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  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 8/229 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 229. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 3. Juli 1980 Inhalt: Erweiterung der Tagesordnung . . . . 18675 C Abgabe einer Erklärung der Bundesregierung zum Treffen der sieben Staats- und Regierungschefs in Venedig und zu den Gesprächen des Bundeskanzlers und des Bundesministers des Auswärtigen in Moskau Schmidt, Bundeskanzler 18583 A Dr. h. c. Strauß, Ministerpräsident des Freistaates Bayern . 18588 D Genscher, Bundesminister AA 18606 A Dr. Jaeger CDU/CSU 18611 B Wehner SPD 18616 D Mischnick FDP 18620 B Beratung des Berichts über den Stand der Arbeit und die Ergebnisse der EnqueteKommission Zukünftige KernenergiePolitik" — Drucksachen 8/2353, 8/2628, 8/4341 — Dr. Stavenhagen CDU/CSU 18624 B Ueberhorst SPD 18627 A Dr.-Ing. Laermann FDP 18630 B Gerstein CDU/CSU 18635 B Reuschenbach SPD 18637 C Dr. Gruhl fraktionslos 18639 B Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu dem Antrag der Abgeordneten Lenzer, Dr. Probst, Pfeifer, Benz, Engelsberger, Gerstein, Dr. Hubrig, Dr. Riesenhuber, Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Dr. Laufs, Pfeffermann, Dr. Stavenhagen, Frau Dr. Walz und der Fraktion der CDU/CSU Rationelle und sparsame Energieverwendung — Drucksachen 8/1963, 8/4355 — in Verbindung mit Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Riesenhuber, Dr. Narjes, Dr. Dollinger, Pfeifer, Lenzer, Dr. Probst, Benz, Breidbach, Engelsberger, Gerstein, Dr. Hubrig, Dr. Laufs, Dr. II Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Juli 1980 Freiherr Spies von Büllesheim, Pfeffermann, Dr. Stavenhagen und der Fraktion der CDU/CSU Energiepolitisches Programm zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Dollinger, Dr. Narjes, Pfeifer, Dr. Riesenhuber, Lenzer, Dr. Waigel, Dr. Laufs, Gerstein, Kolb, Dr. Czaja, Dr. Probst, Engelsberger, Dr. Hubrig, Pfeffermann, Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Dr. Stavenhagen, Frau Dr. Walz, von Hassel, Benz, Dr. Jenninger und der Fraktion der CDU/CSU Sicherung der Energieversorgung und Zukunftsorientierung der deutschen Energiepolitik zu dem Entschließungsantrag der Fraktion der CDU/CSU zur Beratung der Großen Anfrage der Abgeordnten Dr. Dollinger, Pfeifer, Dr. Riesenhuber, Dr. Narjes, Lenzer, Benz, Engelsberger, Gerstein, Dr. Hubrig, Dr. Probst, Dr. Freiherr Spies von Büllesheim, Dr. Laufs, Pfeffermann, Dr. Stavenhagen, Frau Dr. Walz und der Fraktion der CDU/CSU Beitrag der Kernenergie zur Sicherung der Energieversorgung — Drucksachen 8/1394 (neu), 8/2961 (neu), 8/3434, 8/4354 — Dr. Dollinger CDU/CSU 18642 A Wolfram (Recklinghausen) SPD . . . 18644 A Dr.-Ing. Laermann FDP 18646 C Dr. Narjes CDU/CSU 18648 C Dr. Graf Lambsdorff, Bundesminister BMWi 18652 A Zweite und dritte Beratung des von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Kriegsdienstverweigerung und des Zivildienstes (Kriegsdienstverweigerungs-Neuordnungsgesetz) — Drucksache 8/3019 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 8/4250 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung — Drucksache 8/4222 — in Verbindung mit Zweite Beratung des von der Fraktion der CDU/CSU eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Kriegsdienstverweigerung und des Zivildienstes (Kriegsdienstverweigerungs-Neuordnungsgesetz) — Drucksache 8/3020 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 8/4250 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung — Drucksache 8/4222 — Kühbacher SPD 18656A Porzner SPD 18656 C Dr. Jenninger CDU/CSU 18656 D Wolfgramm (Göttingen) FDP 18657 B Biermann SPD 18657 C Berger (Lahnstein) CDU/CSU 18659 D Hölscher FDP 18663A Jungmann SPD 18667 B Frau Tübler CDU/CSU 18668 C Dr. Zumpfort FDP 18671 D Dr. Ehrenberg, Bundesminister BMA . 18672 B Lutz SPD 18673 A Immer (Altenkirchen) SPD (Erklärung nach § 59 GO) 18675 B Namentliche Abstimmung 18677 B Dr. Jenninger CDU/CSU (zur GO) . . 18678 D Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Innenausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Gerlach (Obernau), Handlos, Dr. Dregger, Dr. Wörner, Dr. Marx, Dr. Miltner, de Terra, Spranger, Weiskirch (Olpe), Biechele, Dr. Laufs, Frau Krone-Appuhn, Dr. Kraske, Dr. Riedl (München), Gerster (Mainz), Dr. Waffenschmidt, Biehle, Broll, Regenspurger, Dr. Friedmann, Frau Pieser, Dr. Hüsch, Dr. Meyer zu Bentrup und der Fraktion der CDU/CSU Gesamtverteidigung — Drucksachen 8/2295, 8/4340 — . . . 18675 D Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Abgeordneten Dr. Narjes, Dr. Marx, Dr. Mertes (Gerolstein), Dr. Dollinger, Dr. Stercken, Dr. von Geldern, Kittelmann, Dr. Klein (Göttingen), Dr. Hoffacker, Hüsch, Sick, Dr. Voss, Hartmann, Dr. Wittmann (München), Dr. Hupka, Kunz (Berlin), Dr. Ritz, Amrehn, Broll, Dr. Hornhues, Schetter, Seiters, Graf Huyn, Hanz, Dr. Köhler (Wolfsburg), Dr. Hammans, Dr. Möller, Berger (Lahnstein), Würzbach, Werner, Dr. Sprung, Schröder (Wilhelminenhof), Dr. Wulff, Reddemann, Bahner, Frau Berger (Berlin) und der Fraktion der CDU/CSU III. VN-Seerechtskonferenz Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Juli 1980 III Antrag der Fraktionen der SPD und FDP Dritte Seerechtskonferenz der Vereinten Nationen — Drucksachen 8/3760, 8/3910, 8/4328 — 18676A Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Dr. Narjes, Grunenberg, Angermeyer, Dr. Corterier, Ewen, Dr. von Geldern, Kittelmann, Rapp (Göppingen), Dr. Wittmann (München) und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur vorläufigen Regelung des Tiefseebergbaus — Drucksache 8/2363 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Wirtschaft — Drucksache 8/4359 — 18676 B Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP Sportförderung in den Entwicklungsländern — Drucksache 8/5357 — 18676 C Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft zu dem Antrag der Abgeordneten Frau Dr. Wilms, Pfeifer, Rühe, Schedl, Frau Benedix-Engler, Pieroth, Hasinger, Daweke, Prangenberg, Dr. Hornhues, Frau Krone-Appuhn, Voigt (Sonthofen), Berger (Lahnstein), Dr. Blüm, Dr. George, Frau Dr. Wisniewski, Dr. Möller, Frau Karwatzki, Neuhaus, Dr. Laufs, Dr. Langguth, Hauser (Krefeld), Josten, Würzbach, Dr. Jenninger und der Fraktion der CDU/CSU Berufliche Fortbildung in Betrieben und überbetrieblichen Einrichtungen — Drucksachen 8/2884, 8/4294 — . . . 18676D Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Verteidigungsausschusses zum Jahresbericht 1979 des Wehrbeauftragten des Deutschen Bundestages — Drucksachen 8/3800, 8/4374 — . . . 18676D Beratung der Sammelübersicht 77 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 8/4375 - 18677 A Nächste Sitzung 18679A Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 18681 *A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 229. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 3. Juli 1980 18583 229. Sitzung Bonn, den 3. Juli 1980 Beginn: 9.00 Uhr
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    Anlage zum Stenographischen Bericht Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete(r) entschuldigt bis einschließlich Dr. van Aerssen * 4. 7. Dr. Ahrens ** 4. 7. Dr. Aigner * 4. 7. Alber ** 4. 7. Dr. Bangemann * 3. 7. Dr. Barzel 4. 7. Baum 4. 7. Dr. Blüm * 4. 7. Blumenfeld * 3. 7. Frau von Bothmer ** 4. 7. Büchner (Speyer) ** 4. 7. Dr. Evers ** 4. 7. Fellermaier * 4. 7. Flämig ** 4. 7. Frau Dr. Focke * 4. 7. Friedrich (Würzburg) * 4. 7. Dr. Fuchs * 4. 7. Dr. Geßner ** 4. 7. von Hassel * 4. 7. Dr. Holtz ** 3. 7. Hoppe 4. 7. Katzer * 4. 7. Dr. h. c. Kiesinger 4. 7. Kittelmann ** 4. 7. Dr. Klepsch * 4. 7. Lagershausen ** 4. 7. Lenzer ** 4. 7. Lücker * 4. 7. Luster * 4. 7. Dr. Mende ** 4. 7. Dr. Müller ** 4. 7. Dr. Pfennig * 4. 7. Reddemann ** 4. 7. Scheffler ** 4. 7. Frau Schleicher * 4. 7. Schmitz (Baesweiler) 4. 7. Dr. Schwencke (Nienburg) * 4. 7. Seefeld * 4. 7. Dr. Freiherr Spies von Büllesheim ** 4. 7. Dr. Sprung 4. 7. Ueberhorst ** 4. 7. Dr. Vohrer ** 4. 7. Walkhoff 4. 7. Frau Dr. Walz * 4. 7. Weber (Heidelberg) 4. 7. Wischnewski 3. 7. Dr. Wulff 4. 7. Zebisch ** 4. 7. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarates
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    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich habe dem Bundestag bereits über das Treffen der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Gemeinschaft in Venedig berichtet. Ich habe heute zu berichten über das Treffen der Regierungs- und Staatschefs der sieben führenden demokratischen Industriestaaten der ganzen Welt in Venedig und über die Gespräche, die Herr Genscher und ich am Montag und Dienstag dieser Woche in Moskau geführt haben.
    Die Gespräche in Venedig und die Gespräche in Moskau haben sich in einer weltpolitisch und auch weltwirtschaftlich außerordentlich schwierigen Situation als nützlich für den Frieden und als nützlich für unsere Sicherheit erwiesen. Bei der Venediger Konferenz am 22. und 23. Juni 1980 hatten diesmal weltpolitische Probleme ein größeres Gewicht als bei früheren Treffen dieser sieben Staats- und Regierungschefs. Aber die weltwirtschaftlichen Themen sind deswegen nicht in den Hintergrund gedrängt worden. Vielmehr haben wir unsere Haltung gegen Protektionismus im Welthandel, gegen Inflationierung der Währungen bekräftigt Wir haben die Bedeutung der Sicherung eigener Energie- und Ernährungsgrundlagen der Entwicklungsländer hervorgehoben. Wir haben an die OPEC-Staaten sowie an die kommunistischen Staaten appelliert, sich verantwortungsbewußt an der Entwicklungshilfe zu beteiligen. Wir haben für unsere eigenen Volkswirtschaften deutliche Akzente gesetzt, vor allem hinsichtlich dessen, was man — nicht ganz zutreffend, aber volkstümlich — Entkoppelung von Energieverbrauch und Wirtschaftswachstum nennt. Ich will es genauer ausdrücken: Der Verbrauch von Energie je einer Mark zusätzlichen Sozialprodukts soll herabgesetzt werden. Oder um es noch einmal anders auszudrücken: Das Verhältnis des Zuwachses von Energieverbrauch zum Zuwachs des Sozialprodukts soll bis zum Jahr 1990 auf 0,6 herabgesetzt werden. Wir sind überzeugt, daß wir das in unserem Lande schaffen können.
    Ich unterstreiche, was Präsident Carter dazu in den Vereinigten Staaten unmittelbar nach seiner Rückkehr aus Venedig gesagt hat, nämlich: Wir brauchen mehr Wirtschaftswachstum mit weniger Energie. Wir müssen Energie sparen. Wir müssen die Olimporte verringern, um unsere Unabhängigkeit zu stärken.
    Für uns, für die Bundesrepublik Deutschland bedeutet das: Wir werden unsere Politik „weg vom Öl" konsequent fortsetzen.
    Die Treffen dieser sieben Industriestaaten, an denen auch der Präsident der Kommission der Europäischen Gemeinschaft teilnimmt, haben sich im Laufe der letzten fünf Jahre als eine nicht zu entbehrende weltwirtschaftspolitische Clearing-Stelle erwiesen, auch wenn vielleicht nicht für jedermann unmittelbar sichtbar wird, wie notwendig und nützlich dieser vertrauliche Meinungsaustausch ist. Ich möchte übrigens die Rolle Japans in diesem Kreis besonders hervorheben.
    Unter weltpolitischem Blickwinkel ergab sich in Venedig eine übereinstimmende Einschätzung der Lage nach der sowjetischen Invasion in Afghanistan und eine Bekräftigung der Entschlossenheit der Vereinigten Staaten von Amerika und ihrer europäischen Verbündeten zur engen Zusammenarbeit in allen aktuell wichtigen internationalen Fragen. Ich habe in Venedig sowohl im Zwiegespräch mit Präsident Carter als auch im Kreis der sieben Staats- und Regierungschefs unsere Absichten für die Gespräche in Moskau ausführlich erläutert. Herr Genscher hat das wenige Tage später im NATO-Rat in Ankara ebenfalls getan.
    Wir haben die volle Unterstützung unserer Freunde und Partner erhalten. Wir hatten niemand um ein Mandat gebeten, weil wir für die Bundesrepublik Deutschland nach Moskau gehen wollten, im Interesse unseres Landes, im Interesse von uns Deutschen, und das heißt ja: im Interesse des Friedens.



    Bundeskanzler Schmidt
    Ich wiederhole: Bevor wir nach Moskau fuhren, waren unsere Freunde und Partner genau informiert. Sie wußten, wir würden in Moskau im Rahmen der in Venedig präzisierten gemeinsamen Position des Westens sprechen. Dies ist auch tatsächlich geschehen.
    Vielleicht sollte ich hier noch eines nachtragen. Schon am Vorabend des Treffens in Venedig hatte es einen ausführlichen Gedankenaustausch zwischen Präsident Carter, Außenminister Muskie, Herrn Genscher und mir gegeben. Präsident Carter und ich haben in diesem Gespräch, das den engen und stetigen deutsch-amerikanischen Konsultationsprozeß fortsetzte, völlige Einigkeit zur Sache festgestellt. Unmittelbar vor der Abreise nach Moskau hatte ich außerdem Gelegenheit zu einem längeren persönlichen Gespräch mit dem niederländischen Ministerpräsidenten, Herrn van Agt, der mich am letzten Sonntag in Hamburg besuchte. Abgesehen von der Erörterung bilateraler und europäischer Fragen, auf die ich im heutigen Zusammenhang nicht eingehe, fand dabei natürlich auch ein Meinungsaustausch über den bevorstehenden Besuch in der Sowjetunion statt. Es bestätigte sich dabei erneut die Übereinstimmung unserer beiden Regierungen in der Beurteilung der internationalen Lage.
    Nun zu den Moskauer Gesprächen, meine Damen und Herren. In meiner Regierungserklärung am 17. Januar dieses Jahres hatte ich auf die vordringliche internationale Aufgabe hingewiesen, eine Ausweitung der Krisen zu verhindern und sie zu entschärfen. Ich habe damals hinzugefügt — ich zitiere —:
    Wir wissen dabei, daß die Bundesrepublik Deutschland keine Großmacht ist. Aber wir sind im Rahmen unserer Möglichkeiten — und die sind nicht klein — beteiligt ...
    Ebenfalls habe ich schon damals am 17. Januar hier von diesem Pult aus meine Bereitschaft erklärt, mit dem sowjetischen Generalsekretär zusammenzutreffen.
    Die Bundesregierung hat seitdem ihre klare politische Linie in zahlreichen internationalen Begegnungen vertreten. Sie hat wesentlich dazu beigetragen, daß seit etwa zwei Monaten der internationale Dialog wieder in Gang gekommen und die Phase der Sprachlosigkeit überwunden worden ist.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Wir haben in Beratungen, vor allem mit Frankreich — ich denke hier an meine Begegnung mit Präsident Giscard d'Estaing und an die deutsch-französische Erklärung vom 5. Februar — und mit den Amerikanern — ich denke insbesondere an meine Gespräche mit Präsident Carter und die deutschamerikanische Erklärung vom 5. März — unsere Vorstellungen über eine westliche Antwort auf Afghanistan und eine Entschärfung der internationalen Krisen insgesamt entwickelt. Wir haben uns aktiv und beharrlich für die Wiederaufnahme des internationalen Gesprächs eingesetzt.
    Wir haben uns natürlich auch an den Ost-West-Begegnungen beteiligt, die seit den Trauerfeierlichkeiten für Präsident Tito in Belgrad und seit den Begegnungen am Rande der Feierlichkeiten zum 25. Jahrestag des österreichischen Staatsvertrags in Wien Gott sei Dank langsam wieder in Gang gekommen sind. Ich selbst habe Anfang Mai in Belgrad sowohl mit Herrn Gierek als auch mit Herrn Honekker gesprochen. Herr Genscher hat Mitte Mai in Wien mit Herrn Gromyko gesprochen. Herr Gromyko hat seinerseits dort mit seinem amerikanischen Kollegen Muskie gesprochen.
    Die Gespräche des französischen Staatspräsidenten am 19. Mai in Warschau mit Generalsekretär Breschnew und mit dem ersten Sekretär Gierek — Gespräche, deren Bedeutung in unseren eigenen Gesprächen vorgestern in Moskau sehr deutlich wurde — waren ein wichtiger weiterer Schritt zur Wiederaufnahme der Kontakte zwischen den führenden Staatsmännern des Westens und des Ostens, der Gespräche und Kontakte, die ja gerade in schwierigen Zeiten zur Krisenbeherrschung unumgänglich sind.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Unser Besuch in Moskau folgte also einer klaren gemeinsamen Linie. Die Bundesregierung hatte die Wiederaufnahme des internationalen Gesprächs seit Beginn des Jahres gefordert, und sie ist mit unserem Zutun verwirklicht worden. Deshalb haben Minister Genscher und ich die Einladung zu einer Reise nach Moskau angenommen, die die sowjetische Führung im Frühjahr erneut ausgesprochen hat.
    Der Zweck dieses Besuches ist erreicht. Es hat sich erwiesen, daß direkte Gespräche in einer Weltlage, die unverändert durch eine Reihe schwerer Krisen gekennzeichnet wird, nicht nur notwendig, sondern auch nützlich sind.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Der wichtigste Zweck unseres Besuches war es, der sowjetischen Führung unmittelbar unsere Sicht der gegenwärtigen Weltlage und ihrer Ursachen nahezubringen, der sowjetischen Führung einen direkten Eindruck unserer tiefen Sorge zu vermitteln und umgekehrt die sowjetischen Auffassungen genau kennenzulernen. Von vornherein war klar, daß es nicht um Verhandlungen im technischen Sinne mit dem Ziel konkreter Entscheidungen gehen konnte.
    Wir hatten zwei sehr intensive Begegnungen mit Generalsekretär Breschnew, mit Ministerpräsident Kossygin und Außenminister Gromyko. Auf meinen Wunsch kam es auch zu einem Gespräch mit Verteidigungsminister Ustinow und seinem Generalstabschef Marschall Ogarkow.
    In unserem Meinungsaustausch über internationale Fragen habe ich der sowjetischen Führung erneut die Grundlagen unserer Außenpolitik erläutert: die Einbindung unserer Politik in die Europäische Gemeinschaft und in das westliche Bündnis. Ich konnte dabei positiv Bezug nehmen auf die Äußerung von Herrn Gromyko gegenüber dem Kollegen Genscher in Wien, daß die Sowjetunion nicht die Absicht habe, einen Keil zwischen die Bundesre-



    Bundeskanzler Schmidt
    publik und ihre europäischen und atlantischen Bündnispartner zu treiben.

    (Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Ich habe dies ausdrücklich als eine Bestätigung dafür gewertet, daß die sowjetische Führung weiß, daß man uns von unseren westlichen Partnern nicht trennen kann.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Die sowjetischen Gesprächspartner sind sodann im Laufe der Begegnungen auf ihre bekannte Kritik an der Politik der Vereinigten Staaten von Amerika zurückgekommen. Wir haben dieser Darstellung mit Bestimmtheit widersprochen.
    Die Ursachen der Afghanistan-Krise und die Folgerungen, die aus ihr zu ziehen sind, wurden von beiden Seiten mit großer Sachlichkeit und unter Verzicht auf diplomatisches Beiwerk dargelegt. Diese Diskussion war nicht einfach. Ich habe dabei ausdrücklich Bezug genommen auf Inhalte der deutsch-französischen Erklärung vom Februar, auf die Erklärungen der Neun, auf die Erklärungen des Siebenergipfels in Venedig und auf das Kommuniqué der Außenministerkonferenz der NATO in Ankara aus der vorigen Woche. Die sowjetische Führung weiß: Wir sind der Ansicht, daß die Intervention in Afghanistan beendet und das Gleichgewicht in jener Region wiederhergestellt werden muß.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Es bedarf dazu eines vollständigen Abzugs der sowjetischen Truppen und der Gewährleistung des Selbstbestimmungsrechts.

    (Erneuter Beifall bei der SPD und der FDP)

    Wir haben der sowjetischen Führung empfohlen, auf die Sondierungsinitiative der islamischen Staaten einzugehen, wie sie nach der zweiten Islamabad-Konferenz in Gang gesetzt worden ist, weil diese dem Willen der großen Mehrheit der Staaten der Dritten Welt entspricht, die sich durch das sowjetische Vorgehen in Afghanistan direkt betroffen fühlen.
    Die sowjetische Seite hat darauf hingewiesen, sie habe einige Truppen aus Afghanistan abgezogen.

    (Lachen bei Abgeordneten der CDU/CSU)

    Wir haben dies als einen Schritt bezeichnet, der dann in die richtige Richtung geht, wenn ein solcher Rückzug der Beginn einer kontinuierlichen Bewegung ist, die bis zum vollständigen Abzug fortgesetzt wird.

    (Beifall bei der SPD, der FDP und bei einzelnen Abgeordneten der CDU/CSU)

    Wir haben vorgetragen, daß man über einen zeitlichen Fahrplan für eine politische Lösung nachdenken muß.

    (Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: Denkt mal schön! — Weiterer Zuruf von der CDU/ CSU: Was ist das?)

    Die Meinungsunterschiede zwischen der Bundesregierung und der sowjetischen Führung in der Afghanistan-Frage sind vorgestern nicht überbrückt worden. Wir sind aber davon überzeugt, daß in Moskau klar erkannt wird, daß das Afghanistan-Problem politisch gelöst, einer politischen Lösung zugeführt werden muß.

    (Zurufe von der CDU/CSU)

    Wir haben uns im Kommuniqué gemeinsam für eine politische Regelung ausgesprochen. Beide Seiten haben zum Ausdruck gebracht, daß eine solche Regelung nicht auf die lange Bank geschoben werden darf, sondern schnellstmöglich erfolgen muß. Dies betrachte ich als einen kleinen Schritt auf einem Wege, von dem wir alle wissen, daß er überaus schwierig ist. Afghanistan ist ein Weltproblem. Die Bundesrepublik Deutschland kann zur Lösung dieses Problems nur beitragen; gefunden werden muß die Lösung von den unmittelbar Beteiligten.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Mit großem Ernst haben wir auch unsere Meinungen über die Geiselnahme in Teheran ausgetauscht. Generalsekretär Breschnew und Außenminister Gromyko haben ausdrücklich auf frühere Äußerungen der sowjetischen Regierung Bezug genommen, in denen die Geiselnahme als völkerrechtswidrig angesprochen und verurteilt wurde. Wir haben zum Ausdruck gebracht, daß diese völkerrechtswidrige Handlungsweise beendet werden muß.

    (Beifall bei der SPD, der FDP und bei einzelnen Abgeordneten der CDU/CSU)

    Ausführlich haben wir über die Fragen der Sicherheit und der Zusammenarbeit zwischen West und Ost gesprochen. Ich habe unterstrichen, daß militärisches Gleichgewicht eine unverzichtbare Voraussetzung für Zusammenarbeit und für Frieden in Europa und in der Welt ist Die Bundesregierung setzt sich immer wieder dafür ein, daß dieses Gleichgewicht auf einem möglichst niedrigen Niveau erreicht wird. Deshalb wollen wir konkrete Ergebnisse in der Rüstungskontrolle, in der Rüstungsbegrenzung; aber — und dies habe ich ebenso mit Nachdruck betont — wie bisher wird die Bundesrepublik Deutschland auch in Zukunft im Rahmen des westlichen Bündnisses ihren Verteidigungsbeitrag zum militärischen Gleichgewicht in Europa leisten.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Zum militärischen Gleichgewicht in Europa möchte ich an dieser Stelle eine Bemerkung einfügen, die nicht im Zusammenhang mit meinem Bericht über die Reise nach Moskau steht. Präsident Giscard d'Estaing hat in seiner Pressekonferenz am letzten Donnerstag, dem 26. Juni, eine Entscheidung bekanntgegeben, die aus meiner Sicht ebenso der Erhaltung des Gleichgewichts dient wie der NATO- Beschluß vom 12. Dezember 1979, der sogenannte Doppelbeschluß. Ich teile mit Präsident Giscard die Auffassung, daß militärisches Gleichgewicht eine unverzichtbare Bedingung für Zusammenarbeit und Sicherheit in Europa ist.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Unsere sowjetischen Gesprächspartner haben die grundlegende Bedeutung des SALT-II-Vertrages für die Begrenzung der strategischen Potentiale un-



    Bundeskanzler Schmidt
    terstrichen, aber auch deren Bedeutung für das gesamte Verhältnis zwischen Moskau und Washington. Die sowjetischen Gesprächspartner wissen ebenso wie unsere amerikanischen Freunde, daß wir nachdrücklich für die Ratifikation und für die Inkraftsetzung von SALT II eintreten.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Ich habe in Moskau auch darauf hingewiesen, daß Präsident Carter eindeutig an SALT II festhält Der amerikanische Präsident hatte mich gebeten, in diesem Zusammenhang der sowjetischen Führung zwei Fragen zu übermitteln. Dies ist geschehen. Herr Genscher hat inzwischen Herrn Carter die Antworten überbracht.
    Ein ausführlicher, sehr intensiver Gedankenaustausch wurde über die nuklearen Mittelstreckenwaffen, die eurostrategischen Waffen insgesamt geführt. Ich habe erneut unsere tiefe Besorgnis über das Anwachsen des sowjetischen Mittelstreckenpotentials erläutert. Insbesondere der schnelle Zuwachs von SS-20-Raketen und Backfire-Bombern, so habe ich vorgetragen, berühre das Gleichgewicht in einem Bereich, der für uns in Europa ein strategischer Bereich ist.

    (Hört! Hört! bei der SPD)

    Es ist der sowjetischen Führung durch unsere Gespräche mit Herrn Breschnew vor zwei Jahren im Mai 1978 hier in Bonn und später mit anderen Politbüromitgliedern bekannt gewesen, daß die Bundesrepublik und daß die anderen Partner des Atlantischen Bündnisses dieser Entwicklung nicht tatenlos würden zusehen können. Demgemäß ist dann unter unserer maßgeblichen Beteiligung der ausgewogene Doppelbeschluß der NATO am 12. Dezember 1979 gefaßt worden.
    Ich habe weiter erläutert, alle Bündnispartner seien entschlossen, sowohl die Nachrüstungsmaßnahmen für eine begrenzte Zahl amerikanischer Mittelstreckenwaffen zu unterstützen, als auch den Rüstungsbegrenzungsvorschlag systematisch zu verfolgen. Wir träten dafür ein, daß jetzt endlich verhandelt werde, ohne Vorbedingungen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Die sowjetische Seite, sowohl Generalsekretär Breschnew als auch Verteidigungsminister Ustinow, beriefen sich darauf, daß eine Veränderung des Gleichgewichts nicht vorliege. Durch die Zuführung der SS 20 werde weder die Zahl der Raketen noch die Gesamtsprengkraft dieser Waffenkategorie erhöht Ich habe dem die außerordentliche militärische Verbesserung der sowjetischen Kapazität durch die SS 20 entgegengehalten. Uns bedrohe besonders die starke Erhöhung der Zahl der Sprengköpfe dieses Arsenals, die sich von 1970 bis 1980 mehr als verdoppelt hat.
    Der Generalsekretär nahm zu den Möglichkeiten einer vertraglichen Begrenzung dieser Waffenkategorie ausführlich Stellung. Er erklärte, die Sowjetunion könne nicht bereit sein, Verhandlungen über SALT III zu beginnen, ehe sie Klarheit über das weitere Schicksal von SALT II habe. Die Sowjetunion bleibe auch dabei, daß ihr Verhandlungsangebot vom 6. Oktober 1979 — das war die Rede, die der Generalsekretär in Ost-Berlin gehalten hatte — nur gelte, sofern die Ausführung des Dezember-Beschlusses der NATO ausgesetzt, suspendiert werde. Weiter, drittens: die Sowjetunion sei nicht bereit, einseitige Begrenzungen ihres Potentials zu akzeptieren, auch nicht für begrenzte Zeit. Die sowjetische Führung hat meinen entsprechenden in diesem Frühjahr öffentlich vorgetragenen Gedanken als in ihren Augen und für sie — ich zitiere —„ungerecht" abgelehnt.
    Jedoch hat — viertens — der Generalsekretär an dieser Stelle einen neuen, konstruktiven Vorschlag eingebracht. Die sowjetische Führung erklärte die Bereitschaft, mit den Vereinigten Staaten von Amerika auch schon vor Ratifikation von SALT II in bilaterale Gespräche über die Begrenzung nuklearer Mittelstreckenwaffen einzutreten. In diesen Gesprächen müsse über beiderseitige Mittelstreckenwaffen unter Berücksichtigung aller Faktoren gesprochen werden, welche in diesem Bereich die strategische Situation beeinflußten. Und er hat klargemacht, daß dabei auch die sogenannten forward based systems einbezogen werden sollen. Ich bitte um Entschuldigung für diesen international gebräuchlichen Fachausdruck. Ich übersetze ihn: diejenigen der bisher schon in Europa stationierten amerikanischen Nuklearwaffen, welche die Sowjetunion erreichen können. Er hat hinzugefügt, die sich aus solchen Gesprächen ergebenden Vereinbarungen könnten nach seiner, des Generalsekretärs, Auffassung allerdings erst in Kraft treten nach Ratifikation und Inkrafttreten von SALT II.
    Ich habe an dieser Stelle darauf hingewiesen, daß die Bundesrepublik Deutschland als Nichtnuklearmacht an solchen Gesprächen und Verhandlungen nicht beteiligt sein würde; aber natürlich habe sie ein hohes Interesse an solchen Gesprächen und Verhandlungen. Und aus diesem Interesse heraus erlaubte ich mir die Bemerkung, daß dann entsprechende sowjetische Waffen ebenfalls in die Gespräche einbezogen werden müssen.
    Zugleich habe ich die Bedeutung dieses neuen sowjetischen Vorschlags gewürdigt und eine sofortige Weiterleitung an Präsident Carter angekündigt. Ich habe gesagt, ich sei gewiß, daß der Vorschlag sorgfältig geprüft werden würde; und Herr Genscher hat dann einen Tag später, gestern abend, persönlich den amerikanischen Präsidenten unterrichtet.
    Nach der Unterredung mit dem Präsidenten und mit Außenminister Muskie hat der letztere gestern abend vor der amerikanischen Presse gesagt, daß die sowjetischen Verhandlungsvorschläge in der Allianz sorgfältig und in einem konstruktiven Geist geprüft werden müßten. Ich füge hinzu: Dies entspricht auch der Auffassung der Bundesregierung.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Mir scheint wichtig, daß damit eine neue Situation geschaffen ist. Die Forderung, den NATO-Beschluß auszusetzen, steht dem Beginn von Gesprä-



    Bundeskanzler Schmidt
    dien über beiderseitige Begrenzung von Mittelstreckenwaffen nicht länger im Wege.

    (Anhaltender Beifall bei der SPD und der FDP)

    Der normale Prozeß im Vorfeld von Verhandlungen ist jetzt in Gang gesetzt. Ein Vorschlag der Vereinigten Staaten und ihrer Verbündeten an die Adresse der Sowjetunion ist von dieser mit einer Qualifikation beantwortet worden. Ich halte dies noch nicht für einen Durchbruch; denn ein Erfolg solcher Gespräche, die lange dauern werden, ist noch nicht abzusehen. Wohl aber scheint mir die Chance eröffnet, einen ungebremsten Rüstungswettlauf auf diesem Feld zu vermeiden.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD und der FDP)

    Ich will in diesem Zusammenhang ausdrücklich meinem Moskauer Gastgeber beipflichten. Generalsekretär Breschnew hatte ausgeführt, daß schon der Beginn solcher Gespräche der Stabilisierung der Weltlage dienen kann. Ich möchte hinzufügen, daß mich der große Ernst und die ausschließliche Sachlichkeit der sowjetischen Gesprächspartner an dieser Stelle besonders beeindruckt haben.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Ich fühle mich durch den sowjetischen Vorschlag in meiner Auffassung bestärkt: Gespräche zur Begrenzung atomarer Mittelstreckenwaffen sind nicht nur notwendig, sondern sie sind auch möglich. Sicherlich werden die Gespräche und die Verhandlungen schwierig und langwierig sein. Es war deshalb richtig, daß wir beiden Teilen des Dezember-Beschlusses der NATO das gleiche Gewicht gegeben haben, der Nachrüstung und der Rüstungsbegrenzung, und wir halten an beiden Teilen fest.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Wir haben mit der sowjetischen Führung auch ausführlich über die Fortsetzung des KSZE-Prozesses gesprochen. Es heißt im Kommuniqué dazu, daß sich alle Teilnehmer darum bemühen sollten, zum Erfolg dieses Folgetreffens beizutragen, das in diesem Herbst in Madrid geplant ist. Wir haben deutlich gemacht, daß zu einem solchen Erfolg Vertrauen in die Politik aller Teilnehmer der Konferenz erforderlich ist. Die weitere Entwicklung der internationalen Lage steht also im Zusammenhang mit einem Erfolg des Madrid-Treffens.
    Beide Seiten haben ihr großes Interesse daran zum Ausdruck gebracht, daß die MBFR-Verhandlungen in Wien nach siebenjähriger Verhandlungsdauer endlich zu ersten konkreten Ergebnissen führen.

    (Beifall bei der SPD)

    Herr Genscher und ich haben die Bedeutung der Datenfrage hervorgehoben und auf den im Dezember eingebrachten Vorschlag der NATO für ein Zwischenergebnis hingewiesen.
    Die sowjetische Seite hat zu verstehen gegeben, daß sie beabsichtigt, demnächst in Wien neue Vorschläge zu machen, die sich auf die Zahl der Streitkräfte der Vereinigten Staaten von Amerika und der
    Sowjetunion konzentrieren und die eine Verbesserung der bisherigen Vorschläge darstellen sollen. Wir werden auch diese Vorschläge gemeinsam mit unseren Verbündeten zur gegebenen Zeit aufmerksam prüfen.
    Neben diesem ausführlichen Gedankenaustausch über internationale Probleme haben wir natürlich mit der sowjetischen Seite auch über die Entwicklung der bilateralen Beziehungen gesprochen. Einigkeit bestand darüber, daß die zweiseitigen Verträge und Abmachungen, insbesondere der Vertrag vom 12. August 1970 und die gemeinsame Erklärung vom 6. Mai 1978, weiterhin die Grundlage unserer zweiseitigen, unserer bilateralen Beziehungen bilden. Beide Seiten sprachen sich erneut für die strikte Einhaltung, die volle Anwendung des Viermächteabkommens vom September 1971 aus, das zur Beruhigung der Lage um und in Berlin beigetragen hat.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Ich habe unser Interesse an einem weiteren Ausbau der Beziehungen mit der Deutschen Demokratischen Republik betont. Dabei habe ich darauf hingewiesen, daß eine Erleichterung und Erweiterung des Besucherverkehrs aus der DDR in die Bundesrepublik Deutschland der Entspannung zwischen West und Ost zugute kommen würde.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Ich habe mich gegenüber der sowjetischen Führung weiter für die Sache jener Deutschen eingesetzt, die aus der Sowjetunion in die Bundesrepublik Deutschland ausreisen möchten, und habe insbesondere auf die vielfachen Wünsche nach Familienzusammenführung hingewiesen. Die sowjetische Seite wird diese Anliegen wohlwollend prüfen.

    (Beifall bei der SDP und der FDP)

    Während unseres Aufenthalts, während unserer Verhandlungen in Moskau haben die beiderseitigen Botschafter das Durchführungsabkommen zu dem langfristigen Wirtschaftsabkommen vom 6. Mai 1978 unterzeichnet. Wir setzen damit unsere Politik der Ausfüllung der bestehenden Verträge fort. Wir messen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit der Sowjetunion, die natürlich im beiderseitigen wirtschaftlichen Interesse unserer Länder liegt, insbesondere auch politische Bedeutung bei.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Wir haben übrigens die sowjetische Führung daran erinnert, daß wir uns wie bisher an die Vereinbarungen in OECD und COCOM halten werden.
    Wir haben mit der sowjetischen Führung auch unsere Auffassung zu den drängenden Fragen erörtert, welche die Verfünfzehnfachung des Ölpreises insbesondere für jene Entwicklungsländer aufwirft, die nicht über heimische Ölquellen verfügen. Wir haben auf die Rolle hingewiesen, welche auch die industrialisierten Länder Osteuropas zur Bewältigung dieser Probleme leisten müssen. Die sowjetische Seite hat dies anerkannt. Sie werden finden, daß das



    Bundeskanzler Schmidt
    im gemeinsamen Kommuniqué zum Ausdruck gebracht worden ist.
    Nach Auffassung beider Seiten kommt unserer Kooperation, der deutsch-sowjetischen Zusammenarbeit, im Energiebereich eine besondere Bedeutung zu. Wir haben zugestimmt, daß in nächster Zeit Vorverhandlungen eines westeuropäischen Konsortiums mit den zuständigen sowjetischen Stellen über ein großes Erdgasprojekt geführt werden.
    Ein Wort zur Bewertung, meine Damen und Herren. Wir haben in einer schwierigen internationalen Lage schwierige Gespräche geführt. In einigen wichtigen Fragen standen die Standpunkte unvereinbar nebeneinander. Sie finden das auch im Kommuniqué wieder. Ich habe jedoch keinen Zweifel, daß die sowjetische Seite die Standpunkte der Bundesregierung, die in allen wesentlichen Fragen gemeinsame Standpunkte mit unseren Freunden und Partnern sind, jetzt besser verstanden hat. Generalsekretär Breschnew hat am Schluß der Gespräche ausdrücklich versichert, daß er auch in den Bereichen, in denen wir unterschiedlicher Meinung waren, mit seinen Kollegen im Politbüro das bedenken wolle, was wir vorgetragen haben. Auch wir werden die Auffassung der anderen Seite weiterhin sorgfältig bedenken.
    Dies alles gehörte zum Zweck dieser Reise. Nach Herrn Genschers und meiner Überzeugung ist dieser Zweck voll erfüllt worden.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Darüber hinaus haben wir in einigen Fragen, insbesondere bei dem schwierigen Problem der nuklearen Mittelstreckenwaffen, Erkenntnisse und Hinweise erhalten, welche Ansätze für neue Lösungen bilden können. Wir haben auch auf anderen Feldern der sowjetischen Darlegungen mit großer Aufmerksamkeit zugehört.

    (Lachen bei der CDU/CSU)

    Wir werden die sowjetischen Darlegungen mit unseren Freunden und unseren Verbündeten sorgfältig und im Detail erwägen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Die internationale Lage, insbesondere die WestOst-Beziehungen, bleiben schwierig, meine Damen und Herren. Den Beitrag, den die Bundesregierung jetzt zur Lösung der bestehenden Krisen einbringen konnte und mußte, hat sie tatsächlich geleistet.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Die Haltung der Bundesregierung in den Konsultationen mit unseren Verbündeten und in den Gesprächen in Moskau entsprach präzise den Grundlinien unserer Außenpolitik, wie ich sie immer wieder dargelegt habe. Unsere Politik ist realistisch. Sie ist unmißverständlich und deshalb für andere auch berechenbar.

    (Lebhafter Beifall bei der SPD und der FDP)

    Unsere Politik ist auf Frieden und Sicherheit und auf die Wahrung der Interessen aller Deutschen gerichtet.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Ich darf wörtlich wiederholen, was ich am Montag in Moskau gegenüber unseren sowjetischen Gastgebern gesagt habe: Die drei tragenden Elemente unserer Politik sind erstens die feste Einbindung der Bundesrepublik Deutschland in das Atlantische Bündnis und in die Europäische Gemeinschaft im Wissen um die Gemeinsamkeit der Grundwerte und Interessen mit den Vereinigten Staaten von Amerika und den anderen Verbündeten,

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    zweitens die Politik der Zusammenarbeit und der Entspannung gegenüber unseren östlichen Nachbarn,

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    drittens die Politik der gleichberechtigten Partnerschaft mit den Staaten der Dritten Welt.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Ich will auch wiederholen, was ich im Mai 1978 vor den Vereinten Nationen über internationale Krisenbeherrschung gesagt habe, nämlich: Sie erfordere den politischen Willen, erstens Provokationen zu vermeiden, zweitens den anderen unsere eigenen Entscheidungsmöglichkeiten, unsere eigenen Optionen unmißverständlich zu erklären, drittens gefährliche Situationen durch Kompromißbereitschaft zu entschärfen und viertens den Beteiligten die Wahrung ihres Gesichts zu ermöglichen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Diese Darlegungen haben damals — das ist zwei Jahre her —, lange vor Afghanistan, als theoretisches Konzept in der Generalversammlung der Vereinten Nationen allgemeine Zustimmung gefunden. Seit Ausbruch der Krisen um Iran und um Afghanistan gilt es, ein solches Konzept tatsächlich in die Praxis der Staaten umzusetzen.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Und dies tut die Bundesregierung — nicht mit großen Worten, sondern durch besonnenes Handeln.

    (Beifall bei der SPD und der FDP)

    Unsere Sicherheit und der Friede werden nicht durch große Reden gewahrt, sondern nur durch beharrliche Kärrnerarbeit.

    (Anhaltender lebhafter Beifall bei der SPD und der FDP)



Rede von Richard Stücklen
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)
Das Wort hat der Ministerpräsident des Freistaates Bayern.

(Beifall bei der CDU/CSU — Lachen bei der SPD und der FDP)


  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von Dr. Franz Josef Strauß


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CSU)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CSU)

    Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hat am Ende seiner Ausführungen die subjektive Feststellung getroffen,



    Ministerpräsident Dr. h. c. Strauß (Bayern)

    daß in seinen Augen und in den Augen des Herrn Außenministers der Zweck der Reise erreicht worden sei. Ich kann mir auch schwer vorstellen — obendrein angesichts der Vorgeschichte dieser Reise —, daß ihm eine umgekehrte Feststellung möglich gewesen wäre.

    (Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU)

    Es wird aber viele denkende, der Geschichte und der Zeitgeschichte bewußte Bürgerinnen und Bürger in unserem Land, in den Ländern unserer Bündnispartner und in anderen Ländern geben, die mit dieser Feststellung nicht übereinstimmen.
    Es ist allerdings schwer, den Zweck der Reise zu definieren. Denn ursprünglich wurde der Zweck der Reise damit begründet, daß man wieder in den Dialog eintreten wolle, daß man der Sowjetunion den Abzug ihrer Truppen aus Afghanistan abringen wolle, daß man in der Frage des Rüstungsgleichgewichts, in der Frage der Mittelstreckenraketen durch die eigenen Vorschläge sowjetisches Entgegenkommen, den Beginn der Problemlösung erreichen werde. Von all dem ist nur noch übrig geblieben, daß es gut gewesen sei, miteinander geredet zu haben.

    (Wehner [SPD]: Alles ist eingehalten worden, Herr Ministerpräsident!)

    — Miteinander geredet zu haben. — Denn von Verhandlungen kann man in dem Zusammenhang nicht reden.

    (Dr. Schäfer [Tübingen] [SPD]: Das hat auch niemand!)

    Nachdem ich nun diese Erklärung gehört habe, wundert es mich, warum wir am Dienstagabend diese geheimnisvollen Andeutungen über sensationelle Vorschläge der sowjetischen Seite im Zusammenhang mit den Mittelstreckenraketen vernommen haben, Vorschläge, die so geheim seien, daß man sie erst den Bundesgenossen durch den Sonderkurier Hans-Dietrich Genscher mitteilen müsse, bevor man sie der staunenden Öffentlichkeit übergeben dürfe. Nach dem, was wir jetzt gehört haben, was das sowjetische Gegenangebot zu dem Moratoriumsvorschlag des Bundeskanzlers war, kann ich nur feststellen: Man braucht kein Fachmann zu sein, um zu sagen: Das ist doch ein alter Hut.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Wehner [SPD]: Warten Sie auf die Antwort Amerikas!)

    — Herr Kollege Wehner sagt, ich solle auf die Antwort Amerikas warten. Nun, es ist im Bündnis nicht üblich, daß man Mitteilungen eines Bündnispartners nach einer Reise, die gerade von den Amerikanern und ihrer politischen Führung am allerwenigsten begrüßt worden ist,

    (Zurufe von der SPD)

    etwa abwertend beurteilt. Ich habe noch nie internationale Anregungen gehört, bei denen nicht das Echo war, sie seien konstruktiv und nützlich, man werde sie mit der gebotenen Sorgfalt prüfen. Das gehört doch alles zu dem Zeremoniell der Sinngebung
    des Sinnlosen, aber nicht zu ernsthaften politischen Auseinandersetzungen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Zuruf des Abg. Wehner [SPD])

    — Herr Wehner, es wäre gut, wenn Sie mich ausreden lassen würden. Denn gerade Sie haben zur Vergiftung der Atmosphäre in diesem Zusammenhang Ihren dauernden Anteil beigetragen. —

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wenn der Bundeskanzler damit sagen wollte, daß kein unmittelbarer Schaden eingetreten sei, dann würde ich ihm recht geben. Aber es geht nicht nur um die auf der Oberfläche erkennbaren unmittelbaren Schäden, es geht auch um die langfristige psychologische, politische Wirkung solcher Vorgänge.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die Regierungserklärung war ebenso dürftig wie die Behandlung der darin angedeuteten Probleme oberflächlich.

    (Dr. Stark [Nürtingen] [CDU/CSU]: So ist es!)

    Ich wundere mich, warum man nicht in der Lage war, uns den Inhalt dieser Regierungserklärung wenigstens eine Stunde vorher zur Verfügung zu stellen. Gestern haben wir gehört, es fänden noch laufend Konsultationen mit den Verbündeten statt, heute morgen um 8 Uhr sei noch eine Besprechung, in der letzte Hand an die Regierungserklärung angelegt werden würde. Es ist für den Arbeitsstil und das gegenseitige Vertrauen in diesem Kabinett kennzeichnend, daß diese Platitüden, diese Gemeinplätze, diese Oberflächlichkeiten in einer besonderen Kabinettsitzung heute morgen um 8 Uhr den darob also verwunderten Kabinettsmitgliedern mitgeteilt werden müssen.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Dr. Schäfer [Tübingen] [SPD]: Schwätzer!)

    Wenn der Bundeskanzler feststellt, daß besonnenes Handeln notwendig sei — wer würde dem widersprechen? Aber haben nicht auch Chamberlain und Daladier seinerzeit für sich besonnenes Handeln in Anspruch genommen?

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Ich möchte die Rolle Helmut Schmidts in Moskau nicht mit der Chamberlains und Daladiers in München unmittelbar vergleichen.

    (Zurufe von der SPD)

    Ich gebrauche nicht falsche historische Vergleiche wie etwa den, daß wir uns im Jahre 1980 in einer Lage wie 1914 kurz vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges befinden würden.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Aber besonnenes Handeln soll doch nur andeuten, daß hier einer, der nach meiner Meinung leider von den Problemen weniger versteht, als wir ihm ursprünglich zugetraut oder von ihm erwartet hatten, als einziges noch eine Maxime von sich geben kann, die er zur Hervorhebung seiner Grundhaltung gegenüber der CDU/CSU besonders unterstreichen



    Ministerpräsident Dr. h. c. Strauß (Bayern)

    wollte, er, der besonnen handelnde Staatsmann, und daneben die stürmischen Hitzköpfe, die mit den großen Redensarten,

    (Lachen bei der SPD)

    — ja, ja, ich kenne das alles —, diejenigen, von deren Äußerungen man „die Schnauze voll" habe, um ihn wörtlich zu zitieren usw. Ich darf nur sagen, Herr Bundeskanzler, ich spreche Ihnen nicht den Willen zur Besonnenheit ab,

    (Heiterkeit bei der CDU/CSU — Wehner [SPD]: Hört! Hört! — Lachen bei der SPD und der FDP)

    aber den Instinkt, in der richtigen Stunde zu verstehen, welche Handlungsweise der Begriff „Besonnenheit" erfordern würde.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Lassen Sie mich nur am Rande sagen: Ich habe im Laufe der letzten Jahre und Monate mit der mir eigenen Vergessens- und Bewunderungskapazität aus Ihrem Munde gehört, welche Elemente die Grundlagen Ihrer Friedenspolitik seien: einmal die Mitarbeit im Bündnis, dann eine funktionsfähige Bundeswehr und dann auch die Bereitschaft zur Rüstungskontrolle, zur Rüstungsbegrenzung und zu Abrüstungsverhandlungen. Ich habe — bei der Wiedergabe von einem Tonband — im Wortlaut gehört, daß Sie an der Formulierung des Soldatengesetzes persönlich entscheidend mitgewirkt hätten. Sie sollten doch auch einmal so bescheiden sein, zuzugeben, daß seinerzeit Ihr in namentlicher Abstimmung gegebenes Nein zum Einbau einer Wehrverfassung in das Grundgesetz, Ihr in namentlicher Abstimmung abgegebenes Nein zum Eintritt der Bundesrepublik Deutschland in die Atlantische Allianz kein Ausdruck der Besonnenheit, sondern parteipolitischer Blindheit waren.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wenn Sie darauf hinweisen, daß Sie an der Formulierung des Soldatengesetzes mitgewirkt haben, dann sollten Sie auch sagen, daß Sie dieses Gesetz damals gemeinsam mit Ihrer Fraktion abgelehnt haben und daß Sie Ihre Ablehnung damit begründet haben, daß man dem Wettrüsten auf deutschem Boden nicht Vorschub leisten dürfe. Das sind genau dieselben Argumente, mit denen Sie heute eine in der Anlage verfehlte, im Ergebnis undurchsichtige und in der langfristigen Auswirkung gefährliche Reise als Akt der Besonnenheit auszugeben sich bemühen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Es ist nur auffallend, daß Sie um so interessanter darüber reden, um so geheimnisvollere Andeutungen machen, je weniger Sie recht haben in der Sache. Nicht die Vergangenheit oder die Zukunft muß man an der Geschichte studieren, sagt ein chinesisches Sprichwort; dies ist richtig.

    (Lachen bei der SPD und der FDP)

    — Das ist richtig, auch wenn Ihnen die Quelle nicht
    paßt. — Der Berg gebar eine Maus, aber der Westen
    wird die politischen Alimente auf die Dauer bezahlen.

    (Heiterkeit)

    Lassen Sie mich im Zusammenhang mit dieser Reise einen Vergleich anstellen. Es gibt zwei Reisen eines jeweiligen deutschen Bundeskanzlers nach Moskau, die besondere Aufmerksamkeit erweckt haben, die weltweite Beachtung gefunden haben und die mit besonderer Sorgfalt verfolgt worden sind. Das eine war die unter den damaligen Umständen sensationelle Reise Konrad Adenauers nach Moskau im Jahre 1955, das andere die des heutigen Bundeskanzlers Schmidt im Jahre 1980. Die Reise Adenauers kann man — ich möchte nur einen Satz darüber sagen — als notwendig und richtig bezeichnen. Er hatte die Einbindung in den Westen gegen den erbitterten Widerstand der Sozialdemokratischen Partei mit seiner parlamentarischen Mehrheit durchgesetzt, den Eintritt der Bundesrepublik Deutschland in die NATO. Dann kam die zielstrebige, behutsame, vorsichtige Regelung der Beziehungen zu Moskau. Behutsam, besonnen, vorsichtig und zielstrebig — Ergebnis: Aufnahme diplomatischer Beziehungen, Freilassung der Kriegsgefangenen.
    Die Reise Adenauers war genauso notwendig und nützlich, wie die Reise Schmidts überflüssig und gefährlich war.

    (Beifall bei der CDU/CSU — Pfui-Ruf von der SPD)

    — Es ist bezeichnend, daß Sie auf intellektuelle Bewertungen nur die Ausdrücke entweder blinden Beifalls oder gehässiger persönlicher Angriffe haben, aber mehr dazu nicht beizutragen vermögen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Denn die Reise Schmidts im Jahre 1980 erfolgte auf dem Hintergrund einer gefährdeten Allianz, im Alleingang und ohne Mandat der Bündnispartner.

    (Zuruf von der SPD: Unsinn!)

    Wenn ich hier über diese Reise nach Konzeption, Vorgeschichte, Hintergrund, Dramaturgie und Zeitpunkt ein kritisches Urteil mir erlaube, dann nicht zuletzt deshalb, weil die Wahl des Zeitpunkts dieser Reise genauso instinktlos war wie der Besuch des gleichen Politikers ein Jahr nach dem Einmarsch der Warschauer-Pakt-Truppen in Prag am 21. August 1969.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Damals dauerte es ein Jahr; in der Zwischenzeit genügt ein halbes Jahr zwischen dem Einmarsch der russischen Truppen in Afghanistan mit seinen brutalen Folgewirkungen des Völkermordes in ganzen Bereichen bis zur Dramaturgie dieser Reise und ihrem dürftigen Ergebnis.
    Eine Weltkrise ist die Szene, in der diese Reise stattgefunden hat. Die Weltkrise hat nicht wie eine Krise stattgefunden, die durch Einwirkung höherer Umstände, von Menschengewalt nicht zu verhindern, ausgelöst wird, die Weltkrise ist nicht eine



    Ministerpräsident Dr. h. c. Strauß (Bayern)

    Weltkrise, sondern ein Akt brutaler sowjetischer Machtpolitik,

    (Dr. Marx [CDU/CSU]: So ist es!)

    eine Ausdehnung sowjetischer Machtkontrolle bei Gleichschaltung des innenpolitischen Systems in einem Land, von dem zu behaupten, es sei eine Bedrohung der Sowjetunion gewesen, eine Beleidigung der Welt und der Zeitgeschichte darstellt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Wir wollen uns doch nicht darüber hinwegtäuschen, daß sich das Bündnis bei der Reise Adenauers im Zustand der Festigung, des Fortschritts und der vollen Funktionsfähigkeit befand, daß sich das Bündnis in diesem Jahre — und nicht ohne maßgebende Schuld europäischer Staatsmänner, an der Spitze Helmut Schmidt;

    (Sehr richtig! bei der CDU/CSU)

    wenn ich mir diesen Ausdruck als Funktionsbezeichnung hier erlauben darf — in einem Zustand befindet, der von neutraler Seite als „zerfallende Allianz" bezeichnet wird. Die Frage ist nicht, ob man verbale Bekenntnisse zu Allianzen ablegt, ob man betont, man stehe zu dem Bündnis, man habe Vertrauen zu den Bündnispartnern, man sei bereit, die eigenen Bündnisverpflichtungen zu erfüllen, man lehne es mit Entrüstung ab, irgendwelche Unsolidarität zu zeigen. Das ist doch nicht das Entscheidende. Kein Bündnis ist stärker als das Vertrauen der Bundesgenossen zueinander und die psychologische und politische Bereitschaft, alle Lasten, Konsequenzen aus diesem Bündnis, nicht nur seine Vorteile in Anspruch zu nehmen.

    (Beifall bei der CDU/CSU) Und da sieht es leider anders aus.

    Niemand wird dem langjährigen Korrespondenten der „Neuen Zürcher Zeitung" dem heutigen Chefredakteur Fred Luchsinger, absprechen, daß er ein scharfsinniger analytischer Beobachter, ein scharfsinniger Prognostiker und ein zuverlässiger Bewerter ist. Ich sage das auch im Wissen darum, wie oft seine kritischen Urteile uns oder mir persönlich gegolten haben. Aber das ist nicht das Thema. Er schrieb am 25./26. Mai 1980 unter der Überschrift „Zerfallende Allianz":
    Das Bild vom Zustand der freien Welt ist im letzten Vierteljahrhundert noch nie so düster gewesen, wie es sich zurzeit präsentiert. Die europäisch-amerikanische Solidarität, die Grundlage und Voraussetzung der gemeinsamen Sicherheit und politischen Handlungsfähigkeit, zeigt in kritischer Situation tiefe Risse.
    Es gibt einen persönlichen Freund bzw. Anhänger des Herrn Bundeskanzlers, den jetzigen Leiter des Londoner Instituts für strategische Studien, Christoph Bertram. Er hat jüngst im „U.S. News & World Report" die Moskau-Reise des Kanzlers einen zum gegenwärtigen Zeitpunkt schweren taktischen Fehler genannt.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Zur Besonnenheit gehört auch die Fähigkeit, eigene Wünsche, parteipolitische Opportunitäten und persönliche Ambitionen kritisch unter Kontrolle halten zu können.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Es war zu erwarten, daß alle regierungsamtlichen Kosmetiker Tag und Nacht tätig sein würden, um aus dieser Reise einen Erfolg zu machen. Aber das hält kritischer Beurteilung nicht stand. Die Reise war mindestens verfrüht, solange Moskau noch nicht das geringste ehrliche Signal zur Bereinigung des Afghanistan-Konflikts gegeben hat

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Die Naivität, sich von diesem sogenannten teilweisen Truppenabzug gewissermaßen einen Auftakt für die Fortsetzung des löblichen Handelns bis zur Freigabe zu versprechen, ist selbst für einen Fanatiker falsch verstandener Entspannungspolitik eine intellektuell unzulässige und, wenn er in amtlicher Funktion ist, für die Öffentlichkeit gefährliche Fehlleistung.

    (Beifall bei der CDU/CSU)

    Der Herr Bundeskanzler sollte doch wenigstens das nachlesen, was mit seiner Erlaubnis — die Informationen sind ja eh recht spärlich, die wir erhalten — von einer für die Auswertung solcher Dinge zuständigen Stelle des Bundes als Brosamen selbst den Oppositionspolitikern zur Verfügung gestellt wird. Dann würde er diesem Bericht entnehmen, daß es sich hier um den Austausch für den Einsatz in dieser Gegend unbrauchbarer, verschlissener und im übrigen für die Erfüllung des Kampfauftrages nicht ausreichender Einheiten gehandelt habe und daß diese Einheiten selbstverständlich durch andere Einheiten ersetzt würden. Wer glaubt, daß die Sowjetunion von Afghanistan her bedroht worden und daß sie deshalb gezwungen gewesen sei einzumarschieren, um den Einmarsch und das Vordringen ausländischer Agenteneinheiten oder — hier sind die USA und China gemeint — ausländischer Kampfeinheiten aufzuhalten, der glaubt allerdings auch das mit dem Teilabzug.
    Wir wissen doch, daß man in einer gefährlichen und häßlichen Zeit deutscher Geschichte einmal Wert darauf gelegt hat, militärische Stärke zu simulieren statt militärische Stärke in Abrede zu stellen. Das war damals beim Einmarsch der deutschen Wehrmacht im Rheinland 1936, als Hitler dieselben Truppenteile dreimal — z. B. — in Heidelberg, einmarschieren ließ, um vorzutäuschen, über welche militärische Stärke er verfüge. Die Sowjetunion ist weiser. Sie macht genau das Gegenteil. Aber daß Diktaturen mit totaler Beherrschung der Medien, mit totaler Beherrschung des Informationsstromes in der Lage sind, Truppen scheinbar abzuziehen, um hernach bei Nacht — notfalls auf dem Luftweg — wieder ein Mehr an geeigneten Truppen hereinzubringen, sollte doch erwachsene Männer nicht veranlassen, einen solchen Unsinn als Beginn einer Lösung des Afghanistan-Problems darzustellen.

    (Beifall bei der CDU/CSU)




    Ministerpräsident Dr. h. c. Strauß (Bayern)

    Die Reise schwächte auch den Widerstandswillen und die Geschlossenheit des Westens allein durch ihre Tatsache, durch ihren Zeitpunkt und durch das Vorpreschen eines Allianzpartners, dem diese Rolle nicht zugefallen wäre und der sie auch nicht hätte beanspruchen dürfen.
    Die Reise ermutigt Moskau auch, die erreichten Positionsgewinne zu behaupten. Notfalls wird die abendliche Lachstunde im Kreml verlängert.
    Viertens. Die Moratoriumsangebote Helmut Schmidts hinsichtlich der Verwirklichung des Nachrüstungsbeschlusses sind doch in Moskau trotz ihrer Schwäche und ihrer einseitigen Bevorzugung der sowjetischen Position auf nackte Ablehnung gestoßen — eine vorläufige Bewertung. Man kann doch auch nicht an solchen Urteilen vorbeigehen, wie sie etwa so eine ausgewogene Wochenzeitung wie der „Economist" vom 28. Juni 1980 veröffentlicht hat: Es sei unwahrscheinlich, daß Präsident Carter von Helmut Schmidt überzeugt worden sei, seine Plauderei mit Helmut Schmidt auf dem Gipfel von Venedig habe die Atmosphäre bereinigt, aber nicht die fundamentalen Meinungsverschiedenheiten beseitigt Es heißt: „Der Präsident denkt, daß die Deutschen zu weich seien in ihren Verhandlungen mit den Russen, und der Kanzler fährt fort zu glauben, daß des Präsidenten Unberechenbarkeit eine Drohung sei für das, was von der Détente" — also von der Entspannung — „noch übriggeblieben sei."
    In der Weltmeinung hat sich doch der Begriff der „fundamental difference of opinion" zwischen den Vereinigten Staaten und der Bundesrepublik Deutschland festgesetzt. Und wer hat diesen Begriff von der Differenz der Interessen in die Welt gesetzt, mit gefährlichen Argumenten begründet? — Das war Helmut Schmidt und niemand anders!
    Ich denke daran, daß Helmut Schmidt auf seiner Amerika-Reise davon gesprochen hat, daß es in Deutschland 16 Millionen Geiseln gebe, auf die man Rücksicht nehmen müsse. Abgesehen davon, daß es 17 Millionen Einwohner der DDR sind, ist dazu zu sagen — ich habe das hier schon einmal erwähnt —: Das sind nicht 17 Millionen Geiseln, sondern das sind 17 Millionen Ankläger, daß der Geist von Helsinki die Machtpraxis des Kommunismus noch nicht erfaßt hat.

    (Beifall bei der CDU/CSU)