nur als Informanten, als Spezialisten, sondern gerade auch für den politischen Dialog —, für den Dialog über Fachgrenzen und über Einstellungen hinaus —, für den Versuch zur Verfügung gestellt haben, gerade auch im Gespräch zwischen Abgeordneten und Sachverständigen tragfähige Kompromisse für unser Land zu erarbeiten.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Das wichtigste Ergebnis in diesem Sinne ist für uns als Bundestag, so meine ich, daß die Sachverständigen — unbeschadet ihrer unterschiedlichen Haltung zur Kernenergie — am 25. Juni einstimmig, also alle acht, ein Ergebnis tragen konnten. Was das in der Sache ist, wird gleich zu beschreiben sein. Aber daß die Sachverständigen dazu in der Lage waren und immer betont haben „Wir wollen aus dieser Kommission nicht so herausgehen, wie wir mit unseren Vorurteilen hineingegangen sind", ist die eigentliche Leistung. Damit haben die sachverständigen Mitglieder den Arbeitsstil dieser Kommission geprägt, zum Guten hin geprägt.
    Nun, was ist der Inhalt? Der Hauptinhalt ist hier nicht in wenigen Minuten anzusprechen. Sie haben ja den Bericht, den 600-Seiten-Bericht vorliegen. Wichtig war für uns als Kommission, daß wir uns die Grundsatzfrage gestellt haben: Ist der Einsatz der Kernenergie eine Notwendigkeit oder aber eine Möglichkeit, auf die man auch verzichten könnte? Es war möglich, sich im Kreise aller Kommissionsmitglieder auf Voraussetzungen zu einigen, mit denen man diese Frage betrachten muß. Das heißt: Wir haben uns gemeinsam darauf geeinigt, wieviel Kohle man wohl voraussetzen dürfe, wieviel Öl man in der Zukunft wohl zur Verfügung haben werde — selbstverständlich sind das abnehmende, stark abnehmende Ölmengen —, wieviel Uran man maximal importieren könne. Wir haben uns auch — das ist. ebenfalls wichtig — gemeinsam auf Energiedienstleistungen im Komfortbereich festlegen können. Beispielsweise haben wir festgelegt, daß die Anzahl der elektrischen Geräte im Haushalt bei allen Betrachtungen um den Faktor 3 steigt. Wir haben weiter festgelegt, daß das Energiesystem pro Person 40 Quadratmeter beheizte Fläche anbieten muß. Unsere Leitlinie war also: Zunehmende Energiedienstleistungen für wachsenden Komfort der Bürger. Wir haben uns also alle miteinander von vornherein unter diese Rahmendaten gestellt und die Diskussion über „Askese oder Kernenergie" gar nicht erst angefangen, weil niemand für Askese, jeder aber für wachsenden Lebensstandard war, insbesondere auch der unteren und mittleren Einkommensschichten.

    (Kolb [CDU/CSU]: Das würde uns auch sehr schlecht bekommen!)

    — Sehr richtig.
    Was wir bearbeitet haben und was alternativ zu behandeln wäre, sind die Fragen: Kann man es mit oder ohne Kernenergie machen? Wie intensiv kann man sparen? Welche Sparerfolge kann man überhaupt zeitigen? Wieviel läßt sich im Bereich der erneuerbaren Energieträger an Potential mobilisieren? Da ist es der Kommission — ebenfalls einstimmig — gelungen, mit der Bandbreite, die wir in der öffentlichen Diskussion vorfinden, unterschiedliche Energiesysteme zu beschreiben und jedermann, z. B. demjenigen, der auf Kernenergie verzichten will, oder demjenigen, der bei viel Wirtschaftswachstum ohne neue Sparanstrengungen auskommen will, klar vorzurechnen, was denn die Bedingungen der Möglichkeit sind, seine jeweiligen Ziele zu erreichen. So wird z. B. für jemanden, der bis zum Jahre 2000 mehr als 3 % und danach auch noch mehr als 1 % Wachstum haben, aber keine neuen, zusätzlichen Sparanstrengungen über den Trend hinaus unternehmen will, deutlich: Er braucht im Jahr 2030 mehr als 200 Millionen Tonnen Kohle — mehr, als wir hier bei uns fördern können —, er braucht 250 Millionen Tonnen 01 und Gas — weit mehr, als man realistischerweise voraussetzen darf;

    (Kolb [CDU/CSU]: Und bezahlen kann!)

    das ist fast noch so viel wie heute —, und er braucht 165 Gigawatt elektrische Leistung durch Kernenergie. Das ist der Pfad, verehrter Herr Kollege, von dem es in der Zeitung „Die Welt" hieß, das sei der Pfad, den die Industrie gehen wolle. Ich lasse diese Aussage zur „Industrie" mal so stehen, weise aber darauf hin, daß wir mit der Erarbeitung dieser Pfade jedermann Gelegenheit gegeben haben — das hat Herr Stavenhagen soeben auch schon gesagt —, ehrlich zu sehen, was er leisten, was er durchsetzen muß, wenn er die Ziele verwirklichen will. Jedermann kann sehen, welches enorme Ausmaß an Kernkraftwerksanlagen er bauen, durchsetzen können muß oder aber welche enormen Sparanstrengungen er durchsetzen und welche Erfolge er zustande bringen muß, um einen Weg ohne Kernenergie möglich zu machen.
    Aus diesen Analysen hat die Mehrheit der Kommission ein Bild gewonnen und ist zu dem Schluß gekommen: Wenn die Sparerfolge stark sind, wenn die erneuerbaren Energiequellen stärker zum Einsatz kommen können und wenn ein Strukturwandel der Wirtschaft stattfindet, ist längerfristig ein Verzicht auf Kernenergie durchaus möglich. Anderer-



    Ueberhorst
    seits ist es aber auch unsicher, ob die dazu notwendigen Sparerfolge tatsächlich eintreten.
    In dieser Lageanalyse haben sich alle acht Sachverständigen getroffen, und vier Parlamentarier haben zugestimmt. Ich meine, es ist vernünftig darauf hinzuweisen, daß wir uns nicht immer in die Frage „Kernenergie, ja oder nein?'' hineinjagen lassen, sondern fragen sollten: Was ist zum richtigen Zeitpunkt die richtige Frage? Der Zeitpunkt für die richtige Frage zur langfristigen Nutzung der Kernenergie über Jahrhunderte ist nicht gekommen.

    (Beifall bei der SPD)

    Dieser Zeitpunkt kommt, wenn wir das Sparen und die Bemühungen in Richtung auf den Pfad III praktisch intensivieren, etwa um das Jahr 1990. Für die Zeit bis dahin haben wir in dem Bericht ganz und gar nicht eine Politik beschrieben, wo etwa Hände in irgendeinen Schoß gelegt werden, sondern wir schlagen vor: eine aktive Politik einer fairen Konkurrenz beider Wege, eines fairen Intensivierens des Sparens und Förderns erneuerbarer Energiequellen einerseits und andererseits einer Aufrechterhaltung der versorgungs- und forschungspolitischen kerntechnischen Option. Dies ist ausführlich in dem Bericht beschrieben, und ich möchte zwei entscheidende Überlegungen vorstellen.
    Warum ist das für die Kommission konsensfähig gewesen?

    (Zuruf von der CDU/CSU: Für die Mehrheit!)

    Man kann doch folgende Überlegung nachvollziehen, Herr Gerstein. Was wir sehen müssen, ist: es ist keine Gesinnungsfrage hier zu entscheiden, sondern man muß die Probleme rational analysieren. Dann stellt man fest, je mehr Öl wir durch rationelle Verwendung und durch den Einsatz erneuerbarer Quellen einsparen, desto mehr Kohle bliebe für die Verstromung. Je mehr Kohle für die Verstromung bleibt, desto weniger Kernenergie ist erforderlich, möglicherweise null. Oder anders gesagt: Wenn die sehr starken Sparerfolge nicht gezeitigt werden können, dann kann die erforderliche Ölreduktion nur dadurch bewerkstelligt werden, daß auch Kohle verstärkt zur Ölsubstitution herangezogen wird, also zur Verstromung nicht mehr im ausreichenden Ausmaß zur Verfügung steht. Dies ist eine innere Logik, die wir auf eine rationale Praxis für die 80er Jahre umgesetzt haben.
    Ich muß in dem Zusammenhang, Herr Stavenhagen, zurückweisen, wenn Sie sagen, daß hier ein Sparkatalog mit dirigistischen Maßnahmen vorgeschlagen worden sei.

    (Dr. Stavenhagen [CDU/CSU]: Fußnote von Herrn Laermann!)

    — Auch dort steht es nicht; er wird es gleich noch sagen. Wenn Sie wenigstens so weit gekommen wären, wie Kollege Laermann und Herr Reuschenbach in den Fußnoten! Dann hätten Sie nämlich grundsätzlich und tendenziell mit den Sachverständigen gestimmt.

    (Beifall bei der SPD)

    Wenn Sachverständige wie Professor Schäfer oder der Vertreter des DGB Alois Pfeiffer einen solchen Katalog ausarbeiten und vorlegen, dann können Sie diesen Katalog doch nicht mit Wahlkampfvokabeln aus Ihrer Mottenkiste belegen. Im übrigen lesen Sie bitte das, was heute in der wirklich liberalen Wirtschaftszeitung „Die Zeit" gestanden hat: Es ist ein systemkonformer, ein marktwirtschaftlicher Sparkatalog, den man unterschreiben kann.
    Die Frage, der wir uns noch zuwenden müssen und die intensiv zu behandeln ist, ist die Grundsatzfrage, die sich alle Sachverständigen gestellt haben. Vorab, Herr Stavenhagen: Ich bin nicht angenehm angetan, von der Form, in der Sie mit den Sachverständigen — die wir ja wohl gemeinsam berufen haben — hier jetzt umgehen.

    (Zurufe von der SPD: Sehr gut! — Sehr wahr! — Beifall bei der SPD und der FDP)

    Zur Grundsatzfrage: Wir haben doch in der Kommission letztendlich zwei Grundhaltungen gehabt: Einerseits ein starkes Bemühen um einen Konsens und andererseits eine Haltung, die sagte: Wenn ich recht habe, dann mache ich keine Kompromisse. Nun soll man sich doch mal fragen: Ist es so schlecht, wenn man in der Energiepolitik eine breite Übereinstimmung erhalten will, ist das etwa unsachlich oder unpolitisch? Da sage ich Ihnen, das Bemühen um Kompromisse, um tragfähige Politiken in diesem Bereich ist erst einmal ein demokratischer Grundwert. Demokratie ist mehr als nur immer Mehrheit und Minderheit feststellen und abstimmen, sondern Demokratie verwirklicht sich auch in dem Bemühen, konstruktiv Anliegen von breiten Minderheiten aufzunehmen, dialogfähig zu sein und, wenn es geht, gemeinsame Lösungen zu suchen. Und dies war möglich; wenn auch nur mit 12:3 Stimmen.
    Ich weise Sie auch darauf hin, daß Sie in Ihrem Kriterienkatalog, verehrter Herr Narjes, mit Ihren Kollegen dieses unterschrieben haben. Da haben wir es hineingeschrieben. Aber es ist so: Der Zielwert „breiter Konsens" wird hoch aufgehängt, und dann wird praktisch darunter hindurchgelaufen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Kolb [CDU/CSU]: Das machen Sie immer!)

    — Nein.
    Dann muß man auch dazu stehen. Das haben die Sachverständigen getan.
    Das letzte möge Sie wenigstens überzeugen. Wenigstens das Sachargument mögen Sie doch sehen: Wer Energiepolitik machen will — ganz gleich, welchen Weg er geht —, braucht über Jahrzehnte eine stabile Mehrheit, eine stabile Orientierung an einem bestimmten Konzept. Er kann dieses nicht alle drei Jahre wechseln.
    Zu der Fußnote, die einige Sachverständige unter Ihr Papier geschrieben haben: Überlegen Sie sich doch mal, das sagen die Sachverständigen jetzt schwarz auf weiß. Wir brauchen doch einen breiten Konsens! Deshalb enthalten wir uns hier bei diesem Papier, auch wenn es inhaltlich akzeptabel ist.



    Ueberhorst
    Spätestens da hätten Sie merken müssen, daß die Sachverständigen Ihnen zurufen wollten: Kommt, laßt uns hier den breiten Konsens zu erreichen versuchen und nicht in Konfrontation machen.

    (Zustimmung bei der SPD — Schäfer [Offenburg] [SPD]: Das tut weh!)

    Wenn Sie dies jetzt so zum Lächeln, zum Lachen, zum Spaßmachen finden: Fragen Sie sich doch einmal nach dem Wahlkampf, wo, wenn nicht hier im Deutschen Bundestag, eigentlich erfolgreich versucht werden soll, die Energiekontroverse einer breiten, tragfähigen Lösung zuzuführen, die auch die Bürger akzeptieren können, die in der Öffentlichkeit mit unterschiedlichen Grundhaltungen diskutieren. Wo, wenn nicht hier? Wo soll das denn eigentlich passieren?

    (Beifall bei der SPD — Kolb [CDU/CSU]: Wo wollen Sie die Mehrheit finden? — Schäfer [Offenburg] [SPD]: Kolb, seien Sie lieber still! — Dr. Stavenhagen [CDU/CSU]: Lesen Sie doch, was die Presse zu dem Kompromiß schreibt! — Kuhlwein [SPD]: Springer und „Bayernkurier"?)

    — Die Mehrheit haben wir schon, verehrter Herr Kollege. Ich sage Ihnen, verehrter Herr Stavenhagen, da dies für Sie jetzt offensichtlich die Preisfrage ist: Wir werden bei der Bundestagswahl noch aus ganz anderen Gründen wieder die Mehrheit bekommen.
    In der Energiepolitik gehen Sie feixend und lachend über die Tatsache hinweg, daß acht Sachverständige, die wir gemeinsam berufen haben, diesem Konzept zustimmen, und fragen: Wo ist die Mehrheit für dieses Konzept?

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Zurufe von der CDU/CSU)

    Ich frage Sie: Könnte es nicht auch so sein — überlegen Sie einmal ganz ruhig —, daß acht Sachverständige

    (Gerlach [Obernau] [CDU/CSU]: Es gibt keine Mehrheit!)

    — Sie können ruhig dazwischenrufen — richtiger liegen als null Sachverständige?

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Kolb [CDU/CSU] : Wenn es nach den Sachverständigen gegangen wäre, wäre nie die erste Eisenbahn gebaut worden!)

    Meine Damen und Herren, zu dem Punkt, daß diese acht Sachverständigen und die vier Abgeordneten der Bundesregierung in den Rücken gefallen wären, muß ich Ihnen sagen: Dies ist ein Witz, über den wir nur deshalb nicht mehr lachen, weil Sie ihn täglich neu erzählen. Wir stützen die Regierung, und Sie machen dem Bürger tagtäglich vor, daß Sie der Regierung ans Leder wollen; gleichzeitig wollen Sie dem Bürger aber vormachen, daß Sie auch noch die besten Schützer der Regierung wären. Wer soll das nun noch glauben? Das glaubt Ihnen keiner. Ich weiß auch: Sie glauben es selber nicht. Ich nehme zu
    Ihren Gunsten an, daß Sie dieses nach der Wahl nicht mehr erklären werden.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)



Rede von Georg Leber
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Herr Kollege Ueberhorst, erlauben Sie eine Zwischenfrage?

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Reinhard Ueberhorst


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Gerne. Vizepräsident Leber: Bitte sehr.