Rede:
ID0822904800

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 8/229 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 229. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 3. Juli 1980 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung . . . . 18675 C Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung zum Treffen der sieben Staats- und Regierungschefs in Venedig und zu den Gesprächen des Bundeskanzlers und des Bundesministers des Auswärtigen in Moskau Schmidt, Bundeskanzler 18583 A Dr. h. c. Strauß, Ministerpräsident des Freistaates Bayern . 18588 D Genscher, Bundesminister AA 18606 A Dr. Jaeger CDU/CSU 18611 B Wehner SPD 18616 D Mischnick FDP 18620 B Beratung des Berichts über den Stand der Arbeit und die Ergebnisse der EnqueteKommission Zukünftige KernenergiePolitik" — Drucksachen 8/2353, 8/2628, 8/4341 — Dr. Stavenhagen CDU/CSU 18624 B Ueberhorst SPD 18627 A Dr.-Ing. Laermann FDP 18630 B Gerstein CDU/CSU 18635 B Reuschenbach SPD 18637 C Dr. Gruhl fraktionslos 18639 B Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu dem Antrag der Abgeordneten Lenzer, Dr. Probst, Pfeifer, Benz, Engelsberger, Gerstein, Dr. Hubrig, Dr. Riesenhuber, Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Dr. Laufs, Pfeffermann, Dr. Stavenhagen, Frau Dr. Walz und der Fraktion der CDU/CSU Rationelle und sparsame Energieverwendung — Drucksachen 8/1963, 8/4355 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Riesenhuber, Dr. Narjes, Dr. Dollinger, Pfeifer, Lenzer, Dr. Probst, Benz, Breidbach, Engelsberger, Gerstein, Dr. Hubrig, Dr. Laufs, Dr. II Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Juli 1980 Freiherr Spies von Büllesheim, Pfeffermann, Dr. Stavenhagen und der Fraktion der CDU/CSU Energiepolitisches Programm zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Dollinger, Dr. Narjes, Pfeifer, Dr. Riesenhuber, Lenzer, Dr. Waigel, Dr. Laufs, Gerstein, Kolb, Dr. Czaja, Dr. Probst, Engelsberger, Dr. Hubrig, Pfeffermann, Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Dr. Stavenhagen, Frau Dr. Walz, von Hassel, Benz, Dr. Jenninger und der Fraktion der CDU/CSU Sicherung der Energieversorgung und Zukunftsorientierung der deutschen Energiepolitik zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zur Beratung der Großen Anfrage der Abgeordnten Dr. Dollinger, Pfeifer, Dr. Riesenhuber, Dr. Narjes, Lenzer, Benz, Engelsberger, Gerstein, Dr. Hubrig, Dr. Probst, Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Dr. Laufs, Pfeffermann, Dr. Stavenhagen, Frau Dr. Walz und der Fraktion der CDU/CSU Beitrag der Kernenergie zur Sicherung der Energieversorgung — Drucksachen 8/1394 (neu), 8/2961 (neu), 8/3434, 8/4354 — Dr. Dollinger CDU/CSU 18642 A Wolfram (Recklinghausen) SPD . . . 18644 A Dr.-Ing. Laermann FDP 18646 C Dr. Narjes CDU/CSU 18648 C Dr. Graf Lambsdorff, Bundesminister BMWi 18652 A Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Kriegsdienstverweigerung und des Zivildienstes (Kriegsdienstverweigerungs-Neuordnungsgesetz) — Drucksache 8/3019 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 8/4250 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung — Drucksache 8/4222 — in Verbindung mit Zweite Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Kriegsdienstverweigerung und des Zivildienstes (Kriegsdienstverweigerungs-Neuordnungsgesetz) — Drucksache 8/3020 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 8/4250 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung — Drucksache 8/4222 — Kühbacher SPD 18656A Porzner SPD 18656 C Dr. Jenninger CDU/CSU 18656 D Wolfgramm (Göttingen) FDP 18657 B Biermann SPD 18657 C Berger (Lahnstein) CDU/CSU 18659 D Hölscher FDP 18663A Jungmann SPD 18667 B Frau Tübler CDU/CSU 18668 C Dr. Zumpfort FDP 18671 D Dr. Ehrenberg, Bundesminister BMA . 18672 B Lutz SPD 18673 A Immer (Altenkirchen) SPD (Erklärung nach § 59 GO) 18675 B Namentliche Abstimmung 18677 B Dr. Jenninger CDU/CSU (zur GO) . . 18678 D Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Gerlach (Obernau), Handlos, Dr. Dregger, Dr. Wörner, Dr. Marx, Dr. Miltner, de Terra, Spranger, Weiskirch (Olpe), Biechele, Dr. Laufs, Frau Krone-Appuhn, Dr. Kraske, Dr. Riedl (München), Gerster (Mainz), Dr. Waffenschmidt, Biehle, Broll, Regenspurger, Dr. Friedmann, Frau Pieser, Dr. Hüsch, Dr. Meyer zu Bentrup und der Fraktion der CDU/CSU Gesamtverteidigung — Drucksachen 8/2295, 8/4340 — . . . 18675 D Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Narjes, Dr. Marx, Dr. Mertes (Gerolstein), Dr. Dollinger, Dr. Stercken, Dr. von Geldern, Kittelmann, Dr. Klein (Göttingen), Dr. Hoffacker, Hüsch, Sick, Dr. Voss, Hartmann, Dr. Wittmann (München), Dr. Hupka, Kunz (Berlin), Dr. Ritz, Amrehn, Broll, Dr. Hornhues, Schetter, Seiters, Graf Huyn, Hanz, Dr. Köhler (Wolfsburg), Dr. Hammans, Dr. Möller, Berger (Lahnstein), Würzbach, Werner, Dr. Sprung, Schröder (Wilhelminenhof), Dr. Wulff, Reddemann, Bahner, Frau Berger (Berlin) und der Fraktion der CDU/CSU III. VN-Seerechtskonferenz Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Juli 1980 III Antrag der Fraktionen der SPD und FDP Dritte Seerechtskonferenz der Vereinten Nationen — Drucksachen 8/3760, 8/3910, 8/4328 — 18676A Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Narjes, Grunenberg, Angermeyer, Dr. Corterier, Ewen, Dr. von Geldern, Kittelmann, Rapp (Göppingen), Dr. Wittmann (München) und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Tiefseebergbaus — Drucksache 8/2363 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft — Drucksache 8/4359 — 18676 B Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP Sportförderung in den Entwicklungsländern — Drucksache 8/5357 — 18676 C Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft zu dem Antrag der Abgeordneten Frau Dr. Wilms, Pfeifer, Rühe, Schedl, Frau Benedix-Engler, Pieroth, Hasinger, Daweke, Prangenberg, Dr. Hornhues, Frau Krone-Appuhn, Voigt (Sonthofen), Berger (Lahnstein), Dr. Blüm, Dr. George, Frau Dr. Wisniewski, Dr. Möller, Frau Karwatzki, Neuhaus, Dr. Laufs, Dr. Langguth, Hauser (Krefeld), Josten, Würzbach, Dr. Jenninger und der Fraktion der CDU/CSU Berufliche Fortbildung in Betrieben und überbetrieblichen Einrichtungen — Drucksachen 8/2884, 8/4294 — . . . 18676D Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Verteidigungsausschusses zum Jahresbericht 1979 des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages — Drucksachen 8/3800, 8/4374 — . . . 18676D Beratung der Sammelübersicht 77 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 8/4375 - 18677 A Nächste Sitzung 18679A Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 18681 *A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Juli 1980 18583 229. Sitzung Bonn, den 3. Juli 1980 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. van Aerssen * 4. 7. Dr. Ahrens ** 4. 7. Dr. Aigner * 4. 7. Alber ** 4. 7. Dr. Bangemann * 3. 7. Dr. Barzel 4. 7. Baum 4. 7. Dr. Blüm * 4. 7. Blumenfeld * 3. 7. Frau von Bothmer ** 4. 7. Büchner (Speyer) ** 4. 7. Dr. Evers ** 4. 7. Fellermaier * 4. 7. Flämig ** 4. 7. Frau Dr. Focke * 4. 7. Friedrich (Würzburg) * 4. 7. Dr. Fuchs * 4. 7. Dr. Geßner ** 4. 7. von Hassel * 4. 7. Dr. Holtz ** 3. 7. Hoppe 4. 7. Katzer * 4. 7. Dr. h. c. Kiesinger 4. 7. Kittelmann ** 4. 7. Dr. Klepsch * 4. 7. Lagershausen ** 4. 7. Lenzer ** 4. 7. Lücker * 4. 7. Luster * 4. 7. Dr. Mende ** 4. 7. Dr. Müller ** 4. 7. Dr. Pfennig * 4. 7. Reddemann ** 4. 7. Scheffler ** 4. 7. Frau Schleicher * 4. 7. Schmitz (Baesweiler) 4. 7. Dr. Schwencke (Nienburg) * 4. 7. Seefeld * 4. 7. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim ** 4. 7. Dr. Sprung 4. 7. Ueberhorst ** 4. 7. Dr. Vohrer ** 4. 7. Walkhoff 4. 7. Frau Dr. Walz * 4. 7. Weber (Heidelberg) 4. 7. Wischnewski 3. 7. Dr. Wulff 4. 7. Zebisch ** 4. 7. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Lutz G. Stavenhagen


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU/CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Laut Beschluß des Bundestages hat die Enquete-Kommission „Zukünftige Kernenergie-Politik" die Aufgabe, die energiepolitischen Entscheidungsmöglichkeiten und Entscheidungsnotwendigkeiten unter ökologischen, ökonomischen, gesellschaftlichen und Sicherheitsgesichtspunkten darzustellen und Handlungsempfehlungen zu erarbeiten.
    Mit dem Kompromiß, auf den sich die Mehrheit der Kommission geeinigt hat, wird dieser Auftrag nach unserer Auffassung verfehlt, denn statt Handlungsempfehlungen werden vieldeutige Worthülsen geboten. Die zentralen Aussagen der Kommissionsmehrheit besagen einerseits, daß unter bestimmten Voraussetzungen ein Verzicht auf Kernenergie möglich sein könnte. Weiter wird behauptet, daß vor 1990 nicht mit breitem Konsens für oder
    gegen die Kernenergie entschieden werden könne und daß man erwarte, daß diese Entscheidung nach 1990 eher möglich sei. Auf der anderen Seite wird erklärt, daß über die vorhandenen Kernkraftwerke hinaus zusätzliche, neue Kernkraftwerke im Rahmen des Bedarfs zugebaut werden müßten, um die nukleare Option versorgungs- und industriepolitisch zu erhalten.
    Unter dieser, wie wir meinen, Rabulistik haben sich Kommissionsmitglieder zusammengefunden, die zum Teil viel mehr Kernenergie für notwendig halten als wir, während andere immer noch meinen, das beste Kernkraftwerk sei das abgestellte Kernkraftwerk. Diese verschiedenen Gruppen haben sich nicht deswegen in dem Kompromiß geeinigt, weil sie sich aufeinander zu bewegt hätten, sondern weil es ihnen der Kompromiß erlaubt, die jeweils eigene Position darin — für den Bürger kaum erkennbar — verborgen zu wissen. Damit ist aber nach unserer Meinung der Akzeptanz nicht gedient und der Glaubwürdigkeit der Kommission Schaden zugefügt.
    Wie wollen Sie, meine Damen und Herren, denn dem Bürger, in dessen Nachbarschaft ein Kernkraftwerk gebaut werden soll, klarmachen, daß er dies akzeptieren soll? Doch sicher nicht damit, daß dies einer industriepolitischen Option diene. Der Betroffene wird es zu Recht als blanken Hohn empfinden, wenn man ihm einerseits ein solches „Ding" vor die Nase setzt, andererseits aber behauptet, über die Notwendigkeit der gesamten Technik müsse erst nach 1990 entschieden werden. Die Bürger haben es einfach satt, von den Politikern mit schönen Worthülsen umworben zu werden. Sie erwarten von uns, daß wir klare Positionen beziehen. Das schafft Akzeptanz und sonst überhaupt nichts.
    Für die Mitglieder der CDU/CSU in dieser Kommission muß ich deshalb feststellen, daß uns die Arbeit der letzten 12 Monate in unserer Auffassung bestärkt hat, daß unserem Land ohne die friedliche Nutzung der Kernenergie Schaden entsteht. Die Bundesrepublik Deutschland steht wie auch andere Industrieländer einer neuen Politik der Ölländer gegenüber, die von Streckung der Ölreserven, Erhaltung der Kaufkraft ihrer Öleinnahmen und Anpassung an ihre finanziellen Bedürfnisse geprägt ist. Diese Politik kann die Abnehmerländer sehr schnell dazu zwingen, ihre Öleinfuhren mangels Devisen radikal einzuschränken. Die unerwartet schnell fortschreitende Verschlechterung unserer Leistungsbilanz schließt solche Befürchtungen auch für die Bundesrepublik Deutschland nicht aus.
    Wirtschaftliche Strukturschwächen, ungleiche Entwicklung ethnischer und sozialer Gruppen, verstärkte Suche nach eigener Identität durch Rückgriffe auf religiöse und kulturelle Traditionen haben in den Ölländern innenpolitische Auseinandersetzungen ausgelöst, für die diese Länder überhaupt nicht gerüstet sind. Die Folge ist, in den Ländern mit orthodox-islamisch ausgerichteten Tendenzen treten starke Kräfte für eine Beschränkung der Ölproduktion, Verlangsamung des Wirtschaftswachstums und stärkere Orientierung der Außenpolitik auf regionale und nationale Interessen ein. Das Weiter-



    Dr. Stavenhagen
    schwelen des Nahost-Konflikts gefährdet die Ölversorgung des Westens zusätzlich. Deshalb haben die Mitgliedsländer der Internationalen Energieagentur am 22. Mai dieses Jahres beschlossen, bis 1985 beträchtlich hinter den bis dato anvisierten Öleinfuhren zurückzubleiben. Einfuhrbeschränkungen können aber auch deshalb notwendig werden, weil die ölarmen Entwicklungsländer vorrangig, d. h. zu Lasten der Industrieländer, mit Öl versorgt werden müssen.
    Der Weltenergieverbrauch bis über das Jahr 2 000 hinaus wird entscheidend vom Anstieg der Weltbevölkerung abhängen, die derzeit rund 4,5 Milliarden Menschen beträgt. Nach vorsichtigen Schätzungen muß bis zum Jahr 2 030 mit einer Verdoppelung auf neun Milliarden gerechnet werden. Das Bundeswirtschaftsministerium kommt deshalb auch zu dem Schluß, daß sich der Weltenergieverbrauch selbst bei sehr geringem Wachstum bis zum Jahr 2 000 nahezu verdoppelt und bis zum Jahre 2 030 verdreifacht.
    Das vordringliche Weltproblem ist die Ernährung. 12 Millionen Kinder haben das Jahr des Kindes 1979 wegen unzureichender Ernährung nicht überlebt Bei dieser Lage sind es auch nicht die häufig zitierten elitären Gruppen in den Entwicklungsländern, die deren Industrialisierung fordern, es ist ganz einfach der Hunger, der diese Länder zum technischen und wirtschaftlichen Fortschritt verdammt Diese Länder benötigen vor allem zur Intensivierung ihrer Landwirtschaft ein Mehr an Energie, die nur durch Verbesserung der Schädlingsbekämpfung, der Düngung und der Bewässerung erreicht werden kann. All dies erfordert zusätzlichen Energieeinsatz in bisher nicht gekanntem Umfang. Ich weise aber auch auf die zunehmende Verstädterung gerade in den Entwicklungsländern hin. Nach Schätzungen der Weltbank werden zur Jahrhundertwende allein 40 Städe die Fünfmillionenmarke und 18 Städte sogar die Zehnmillionenmarke überschritten haben.
    Werden diese düsteren Perspektiven auch nur als Möglichkeit akzeptiert, so bleibt uns gar nichts anderes übrig, als 01 in weit stärkerem Umfang, als bisher vorgesehen, zu substituieren. Dies kann nur durch Kohle und durch nichtfossile Energien, insbesondere die Kernenergie, erfolgen. Deshalb kann man nach unserer Auffassung die Hände nicht bis 1990 in den Schoß legen, sondern man muß jetzt handeln.
    Die Staats- und Regierungschefs sind in Venedig am 23. Juni deshalb auch zu dem Schluß gekommen, daß wir uns auf andere Brennstoffe als Erdöl verlassen müssen, und hier nennen sie insbesondere und dezidiert Kohle und Kernkraft Sie sagen dort wörtlich: „Wir unterstreichen den entscheidenden Beitrag, den die Kernkraft zu einer sicheren Energieversorgung leisten kann. Der Einsatz der Kernenergie muß gesteigert werden, wenn der Weltenergiebedarf gedeckt werden soll.' Dies sehen wir genauso. Deshalb haben meine Freunde und ich im Kommissionsbericht folgende Empfehlungen gegeben:
    Erstens. Energiepolitik muß auf ein ausreichendes Angebot an Energie, das am oberen Rand der Bedarfserwartungen orientiert ist, ausgerichtet sein.
    Zweitens. Keine der uns zur Verfügung stehenden Energiequellen darf ausgeschlossen noch dürfen Sparmöglichkeiten außer acht gelassen werden.
    Drittens. Es müssen weitere Kernkraftwerke zugebaut werden entsprechend dem Bedarf, wie wir ihn derzeit einschätzen, bis 1990 jährlich etwa zwei Kernkraftwerke vom Typ Leichtwasserreaktor.
    Ich weise darauf hin, daß vier weitere Kommissionsmitglieder in ihren persönlichen Stellungnahmen jährlich etwa zwei Kernkraftwerke ausdrücklich für notwendig erachtet oder durch ihre Einschätzung zu den vier Energiepfaden den Bedarf so oder sogar höher definiert haben.
    Wer den Kommissionsbericht ganz liest, kommt sehr schnell zu dem Schluß, daß der Formelkompromiß die Meinung der Mehrheit der Kommission inhaltlich nicht abdeckt, sondern nur als Tarnkappe überdeckt Diesem Formelkompromiß konnten wir auch deshalb nicht zustimmen, weil wir seine Voraussetzungen für fragwürdig, unzutreffend und für nicht wünschenswert halten. Wir sind der Ansicht, daß für eine gesunde wirtschaftliche Entwicklung die energieintensive Grundstoffindustrie einen gewissen Anteil an der Gesamtwirtschaft haben muß. Eine gesunde wirtschaftliche Entwicklung ist unvereinbar mit einer Entwicklung, die eine Abnahme des wirtschaftlichen Wachstums zum erklärten Ziel hat oder zumindest einkalkuliert. Damit wird auch die Lösung sozialer Probleme erschwert; wenn nicht gar unmöglich gemacht Eine solche Entwicklung mit all ihren Konsequenzen wird von der Mehrheit unseres Volkes nicht gewünscht
    Wir halten es aber für notwendig und vernünftig, alle marktkonformen Anstrengungen zur Einsparung von Energie und zur Entwicklung alternativer Energietechniken zu unternehmen. Auch Energiesparmaßnahmen müssen aber wirtschaftlich vertretbar und sozial akzeptabel sein.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Auf Grund der niedrigen Energiepreise vor der Ölkrise Ende 1973 waren Energieeinsparungen vom Markt her nicht oder kaum durchsetzbar. Nur in wenigen energieintensiven Wirtschaftszweigen, bei denen die Energie immer ein wichtiger Kostenfaktor war, hatten die Bemühungen um einen rationellen und sparsamen Energieeinsatz von jeher einen hohen Stellenwert Inzwischen hat der Markt aber auf breiter Front auf die neuen Signale in Form steigender Energiepreise reagiert. Der Suchprozeß nach neuen Möglichkeiten der Energieeinsparung und der rationellen Energieverwendung ist voll in Gang gekommen. Es gilt, diesen Such- und Entscheidungsprozeß des Marktes durch staatliche Maßnahmen zu unterstützen und administrative Hindernisse, die diesem Prozeß im Wege stehen, zu beseitigen. Dafür haben wir einen Katalog mit 36 Maßnahmen vorgelegt Welche Einsparraten sich tatsächlich erreichen lassen, hängt sowohl von den weiteren wirtschaftlichen Bedingungen als auch von den durchzuführenden energiepolitischen Maßnahmen ab.
    Die Mehrheit der Kommission hat einen Katalog mit über 60 Maßnahmen zur Energieeinsparung zusammengestellt. Wir sind der Auffassung, daß ein



    Dr. Stavenhagen
    großer Teil dieser Maßnahmen wegen des staatlichen Eingriffs in Einzelentscheidungen der Verbraucher, wegen des Verwaltungsaufwands, der damit verbundenen Kontrollen und der sehr zweifelhaften Wirkungen nicht empfohlen werden kann. Neben einer generellen Geschwindigkeitsbegrenzung, deren energiesparender Effekt völlig unbewiesen ist, wird eine gesetzliche Regelung für den Durchschnittsverbrauch von Kraftfahrzeugen gefordert. Eine Abwärmeabgabe sowie eine Energieverbrauchsordnung finden sich in dem Katalog. Vorschriften zum Einbau von Regelungsanlagen und Kontrollgeräten zur Überwachung des persönlichen Heizverhaltens werden empfohlen. Die Kilometerpauschale soll abgeschafft und es sollen Vorschriften über den zulässigen Einsatz von Haushaltsgeräten eingeführt werden. Die Notwendigkeit dieser Maßnahmen wird vom Verbraucher zu Recht nicht eingesehen. Ihre Durchführung würde also staatlichen Zwang erfordern. Deshalb konnten wir diesen Vorschlägen nicht zustimmen.
    Die Kommissionsmitglieder Reuschenbach und Laermann haben sich ebenfalls in Fußnoten eindeutig von diesem dirigistischen Katalog distanziert, ebenso drei Sachverständige. Einem weit überzogenen Katalog zuzustimmen, um sich dann in Fußnoten wieder davon zu distanzieren, trägt, Herr Reuschenbach, nicht zur Verbesserung der Akzeptanz bei.

    (Gerstein [CDU/CSU]: Fußnotenpolitiker!)

    Die Kommission hatte die Aufgabe, auch Wege ohne Kernenergie auf ihre Möglichkeiten und Konsequenzen zu untersuchen. Hier brachte die Kommissionsarbeit, wie wir meinen, bemerkenswerte Klarheit. Die Pfade III und W des Berichts, also die Pfade ohne Kernenergie, zeigen, daß bei Verzicht auf Kernenergie ein Wachstum der Grundstoffindustrie nicht mehr möglich ist. Das erforderliche Sparen wird als sehr stark bis extrem eingestuft, wofür nach Aussage seiner Befürworter selbst der dirigistische Sparkatalog der Kommissionsmehrheit nicht ausreicht Außerdem muß der Einsatz regenerativer Energiequellen bis zum Jahr 2000 wenigstens verfünffacht und danach verzehnfacht werden — was wir für völlig unrealistisch halten. Der von seinen Jüngern als „sanft" bezeichnete Weg ohne Kernenergie erweist sich bei näherem Hinsehen als Weg voll staatlicher Reglementierung, als totaler Energiesparstaat So sagt Gronemeyer in seinem Aufsatz „Selbstbestimmung innerhalb der Grenzen des Wachstums", nur eine Verteilungsdiktatur sei imstande, die Problemlawine abzufangen. Heilbroner schreibt:
    Die intellektuelle Redlichkeit zwingt mich aber, einzugestehen, daß wir das bevorstehende ökologische Spießrutenlaufen vielleicht nur unter Regierungen überstehen werden, die Gehorsam weit wirksamer durchzusetzen vermögen, als es unter den demokratischen Bedingungen möglich wäre.
    Und Harich spricht von rigorosen Unterdrückungsmaßnahmen, begleitet von gesetzlich verfügten Massenentziehungskuren. Unabhängig vom politischen Standpunkt sind die Advokaten einer selbstgenügsamen Wachstumsbegrenzung offenbar einmütig der Auffassung, daß zur Verwirklichung dieses Ziels drastische, die Gesellschaftsordnung verändernde Einschränkungen der individuellen Freiheiten unerläßlich sind.
    Die Kernenergiegegner in der Kommission haben erkannt, daß auf direktem Weg die Kernenergie nicht zu Fall gebracht werden kann. Deshalb haben sie das Projekt des Schnellen Brüters in Kalkar und die Pläne für eine Entsorgung mit Wiederaufarbeitung zum Ziel ihrer Angriffe gemacht. Die Vorlage der Mehrheit der Kommission zum Thema Schneller Brüter bedeutet möglicherweise Verzögerung des Weiterbaus und der Inbetriebnahme des Projekts SNR-300 in Kalkar. Umfangreiche Studien, deren Erstellung mehrere Jahre dauern wird, werden gefordert. Die Forderungen bergen in sich erhebliche, nach unserer Auffassung unberechtigte, Kritik an dem bisherigen Genehmigungsverfahren. Dem können wir uns nicht anschließen.
    Durch die Vorlage der Kommissionsmehrheit zur Entsorgung wird der Bau einer industriell nutzbaren Wiederaufarbeitungsanlage, wie er im Entsorgungskonzept des Bundeskanzlers und der Ministerpräsidenten vorgesehen ist, möglicherweise nicht verhindert. Die Formulierungen sind aber ungenau und mehrdeutig. Unserem Antrag, ausdrücklich zu erklären, daß die Empfehlungen der Kommission sich in grundsätzlicher Übereinstimmung mit dem Beschluß der Regierungschefs zur Entsorgung befinden, wurde nicht entsprochen.

    (Gerstein [CDU/CSU]: Sehr verdächtig!)

    Sowohl unserer Vorlage zum Schnellen Brüter als auch unserer Vorlage zur Entsorgung stimmten mehrere Sachverständige in Fußnoten ausdrücklich zu. Sie stimmten dennoch für den schwammigen Kompromiß, weil sie glaubten, damit zu mehr Akzeptanz beizutragen. Das ist ein verhängnisvoller Irrtum, wie ich befürchte.

    (Zuruf des Abg. Reuschenbach [SPD])

    Karl Steinbuch wies kürzlich darauf hin, daß unser Land nahe daran ist, seine technische Leistungsfähigkeit, sein wertvollstes Gut, zu verspielen. Daran wollen wir uns nicht mitschuldig machen. Wieder einmal haben wir die groteske Situation, daß Mitglieder der Regierungsparteien die Politik des Bundeskanzlers zu unterlaufen versuchen und die Opposition die Haltung der Regierung in Fragen der Kernenergie gegen unberechtigte Angriffe in Schutz nehmen muß.

    (Dr. Freiherr Spies von Büllesheim [CDU/ CSU]: So ist es! — Zurufe von der SPD)

    Wir erwarten von der Regierung, daß sie sich sowohl zum Mehrheitsvotum als auch zum Minderheitsvotum der Kommission äußert und eindeutig Stellung bezieht, wie es auch in unserem Entschließungsantrag zu lesen ist. — Vielen Dank.

    (Beifall bei der CDU/CSU)



Rede von Georg Leber
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)
Das Wort hat der Herr Abgeordnete Ueberhorst.




  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Reinhard Ueberhorst


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (SPD)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (SPD)

    Herr Präsident! Meine sehr geehrten Kolleginnen und Kollegen! Mit dieser Aussprache setzen wir die Diskussion in der Enquete-Kommission fort. Es ist heute nicht der Tag, wo die Fraktionen — ob Koalitionsfraktionen oder Oppositionsfraktion — zu dem vorgelegten Bericht bereits definitiv Stellung nehmen können. Meinerseits habe ich das vorzustellen, was die Mehrheit der Kommission, die Herr Stavenhagen soeben schon ansprach, beschlossen hat. Es ist vielleicht gut, daß wir uns hier im Parlament und in der Öffentlichkeit vergegenwärtigen, daß wir in der Kommission 15 Mitglieder hatten und weder die drei parlamentarischen Mitglieder der Opposition noch die vier parlamentarischen Mitglieder der Koalition dort eine Mehrheit bilden konnten; wenn eine Mehrheit zu bilden war, war es erforderlich, Sachverständige, den Sachverstand zu gewinnen, und das war ein heilsamer Zwang bei der Arbeit dieser Kommission.
    Ich möchte deshalb an erster Stelle den Sachverständigen nicht nur für ihre Mitarbeit, sondern auch dafür danken, daß sie sich nicht nur als Informanten, als Spezialisten, sondern gerade auch für den politischen Dialog —, für den Dialog über Fachgrenzen und über Einstellungen hinaus —, für den Versuch zur Verfügung gestellt haben, gerade auch im Gespräch zwischen Abgeordneten und Sachverständigen tragfähige Kompromisse für unser Land zu erarbeiten.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Das wichtigste Ergebnis in diesem Sinne ist für uns als Bundestag, so meine ich, daß die Sachverständigen — unbeschadet ihrer unterschiedlichen Haltung zur Kernenergie — am 25. Juni einstimmig, also alle acht, ein Ergebnis tragen konnten. Was das in der Sache ist, wird gleich zu beschreiben sein. Aber daß die Sachverständigen dazu in der Lage waren und immer betont haben „Wir wollen aus dieser Kommission nicht so herausgehen, wie wir mit unseren Vorurteilen hineingegangen sind", ist die eigentliche Leistung. Damit haben die sachverständigen Mitglieder den Arbeitsstil dieser Kommission geprägt, zum Guten hin geprägt.
    Nun, was ist der Inhalt? Der Hauptinhalt ist hier nicht in wenigen Minuten anzusprechen. Sie haben ja den Bericht, den 600-Seiten-Bericht vorliegen. Wichtig war für uns als Kommission, daß wir uns die Grundsatzfrage gestellt haben: Ist der Einsatz der Kernenergie eine Notwendigkeit oder aber eine Möglichkeit, auf die man auch verzichten könnte? Es war möglich, sich im Kreise aller Kommissionsmitglieder auf Voraussetzungen zu einigen, mit denen man diese Frage betrachten muß. Das heißt: Wir haben uns gemeinsam darauf geeinigt, wieviel Kohle man wohl voraussetzen dürfe, wieviel Öl man in der Zukunft wohl zur Verfügung haben werde — selbstverständlich sind das abnehmende, stark abnehmende Ölmengen —, wieviel Uran man maximal importieren könne. Wir haben uns auch — das ist. ebenfalls wichtig — gemeinsam auf Energiedienstleistungen im Komfortbereich festlegen können. Beispielsweise haben wir festgelegt, daß die Anzahl der elektrischen Geräte im Haushalt bei allen Betrachtungen um den Faktor 3 steigt. Wir haben weiter festgelegt, daß das Energiesystem pro Person 40 Quadratmeter beheizte Fläche anbieten muß. Unsere Leitlinie war also: Zunehmende Energiedienstleistungen für wachsenden Komfort der Bürger. Wir haben uns also alle miteinander von vornherein unter diese Rahmendaten gestellt und die Diskussion über „Askese oder Kernenergie" gar nicht erst angefangen, weil niemand für Askese, jeder aber für wachsenden Lebensstandard war, insbesondere auch der unteren und mittleren Einkommensschichten.

    (Kolb [CDU/CSU]: Das würde uns auch sehr schlecht bekommen!)

    — Sehr richtig.
    Was wir bearbeitet haben und was alternativ zu behandeln wäre, sind die Fragen: Kann man es mit oder ohne Kernenergie machen? Wie intensiv kann man sparen? Welche Sparerfolge kann man überhaupt zeitigen? Wieviel läßt sich im Bereich der erneuerbaren Energieträger an Potential mobilisieren? Da ist es der Kommission — ebenfalls einstimmig — gelungen, mit der Bandbreite, die wir in der öffentlichen Diskussion vorfinden, unterschiedliche Energiesysteme zu beschreiben und jedermann, z. B. demjenigen, der auf Kernenergie verzichten will, oder demjenigen, der bei viel Wirtschaftswachstum ohne neue Sparanstrengungen auskommen will, klar vorzurechnen, was denn die Bedingungen der Möglichkeit sind, seine jeweiligen Ziele zu erreichen. So wird z. B. für jemanden, der bis zum Jahre 2000 mehr als 3 % und danach auch noch mehr als 1 % Wachstum haben, aber keine neuen, zusätzlichen Sparanstrengungen über den Trend hinaus unternehmen will, deutlich: Er braucht im Jahr 2030 mehr als 200 Millionen Tonnen Kohle — mehr, als wir hier bei uns fördern können —, er braucht 250 Millionen Tonnen 01 und Gas — weit mehr, als man realistischerweise voraussetzen darf;

    (Kolb [CDU/CSU]: Und bezahlen kann!)

    das ist fast noch so viel wie heute —, und er braucht 165 Gigawatt elektrische Leistung durch Kernenergie. Das ist der Pfad, verehrter Herr Kollege, von dem es in der Zeitung „Die Welt" hieß, das sei der Pfad, den die Industrie gehen wolle. Ich lasse diese Aussage zur „Industrie" mal so stehen, weise aber darauf hin, daß wir mit der Erarbeitung dieser Pfade jedermann Gelegenheit gegeben haben — das hat Herr Stavenhagen soeben auch schon gesagt —, ehrlich zu sehen, was er leisten, was er durchsetzen muß, wenn er die Ziele verwirklichen will. Jedermann kann sehen, welches enorme Ausmaß an Kernkraftwerksanlagen er bauen, durchsetzen können muß oder aber welche enormen Sparanstrengungen er durchsetzen und welche Erfolge er zustande bringen muß, um einen Weg ohne Kernenergie möglich zu machen.
    Aus diesen Analysen hat die Mehrheit der Kommission ein Bild gewonnen und ist zu dem Schluß gekommen: Wenn die Sparerfolge stark sind, wenn die erneuerbaren Energiequellen stärker zum Einsatz kommen können und wenn ein Strukturwandel der Wirtschaft stattfindet, ist längerfristig ein Verzicht auf Kernenergie durchaus möglich. Anderer-



    Ueberhorst
    seits ist es aber auch unsicher, ob die dazu notwendigen Sparerfolge tatsächlich eintreten.
    In dieser Lageanalyse haben sich alle acht Sachverständigen getroffen, und vier Parlamentarier haben zugestimmt. Ich meine, es ist vernünftig darauf hinzuweisen, daß wir uns nicht immer in die Frage „Kernenergie, ja oder nein?'' hineinjagen lassen, sondern fragen sollten: Was ist zum richtigen Zeitpunkt die richtige Frage? Der Zeitpunkt für die richtige Frage zur langfristigen Nutzung der Kernenergie über Jahrhunderte ist nicht gekommen.

    (Beifall bei der SPD)

    Dieser Zeitpunkt kommt, wenn wir das Sparen und die Bemühungen in Richtung auf den Pfad III praktisch intensivieren, etwa um das Jahr 1990. Für die Zeit bis dahin haben wir in dem Bericht ganz und gar nicht eine Politik beschrieben, wo etwa Hände in irgendeinen Schoß gelegt werden, sondern wir schlagen vor: eine aktive Politik einer fairen Konkurrenz beider Wege, eines fairen Intensivierens des Sparens und Förderns erneuerbarer Energiequellen einerseits und andererseits einer Aufrechterhaltung der versorgungs- und forschungspolitischen kerntechnischen Option. Dies ist ausführlich in dem Bericht beschrieben, und ich möchte zwei entscheidende Überlegungen vorstellen.
    Warum ist das für die Kommission konsensfähig gewesen?

    (Zuruf von der CDU/CSU: Für die Mehrheit!)

    Man kann doch folgende Überlegung nachvollziehen, Herr Gerstein. Was wir sehen müssen, ist: es ist keine Gesinnungsfrage hier zu entscheiden, sondern man muß die Probleme rational analysieren. Dann stellt man fest, je mehr Öl wir durch rationelle Verwendung und durch den Einsatz erneuerbarer Quellen einsparen, desto mehr Kohle bliebe für die Verstromung. Je mehr Kohle für die Verstromung bleibt, desto weniger Kernenergie ist erforderlich, möglicherweise null. Oder anders gesagt: Wenn die sehr starken Sparerfolge nicht gezeitigt werden können, dann kann die erforderliche Ölreduktion nur dadurch bewerkstelligt werden, daß auch Kohle verstärkt zur Ölsubstitution herangezogen wird, also zur Verstromung nicht mehr im ausreichenden Ausmaß zur Verfügung steht. Dies ist eine innere Logik, die wir auf eine rationale Praxis für die 80er Jahre umgesetzt haben.
    Ich muß in dem Zusammenhang, Herr Stavenhagen, zurückweisen, wenn Sie sagen, daß hier ein Sparkatalog mit dirigistischen Maßnahmen vorgeschlagen worden sei.

    (Dr. Stavenhagen [CDU/CSU]: Fußnote von Herrn Laermann!)

    — Auch dort steht es nicht; er wird es gleich noch sagen. Wenn Sie wenigstens so weit gekommen wären, wie Kollege Laermann und Herr Reuschenbach in den Fußnoten! Dann hätten Sie nämlich grundsätzlich und tendenziell mit den Sachverständigen gestimmt.

    (Beifall bei der SPD)

    Wenn Sachverständige wie Professor Schäfer oder der Vertreter des DGB Alois Pfeiffer einen solchen Katalog ausarbeiten und vorlegen, dann können Sie diesen Katalog doch nicht mit Wahlkampfvokabeln aus Ihrer Mottenkiste belegen. Im übrigen lesen Sie bitte das, was heute in der wirklich liberalen Wirtschaftszeitung „Die Zeit" gestanden hat: Es ist ein systemkonformer, ein marktwirtschaftlicher Sparkatalog, den man unterschreiben kann.
    Die Frage, der wir uns noch zuwenden müssen und die intensiv zu behandeln ist, ist die Grundsatzfrage, die sich alle Sachverständigen gestellt haben. Vorab, Herr Stavenhagen: Ich bin nicht angenehm angetan, von der Form, in der Sie mit den Sachverständigen — die wir ja wohl gemeinsam berufen haben — hier jetzt umgehen.

    (Zurufe von der SPD: Sehr gut! — Sehr wahr! — Beifall bei der SPD und der FDP)

    Zur Grundsatzfrage: Wir haben doch in der Kommission letztendlich zwei Grundhaltungen gehabt: Einerseits ein starkes Bemühen um einen Konsens und andererseits eine Haltung, die sagte: Wenn ich recht habe, dann mache ich keine Kompromisse. Nun soll man sich doch mal fragen: Ist es so schlecht, wenn man in der Energiepolitik eine breite Übereinstimmung erhalten will, ist das etwa unsachlich oder unpolitisch? Da sage ich Ihnen, das Bemühen um Kompromisse, um tragfähige Politiken in diesem Bereich ist erst einmal ein demokratischer Grundwert. Demokratie ist mehr als nur immer Mehrheit und Minderheit feststellen und abstimmen, sondern Demokratie verwirklicht sich auch in dem Bemühen, konstruktiv Anliegen von breiten Minderheiten aufzunehmen, dialogfähig zu sein und, wenn es geht, gemeinsame Lösungen zu suchen. Und dies war möglich; wenn auch nur mit 12:3 Stimmen.
    Ich weise Sie auch darauf hin, daß Sie in Ihrem Kriterienkatalog, verehrter Herr Narjes, mit Ihren Kollegen dieses unterschrieben haben. Da haben wir es hineingeschrieben. Aber es ist so: Der Zielwert „breiter Konsens" wird hoch aufgehängt, und dann wird praktisch darunter hindurchgelaufen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Kolb [CDU/CSU]: Das machen Sie immer!)

    — Nein.
    Dann muß man auch dazu stehen. Das haben die Sachverständigen getan.
    Das letzte möge Sie wenigstens überzeugen. Wenigstens das Sachargument mögen Sie doch sehen: Wer Energiepolitik machen will — ganz gleich, welchen Weg er geht —, braucht über Jahrzehnte eine stabile Mehrheit, eine stabile Orientierung an einem bestimmten Konzept. Er kann dieses nicht alle drei Jahre wechseln.
    Zu der Fußnote, die einige Sachverständige unter Ihr Papier geschrieben haben: Überlegen Sie sich doch mal, das sagen die Sachverständigen jetzt schwarz auf weiß. Wir brauchen doch einen breiten Konsens! Deshalb enthalten wir uns hier bei diesem Papier, auch wenn es inhaltlich akzeptabel ist.



    Ueberhorst
    Spätestens da hätten Sie merken müssen, daß die Sachverständigen Ihnen zurufen wollten: Kommt, laßt uns hier den breiten Konsens zu erreichen versuchen und nicht in Konfrontation machen.

    (Zustimmung bei der SPD — Schäfer [Offenburg] [SPD]: Das tut weh!)

    Wenn Sie dies jetzt so zum Lächeln, zum Lachen, zum Spaßmachen finden: Fragen Sie sich doch einmal nach dem Wahlkampf, wo, wenn nicht hier im Deutschen Bundestag, eigentlich erfolgreich versucht werden soll, die Energiekontroverse einer breiten, tragfähigen Lösung zuzuführen, die auch die Bürger akzeptieren können, die in der Öffentlichkeit mit unterschiedlichen Grundhaltungen diskutieren. Wo, wenn nicht hier? Wo soll das denn eigentlich passieren?

    (Beifall bei der SPD — Kolb [CDU/CSU]: Wo wollen Sie die Mehrheit finden? — Schäfer [Offenburg] [SPD]: Kolb, seien Sie lieber still! — Dr. Stavenhagen [CDU/CSU]: Lesen Sie doch, was die Presse zu dem Kompromiß schreibt! — Kuhlwein [SPD]: Springer und „Bayernkurier"?)

    — Die Mehrheit haben wir schon, verehrter Herr Kollege. Ich sage Ihnen, verehrter Herr Stavenhagen, da dies für Sie jetzt offensichtlich die Preisfrage ist: Wir werden bei der Bundestagswahl noch aus ganz anderen Gründen wieder die Mehrheit bekommen.
    In der Energiepolitik gehen Sie feixend und lachend über die Tatsache hinweg, daß acht Sachverständige, die wir gemeinsam berufen haben, diesem Konzept zustimmen, und fragen: Wo ist die Mehrheit für dieses Konzept?

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Zurufe von der CDU/CSU)

    Ich frage Sie: Könnte es nicht auch so sein — überlegen Sie einmal ganz ruhig —, daß acht Sachverständige

    (Gerlach [Obernau] [CDU/CSU]: Es gibt keine Mehrheit!)

    — Sie können ruhig dazwischenrufen — richtiger liegen als null Sachverständige?

    (Beifall bei der SPD und der FDP — Kolb [CDU/CSU] : Wenn es nach den Sachverständigen gegangen wäre, wäre nie die erste Eisenbahn gebaut worden!)

    Meine Damen und Herren, zu dem Punkt, daß diese acht Sachverständigen und die vier Abgeordneten der Bundesregierung in den Rücken gefallen wären, muß ich Ihnen sagen: Dies ist ein Witz, über den wir nur deshalb nicht mehr lachen, weil Sie ihn täglich neu erzählen. Wir stützen die Regierung, und Sie machen dem Bürger tagtäglich vor, daß Sie der Regierung ans Leder wollen; gleichzeitig wollen Sie dem Bürger aber vormachen, daß Sie auch noch die besten Schützer der Regierung wären. Wer soll das nun noch glauben? Das glaubt Ihnen keiner. Ich weiß auch: Sie glauben es selber nicht. Ich nehme zu
    Ihren Gunsten an, daß Sie dieses nach der Wahl nicht mehr erklären werden.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)