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ID0822901900

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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 8/229 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 229. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 3. Juli 1980 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung . . . . 18675 C Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung zum Treffen der sieben Staats- und Regierungschefs in Venedig und zu den Gesprächen des Bundeskanzlers und des Bundesministers des Auswärtigen in Moskau Schmidt, Bundeskanzler 18583 A Dr. h. c. Strauß, Ministerpräsident des Freistaates Bayern . 18588 D Genscher, Bundesminister AA 18606 A Dr. Jaeger CDU/CSU 18611 B Wehner SPD 18616 D Mischnick FDP 18620 B Beratung des Berichts über den Stand der Arbeit und die Ergebnisse der EnqueteKommission Zukünftige KernenergiePolitik" — Drucksachen 8/2353, 8/2628, 8/4341 — Dr. Stavenhagen CDU/CSU 18624 B Ueberhorst SPD 18627 A Dr.-Ing. Laermann FDP 18630 B Gerstein CDU/CSU 18635 B Reuschenbach SPD 18637 C Dr. Gruhl fraktionslos 18639 B Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu dem Antrag der Abgeordneten Lenzer, Dr. Probst, Pfeifer, Benz, Engelsberger, Gerstein, Dr. Hubrig, Dr. Riesenhuber, Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Dr. Laufs, Pfeffermann, Dr. Stavenhagen, Frau Dr. Walz und der Fraktion der CDU/CSU Rationelle und sparsame Energieverwendung — Drucksachen 8/1963, 8/4355 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Riesenhuber, Dr. Narjes, Dr. Dollinger, Pfeifer, Lenzer, Dr. Probst, Benz, Breidbach, Engelsberger, Gerstein, Dr. Hubrig, Dr. Laufs, Dr. II Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Juli 1980 Freiherr Spies von Büllesheim, Pfeffermann, Dr. Stavenhagen und der Fraktion der CDU/CSU Energiepolitisches Programm zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Dollinger, Dr. Narjes, Pfeifer, Dr. Riesenhuber, Lenzer, Dr. Waigel, Dr. Laufs, Gerstein, Kolb, Dr. Czaja, Dr. Probst, Engelsberger, Dr. Hubrig, Pfeffermann, Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Dr. Stavenhagen, Frau Dr. Walz, von Hassel, Benz, Dr. Jenninger und der Fraktion der CDU/CSU Sicherung der Energieversorgung und Zukunftsorientierung der deutschen Energiepolitik zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zur Beratung der Großen Anfrage der Abgeordnten Dr. Dollinger, Pfeifer, Dr. Riesenhuber, Dr. Narjes, Lenzer, Benz, Engelsberger, Gerstein, Dr. Hubrig, Dr. Probst, Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Dr. Laufs, Pfeffermann, Dr. Stavenhagen, Frau Dr. Walz und der Fraktion der CDU/CSU Beitrag der Kernenergie zur Sicherung der Energieversorgung — Drucksachen 8/1394 (neu), 8/2961 (neu), 8/3434, 8/4354 — Dr. Dollinger CDU/CSU 18642 A Wolfram (Recklinghausen) SPD . . . 18644 A Dr.-Ing. Laermann FDP 18646 C Dr. Narjes CDU/CSU 18648 C Dr. Graf Lambsdorff, Bundesminister BMWi 18652 A Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Kriegsdienstverweigerung und des Zivildienstes (Kriegsdienstverweigerungs-Neuordnungsgesetz) — Drucksache 8/3019 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 8/4250 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung — Drucksache 8/4222 — in Verbindung mit Zweite Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Kriegsdienstverweigerung und des Zivildienstes (Kriegsdienstverweigerungs-Neuordnungsgesetz) — Drucksache 8/3020 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 8/4250 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung — Drucksache 8/4222 — Kühbacher SPD 18656A Porzner SPD 18656 C Dr. Jenninger CDU/CSU 18656 D Wolfgramm (Göttingen) FDP 18657 B Biermann SPD 18657 C Berger (Lahnstein) CDU/CSU 18659 D Hölscher FDP 18663A Jungmann SPD 18667 B Frau Tübler CDU/CSU 18668 C Dr. Zumpfort FDP 18671 D Dr. Ehrenberg, Bundesminister BMA . 18672 B Lutz SPD 18673 A Immer (Altenkirchen) SPD (Erklärung nach § 59 GO) 18675 B Namentliche Abstimmung 18677 B Dr. Jenninger CDU/CSU (zur GO) . . 18678 D Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Gerlach (Obernau), Handlos, Dr. Dregger, Dr. Wörner, Dr. Marx, Dr. Miltner, de Terra, Spranger, Weiskirch (Olpe), Biechele, Dr. Laufs, Frau Krone-Appuhn, Dr. Kraske, Dr. Riedl (München), Gerster (Mainz), Dr. Waffenschmidt, Biehle, Broll, Regenspurger, Dr. Friedmann, Frau Pieser, Dr. Hüsch, Dr. Meyer zu Bentrup und der Fraktion der CDU/CSU Gesamtverteidigung — Drucksachen 8/2295, 8/4340 — . . . 18675 D Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Narjes, Dr. Marx, Dr. Mertes (Gerolstein), Dr. Dollinger, Dr. Stercken, Dr. von Geldern, Kittelmann, Dr. Klein (Göttingen), Dr. Hoffacker, Hüsch, Sick, Dr. Voss, Hartmann, Dr. Wittmann (München), Dr. Hupka, Kunz (Berlin), Dr. Ritz, Amrehn, Broll, Dr. Hornhues, Schetter, Seiters, Graf Huyn, Hanz, Dr. Köhler (Wolfsburg), Dr. Hammans, Dr. Möller, Berger (Lahnstein), Würzbach, Werner, Dr. Sprung, Schröder (Wilhelminenhof), Dr. Wulff, Reddemann, Bahner, Frau Berger (Berlin) und der Fraktion der CDU/CSU III. VN-Seerechtskonferenz Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Juli 1980 III Antrag der Fraktionen der SPD und FDP Dritte Seerechtskonferenz der Vereinten Nationen — Drucksachen 8/3760, 8/3910, 8/4328 — 18676A Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Narjes, Grunenberg, Angermeyer, Dr. Corterier, Ewen, Dr. von Geldern, Kittelmann, Rapp (Göppingen), Dr. Wittmann (München) und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Tiefseebergbaus — Drucksache 8/2363 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft — Drucksache 8/4359 — 18676 B Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP Sportförderung in den Entwicklungsländern — Drucksache 8/5357 — 18676 C Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft zu dem Antrag der Abgeordneten Frau Dr. Wilms, Pfeifer, Rühe, Schedl, Frau Benedix-Engler, Pieroth, Hasinger, Daweke, Prangenberg, Dr. Hornhues, Frau Krone-Appuhn, Voigt (Sonthofen), Berger (Lahnstein), Dr. Blüm, Dr. George, Frau Dr. Wisniewski, Dr. Möller, Frau Karwatzki, Neuhaus, Dr. Laufs, Dr. Langguth, Hauser (Krefeld), Josten, Würzbach, Dr. Jenninger und der Fraktion der CDU/CSU Berufliche Fortbildung in Betrieben und überbetrieblichen Einrichtungen — Drucksachen 8/2884, 8/4294 — . . . 18676D Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Verteidigungsausschusses zum Jahresbericht 1979 des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages — Drucksachen 8/3800, 8/4374 — . . . 18676D Beratung der Sammelübersicht 77 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 8/4375 - 18677 A Nächste Sitzung 18679A Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 18681 *A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Juli 1980 18583 229. Sitzung Bonn, den 3. Juli 1980 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. van Aerssen * 4. 7. Dr. Ahrens ** 4. 7. Dr. Aigner * 4. 7. Alber ** 4. 7. Dr. Bangemann * 3. 7. Dr. Barzel 4. 7. Baum 4. 7. Dr. Blüm * 4. 7. Blumenfeld * 3. 7. Frau von Bothmer ** 4. 7. Büchner (Speyer) ** 4. 7. Dr. Evers ** 4. 7. Fellermaier * 4. 7. Flämig ** 4. 7. Frau Dr. Focke * 4. 7. Friedrich (Würzburg) * 4. 7. Dr. Fuchs * 4. 7. Dr. Geßner ** 4. 7. von Hassel * 4. 7. Dr. Holtz ** 3. 7. Hoppe 4. 7. Katzer * 4. 7. Dr. h. c. Kiesinger 4. 7. Kittelmann ** 4. 7. Dr. Klepsch * 4. 7. Lagershausen ** 4. 7. Lenzer ** 4. 7. Lücker * 4. 7. Luster * 4. 7. Dr. Mende ** 4. 7. Dr. Müller ** 4. 7. Dr. Pfennig * 4. 7. Reddemann ** 4. 7. Scheffler ** 4. 7. Frau Schleicher * 4. 7. Schmitz (Baesweiler) 4. 7. Dr. Schwencke (Nienburg) * 4. 7. Seefeld * 4. 7. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim ** 4. 7. Dr. Sprung 4. 7. Ueberhorst ** 4. 7. Dr. Vohrer ** 4. 7. Walkhoff 4. 7. Frau Dr. Walz * 4. 7. Weber (Heidelberg) 4. 7. Wischnewski 3. 7. Dr. Wulff 4. 7. Zebisch ** 4. 7. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Dr. Franz Josef Strauß


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident, ich bitte um Verständnis, aber ich möchte jetzt weiterreden.

    (Zurufe von der SPD)

    — Ich verweigere doch eine Antwort nicht deshalb, weil ich glaubte, ihr nicht gewachsen zu sein!

    (Lachen bei der SPD — Dr. Marx [CDU/ CSU]: Er wollte nach dem Thema „Moral" fragen!)

    Aber es sollte schon ernstgenommen werden, wenn es in der gleichen Publikation heißt:
    Wenn diese Politik in ihrer Richtung so weitergeht, dann mag in Amerika eine Stimmung aufkommen „to hell with them", in die Hölle mit ihnen. Ein amerikanischer Isolationismus, lange ruhend, mag in der Tat eines Tages wieder an die Oberfläche kommen. Es gibt bereits Zeichen, daß diese Entwicklung begonnen hat.
    Sicherlich hat man die Reise mit mehr Skepsis verbunden, als die Grenzen der Redemöglichkeiten Helmut Schmidts es angezeigt erscheinen ließen. Aber auch der Sicherheitsberater Präsident Carters sagte zu dieser Reise:
    Weder will Schmidt ernsthaft die Afghanistan-Nachwehen noch einen echten Rüstungsausgleich zwischen den beiden Militärblöcken im Kreml diskutieren. Schmidts Überzeugung, daß die Entspannung teilbar ist, scheint definitiv zu sein — trotz unseres Appells. Was Schmidt will, ist die Herbeiführung eines für uns imaginären Ausgleiches zwischen Europa und der Sowjetunion.
    Hier liegt des Pudels Kern. Es geht nicht — sei es in der Frage Afghanistan, sei es in der Frage des Rüstungsgleichgewichts — um den Ausgleich zwischen Europa und der Sowjetunion; es geht hier um den Ausgleich zwischen den beiden Großmächten, und es geht darum, daß die Sicherheitsinteressen des durch den Atlantik von Amerika getrennten europäischen Teils der NATO nicht abgekoppelt werden. Genau darum und um nichts anderes geht es!

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie wissen ja auch, daß sich Ihr und unser gemeinsamer alter Freund Henry Kissinger in den letzten Wochen und Monaten dazu immer kritischer geäußert hat.
    Nun haben Sie ja bekundet, Herr Genscher habe bereits in Wien von Herrn Gromyko erfahren, man denke nicht daran, die Europäer von den Amerikanern zu trennen. Meine Damen und Herren, kann man sich vorstellen, daß der russische Außenminister das Gegenteil gesagt hätte? Kann man sich vorstellen, daß er unter Sprache die wirkliche Ausdrucksform seiner Meinungen oder seiner Absichten versteht? Wer solchen Bekundungen Glauben schenkt, beweist eine Naivität und Simplizität des Urteils, die um so gefährlicher wird, je höher die Machtposition und der Rang dessen ist, der diese naiven Denkstrukturen sich zu eigen gemacht hat

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Sie haben am 31. Januar einen Brief an Beschnew geschrieben. Ich weiß nicht wie, aber gestern bei Verfolgung des Fernsehprogramms habe ich festgestellt, daß diese Briefe, die uns bisher vorenthalten worden sind, die als Staatsgeheimnis behandelt worden sind, nunmehr sowohl in der Fernsehsendung im Auszug geboten worden sind wie offensichtlich auch einigen Agenturen zur Verfügung stehen. Ich kenne also jetzt den Text des Briefes, den Sie an Generalsekretär Breschnew geschrieben haben.
    Von diesem Brief verlange ich nicht, Herr Bundeskanzler, daß Sie, obwohl die afghanischen Ereignisse fünf Wochen vorher begonnen hatten und der brutale Ablauf noch im vollen Gange war — im übrigen ja auch heute noch ist —, etwa hier die Gesetze der internationalen Sprache hätten verletzen und mit der bei diesem Anlaß gebotenen, entsprechenden moralischen Entrüstung hätten formulieren sollen. Das verlange ich nicht. Sie haben Ihre Grüße und Ihre guten Wünsche wiederholt, die Ihr Botschafter schon überbracht hatte. Das gehört zum internationalen Kodex. Sie haben davon gesprochen, daß die Bürger unseres Landes eine zuverlässige und voraussehbare Politik auf der Grundlage der Prinzipien, die in der Charta der Vereinten Nationen niedergelegt sind und die auch in der Schlußakte von Helsinki Bekräftigung gefunden haben, erwarten. Sie haben davon gesprochen, daß unsere Menschen mit einem Gefühl der Sorge und tiefen Betroffenheit in das Neue Jahr und in das neue Jahrzehnt hineingehen. — Damit haben Sie recht, auch wenn man das Jahr 1980 nicht mit 1914, sondern eher mit 1936 oder 1938 vergleichen sollte, sofern man überhaupt vergleicht — Sie haben von der Beunruhigung und Betroffenheit geschrieben, die darüber bestehe, daß „nunmehr durch das Vorgehen Ihres Landes in Afghanistan ein internationaler Krisenherd geschaffen worden ist". Ich gebe Ihnen bei dieser Bewertung recht Man könnte sie auch schärfer definieren. Aber in einem Brief an den ersten Mann der großen Macht des anderen Lagers ist diese Sprache sicherlich im internationalen Verkehr richtig.



    Ministerpräsident Dr. h. c. Strauß (Bayern)

    Viel aufschlußreicher ist die Antwort des Herrn Breschnew. Ich enthalte mich einer Kommentierung. Ich bitte Sie nur, den Text, der jetzt den Agenturen offensichtlich vorliegt, selbst zu bewerten. Breschnew sagt in seiner Antwortbotschaft auf den Brief vom 31. Januar — sie ist im März gekommen —, daß
    unsere Ansichten zur gegenwärtigen Lage in vielerlei Hinsicht auseinandergehen. Ich hatte schon wiederholt Veranlassung,
    — schreibt er —
    mich zu den wahren Gründen, die gegenwärtig die internationale Lage erschweren, und den Störungen zu äußern, die im Funktionieren der Entspannungsmechanismen aufgetreten sind. Sie wissen ja selbst, daß sie keineswegs mit den Ereignissen in Afghanistan, sondern sehr viel früher begonnen haben, als die Linie der amerikanischen Regierung und der NATO-Verbündeten der USA, die auf eine Forcierung des Wettrüstens und die Sicherung der militärischen Überlegenheit der USA in der Welt gerichtet ist, sowie das Bestreben Washingtons, internationale Probleme von der Position der Stärke aus zu lösen, immer klarer zutage traten. Diese Wende kam bereits hinreichend im Beschluß der NATO über die Stationierung neuer amerikanischer, auf die UdSSR und ihre Verbündeten gerichteten Raketen in Westeuropa zum Ausdruck. Gerade eine derartige Politik
    — so schreibt Breschnew —
    untergräbt das internationale Vertrauen, ruft bei den Menschen Unsicherheit hinsichtlich der nächsten Zukunft hervor und führt zu einer erheblichen Verschlechterung der Lage in der Welt. Was Afghanistan anlangt,
    — dieses Kapitel ist wohl das Kernkapitel dieses Briefes —
    so haben wir schon mehrmals sowohl auf diplomatischem Wege als auch öffentlich den Regierungen vieler Staaten, auch der Bundesrepublik Deutschland, erläutert, daß die Entsendung unserer Truppenkontingente dorthin auf wiederholtes Ersuchen der afghanischen Regierung hin erfolgte, die um Hilfe bei der Abwehr der von außen geführten Anschläge auf die Freiheit und Unabhängigkeit des afghanischen Volkes gebeten hat, und nachdem die Amerikaner begonnen hatten, ihre Seestreitkräfte in der Nähe der südlichen Grenzen unseres Landes zu konzentrieren. Uns bewegt also die Sorge um die eigene Sicherheit und die Sicherheit des mit uns befreundeten Afghanistans und sonst nichts. Wenn dies die Politiker einiger Länder nicht einsehen oder so tun, als ob sie das nicht einsähen, so ist das ihre Schuld. Unser Vorgehen bedroht keinen einzigen Staat dieser Region und noch viel weniger Länder, die Tausende von Kilometern dort entfernt sind. Ein reines Phantasieprodukt ist auch das Gerede von dem Bestreben der Sowjetunion, an das warme Meer, an den Indischen Ozean, vorzustoßen und die Verbindungswege abzuriegeln,
    über die das 01 in die USA und nach Westeuropa gelangt. Der tatsächliche Sinn all dieser Verleumdungen und der in den USA entfachten antisowjetischen Hysterie besteht, wie nun völlig klar ist, darin, in den Ländern des Nahen und Mittleren Ostens etwas fester Fuß zu fassen, und zwar nicht nur in wirtschaftlicher, sondern auch in militärischer Hinsicht. Aufhorchen lassen muß auch der Umstand, daß man in den USA offensichtlich beschlossen hat, auch Peking in die Durchführung der eigenen Pläne und Absichten einzubeziehen. Ich glaube auch, von Bonn ist das unschwer festzustellen: Die gefährliche Neigung der gegenwärtigen Führung der Volksrepublik China zu militärischen Abenteuern und die allgemeine aggressive Ausrichtung ihrer Politik sind hinreichend bekannt. Sie
    — an den Bundeskanzler gerichtet —
    selbst haben ja auch wiederholt darauf aufmerksam gemacht.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

    Die zerstörischen Grundsätze, die gegenwärtig die Linie der USA in den internationalen Angelegenheiten bestimmen, bedrohen auch die Lage in Europa mit verhängnisvollen Konsequenzen. Der NATO-Beschluß vom Dezember,

    (Wehner [SPD]: Immer noch Breschnew, ja?)

    — das müßten Sie doch gleich an der Sprache erkennen, Herr Wehner —

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf von der CDU/CSU: Er kann es ja auch in russisch vorlesen!)

    bei dessen Zustandekommen die Bundesrepublik Deutschland eine aktive Rolle spielte, hat die Lage in Europa spürbar erschwert und auch unsere bilateralen Beziehungen ernsthaft belastet. Würde sich die Bundesrepublik Deutschland den verschiedenen Sanktionen und Boykotten anschließen, zu denen die USA ihre NATO-Verbündeten gegenwärtig verstärkt zu bewegen versuchen, so würde das die Lage nur weiter erschweren. Wir möchten nicht annehmen, daß Sie auf diese Bahn abrutschen.
    Und es heißt dann am Ende des nächsten Absatzes:
    Es ist logischer, an all das jetzt zu denken, als später Verlorenem nachzutrauern.
    Meine sehr verehrten Damen und Herren, so ein von mir in Auszügen — sonst hätte ich länger verlesen müssen — zitierter Antwortbrief des Herrn Breschnew an den Bundeskanzler.

    (Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: Was hat denn der Bundeskanzler geantwortet?)

    Und das vor dem Hintergrund eines UN-Beschlusses, bei dem eine überwältigende Mehrheit der Vereinten Nationen, und zwar 104 Staaten,

    (Wehner [SPD]: Sehr richtig!)




    Ministerpräsident Dr. h. c. Strauß (Bayern)

    gegen 18 Staaten bei einigen Stimmenthaltungen und Nichtteilnahmen den brutalen Einfall in Afghanistan als das bezeichnet hat, als was er nach den Tatsachen, nach allen Wertmaßstäben auch nur bei einem Mindestmaß an Ehrlichkeit zu bezeichnen ist.
    Interessant ist allerdings, wer gegen den Beschluß gestimmt hat: Äthiopien, Afghanistan, Angola, Bjelorußland, Bulgarien, DDR, Grenada, Jemen-Süd, Kuba, Laos, Mongolei, Mozambique, Polen, Sowjetunion, Tschechoslowakei, Ukraine, Ungarn und Vietnam. Hier zeigt sich schon im Abstimmungsverhalten der ganze sowjetische Machtgürtel, der trotz der Entspannungsbeteuerungen, trotz Helsinki, trotz aller bilateralen und multilateralen Erklärungen in den 70er Jahren unter Mißbrauch dieser Entspannungspolitik quer von Norden nach Süden, durch Asien, durch Mittelasien, durch den Mittleren Osten und hinein nach Afrika bis an die Grenzen Südafrikas angelegt worden ist.
    Aber, Herr Bundeskanzler, ich würde es an Ihrer Stelle als eine Beleidigung empfinden, wenn ein auf gleicher Ebene stehender — wenn man das bei Ihnen überhaupt unterstellen darf —

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU)

    und ranggleicher Chef eines anderen Staates es wagt, Ihnen diese Einheitslüge über den sowjetischen Einmarsch in Afghanistan als ernsthaftes Argument anzubieten.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich hoffe, Herr Bundeskanzler, Sie haben diesen Brief dem amerikanischen Präsidenten gezeigt Er wird allerdings nicht überrascht sein; denn die in diesem Brief verwendeten Fehldarstellungen, Mißdeutungen und absichtlichen Unwahrheiten sind schon aus den ganzen sowjetischen Erklärungen zu den Vorgängen in Afghanistan längst bekannt.
    Bei Afghanistan geht es nicht darum, einen unüberlegten Streich, den die Sowjetführung vielleicht aus irgendwelchen Motiven der Unbeherrschtheit und der Unkontrolliertheit unternommen hat, jetzt wieder unter Wahrung des Gesichtes aller Beteiligten in Ordnung zu bringen. Wer nicht weiß, daß die sowjetische Expansion nach Afghanistan, abgesehen von den mit ihr verbundenen Scheußlichkeiten, Brutalitäten und Grausamkeiten, der Anwendung moderner Massenvernichtungsmittel wie Napalmbomben gegen Bergstämme, ein logischer konsequenter, organischer Schritt der sowjetischen Machtpolitik unter Ausnutzung der Lage in Teheran, unter Ausnutzung des Weihnachtsfriedens der Welt war, der sollte allerdings besser im Sandkasten spielen, als sich mit strategischen Fragen zu befassen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Folgendes möchte ich in das Gedächtnis zurückrufen; ich sage es nur in Stichworten. Mit Afghanistan hat die Sowjetunion ein strategisches Schlüsselland unter ihrer militärischen Kontrolle, das es bereits zur Zeit Alexanders des Großen war. Im 19. Jahrhundert hat sich dieses Schlüsselland bei dem Ringen der Engländer und der Russen wieder als solches erwiesen. Es ist außerdem nicht bedeutsam, ob die Russen eines Tages Truppen abziehen, sondern es ist wesentlich, daß die islamisch eingestellte Bevölkerung, die in der Mehrheit ist, bis dahin nicht ausgerottet und eine Kirchhofsruhe a la Pax Sowietica in diesem Lande erzwungen worden ist. Das ist das Entscheidende.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Das Entscheidende ist nicht, daß die Sowjetunion so lange bombt und zermalmt, bis ihr Marionettensystem keinen innenpolitischen Widerstand mehr hat. Schließlich hatte auch Hitler seine Truppen aus verschiedenen Ländern zum Teil wieder abgezogen, wenn der Auftrag der Eroberung und der Gleichschaltung mit dem NS-System erfüllt war. Das sagt nichts. Entscheidend ist, daß die Substanz des afghanischen Volkes, die Vielfalt der Stämme, die Freiheit dieses Volkes, die Freiheit der islamischen Kultur, die Freiheit des islamischen Menschenbildes in Afghanistan auch in Zukunft gewahrt bleiben und daß die Bevölkerung eine Möglichkeit hat, eine Regierung zu bestimmen, die ihren Wünschen entspricht, die von ihr getragen wird.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Darum habe ich mich jüngst auch gegen alle faulen Versuche geäußert, unter der Freigabe Afghanistans etwa die Blockfreiheit des Landes — auch Kuba ist blockfrei — mit strategischer militärischer Kontrolle der Sowjetunion zu verstehen. Das wäre nicht Freiheit, das wäre nicht Neutralität, das wäre nicht Unabhängigkeit. Wenn hier von der Einmischung ausländischer Kräfte die Rede ist, worum handelt es sich denn? Seit langer Zeit betreibt die Sowjetunion eine systematische Machtverlagerung, Machtvorverschiebung in Richtung Afghanistan. So hat die Zusammenarbeit schon mit der Monarchie begonnen. Die Monarchie ist nicht ohne sowjetische Hilfe, nicht ohne Einfluß des KGB gestürzt worden. Dann kamen diese Figuren wie Abu Daud. Er war nicht zuverlässig genug, ist gestürzt worden, hatte auch Widerstand in den eigenen Reihen. Dasselbe bei Taraki, der von Amin gestürzt worden ist. Amin konnte sich nicht mehr halten, wurde dann von den Sowjets gestürzt und in ihrem Auftrag ermordet. Jetzt folgte Karmal. Das sind doch keine Regierungen, die vom Willen des afghanischen Volkes getragen sind und die gegen ausländische Interventionen verteidigt werden müssen. Was hier als ausländische Intervention ausgegeben wird, ist doch nichts anderes als der Freiheitskampf der afghanischen Bergstämme, die zum Teil von außen humanitäre und auch waffentechnische Hilfe erhalten haben. Das ist der wirkliche Vorgang.
    Ich habe auch nicht vergessen — hier ist der Moralkatalog der gleiche geblieben —, daß seinerzeit auch auf finnischem Boden eine Exilregierung zur Rechtfertigung des Winterkrieges 1939/40 gegen Finnland errichtet worden ist. Man sollte noch heute den „Völkischen Beobachter" aus jener Zeit lesen, mit welcher Besorgnis, mit welcher leidenschaftlichen Anteilnahme die Goebbels-Publizisten damals die Bedrohung der Sowjetunion durch Finnland nachgewiesen, die Unerträglichkeit der militärischen Situation für die Sowjetunion herausgestellt



    Ministerpräsident Dr. h. c. Strauß (Bayern)

    und volles Verständnis für den Verteidigungskampf des sowjetischen Volkes, des sowjetischen Staates gegen die imperialistischen Finnen unterstrichen haben.

    (Hört! Hört! bei der CDU/CSU)

    Das alles gehört zu dem Katalog, den man sich — dafür braucht man nicht so lange wie ich in der Politik zu sein — schon an den Schuhsohlen abgelaufen hat.
    Natürlich bedeutet der Einmarsch in Afghanistan, daß die sowjetischen Truppen 50 % der Grenze des Iran umstellt haben, d. h. jederzeit Aserbeidschan nehmen können — ein altes Ziel; das geht zurück auf das Jahr 1946, als sie es wieder räumen mußten
    — und auch Belutschistan unter ihre Kontrolle bringen können und daß sie jederzeit und schneller im Iran sind, als es die Amerikaner jemals sein könnten, die im Gegensatz zur Sowjetunion gar nicht dorthin wollen. Das bedeutet die Einschüchterung Paidstans, bedeutet die Warnung an die Volksrepublik China, bedeutet wachsenden Einfluß auf Indien, bedeutet, 500 km nahe an das warme Meer, an den Indischen Ozean, gekommen zu sein.
    Was meint eigentlich Herr Breschnew, wenn er sagt, daß die amerikanischen Flotteneinheiten — es gibt sicherlich auch französische — in der Straße von Hormuz eine Konzentration von Seestreitkräften an der Südgrenze der Sowjetunion darstellten? Eine eigenartige geographische Vorstellung davon, wo die Grenze der Sowjetunion in der Zukunft liegen könnte!

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Der Zug zum warmen Meer, zur arabischen Halbinsel, der Sprung über das Horn von Afrika nach Äthiopien, Angola und Mozambique! Diese Vorgänge in den 70er Jahren von uns und nicht zuletzt von mir hier von diesem Platz aus unzählige Male in Form beschwörender Warnungen vorgetragen, wurden seinerzeit mit demselben Gelächter, demselben Hohngeschrei, demselben Spott beantwortet.
    Jetzt sind wir im nächsten Kapitel. Aber offenbar wollen der Bundeskanzler und seine Gefolgschaft immer noch nicht erkennen, worum es geht. Das beste Zeugnis dafür ist die Regierungserklärung von heute morgen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Wehner [SPD]: Jetzt kommt's erst!)

    — Herr Wehner, ich möchte Ihnen doch noch einmal die Ehre einer Antwort geben. Wer wie Sie die sowjetische Rüstung als eindeutig defensiv gekennzeichnet hat, wer wie Sie um Verständnis für das Vorgehen der Sowjets in Afghanistan, um Verständnis für die sowjetischen Sicherheitsnotwendigkeiten in der Vergangenheit fast täglich den Mund voll genommen hat, sollte ihn wenigstens hier halten.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Wehner [SPD]: Das war nun sehr parlamentarisch!)

    Ich habe hier von dieser Stelle aus zweimal nicht mit der plumpen Eindeutigkeit, mit der Sie die sowjetische Rüstung als defensiv — —

    (Brandt [SPD]: Herr Präsident, wer ist hier Bundestagsabgeordneter?)

    — Es geht hier nicht darum, was jemand als Bundestagsabgeordneter in der Öffentlichkeit sagt; denn da sind wir alle als Bürger gleich, ob MdB, MdL oder Ministerpräsident. — Aber wer mit derselben plumpen Eindeutigkeit wie Sie die sowjetische Rüstung als defensiv bezeichnet hat,

    (Liedtke [SPD]: Das paßt zu Ihnen!)

    muß sich auch gefallen lassen, zu hören, daß ich sie weder als defensiv noch als aggressiv bezeichnet habe.

    (Wehner [SPD]: Hört! Hört! Das zu hören macht mich nachdenklich!)

    — Sie haben doch sonst eine so gute Kenntnis, einen so vorbildlichen Zettelkatalog. Warum verdrängen Sie denn aus Ihrem Bewußtsein das, was nicht in Ihr Klischee paßt?
    Ich habe unzählige Male und zweimal hier im Bundestag gesagt: Die sowjetische Rüstung ist nach drei Kriterien zu beurteilen. Das erste Kriterium sind die augenblicklichen Absichten der sowjetischen Führung. Hier habe ich hinzugefügt: Sie laufen nicht auf einen dritten Weltkrieg hinaus. Wie lange diese Absichten bestehenbleiben, ist eine Frage, die nicht zuletzt von uns beantwortet wird. Je stärker und glaubwürdiger das Bündnis ist, desto länger wird die Friedlichkeit der Absichten bis zur Ewigkeit erhalten bleiben.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)

    Das zweite Kriterium, von dem ich gesprochen habe, ist das sowjetische Potential. Ich will hier keine Zeit mehr darauf verwenden, es im einzelnen zu schildern, sondern nur sagen: Es ist in den 70er Jahren so ausgebaut worden, daß es zu sämtlichen militärischen Optionen die erforderlichen Instrumente zur Verfügung stellt, gleichgültig wo, gleichgültig wann, gleichgültig in welchem Umfang.
    Das dritte Kriterium sind die langfristigen strategischen Ziele der Sowjetunion. Hier habe ich aus meiner Meinung nie ein Hehl gemacht. Ich tadle die Sowjetunion deshalb gar nicht. Es ist einfach eine Tatsachenfeststellung, daß die langfristigen strategischen Ziele eine Mischung von weltrevolutionärer Zielsetzung mit russischem Imperialismus traditioneller Bedeutung sind. So sind ja auch das Ausgreifen in Afrika, der Export revolutionärer Ideologien, die Entwicklungshilfe in Form von Bewaffnung zur Entfesselung von Bürgerkriegen oder sogenannten Befreiungskriegen zu verstehen. Daher auch der militärische Aufbau im Südjemen. Daher die zunehmende Einschüchterung sowohl Pakistans als auch Indiens und auch der arabischen Länder, vor allem auf der arabischen Halbinsel. Und daher auch der Sprung bis an die Südgrenze Afghanistans!



    Ministerpräsident Dr. h. c. Strauß (Bayern)

    Wer das nicht sieht, hat eigentlich die moralische Berechtigung verloren, in einem Parlament mit Ernsthaftigkeit mitreden zu können.

    (Beifall bei der CDU/CSU)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Herr Ministerpräsident, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Frau Abgeordneten Dr. Hamm-Brücher?

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Franz Josef Strauß


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Ich möchte meine Rede zu Ende führen.

    (Franke [CDU/CSU]: Sie soll auf die Regierungsbank! — Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

    Denn die Taktik geht ja nur dahin, durch eine Reihe von scheinbaren Zwischenfragen — es sind ja gar keine echten — den Duktus der Rede der Öffentlichkeit unverständlich zu machen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Es ist doch unverkennbar, daß mit dem Vormarsch an die Südgrenze Afghanistans auch die Stabilität vor allem der monarchistisch-feudalistischen Regime auf der arabischen Halbinsel erschüttert werden soll. Daß sie zugleich die Erdölhauptproduzenten und -lieferanten sind, fügt sich sicher in das Bild. Dazu gehört der Machtgürtel, der heute von der Nordgrenze Afghanistans bis zur Südgrenze Afrikas reicht. Dazu gehört die Festsetzung in den Positionen: Angola, Mozambique und Athiopien. Dazu gehört die bewußte Einschüchterung der Blockfreien. Dazu gehört das erkennbare Bestreben, die strategische Kontrolle über die Fördergebiete von Energie und die Gewinnungsgebiete von Rohstoffen, von denen die Europäer abhängen, zu erlangen. Und dazu gehört zum Schluß die Forderung einer geostrategischen oder geopolitischen Neuverteilung der Welt.
    Das sind die zwölf Punkte. Darüber hätte man in Moskau — sicher mit der gebotenen Höflichkeit und Vorsicht, aber auch mit der gebotenen Deutlichkeit — sprechen müssen, und nicht über die „Panne' Afghanistan.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Einer Ihrer Gesprächspartner, Herr Bundeskanzler, Herr Dimitri Ustinow, sowjetischer Kriegsminister oder Verteidigungsminister, hat vor kurzem gesagt: „Der Sowjetunion als einem sozialistischen Land sind Eroberungsgelüste fremd." — Die Sprache ist eben hier nicht der Ausdruck der wirklichen Absichten, sondern die Sprache ist nach ihrer dialektischen Verwendung der Ausdruck des Gegenteils von dem, was man in Wirklichkeit betreibt. Es war ja Gromyko, der sagte: Nicht der Einmarsch in Afghanistan bedroht den Weltfrieden, wohl aber der Raketenbeschluß der NATO für Europa.
    Darum sollte man doch eigentlich zwischen den poltisch verantwortlichen Kräften dieses Landes zu einer nüchternen Analyse des Begriffs und der Realität Entspannungspolitik" kommen. Man kann doch nicht mit dieser Grobschlächtigkeit die einen als Gegner der Entspannung und damit als
    Gegner des Friedens und eines friedlichen Zusammenlebens bewußt diffamieren

    (Ey [CDU/CSU]: Sehr gut!)

    — nicht zuletzt für wahlpolitische Zwecke — und sich selbst dann diese kunststoffgefertigten Friedensflügel anheften, um als Engel der Unwirklichkeit dann über der Landschaft der Wirklichkeit schweben zu dürfen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Entspannung ist nicht das Ende des Konflikts, sondern Mittel der Austragung. Entspannung ist ein Grundsatz für uns, aber kein Dogma; ist eine realistische Zielsetzung, kein blinder Wahn; ist ein Mittel zum Zweck, kein Selbstzweck. Sie ist Staatsraison für uns und nicht Psychotherapie zur Unterscheidung — Qualifizierung und Disqualifizierung — der Menschheit.
    Herr Schmidt meint offensichtlich, sie sei teilbar, aber nicht unterbrechbar. Denken Sie einmal darüber nach, ob es nicht besser wäre, sie für unteilbar, aber zeitweilig durch Maßnahmen der anderen Seite leider unterbrechbar zu halten. Darüber sollte man nachdenken.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Entspannung sollte sein: Abbau grundlegender Gegensätze, Herausstellung gemeinsamer Interessen und Gefahren, Gleichgewicht der Kräfte, Einigung in Einzelfragen, Abbau der Militärpotentiale und des militärischen Denkens. Entspannung kann nie einseitig wirksam sein. Man soll auch begreifen, daß Koexistenz und Entspannung, Abrüstung, Rüstungsbegrenzung und Rüstungskontrolle für die Sowjetunion psychologische Waffen zur Einschüchterung der anderen Seite, zur Lähmung des strategischen Gegners und zur systematischen Einengung seines Handlungsspielraums bedeuten.

    (Ey [CDU/CSU]: Sehr richtig!)

    Wenn man das weiß, kann man Entspannungspolitik betreiben. Dann wird man nicht mehr auf ein Dogma oder eine schillernde Leuchtschrift hereinfallen, sondern Entspannungspolitik als eine bitter notwendige, aber leider nur innerhalb enger Grenzen mögliche Realität betrachten.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Man wird begreifen, daß sie nicht von einer Seite diktiert werden kann. Man wird begreifen, daß sie Verteidigungsbereitschaft und Gleichgewicht der Kräfte voraussetzt. Man wird begreifen, daß sie unteilbar sein muß. Jede momentane Willensschwäche — der Westen hat sie in den 70er Jahren gezeigt — begünstigt die Hegemonietendenzen der anderen Seite.
    Wir sollten begreifen, daß die Sowjetunion zwar sicherlich keinen eiskalten Machteroberungsplan mit festem Kalender hat — bis zum Jahre 1980 muß das erreicht sein, bis 1985 das nächste Ziel, bis 1990 das übernächste Ziel —,

    (Wehner [SPD]: Hört! Hört!)

    aber sie hat ihre globale, säkulare Strategie und
    nutzt jede sich bietende Gelegenheit an ihrer Peri-



    Ministerpräsident Dr. h. c. Strauß (Bayern)

    pherie oder über die Peripherie hinaus aus, wo die Willensschwäche des Gegners, die Verwirrung im Bündnis, die Uneinigkeit im Bündnis der Atlantischen Allianz es ihr ermöglicht, den nächsten Schritt in der großen globalen, säkularen Strategie zu unternehmen. Das war bisher noch immer der Fall.
    Die Regierungsparteien ab 1969 glaubten, daß die Risikoscheu der Sowjetunion gewachsen sei. Afghanistan hat leider das Gegenteil bewiesen. Daß das Gegenteil geworden ist, daran ist auch der Westen nicht unschuldig. Er hat gemeint, die Sowjetunion sei zum kooperativen Krisenmanagement mit Selbstzurückhaltung bereit, und hat deshalb auch an eine evolutionäre Reform des Sowjetsystems geglaubt. Meine Damen und Herren, Entspannungspolitik ist nur möglich, wenn man weiß, daß die Sowjetunion jede Gelegenheit benutzt — vielleicht auch aus innenpolitischen Gründen —, die Flucht nach vorn zu ergreifen, daß sie internationale Krisen zur Erlangung von Kontrollen über Energie und Rohstoffe sowie geostrategischer Vorteile herbeiführt oder ausnutzt.
    Herr Bundeskanzler, wenn Sie nicht hören wollen, daß Zeitpunkt und politische Umgebung, Hintergrund und Dramaturgie Ihrer Reise falsch waren — daran ändert auch das Zwangskompliment des amerikanischen Präsidenten nichts —, dann sollten Sie einmal ernsthaft darüber nachdenken, was notwendig wäre. Notwendig wäre gewesen, bevor maßgebende politische Führer aus dem Bündnisbereich in Moskau antreten, im Westen zu einer übereinstimmenden Lagebeurteilung zu gelangen. Es gibt doch nicht den geringsten Zweifel daran, daß Präsident Carter und Sie in der Lagebeurteilung — abgesehen von Oberflächlichkeiten, Gemeinplätzen und Selbstverständlichkeiten — eben nicht übereinstimmen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Es mag zwar sein, daß Sie in der Lagebeurteilung mit dem französischen Staatspräsidenten verbal übereinstimmen, aber ich habe keine Zeit, um auf die Differenzen, die Unterschiede in dem Zusammenhang hinzuweisen.
    Jede Reise sollte die Bekundung gemeinsamer Interessen und nicht der Differenzierung der Interessen voraussetzen. Was hat denn Ihr Hinweis für einen Sinn, daß die russischen Panzer 50 Kilometer vor Hamburg stehen? Die werden doch nicht durch Ihre Reise nach Moskau aufgehalten, sondern sie werden aufgehalten, weil die nukleare Garantie, die militärische Sicherheitsgarantie der Amerikaner sowohl für Berlin, wo sie nur einen Kilometer weg sind, als auch für Hamburg, wo sie 50 Kilometer weg sind, das entscheidende Hindernis darstellt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Eine solche Reise müßte als Hintergrund die politische Solidarität, die volle Solidarität der Bündnispartner haben und nicht mit Ausreden behaftete, ausweichende Verständniserklärungen oder Entschuldigungsklimmzüge, daß es ja doch nicht so sei.
    Der Westen braucht ein politisches Gesamtkonzept. Wenn Sie die Rolle der Bundesrepublik darin so hoch ansetzen — ich würde sie etwas niedriger ansetzen, aber Sie können sie, gemäß Ihren Vorstellungen von Ihrer eigenen Bedeutung, ruhig einmal sehr hoch ansetzen —, dann sollten Sie diese ihre Bedeutung für die Herstellung eines politischen Gesamtkonzepts des Westens

    (Dr. Ehmke [SPD]: Das macht er doch!)

    und nicht für einen Alleingang nach Moskau benutzen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Es ist unbedingt notwendig, der Führung der Sowjetunion den Grenznutzen ihrer außenpolitischen Machtentfaltung rechtzeitig klarzumachen, und Afghanistan bedeutet einen Grenznutzen. Daß dieser Grenznutzen — oder, besser gesagt: dieses Grenzrisiko — von Ihnen in Moskau überhaupt nicht erwähnt worden ist, daß Sie vielmehr den Teilabzug begrüßt und von einem Fahrplan des restlichen Abzugs gesprochen haben, beweist, daß Sie in einer gespenstischen Irrealität zu den wirklichen weltpolitischen Machtvorgängen und ihren Verschiebungstendenzen stehen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Was waren denn Ihre Motive? Sicherlich Rettung der Entspannungspolitik, denn diese Koalition und die von ihr getragenen Regierungen, auch die Ihre, Herr Brandt, haben doch nicht zuletzt auch ihre wahlpolitischen Erfolge von einer Popularisierung einer falsch verstandenen, irreführenden und zu gefährlichen Selbsttäuschungen verleitenden Entspannungspolitik abhängig gemacht. Sie haben sich davon so abhängig gemacht, daß Sie heute Ihr politisches Schicksal damit verbinden.
    Haben Sie vielleicht nicht gelesen oder gehört, was Radio Moskau am 29. Juni 1980 in russischer Sprache

    (Lachen bei der SPD)

    als Erklärung verbreitet hat? Ich darf mich darauf verlassen, daß die amtlichen Übersetzungen richtig sind. Ich zitiere wörtlich:

    (Liedtke [SPD]: Auf russisch bitte!)

    Die Westdeutschen haben einen zu hohen Preis für die Entspannung und die guten Beziehungen mit den östlichen Nachbarn bezahlt, um von der Suche nach Wegen zur Lösung der komplizierten politischen Probleme abzulassen.
    Eine höchst interessante enthüllende Feststellung: Die Westdeutschen haben einen so hohen Preis bezahlt, daß sie jetzt — damit sind die Regierungen Brandt /Schmidt gemeint — wegen der Höhe des bezahlten Preises gar nicht mehr von der gemeinsamen Suche nach Wegen zur Lösung der komplizierten politischen Probleme ablassen können. Das heißt: Die Geister, die ich rief, werd ich nicht mehr los. Aus den Geleisen, die Sie gelegt haben, kommen Sie nicht mehr heraus. Darüber sollten Sie nachdenken, statt uns zu beschimpfen! Sie sollten auch die Kräfte der Opposition benutzen, um Ihren Forderungen beim Kampf um deutsche oder westliche In-



    Ministerpräsident Dr. h. c. Strauß (Bayern)

    teressen mehr Nachdruck zu verleihen, als das Gegenteil zu tun.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Nicht umsonst hat die sowjetische Seite — „Iswestija", „Prawda" und andere — darauf hingewiesen, daß sich der politische Spielraum des Westens mit dieser Entspannungspolitik erheblich verengt habe, und sie hat weiter darauf hingewiesen, daß man das, was in den 70er Jahren zu so großen Fortschritten geführt habe, in den 80er Jahren ausbauen müsse. Was kann denn damit wohl gemeint sein?
    Ein Motiv Ihrer Reise war auch die Beschwichtigung der Parteilinken in Ihren eigenen Reihen. Sie mögen gegenüber Präsident Carter als ehrenwerter, seriöser und vor allen Dingen als forsch-formulierungsfähiger Partner dastehen; es wäre viel wichtiger, daß Sie diese endlose Serie antiamerikanischer Hetzreden, antiamerikanischer Propagandareden gegen die NATO, daß Sie hier diese schleichende, allmählich schon virulent-offenkundig gewordene Schürung einer antiamerikanischen Psychose

    (Dr. Ehmke [SPD]: Der Kandidat!)

    in Ihren eigenen Reihen, in Ihrer Moskau-Fraktion, die nicht nur von den Jungen dargestellt wird, endlich einmal beenden. Das wäre wichtig.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)

    Es genügt nicht, Herr Bundeskanzler, wenn Sie in einer Sitzung des Außenpolitischen Ausschusses sagen, es sei bestürzend, auf die Landkarte zu sehen und die Ausdehnung des sowjetischen Einflusses in den letzten 20 Jahren zu betrachten. Dabei gehe es nicht um die unmittelbaren Aktionen Moskaus, son-dem auch um die Einsetzung von Hilfstruppen, wie Kubaner, Vietnamesen; zu nennen sei Angola, Mozambique, das Horn von Afrika mit Äthiopien, SüdJemen, Vietnam, Kambodscha, Laos. Das haben Sie am 15. April 1980 geäußert. Ja, das brauchen Sie doch nicht im Außenpolitischen Ausschuß des Deutschen Bundestages zu sagen; wenn Sie schon nach Moskau fahren, hätten Sie es dort sagen und begründen müssen, warum wir besorgt sind.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Maßgebende Parteifreunde von Ihnen haben von dem Zorn gesprochen, den Sie gegen die Amerikaner hätten, weil Präsident Carter die Bundesregierung gezwungen habe, an den Olympischen Spielen in Moskau nicht teilzunehmen. Warum treten Sie denn dem nicht entgegen? Was ist denn geschehen bei dem Treffen der Jungsozialisten und der sogenannten Freien Demokratischen Jugend, der kommunistischen Staatsjugend, das vor kurzem hier auf dem Boden der Bundesrepublik stattgefunden hat? Was ist denn hier geschehen? Die Zeit hindert mich daran, hier die interessanten Einzelheiten zu bieten.

    (Wehner [SPD]: Wie schade!)

    Dort hat man Literatur ausgetauscht; der anderen Seite hat man Anti-Strauß-Bücher gegeben, und dafür hat man SED-Propaganda-Literatur entgegengenommen. Wenn ich an die 50er und 60er Jahre denke, in denen wir wahrlich heftig miteinander gefochten haben, frage ich mich doch: Wohin ist denn diese
    SPD gekommen? Wohin ist denn die politische Jugend der SPD gekommen, in der doch heute eine Sympathieabstimmung — hie Washington, dort Moskau — mit einem haushohen Sieg für Moskau ausgehen würde? Das ist doch die Wirklichkeit!

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Beim Bundeskongreß der Jungsozialisten in Hannover trat eine holländische Delegation auf.

    (Abg. Voigt [Frankfurt] [SPD] meldet sich zu einer Zwischenfrage)

    Die holländischen jungen Genossen haben eine Erklärung abgegeben, mit frenetischem, lang anhaltendem Beifall begrüßt:

    (Dr. Ehmke [SPD]: „Frenetisch" gibt es doch nur bei Ihnen!)

    Die jungen Sozialisten in der PvdA freuen sich, auf dem Kongreß der Jungsozialisten der SPD anwesend zu sein. In eurem Kampfe für die Interessen der Arbeiter und lernenden Jugend, gegen Atomkraftwerke, gegen Aufrüstung und gegen die rechtsreaktionäre Politik der SPD
    — ich wiederhole es: „gegen die rechtsreaktionäre Politik der SPD" —
    könnt ihr euch auf unsere solidarische Unterstützung verlassen. Wir sind froh, daß ihr heute nach Gorleben fahrt. Die holländischen Genossen werden mitfahren. Wir glauben, daß für unsere Verbände in der Zukunft der Kampf gegen das Wettrüsten eine der wichtigsten Aufgaben sein wird. Der Beschluß des Exekutivkomitees der Jungsozialisten der Welt ruft ihre Mitglieder auf, sich anzustrengen, die NATO sofort zu verlassen, gemeinsam zu kämpfen gegen Mittelstreckenraketen, Neutronenbombe und die NATO im allgemeinen.
    Das ist der Geist, der heute bei der Parteijugend, den Jungsozialisten, vorherrscht.

    (Zuruf des Abg. Dr. Ehmke [SPD])

    Wer ihn vertritt, wird mit lautstarkem, minutenlangem, lebhaftem, frenetischem Beifall willkommen geheißen. Hier, Herr Bundeskanzler, sollten Sie einmal Mut zeigen. Hier sollten Sie antreten. Hier sollten Sie das verfechten.

    (Lebhafter Beifall bei der CDU/CSU)