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ID0822902500

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 8/229 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 229. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 3. Juli 1980 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung . . . . 18675 C Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung zum Treffen der sieben Staats- und Regierungschefs in Venedig und zu den Gesprächen des Bundeskanzlers und des Bundesministers des Auswärtigen in Moskau Schmidt, Bundeskanzler 18583 A Dr. h. c. Strauß, Ministerpräsident des Freistaates Bayern . 18588 D Genscher, Bundesminister AA 18606 A Dr. Jaeger CDU/CSU 18611 B Wehner SPD 18616 D Mischnick FDP 18620 B Beratung des Berichts über den Stand der Arbeit und die Ergebnisse der EnqueteKommission Zukünftige KernenergiePolitik" — Drucksachen 8/2353, 8/2628, 8/4341 — Dr. Stavenhagen CDU/CSU 18624 B Ueberhorst SPD 18627 A Dr.-Ing. Laermann FDP 18630 B Gerstein CDU/CSU 18635 B Reuschenbach SPD 18637 C Dr. Gruhl fraktionslos 18639 B Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu dem Antrag der Abgeordneten Lenzer, Dr. Probst, Pfeifer, Benz, Engelsberger, Gerstein, Dr. Hubrig, Dr. Riesenhuber, Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Dr. Laufs, Pfeffermann, Dr. Stavenhagen, Frau Dr. Walz und der Fraktion der CDU/CSU Rationelle und sparsame Energieverwendung — Drucksachen 8/1963, 8/4355 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Riesenhuber, Dr. Narjes, Dr. Dollinger, Pfeifer, Lenzer, Dr. Probst, Benz, Breidbach, Engelsberger, Gerstein, Dr. Hubrig, Dr. Laufs, Dr. II Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Juli 1980 Freiherr Spies von Büllesheim, Pfeffermann, Dr. Stavenhagen und der Fraktion der CDU/CSU Energiepolitisches Programm zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Dollinger, Dr. Narjes, Pfeifer, Dr. Riesenhuber, Lenzer, Dr. Waigel, Dr. Laufs, Gerstein, Kolb, Dr. Czaja, Dr. Probst, Engelsberger, Dr. Hubrig, Pfeffermann, Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Dr. Stavenhagen, Frau Dr. Walz, von Hassel, Benz, Dr. Jenninger und der Fraktion der CDU/CSU Sicherung der Energieversorgung und Zukunftsorientierung der deutschen Energiepolitik zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zur Beratung der Großen Anfrage der Abgeordnten Dr. Dollinger, Pfeifer, Dr. Riesenhuber, Dr. Narjes, Lenzer, Benz, Engelsberger, Gerstein, Dr. Hubrig, Dr. Probst, Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Dr. Laufs, Pfeffermann, Dr. Stavenhagen, Frau Dr. Walz und der Fraktion der CDU/CSU Beitrag der Kernenergie zur Sicherung der Energieversorgung — Drucksachen 8/1394 (neu), 8/2961 (neu), 8/3434, 8/4354 — Dr. Dollinger CDU/CSU 18642 A Wolfram (Recklinghausen) SPD . . . 18644 A Dr.-Ing. Laermann FDP 18646 C Dr. Narjes CDU/CSU 18648 C Dr. Graf Lambsdorff, Bundesminister BMWi 18652 A Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Kriegsdienstverweigerung und des Zivildienstes (Kriegsdienstverweigerungs-Neuordnungsgesetz) — Drucksache 8/3019 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 8/4250 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung — Drucksache 8/4222 — in Verbindung mit Zweite Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Kriegsdienstverweigerung und des Zivildienstes (Kriegsdienstverweigerungs-Neuordnungsgesetz) — Drucksache 8/3020 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 8/4250 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung — Drucksache 8/4222 — Kühbacher SPD 18656A Porzner SPD 18656 C Dr. Jenninger CDU/CSU 18656 D Wolfgramm (Göttingen) FDP 18657 B Biermann SPD 18657 C Berger (Lahnstein) CDU/CSU 18659 D Hölscher FDP 18663A Jungmann SPD 18667 B Frau Tübler CDU/CSU 18668 C Dr. Zumpfort FDP 18671 D Dr. Ehrenberg, Bundesminister BMA . 18672 B Lutz SPD 18673 A Immer (Altenkirchen) SPD (Erklärung nach § 59 GO) 18675 B Namentliche Abstimmung 18677 B Dr. Jenninger CDU/CSU (zur GO) . . 18678 D Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Gerlach (Obernau), Handlos, Dr. Dregger, Dr. Wörner, Dr. Marx, Dr. Miltner, de Terra, Spranger, Weiskirch (Olpe), Biechele, Dr. Laufs, Frau Krone-Appuhn, Dr. Kraske, Dr. Riedl (München), Gerster (Mainz), Dr. Waffenschmidt, Biehle, Broll, Regenspurger, Dr. Friedmann, Frau Pieser, Dr. Hüsch, Dr. Meyer zu Bentrup und der Fraktion der CDU/CSU Gesamtverteidigung — Drucksachen 8/2295, 8/4340 — . . . 18675 D Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Narjes, Dr. Marx, Dr. Mertes (Gerolstein), Dr. Dollinger, Dr. Stercken, Dr. von Geldern, Kittelmann, Dr. Klein (Göttingen), Dr. Hoffacker, Hüsch, Sick, Dr. Voss, Hartmann, Dr. Wittmann (München), Dr. Hupka, Kunz (Berlin), Dr. Ritz, Amrehn, Broll, Dr. Hornhues, Schetter, Seiters, Graf Huyn, Hanz, Dr. Köhler (Wolfsburg), Dr. Hammans, Dr. Möller, Berger (Lahnstein), Würzbach, Werner, Dr. Sprung, Schröder (Wilhelminenhof), Dr. Wulff, Reddemann, Bahner, Frau Berger (Berlin) und der Fraktion der CDU/CSU III. VN-Seerechtskonferenz Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Juli 1980 III Antrag der Fraktionen der SPD und FDP Dritte Seerechtskonferenz der Vereinten Nationen — Drucksachen 8/3760, 8/3910, 8/4328 — 18676A Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Narjes, Grunenberg, Angermeyer, Dr. Corterier, Ewen, Dr. von Geldern, Kittelmann, Rapp (Göppingen), Dr. Wittmann (München) und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Tiefseebergbaus — Drucksache 8/2363 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft — Drucksache 8/4359 — 18676 B Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP Sportförderung in den Entwicklungsländern — Drucksache 8/5357 — 18676 C Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft zu dem Antrag der Abgeordneten Frau Dr. Wilms, Pfeifer, Rühe, Schedl, Frau Benedix-Engler, Pieroth, Hasinger, Daweke, Prangenberg, Dr. Hornhues, Frau Krone-Appuhn, Voigt (Sonthofen), Berger (Lahnstein), Dr. Blüm, Dr. George, Frau Dr. Wisniewski, Dr. Möller, Frau Karwatzki, Neuhaus, Dr. Laufs, Dr. Langguth, Hauser (Krefeld), Josten, Würzbach, Dr. Jenninger und der Fraktion der CDU/CSU Berufliche Fortbildung in Betrieben und überbetrieblichen Einrichtungen — Drucksachen 8/2884, 8/4294 — . . . 18676D Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Verteidigungsausschusses zum Jahresbericht 1979 des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages — Drucksachen 8/3800, 8/4374 — . . . 18676D Beratung der Sammelübersicht 77 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 8/4375 - 18677 A Nächste Sitzung 18679A Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 18681 *A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Juli 1980 18583 229. Sitzung Bonn, den 3. Juli 1980 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. van Aerssen * 4. 7. Dr. Ahrens ** 4. 7. Dr. Aigner * 4. 7. Alber ** 4. 7. Dr. Bangemann * 3. 7. Dr. Barzel 4. 7. Baum 4. 7. Dr. Blüm * 4. 7. Blumenfeld * 3. 7. Frau von Bothmer ** 4. 7. Büchner (Speyer) ** 4. 7. Dr. Evers ** 4. 7. Fellermaier * 4. 7. Flämig ** 4. 7. Frau Dr. Focke * 4. 7. Friedrich (Würzburg) * 4. 7. Dr. Fuchs * 4. 7. Dr. Geßner ** 4. 7. von Hassel * 4. 7. Dr. Holtz ** 3. 7. Hoppe 4. 7. Katzer * 4. 7. Dr. h. c. Kiesinger 4. 7. Kittelmann ** 4. 7. Dr. Klepsch * 4. 7. Lagershausen ** 4. 7. Lenzer ** 4. 7. Lücker * 4. 7. Luster * 4. 7. Dr. Mende ** 4. 7. Dr. Müller ** 4. 7. Dr. Pfennig * 4. 7. Reddemann ** 4. 7. Scheffler ** 4. 7. Frau Schleicher * 4. 7. Schmitz (Baesweiler) 4. 7. Dr. Schwencke (Nienburg) * 4. 7. Seefeld * 4. 7. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim ** 4. 7. Dr. Sprung 4. 7. Ueberhorst ** 4. 7. Dr. Vohrer ** 4. 7. Walkhoff 4. 7. Frau Dr. Walz * 4. 7. Weber (Heidelberg) 4. 7. Wischnewski 3. 7. Dr. Wulff 4. 7. Zebisch ** 4. 7. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Franz Josef Strauß


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Ich wäre sehr gerne bereit, über die Erkenntnisse und Ergebnisse meiner Reisen, sowohl nach Israel wie nach Ägypten, zu berichten, aber ich fürchte, daß dieses mit dem Thema, das heute zur Diskussion steht, nicht vereinbart werden kann.

    (Wolfram [Recklinghausen] [SPD]: Aber die Jungsozialisten! — Weitere Zurufe von der SPD)

    Ich bin aber gerne bereit dazu.
    Ich war — wenn ich das mit einem Satz andeuten darf, Herr Kollege Leber, weil wir ja nicht auseinander sind, entgegen dem, was Sie vielleicht jetzt bei Ihrer Frage im Hintergrund gemeint haben — von Anfang an, und das hat sich bestärkt durch die Reisen nach Jerusalem und nach Kairo, ein Anhänger der Camp-David-Lösung,

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Richtig!)

    weil ich, auch wenn es noch erhebliche Zeit dauern wird, bis das Ziel erreicht wird, einen anderen Weg für nicht realistisch halte. Allerdings bestehen in der Interpretation dessen, was unter Camp-DavidRahmenvertrag gemeint ist, zwischen Jerusalem und zwischen Kairo erhebliche Meinungsverschiedenheiten. Zum anderen wird man wohl sowohl die Wahlen in den USA wie die Wahlen in Israel abwarten — das ist auch die ägyptische Meinung, wenn ich sie richtig verstanden habe —, bevor der nächste Schritt, der Durchbruch zum Ziele, erfolgen kann.
    In meiner Gegenwart hat Präsident Sadat von „seinem Freunde Menachem Begin" gesprochen. Auch wenn er einen Standpunkt vertrete, den er nicht billigen könne, nenne er sich weiterhin seinen Freund und bezeichne ihn als seinen Freund. Er hat weiterhin erklärt: Zwischen Ägypten und Israel wird es nie mehr einen Krieg geben, aber wir werden mit allem Nachdruck darum kämpfen, daß Selbstverwaltungsrecht und volle Autonomie für dieses Gebiet gewährleistet werden. Aber — und hier stehen die beiden Standpunkte nicht unversöhnlich, jedoch noch getrennt einander gegenüber, Herr Kollege Leber — das Gebiet westlich des Jordans darf nicht Bestandteil des israelischen Staatsgebietes werden. Es darf aber auch nicht militärisches Aufmarschgebiet gegen Israel werden. Deshalb muß man einen Weg finden, bei dem Selbstverwaltung und Autonomie nicht einschließen eine Militärhoheit mit voller Bewaffnung, die sich dann gegen den westlichen Nachbarstaat richtet. So viel kann ich hier sagen. Es gibt darüber noch weitergehende Andeutungen auf beiden Seiten.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, gerade auch Sie, Herr Kollege Brandt, haben doch durch eine Reihe von Äußerungen den Amerikanern Lektionen und Lehren erteilt. Ich habe in einer Münchner Zeitung gelesen — Zitat von Ihnen —:
    Wir können doch bei allem Respekt vor dem Cowboy in Texas,
    — vermutlich haben Sie Texas mit Georgia verwechselt —
    der seine Probleme hat, nicht erwarten, daß er die Probleme des geteilten Deutschland, die Frage der menschlichen Beziehungen, die Frage Berlins, der Zufahrtswege genauso beachtet, wie wir es tun.
    So der SPD-Chef in einem Interview laut „tz" vom 25. April 1980. Oder wenn ein Mitglied Ihrer Fraktion erklärt „Carter kann ruhig Präsident bleiben, sonst muß Helmut Schmidt einen neuen anlernen",

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    so sind alle diese Ausdrucksweisen nicht geeignet, die so oft bekundete Freundschaft etwa zu verstärken, das Vertrauen zu erhalten oder es wiederherzustellen.

    (Vor s i t z: Vizepräsident Dr. von Weizsäcker)

    Schließlich darf ich auch noch darauf hinweisen, daß die Vorgeschichte dieser Reise ihre merkwürdigen Hintergründe hat Warum ist gerade der deutsche Bundeskanzler ausgesucht worden? Etwa wegen der besonderen Wertschätzung, die die Sowjetunion der Bundesrepublik Deutschland entgegenbringt?

    (Dr. Ehmke [SPD]: Verschwörung!)

    — Auch keine Verschwörung. Ich denke doch nicht so konspirativ, wie Sie es tun. Sie sind doch der Prototyp des Konspirateurs.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Der Bundeskanzler ist deshalb ausgesucht worden, weil man glaubte, daß die Regierung des westlichen Teils einer gespaltenen Nation, die für ernsthafte Beschlüsse auf dem Gebiet der Verteidigung ja die Unterstützung der Opposition braucht — angesichts der wachsenden Stärke des Moskau-Flügels in Ihren eigenen Reihen sind Sie dazu gar nicht in der Lage —, nicht einmal mehr die Kraft hat, unabhängig operieren zu können.

    (Lachen bei der SPD — Zuruf von der SPD: Unverschämt!)

    — Wie war es denn bei Ihnen mit der Türkei-Abstimmung?

    (Frau Traupe [SPD]: Das ist doch kein Moskau-Flügel!)

    Wenn wir dagegen gestimmt hätten, wäre diese wichtige Aktion im Sinne der gemeinsamen Sicherheit des Westens in diesem Hause abgelehnt worden. Sie brauchen doch unsere Unterstützung.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Wehner [SPD]: Da hat man Sie falsch unterrichtet, Herr Ministerpräsident)

    — Ja, wie immer. Sie sind allein richtig unterrichtet, Herr Wehner. Ich weiß das sehr zu schätzen. Sie haben dafür auch die nötige Ausbildung bekommen.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)




    Ministerpräsident Dr. h. c. Strauß (Bayern)

    Welche Rolle hat denn die Mission des Herrn Selbmann gespielt? Welche Rolle hat denn eine Passage in der Essener und der Hamburger Rede des Herrn Bundeskanzlers gespielt?

    (Dr. Ehmke [SPD]: Ich sage doch: Verschwörung!)

    Diese Passage war entweder ein Signal an die Adresse Moskaus — das dann aber an eine andere Frequenz verwiesen hat — oder sie war barer Unsinn bzw. reine Überflüssigkeit

    (Dr. Ehmke [SPD]: Oder?)

    Was heißt es denn, wenn der Herr Bundeskanzler in diesen beiden Reden ein Moratorium dahin gehend angeboten hat, die Westmächte und die Sowjetunion sollten für eine bestimmte Zahl von Jahren auf die Stationierung weiterer Mittelstreckenraketen verzichten? Sie haben es dann auf drei Jahre eingeschränkt, nachdem Sie in der Öffentlichkeit gestellt worden sind. Auch Ihre heftige Reaktion gegen einen Leitartikel in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung" spricht dafür, daß Sie ein ganz schlechtes Gewissen hatten; sonst hätten Sie den Halbsatz nicht so tragisch ernst genommen. Ihn hat nicht einmal der Verfasser so ernst genommen, wie Sie das getan haben. Was heißt denn das: Sie sollten für eine bestimmte Zahl von Jahren — drei Jahre — auf die Aufstellung weiterer Mittelstreckenraketen verzichten?
    Das heißt doch, daß der Westen in diesen drei Jahren auf europäischem Boden überhaupt keine Mittelstreckenraketen aufstellen kann, weil er mit ihrer Produktion jetzt erst begonnen hat Der Westen kann es also gar nicht tun. Das würde auf der anderen Seite bedeuten, daß der Osten die seinen behält — er behält sie sowieso —, daß er aber in dieser Zeit keine weiteren aufstellt.
    Sie haben ja in Moskau gemerkt, daß dieses Signal mit ziemlich rüder Hand vom Tisch gefegt worden ist. Das war auch zu erwarten. Sie haben das hier auch zum Ausdruck gebracht. Aber warum haben Sie sich dann in einem Fernsehinterview in Moskau in der bekannten Weise geäußert? Die Fragestellung hieß:
    Sie hatten für Ihren seinerzeitigen Vorschlag, für drei Jahre beiderseitig auf die Stationierung von Mittelstreckenraketen zu verzichten, nicht nur Kritik im eigenen Land, sondern auch aus Moskau gehört. Ist diese Kritik bei Ihren Gesprächen wiederholt worden, und, wenn ja, können Sie diese Kritik entkräften?
    Antwort:
    Sie ist auch von sowjetischer Seite gestern und heute wiederholt worden. Die sowjetische Seite hat gesagt, dann müßten ja nur wir etwas aufgeben, aber der Westen nicht Also warum sollen wir uns darauf einlassen? Ich
    — Helmut Schmidt —
    füge persönlich die Fußnote hinzu, daß ich das für eine zutreffende Betrachtungsweise halte, allerdings nicht erst seit gestern und heute, sondern bereits seit dem April.
    Sie haben in Ihrer Essener und Hamburger Rede von einem Moratorium gesprochen, bei dem für den Westen die Produktionstermine den Ablauf zwangsweise voraussetzen und bei dem der Osten gar nicht daran denkt, in der Zwischenzeit auf die Aufstellung weiterer Mittelstreckenraketen zu verzichten.
    Sie waren schon im April, als Sie das gesagt haben, so gescheit zu wissen, daß der Osten, daß Moskau darauf nicht eingehen werde. Sie sagten, Sie hätten volles Verständnis für diese Bewertung Ihres Vorschlags durch Moskau.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Herr Bundeskanzler, ist das eine staatsmännische Leistung? Sie haben in geheimnisvollen Andeutungen von dem gesprochen, was Sie der Öffentlichkeit nicht mitteilen konnten, was Sie zuerst den Verbündeten mitteilen und zur Kenntnis bringen müßten. Wir haben erwartet, daß nun im Bundestag eine sensationelle, zumindest eine aufsehenerregende, zumindest eine gewichtige Mitteilung über Ihre internen Gespräche zu diesem Gebiet erfolgen würde.
    Herr Bundeskanzler, was Sie vorgeschlagen haben, das können Sie doch selbst als, wie ich annehme, Kenner der Tatsachen und Zusammenhänge nicht ernst nehmen. Wenn die Sowjetunion jetzt vorschlägt, die sogenannten — ich wiederhole diesen Begriff und bitte ebenso wie Sie um Verzeihung — forward based systems einzubeziehen, frage ich: Was sind denn diese forward based systems? — Das sind wenige Phantoms, die bei der 6. Flotte stationiert sind und im äußersten Falle das Randgebiet der Sowjetunion bei guter Wetterlage, d. h. bei Rükkenwind erreichen könnten. Das sind einige F-111, die eine Reichweite bis in die westlichen Regionen der Sowjetunion hinein haben. Ferner rechnen die Sowjets Pershing I mit einer Reichweite von 900 km dazu. Das reicht in keinem Falle, um auch nur bis an die Grenze der Sowjetunion zu kommen.
    Ferner wird offensichtlich auf die Poseidon, eine U-Boot-Rakete Bezug genommen. Die Eigenart der U-Boot-Raketen ist es doch gerade, daß sie wegen ihrer geringeren Treffgenauigkeit keine Punktziele bekämpfen können und deshalb nur in einem Krieg Verwendung finden könnten, der als einzigen Sinn die totale Zerstörung haben könnte. Diese Waffen sind nur gegen area targets, gegen Flächenziele wie große Städte oder wie Industriekomplexe, anwendbar.
    Hier muß aber hinzugefügt werden, daß diese Waffensysteme bereits auch im Westen zur Erhaltung des Gleichgewichts — ohne Aufstellung der SS 20 — eingerechnet worden sind und daß sich durch die Aufstellung der SS 20 die Gewichte eindeutig verschoben haben. Meine kritische Äußerung über Ihr Moratorium hängt damit zusammen — aber nicht einmal darauf sind die Russen einzugehen bereit —, daß ich meine: Angenommen, es käme zu einem Moratorium, angenommen, die Russen würden anbieten „Was wir haben, behalten wir, aber wir produzieren nicht mehr weiter, und ihr stellt ein", dann würde das bedeuten, daß der Osten 200 Raketen mit Vierfachsprengköpfen, Reichweite 5 000 km, jede mit präziser punktgenauer Treffähig-



    Ministerpräsident Dr. h. c. Strauß (Bayern)

    keit, hätte und damit über eine Entfernung von 5 000 km hinweg jeden Quadratmeter des westeuropäischen Bodens erreichen und zerstören könnte.
    Man stelle sich vor: 800 Ziele werden mit je einem Sprengkopf von der sechs- bis siebenfachen Wirkung der Hiroshima-Bombe angegriffen. Das wäre das Ende der europäischen Kultur, das Ende ihrer Zivilisation, das Ende der Menschheit in diesem Teil der Welt
    Gerade um der Situation der Erpressung durch diese Einseitigkeit zu entgehen und die Amerikaner in einer Situation zu halten, ihre nukleare Garantie aufrechterhalten zu können, ist doch der Nachrüstungsbeschluß erfolgt. Was Sie hier anbieten, Herr Bundeskanzler — wenn Sie hier die volle Wahrheit gesagt haben, wenn Sie alles aus dem Sack gelassen haben —, sind doch Erkenntnisse, die schon vor fünf Jahren als längst sichergestelltes Informationsgut bei uns vorhanden waren. Das ist doch nichts Neues. Das ist doch nur der Versuch der Sowjetunion, ihre Mittelstreckenraketenüberlegenheit durch die Einbeziehung von Waffensystemen auf der anderen Seite, die hier gar nicht dazugehören und im gleichen Zusammenhang gar nicht genannt werden dürfen, auch in Zukunft mit westlicher Genehmigung erhalten und weiter ausbauen zu können.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich gebe zu, auch wenn Sie mit dem Moratorium heimgekommen wären, hätte ich gesagt: Das ist nicht annehmbar; denn 200 Raketensysteme mit 800 Sprengköpfen und auf westlicher Seite dafür nichts bei einem Stopp auf beiden Seiten — das löst das Problem nicht mehr. Aber was Sie hier heimgebracht haben, ist noch schlimmer als das, was in Ihrem Moratorium an Mißbrauch und an Gefahren enthalten war.

    (Beifall bei der CDU/CSU) Lassen Sie mich zum Schluß kommen.


    (Wehner [SPD]: Bravo!)

    Mit dieser Reise sind große Erwarten verbunden worden. Sie sind dann zu kleinen Erwartungen zurückgestuft worden. Ihr Bericht heute bestätigt die Meinung, daß keine Erwartungen mit dieser Reise verbunden werden durften. Man soll hier bloß nicht mit so gängigen Formulierungen, deren Richtigkeit niemand bestreitet, die aber nur der Vernebelung der Geister und der Verwischung der Wahrheit dienen, wie dieser anfangen: Es ist besser zu reden, statt zu schießen. Wenn Sie nicht nach Moskau gegangen wären, wäre in den nächsten 100 Jahren aus dem Grunde in Europa auch nicht geschossen worden.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie haben in den vergangenen Monaten viel an Psychodramaturgie aufgebaut, so als ob es in Europa um Krieg oder um Frieden ginge.

    (Zurufe von der SPD)

    Es gibt in Europa nicht mehr die Alternative „Krieg oder Frieden", es gibt in Europa nur die Alternative: Erhaltung oder totale Zerstörung aller beteiligten Mächte, ihrer biologischen, ihrer kulturellen und ih-
    rer technischen Substanz. Keine Führung der Sowjetunion wird sich jemals auf diese Alternative einlassen. Deshalb dürfen wir uns nicht, von dieser falschen Alternative geblendet, dazu verleiten lassen, die Vorgänge an der Flanke der Europäer und an der Flanke der NATO, im Südatlantik, im Mittleren Osten, im Indischen Ozean, in Afghanistan und den stürmischen Ausbau der sowjetischen Offensivrüstung hinzunehmen, weil wir sagen: Dialog, dann ist alles in Ordnung. In Europa gibt es die Alternative „Krieg oder Frieden" nicht. In Europa geht es um etwas ganz anderes, geht es darum, die Bündnisgemeinschaft so zu erhalten, daß sie insgesamt ihre weltweite Funktion, auch wenn sie auf ihr geographisches Interessengebiet begrenzt ist, aufrechterhalten kann. Dem haben Sie einen Bärendienst erwiesen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Bei Ihrer Reise ging es doch nicht darum, den Frieden zu erhalten oder den Frieden zu verspielen, zwischen den Großmächten als unabhängiger Schiedsrichter zu vermitteln. Auch wenn Sie größer wären: Das Spielfeld, das hier gegeben ist, können Sie mit Ihren Stiefeln nicht auslaufen, um als Schiedsrichter zu fungieren. Sie haben auch keine Lösung in der Sache herbeigeführt und konnten auch keine herbeiführen. Mit dem Begriff deutsche Sonderinteressen" wäre ich im übrigen sehr, sehr vorsichtig, denn wenn unsere amerikanischen Verbündeten an ihre Sonderinteressen denken, werden wir merken, wie wenig wir in der Lage sind, unsere Sonderinteressen überhaupt noch in minimaler Weise wahrzunehmen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    In diesem Zusammenhang darf ich auch hier in aller Öffentlichkeit und Deutlichkeit unsere Empörung, unseren Abscheu und unsere Verachtung dafür zum Ausdruck bringen, daß Sie im Wahlkampf den Begriff „Frieden" mit der SPD und unterschwellig den Begriff „Krieg" mit der CDU/CSU in Verbindung bringen.

    (Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie sollten schon im Interesse der minimalen Gemeinsamkeiten, die auch in einem Wahljahr erforderlich sind,

    (Dr. Ehmke [SPD]: „Freiheit statt Sozialismus"! — Zuruf von der SPD: Wer zerstört die denn? — Gegenruf des Abg. Dr. Marx [CDU/CSU] — Weitere Zurufe von der SPD)

    darauf verzichten, diese Inserate „Wir wollen nie wieder Krieg" aufzugeben und hier Schindluder mit dem Leid der Vergangenheit und Schindluder mit der Angst vor der Zukunft zu treiben.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ihre Äußerungen, die Union sei nicht friedensfähig, sind eine Disqualifikation

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: Bösartig ist das!)




    Ministerpräsident Dr. h. c. Strauß (Bayern)

    nur für Sie und diejenigen, die sich diesen Spruch zu eigen machen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Alle Elemente einer auf Frieden in Freiheit gerichteten Sicherheitspolitik sind — gegen auch Ihren persönlichen Widerstand — von CDU und CSU und auch von mir persönlich als einem Mitarbeiter Konrad Adenauers in jenen Jahren erst herbeigeführt worden!

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)

    Die Sowjetunion kann als Ergebnis dieses Treffens erstens verzeichnen: Durchbrechung ihrer durch ihr brutales Verhalten in Afghanistan zustande gekommenen Isolation von der Völkergemeinschaft. Diese Isolation haben Sie — genau wie am 21. August 1969 — durchbrochen.
    Sie kann zweitens ihre Afghanistan-Politik mit offener oder stillschweigender Zustimmung verschiedener Partner des Bündnisses fortsetzen.

    (Unruhe bei der SPD und der FDP — Schulte [Unna] [SPD]: Sind Sie wahnsinnig geworden? — Zuruf yon der FDP: Empörend!)

    — Ja, meine Damen und Herren, sie kann sie fortsetzen! Während wir hier heute beisammen sind, wird doch in Afghanistan laufend geschossen, noch zur Stunde, jeden Tag!

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Was nützen denn verbale Erklärungen? Jeden Tag werden moderne Massenvernichtungstechniken zu Zwecken terroristischer Einschüchterung angewandt, jeden Tag — auch heute, auch gestern, auch morgen — werden Menschen ums Leben gebracht. Gerade dieses Treffen der Staatsmänner vermittelt doch das Bild, als ob der Westen Afghanistan nicht mehr ernst nehmen würde.

    (Frau Traupe [SPD]: Das ist doch unglaublich! — Weitere Zurufe von der SPD)

    Wir kennen doch das Ritual: Zuerst erfolgt ein empörender Überfall, dann schreit die Welt voller Empörung auf, dann kommt der Ruf nach Sanktionen,

    (Zuruf von der SPD: Lügen!)

    dann kommt die Warnung vor der Überreaktion, dann kommt der Verzicht auf die Sanktionen, dann kommt der Übergang zur Tagesordnung, und dann kommt die Entschuldigung bei Moskau dafür, daß man jemals überhaupt an so etwas gedacht hat.

    (Dr. Ehmke [SPD]: Sie Schwätzer!)

    Das ist doch das Ritual, wie wir es des öfteren erlebt haben!

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die Sowjetunion hat mit diesem ihrem scheinbaren Rüstungsverhandlungsangebot einen erfolgreichen Angriff gegen den Nachrüstungsbeschluß der NATO begonnen. Sie kann ihre „Entspannungspolitik" fortsetzen, als ob nichts geschehen wäre. Sie kann daraus ableiten, daß sie in der Zukunft dann, wenn die Umstände es erlauben, freie Hand für weitere Aktionen hat. Sie kann verzeichnen, daß das
    Mißtrauen zwischen den USA und der Bundesrepublik Deutschland — mit der drohenden Gefahr nicht nur der Verwirrung, sondern auch der Abkoppelung gewisser Teile innerhalb der NATO — durch ihre Politik nunmehr erreicht worden ist. Hier nützen doch auch die schönen Erklärungen nichts.
    Sicherlich hat sie mit der sichtbaren Hervorhebung ebenfalls eine Unterstützung für meinen Gegenkandidaten, für Sie, Herr Helmut Schmidt, im Auge gehabt. Zuerst versetzt man das Volk — Stichwort „1914" — in Kriegsangst, dann besorgt man sich eine Einladung nach Moskau, dann gibt man vor, dort den Frieden erhalten zu wollen, und dann kommt man heim, zwar mit nichts, aber mit dem Vermerk, gesprochen zu haben.

    (Zurufe von der SPD)

    Wer glaubt, daß das keine Rolle spielt, sollte einmal das nachlesen, was bei Kissinger in seinen Memoiren über die Jahre 1968 bis 1973 auf Seite 1218 steht.

    (Wehner [SPD]: 1218, sagen Sie? — Heiterkeit bei der SPD und der FDP)

    — Jawohl, Seite 1218. Sie tun sich dann leichter, wenn Sie die Fundstelle suchen. — Ich zitiere Kissinger mit zwei Sätzen:
    Das einzige andere bemerkenswerte Ereignis war, daß Breschnew und Gromyko uns
    — damit meint er Nixon und sich —
    baten, dabei behilflich zu sein, daß die Ostverträge bald zur Abstimmung vor dem Bonner Bundestag kämen und ratifiziert würden. Sie wollten, daß wir Brandt halfen, die bevorstehenden Landtagswahlen zu gewinnen, als hätten wir die Möglichkeit dazu gehabt.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

    Es gibt auch noch andere Bekundungen dieser Art. Daß hier ein dezidiertes Interesse daran bestand, seinerzeit Herrn Brandt als Kanzler zu behalten, und jetzt daran besteht, die Bundestagswahl gegen einen Erfolg der Union vorzubeeinflussen, steht für mich — wie für jeden, der nicht blind ist — außer jedem Zweifel.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Lachen bei Abgeordneten der SPD)

    Die Sowjetunion kann eine weitere Verengung des politischen Spielraums des Westens und der Bundesrepublik Deutschland registrieren. Sie kann die Spaltung der politischen Kräfte in der Bundesrepublik Deutschland ebenfalls auf ihr Pluskonto verbuchen.

    (Dr. Ehmke [SPD]: Sie kann sich bei Ihnen bedanken! Schließlich ist das sicherlich der Auftakt, ja, die Organisation eines Wallfahrerwettbewerbs der westeuropäischen Politiker nach Moskau gewesen. Auch deshalb schon hätte es nicht sein dürfen. Ich darf zusammenfassen. — Herr Kollege Wehner, ich tue Ihnen den Gefallen, natürlich. — ErMinisterpräsident Dr. h. c. Strauß stens. Der Zeitpunkt der Reise war verfehlt. Was sich Helmut Schmidt ursprünglich als Ziele gesetzt hatte, ist nicht erreicht worden, ich gebe zu, konnte auch nicht erreicht werden. Kein deutscher Bundeskanzler — er mag heißen, wie er will — kann in Moskau erreichen, daß die sowjetische Afghanistan-Politik, die ihre großen historischen, säkularen und globalen Hintergründe hat, auf Grund deutscher Interventionen geändert wird. Der Hut war Ihnen zu groß. Die Stiefel, die Sie sich angezogen haben, waren zu groß. Sie sind nicht geeignet, zwischen den Großmächten zu vermitteln. Kein deutscher Kanzler kann das. Aber aus einer Reihe von Gründen haben Sie sich als Schiedsrichter auf dieses Spielfeld begeben. Zweitens ist festzustellen, daß Sie keine Ihrer Absichten verwirklichen konnten. Es ist auch festzustellen, daß in humanitären Fragen nur unverbindliche Erklärungen — wieder einmal, zum soundsovielten Male — erreicht worden sind. Wenn Sie, Herr Bundeskanzler, im Kommuniqué Ihre Unterschrift unter die Berufung auf die Verträge von 1970 setzen, auf die KSZE-Schlußakte und auf die gemeinsame Erklärung von 1978 — Sie kennen den Text, ich brauche ihn nicht zu verlesen —, dann haben Sie damit, mit dieser Beschwörung dieser Abmachungen und Verträge — — Die Bundesrepublik Deutschland und die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken betrachten es als wichtigstes Ziel ihrer Politik, den internationalen Frieden aufrechtzuerhalten .. . ... sie ... übernehmen die Verpflichtung, sich in Fragen, die ... die internationale Sicherheit berühren, ... der Drohung mit Gewalt oder der Anwendung von Gewalt zu enthalten. — Ja, was geschah denn in Afghanistan? Und dann unterschreiben Sie, Herr Schmidt, ein Kommuniqué, in dem die Sowjetunion sich darauf beruft, daß Text und Geist dieser Verträge eingehalten werden müssen. Dagegen haben wir ja nichts. Aber wo bleibt die Klarstellung, daß Geist und Text dieser Verträge in einem schreienden, flagranten, hohnvollen, zynischen Widerspruch zur Wirklichkeit des politischen Handelns stehen? Ich habe viele Male auch in diesem Hause zum Ausdruck gebracht: Unsere Sorge gilt nicht dem Umstand, daß durch einen militärischen Überf all auf Europa etwa die Bundesrepublik Deutschland ihre Sicherheit, ihre Freiheit oder gar ihre kulturell-zivilisatorische Substanz verliert Ich habe oft zum Ausdruck gebracht: Unsere Sorge gilt nicht einem revolutionären Akte, der durch Überhandnehmen linksradikaler, kommunistischer, moskauorientierter Kräfte unsere Gesellschaftsordnung, ihr Freiheitsideal, ihre Rechtsordnung zerstören würde. Nein, unsere Sorge gilt einem langfristigen, über Jahrzehnte angelegten psychologisch-politischen Prozeß, in dem die Aushöhlung der NATO, die Abkoppelung der Europäer von ihrer Hauptschutzmacht, den Amerikanern, psychologisch vorbereitet und politisch unterstützt wird und sich zum Schluß in einer Erosion, in einem Kollaps des Systems bemerkbar machen wird. Das kann Jahre — das ist zu kurz —, das kann Jahrzehnte dauern. Ich. habe nicht vergessen, daß vor allem Politiker der SPD uns im Wahlkampf 1969 Verleumdung vorgeworfen haben, wenn wir ihnen die Absicht unterstellt hatten, daß sie im Falle eines Wahlerfolges die DDR anerkennen würden. Was 20 Jahre lang unmöglich, ja undenkbar erschien, was gemeinsames Gut aller politischen Kräfte dieses Hauses war, ist nach kurzfristigen Gesprächen mit italienischen Kommunisten, mit Kontakten nach der anderen Seite hin unter brüsker — brüsker! — Beiseiteschiebung der CDU und der CSU damals in die politische Wirklichkeit umgesetzt worden. Hier geht es nicht um Verzeihen — das tun wir — oder nicht, hier geht es um Vergessen oder nicht Nur ein Tor könnte vergessen, was in dem Jahr 1949 gemeinsam gelobt und im Jahre 1969 einseitig aufgegeben worden ist Erstens. Die Sowjetunion hat einen Prozeß in Gang gesetzt, dessen erstes Ziel es ist, den Nachrüstungsbeschluß der NATO zu Fall zu bringen — aus Gründen, die wir alle kennen oder kennen sollten. Zweitens. Die Sowjetunion hat das Ziel, damit mittelfristig die Sicherheitsinteressen der Westeuropäer von denen der Amerikaner aus technischen, militärischen und strategischen Gründen abzukoppeln. Ihre Politik hat drittens das Ziel, selbst bei Aufrechterhaltung der Formalitäten eines Bündnisses dieses Bündnis seiner Wirksamkeit zu entkleiden und den Prozeß der psychologischen und politischen Neutralisierung Westeuropas einzuleiten. Durch innere Aushöhlung sind schon mehr Bündnisse zugrunde gegangen als durch äußere Aufhebung. Das ist die Sorge, die wir uns auch heute über den Zustand der NATO, über die Zukunft der westlichen Gemeinschaft und über die Möglichkeit, Frieden und Freiheit zu erhalten, machen. Sie, Herr Bundeskanzler, sollten sich ein Zitat Bismarcks an die Wand schreiben: Über die Fehler, welche in der auswärtigen Politik begangen werden, wird sich die öffentliche Meinung in der Regel erst klar, wenn sie auf die Geschichte eines Menschenalters zurückzublicken imstande ist Es mag 50 Jahre dauern, bis politische Mißgriffe offenkundig werden und ihre letzten Konsequenzen tragen. Aber schließlich legt die Geschichte die Rechnung Ministerpräsident Dr. h. c. Strauß für jeden Fehler vor. Sie ist dabei peinlicher als unsere preußische Oberrechnungskammer. Dann erst wird man in der Öffentlichkeit den Bruchpunkt sehen, von dem das Unheil seinen Ausgang nahm. (Wehner [SPD]: Aber Sie wissen das schon vorher!)


    (Wehner [SPD]: Weiterlesen!)





    (Zurufe von der SPD)


    (Beifall bei der CDU/CSU)


    (Liedtke [SPD]: Bitte, verlesen Sie es!) — Ja, wenn Sie es wollen.


    (Zurufe und Lachen bei der SPD) Es heißt in dem Vertrag von 1970:


    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)


    (Liedtke [SPD]: Es geht noch weiter!)


    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)


    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)




    Es wäre Ihre Aufgabe gewesen, Herr Bundeskanzler, diesen Bruchpunkt aufzuheben und die Weichen in der Richtung unserer gemeinsamen Vergangenheit und der Notwendigkeiten einer gemeinsamen Zukunft zu stellen. Das ist leider aus kurzsichtigen, aus sehr opportunistischen und auf den Wahlkampf abgestellten Gründen unterblieben. Darum: gezählt und gewogen, aber in Moskau als zu leicht befunden!

    (Langanhaltender lebhafter Beifall bei der CDU/CSU — Einige Abgeordnete der CDU/CSU erheben sich — Zurufe von der SPD: Hoch! Hoch! — Zugabe!)



Rede von Dr. Richard von Weizsäcker
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Herr Bundesminister des Auswärtigen.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Hans-Dietrich Genscher


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Das Thema unserer heutigen Aussprache ist die Regierungserklärung zum Treffen der sieben Staats- und Regierungschefs in Venedig und zu den Gesprächen des Bundeskanzlers und des Bundesministers des Auswärtigen in Moskau. Ich will es mir versagen, auf die Polemik des Herrn Ministerpräsidenten des Freistaates Bayern einzugehen.

    (Wehner [SPD]: Das lohnt sich auch nicht!)

    Aber ich würde Sie bitten, Herr Ministerpräsident, dann, wenn Sie Gelegenheit nehmen, noch einmal ans Rednerpult zu gehen, uns wenigstens zu sagen, welche unserer Partner im westlichen Bündnis Sie gemeint haben, als Sie sagten, die Sowjetunion könnte auf deren stillschweigende oder offene Zustimmung für die Intervention in Afghanistan rechnen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD) Hier darf nichts im Zwielicht bleiben.

    Meine Damen und Herren, das Thema muß eine Bewertung der Ergebnisse der Zusammenkunft in Venedig, der Ergebnisse des Besuchs in Moskau und der Beiträge der Bundesrepublik Deutschland zur Sicherung des Gleichgewichts in Europa, zur Konfliktlösung überall in der Welt, zur Verstärkung der Bindungen im geteilten Deutschland und zur Überwindung der schwerwiegenden Krise in Afghanistan, die in der weiter andauernden Besetzung des Landes durch sowjetische Truppen besteht, sein. Dazu reicht es nicht aus, Kritik an der Bundesregierung zu üben, und es reicht auch nicht aus, in bezug auf Afghanistan zu sagen, das Bündnis müsse einig sein und die CDU regieren, dann wären die Russen nicht in Afghanistan einmarschiert.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Das ist eine unzulässige Verharmlosung der Herausforderung, vor der der Westen und die Völker der Dritten Welt stehen.
    Der Bundeskanzler hat über den Besuch in Moskau berichtet, der nach gründlichsten Vorbereitungen mit allen unseren Partnern durchgeführt wurde. Ich hatte gestern Gelegenheit, in Paris den französischen Außenminister und danach den amerikanischen Präsidenten und die amerikanische Regierung zu unterrichten. Es kam uns darauf an, die französische Regierung ebenso schnell und umfassend zu informieren, wie sie es nach der Begegnung des französischen Staatspräsidenten mit der sowjetischen Führung in Warschau getan hatte, und es ging uns darum, der amerikanischen Regierung unmittelbar die Antworten auf Fragen zu übermitteln, um deren Klärung der amerikanische Präsident den Bundeskanzler gebeten hatte. Schon daraus wird deutlich, daß die amerikanische Regierung nicht gegen den Besuch in Moskau war, sondern daß sie sich selbst einen Nutzen von der Durchführung dieses Besuches versprochen hat

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Der amerikanische Präsident hat am Abschluß des gestrigen Gesprächs festgestellt, die amerikanische Nation habe die Reise nach Moskau mit großem Interesse verfolgt Wie er, der amerikanische Präsident, schon in Venedig vorher erklärt habe, sei dieser Besuch in Moskau ein guter und ein konstruktiver Schritt Angesichts dieser Erklärung ist es unhaltbar zu behaupten, die Bundesregierung habe einen Alleingang gegen den Willen oder gegen das Mißtrauen ihrer Partner durchgeführt.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Der amerikanische Präsident hat dann hinzugefügt, der Bundeskanzlerhabe in Moskau nicht nur die Sache der Bundesrepublik Deutschland, sondern auch die Sache der Vereinigten Staaten und die Sache der anderen Alliierten hervorragend vertreten. Er, der Präsident, schätze die Festigkeit und Klarheit der in Moskau eingenommenen Haltung hoch ein, er drücke dafür seine Bewunderung und Anerkennung aus.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Wir waren uns mit der amerikanischen Regierung darin einig, daß die sowjetische Reaktion auf den Verhandlungsvorschlag des westlichen Bündnisses über nukleare Mittelstreckensysteme in Europa in der Allianz sorgfältig und in konstruktivem Geist geprüft werden müsse. Damit wird deutlich, daß sich weder die Bundesregierung noch die amerikanische Regierung zu dem vorschnellen und voreiligen Urteil verleiten lassen, dieser sowjetische Vorschlag habe das Ziel, den Nachrüstungsbeschluß der NATO zu unterminieren. Im Gegenteil zeigt sich hier, daß sich die Festigkeit der Haltung, die die Bundesregierung von Anfang an eingenommen hat, nämlich für den Nachrüstungsbeschluß und ebenfalls mit Nachdruck für Verhandlungen einzutreten, auszahlt, indem sich jetzt die andere Seite zu Verhandlungen bereitfindet.
    Deshalb ist es notwendig, sachlich, sorgfältig und konstruktiv zu prüfen, welche Möglichkeiten sich



    Bundesminister Genscher
    aus dieser sowjetischen Reaktion auf unsere Vorschläge für die Rüstungskontrolle in Europa ergeben. Wir haben von Anfang an beides ernst gemeint, Nachrüstung und Verhandlungen. Auch die Verhandlungen sind für uns gleichwertiger Bestandteil des gemeinsamen Beschlusses des Bündnisses.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Das Interesse unserer westlichen Partner an dem Ergebnis dieser Reise wird auch darin deutlich, daß heute nachmittag, innerhalb von 24 Stunden einberufen, auf Anregung des Herrn Außenministers Thorn in Luxemburg eine Zusammenkunft der europäischen Außenminister stattfindet.
    Ich möchte besonders hervorheben, daß sich die politische Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaft und Japan — das ist in Venedig sowohl beim Europäischen Rat wie bei der Siebenerkonferenz deutlich geworden — in letzter Zeit in einer erfreulichen Weise weiter vertieft hat. Der dichte Rhythmus der Konsultation mit unseren Verbündeten und unseren Partnern spiegelt das Maß der gemeinsamen Interessen und die Entschlossenheit gemeinsamen Handelns der westlichen Staatengemeinschaft wider.
    Der Bundeskanzler hat in Moskau außer den Fragen, um deren Aufwerfung der amerikanische Präsident ihn gebeten hatte, auch einem Wunsch der Außenminister der ASEAN-Staaten entsprochen, die nämlich in der vergangenen Woche in Kuala Lumpur zu einer Konferenz zusammengetreten waren und die den Bundeskanzler gebeten hatten, die große Sorge dieser Staatengruppe über die kritische Lage an der kambodschanisch-thailändischen Grenze und in Kambodscha selbst vorzutragen.
    Sie können damit erkennen, meine Damen und Herren, daß diese Reise in ihrer Bedeutung, in ihren Möglichkeiten, in ihrem Nutzen nicht nur von der eigenen Regierung, nicht nur von den Partnern in der Europäischen Gemeinschaft und im westlichen Bündnis gesehen wurde, sondern daß ebenfalls eine so wichtige und uns politisch so sehr verbundene Staatengruppe wie die ASEAN-Staaten Wert darauf legte, daß wir diese Reise nutzen, um ihre Sorgen und Probleme der sowjetischen Führung nahezubringen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Ich denke, daß deshalb eine objektive Bewertung der Reise und ihrer Ergebnisse angebracht wäre.
    Ich glaube auch, es wäre angemessen gewesen, daß sich die Vertreter der Opposition zu der Rede äußern, die der Bundeskanzler in Moskau gehalten hat. Ich hoffe, daß das in der Debatte noch geschehen wird. Es ist eine Rede, die in umfassendem Sinne nicht nur die Position der Bundesrepublik Deutschland, sondern auch die Position unserer westlichen Partner zum Ausdruck gebracht hat, eine Rede, deren Gedanken und Vorstellungen in den vertraulichen Gesprächen vertieft worden sind. Es wäre ein wesentlicher Schritt für ein sachliches Gespräch im Deutschen Bundestag, wenn die Opposition hier sagen würde, ob es in dieser Rede des Bundeskanzlers, die er in Moskau gehalten hat, Punkte gibt, mit denen sie einverstanden ist, und ob es Punkte gibt, mit denen sie nicht einverstanden ist.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Dann wollen wir daran den Besuch messen. Das kann dann Grundlage einer konstruktiven Debatte werden, die mehr ist als nur polemische Kritik im Vorfeld eines Wahlkampfes.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Meine Damen und Herren, wir betrachten diesen Besuch in Moskau als notwendig und nützlich. Er war notwendig, weil es die Entwicklung der internationalen Lage gebietet, auf das Handeln der Weltmacht, von der diese Entwicklung wesentlich abhängt, auch durch das direkte Gespräch Einfluß zu nehmen. Ich habe mit großem Interesse und Befriedigung festgestellt, daß der neue amerikanische Außenminister unmittelbar nach seiner Amtseinführung seine Anwesenheit in Wien dazu genutzt hat, ebenfalls mit Herrn Gromyko zusammenzutreffen und ihm dort die gemeinsamen Positionen des Bündnisses vorzutragen, und das doch wahrlich nicht in der Absicht, die sowjetische Intervention in Afghanistan zu verharmlosen, sondern um die Auffassungen des westlichen Bündnisses mit Klarheit und Offenheit zum Ausdruck zu bringen.
    Das gleiche gilt für die Begegnung des französischen Präsidenten mit der sowjetischen Führung.
    Nützlich war der Besuch und konnte er sein, weil wir auf der festen Basis sorgfältig abgestimmter Positionen des Westens reden und handeln konnten.
    Das westliche Bündnis hat nach den Treffen der Neun und der Sieben in Venedig seine Konzeption in Ankara bei der Tagung der NATO-Außenminister in großer Ausführlichkeit und Deutlichkeit dargelegt Ich möchte hier die Ausführungen des Ministerrats zu Afghanistan, zu den Fragen der Rüstungskontrolle und der Abrüstung, hier besonders zu den Mittelstreckenwaffen, und schließlich zu dem bevorstehenden KSZE-Folgetreffen in Madrid sowie zu Deutschland und Berlin hervorheben. Die Minister des Bündnisses haben in Ankara ihre Bereitschaft wiederholt, für eine Verbesserung des Ost-West-Verhältnisses zu arbeiten und die Gesprächskontakte zwischen Ost und West aufrechtzuerhalten, um ihre Auffassungen klarzumachen, um Mißverständnisse zu vermeiden, um eine Lösung der derzeitigen Krise zu erleichtern und die konstruktive Zusammenarbeit zu fördern, soweit die Umstände das erlauben. Das ist der Originaltext des gemeinsamen Kommuniqués der NATO. Nach diesen Zielen, die wir dort gemeinsam mit unseren Verbündeten formuliert haben, haben wir in Moskau gehandelt. Das bedeutet: Wir haben in Übereinstimmung mit ihnen gehandelt.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Die sowjetische Führung war sich angesichts der klaren, festen und für die sowjetische Führung wie für alle anderen Staaten der Welt berechenbaren Haltung der Bundesrepublik Deutschland bewußt, daß wir wahrlich nicht nach Moskau kommen würden, um uns vom Bündnis trennen zu lassen. Wir fanden dort unsere Auffassung bestätigt, daß die So-



    Bundesminister Genscher
    wjetunion aus eigenem Interesse den Beziehungen zu den Vereinigten Staaten von Amerika entscheidende Bedeutung für die künftige Entwicklung in der Welt beimißt.
    Man sucht in Moskau — zu Unrecht, wie wir wissen; wir haben uns bemüht, hier aufklärend zu wirken — die Verantwortung für die Verschlechterung der Beziehungen in Washington; man erwartet deshalb auch die Initiative zu einer Verbesserung von Washington. Wir haben tiefe Bitterkeit über die Störungen der Beziehungen der Sowjetunion zur anderen Weltmacht gespürt Dabei fällt es den Verantwortlichen in Moskau noch schwer, das als Folge eigenen, sowjetischen Verhaltens zu begreifen. Hier ist es notwendig, diesen Vorgang der Einsicht in die Wirkungen sowjetischen Verhaltens auf das Ost-West-Verhältnis durch klare Sprache in Moskau und auch durch den unmittelbaren und persönlichen Kontakt zu stärken.
    Unsere Gesprächspartner haben sich davon überzeugen können, daß die westliche Einheit in all den Fragen, die uns bewegen, unerschütterlich ist. Der Verlauf des Besuchs hat gezeigt, daß man auf unsere Stimme Wert legt, weil man weiß, daß diese Bundesrepublik Deutschland im westlichen Bündnis, wie alle Entscheidungen in der ganzen Zeit unserer Mitgliedschaft im Bündnis zeigen, ein fester und berechenbarer Faktor westlicher Solidarität, westlicher Verteidigungsentschlossenheit und westlicher Verhandlungsbereitschaft ist.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    In der Afghanistanfrage hat die Sowjetunion erwartungsgemäß keine Änderung ihrer Haltung zu erkennen gegeben. Ich denke, es war nicht redlich, dem Bundeskanzler zu unterstellen, daß er hier etwas anderes gesagt habe oder daß er den Rückzug der sowjetischen Truppen, der angekündigt wurde, als Fortschritt begrüßt habe.

    (Zuruf des Abg. von der Heydt Freiherr von Massenbach [CDU/CSU])

    Vielleicht darf ich doch aus der Rede zitieren, die er soeben hier gehalten hat:
    Wir haben dies
    — nämlich den Abzug von Truppen —
    als einen Schritt bezeichnet, der dann in die richtige Richtung geht, wenn ein solcher Rückzug der Beginn einer kontinuierlichen Bewegung ist, die bis zum vollständigen Abzug fortgesetzt wird.
    Das ist doch die Forderung: Die Frage durch vollständigen Abzug zu lösen!

    (Beifall bei der FDP und der SPD) Wir haben vorgetragen,

    — hat der Bundeskanzler hinzugefügt —
    daß man über einen zeitlichen Fahrplan für eine politische Lösung nachdenken müsse.
    Es gibt keinen Zweifel in der westlichen Position: Wir werden uns mit vollendeten Tatsachen nicht abfinden; es wird keine Gewöhnung an Afghanistan geben.
    Wir haben in Moskau die Bemühungen der Nachbarstaaten Afghanistans, d. h. des Irans und Pakistans, deren Außenminister sich in der von der Islamischen Konferenz in Islamabad zusammen mit dem Generalsekretär dieser Konferenz eingesetzten Kommission um Lösungsansätze bemühen, nachdrücklich unterstützt. Eine beständige Fortsetzung dieser Bemühungen wird nach unserem Eindruck sehr wohl Wirkung zeigen können.
    Es bestätigt sich in der Haltung der Islamischen Konferenz, daß der Konflikt, der durch die sowjetische Besetzung Afghanistans offenbar wird, eben nicht nur ein West-Ost-Problem, sondern in ganz erheblichem Maße ein Ost-Süd-Problem darstellt. Deshalb ist es so notwendig, daß wir unsere Haltung zu den Zielen und Vorstellungen der Islamischen Konferenz hier unmißverständlich, unterstützend deutlich machen.
    In der Frage der Mittelstreckenwaffen hat das NATO-Kommuniqué von Ankara die Sowjetunion noch einmal aufgefordert, über die amerikanischen Angebote unverzüglich und positiv zu verhandeln und vor der Ratifizierung von SALT II mit einem vorbereitenden Meinungsaustausch ohne jede Vorbedingung zu beginnen. Die Reaktion der sowjetischen Führung auf diese Verhandlungsvorschläge des Westens, die Reaktion, die der Bundeskanzler hier dargelegt hat, zeigt, daß dieser Appell eine auch öffentliche und politische Wirkung hat, auf die die Sowjetunion glaubte eingehen zu müssen. Deshalb werden wir diese Reaktion — zusammen mit allen Partnern im westlichen Bündnis — sorgfältig und in konstruktivem Geist prüfen.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Meine Damen und Herren, es liegt in der Logik der westlichen Politik, auf der einen Seite das für die eigene Sicherheit und Verteidigung Notwendige zu tun und auf der anderen Seite keine Chance zu versäumen, durch Verhandlungen zu einem Gleichgewicht auf einem möglichst niedrigen Niveau der Rüstungen zu kommen. Besondere Bedeutung wird gerade nach Afghanistan den Bemühungen zukommen, militärisch bedeutsame vertrauensbildende Maßnahmen zu entwickeln, die auf dem ganzen europäischen Kontinent Anwendung finden. „Auf dem ganzen europäischen Kontinent" bedeutet: einschließlich des europäischen Teils der Sowjetunion.
    Hier haben wir — zusammen mit unseren Bündnispartnern — in Ankara zum Ausdruck gebracht, daß der geographische Geltungsbereich der Maßnahmen für uns eine zentrale Bedeutung für die Einsetzung dieser europäischen Abrüstungskonferenz anläßlich des Treffens in Madrid hat. Diesem Konzept liegt die Erkenntnis zugrunde, daß Erfolge bei Rüstungsbegrenzung und Abrüstung Vertrauen voraussetzen, daß also Transparenz und Berechenbarkeit der Militärpotentiale beider Seiten die Grundlage sind, auf der erfolgreiche Rüstungskontrollverhandlungen erst möglich werden. Der auf ganz Europa bezogene Anwendungsbereich ist notwendig, wenn diese Rüstungskontrollverhandlungen ihr Ziel erreichen sollen, nämlich die Herstellung militärischer Stabilität in Europa, d. h. die Her-



    Bundesminister Genscher
    stellung eines Zustandes, bei dem keine Seite Furcht vor der Möglichkeit eines Überraschungsangriffs zu haben braucht. Das ist doch nach Afghanistan noch dringlicher geworden!
    Wir sind uns bewußt, daß es noch großer Anstrengungen bedürfen wird, um diesen Anwendungsbereich durchzusetzen. Aber die Sowjetunion, der wir unsere Vorstellungen in Moskau dargelegt haben,

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Was hat sie gesagt?)

    könnte ein positives Zeichen setzen, wenn sie einer Einigung in dieser wichtigen Frage nicht entgegenstehen würde.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)

    Meine Damen und Herren, hier ist es notwendig, daß der — wie ich hoffe: ganze — Deutsche Bundestag die Bundesregierung bei einem solchen konstruktiven Vorschlag zur Vertrauensbildung und damit für mehr Sicherheit im hochgerüsteten Europa unterstützt

    (Beifall bei der FDP und der SPD)