Rede:
ID0820803700

insert_comment

Metadaten
  • sort_by_alphaVokabular
    Vokabeln: 8
    1. Das: 1
    2. Wort: 1
    3. hat: 1
    4. der: 1
    5. Bundesminister: 1
    6. für: 1
    7. innerdeutsche: 1
    8. Beziehungen.: 1
  • tocInhaltsverzeichnis
    Plenarprotokoll 8/208 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 208. Sitzung Bonn, Donnerstag, den 20. März 1980 Inhalt: Glückwünsche zum Geburtstag des Abg. Ziegler 16615A Verzicht des Abg. Ahlers auf die Mitgliedschaft im und Eintritt des Abg. Dr. Schweitzer in den Deutschen Bundestag . . . . 16615A Begrüßung der Präsidentin des Europäischen Parlaments, Frau Simone Veil, und einer Delegation 16615 A Absetzung eines Punktes von der Tagesordnung 16706 B Erweiterung der Tagesordnung . . . 16706B Bericht zur Lage der Nation Schmidt, Bundeskanzler 16615 D Dr. h. c. Strauß, Ministerpräsident des Frei- staates Bayern 16624 A Genscher, Bundesminister AA 16635 D Dr. Marx CDU/CSU 16642 B Brandt SPD 16650 C Hoppe FDP 16656 C Dr. Dregger CDU/CSU 16660 C Wehner SPD 16665 D Möllemann FDP 16670 A Franke, Bundesminister BMB 16674 D Graf Huyn CDU/CSU 16679 B Frau Schlei SPD 16683 A Beratung der Entschließung des Europäischen Parlaments zur sowjetischen Intervention in Afghanistan — Drucksache 8/3667 — 16686 A Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Krankenhausfinanzierungsgesetzes — Drucksache 8/2067—Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 8/3826 — Beschlußempfehlung und Bericht des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung — Drucksachen 8/3495, 8/3758 — Egert SPD 16686B, 16688 A Dr. Becker (Frankfurt) CDU/CSU . . . . 16686 C Hölscher FDP 16690 A Höpfinger CDU/CSU 16691 D Urbaniak SPD 16693 B II Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. März 1980 Spitzmüller FDP 16694 D Grobecker SPD 16696 B Frau Dr. Neumeister CDU/CSU . . . 16696 D Dr. Ehrenberg, Bundesminister BMA . 16697B Zweite und dritte Beratung des vom Bundesrat eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften — Drucksache 8/873 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 8/3827 — Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses — Drucksache 8/3764 — Brandt (Grolsheim) SPD . . . . 16701B, 16703A Regenspurger CDU/CSU 16701 B Wolfgramm (Göttingen) FDP 16704 B Zweite und dritte Beratung des von den Abgeordneten Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein, Schulte (Unna), Spitzmüller und Genossen eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Berücksichtigung des Denkmalschutzes im Bundesrecht — Drucksache 8/3105 — Beschlußempfehlung und Bericht des Innenausschusses — Drucksache 8/3716 — 16705 B Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Kaffee- und Teesteuergesetzes — Drucksache 8/3297 — Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 8/3769 — Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses — Drucksache 8/3745 — 16705 D Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Abgeltung von Kriegsschäden deutscher Staatsangehöriger in Italien — Drucksache 8/3419 —Beschlußempfehlung und Bericht des Finanzausschusses — Drucksache 8/3744 — 16706 A Zweite und dritte Beratung des Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über Bergmannsprämien — aus Drucksache 8/3688 — Erster Bericht des Haushaltsausschusses gemäß § 96 der Geschäftsordnung — Drucksache 8/3830 — Erste Beschlußempfehlung und erster Bericht des Finanzausschusses — Drucksache 8/3824 — 16706 C Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Änderung besoldungsrechtlicher und versorgungsrechtlicher Vorschriften 1980 — Drucksache 8/3624 — von Schoeler, Parl. Staatssekretär BMI 16706D Regenspurger CDU/CSU 16707 C Liedtke SPD 16709 B Wolfgramm (Göttingen) FDP 16710 B Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Ausbau der Bundesfernstraßen in den Jahren 1971 bis 1985 — Drucksache 8/3662 — Lemmrich CDU/CSU 16711A Topmann SPD 16713A Merker FDP 16714 C Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Zusatzprotokoll Nr. 2 vom 17. Oktober 1979 zu der am 17. Oktober 1868 in Mannheim unterzeichneten Revidierten Rheinschiffahrtsakte — Drucksache 8/3748 — 16717A Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Zusatzprotokoll Nr. 3 vom 17. Oktober 1979 zu der am 17. Oktober 1868 in Mannheim unterzeichneten Revidierten Rheinschiffahrtsakte — Drucksache 8/3749 — 16717A Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Vertrag vom 12. Dezember 1979 zur Änderung des Vertrages vom 11. September 1970 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Osterreich über Rechts- und Amtshilfe in Zoll-, Verbrauchsteuer- und Monopolangelegenheiten — Drucksache 8/3746 — 16717A Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zu dem Abkommen vom 15. März 1978 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und Mauritius zur Vermeidung der Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. März 1980 III Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen und zur Förderung des Handels und der Investitionstätigkeit zwischen den beiden Staaten — Drucksache 8/3747 — 16717 B Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines ... Gesetzes zur Änderung der Bundeshaushaltsordnung — Drucksache 8/3785 — 16717 B Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Siebenten Gesetzes zur Änderung des Soldatenversorgungsgesetzes — Drucksache 8/3750 — 16717B Erste Beratung des von den Fraktionen der SPD und FDP eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes über Maßnahmen für im Rahmen humanitärer Hilfsaktionen aufgenommene Flüchtlinge — Drucksache 8/3752 — 16717 C Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Fünften Gesetzes zur Änderung des Wohngeldgesetzes — Drucksache 8/3766 — 16717 C Beratung des Antrags der Fraktionen der CDU/CSU, SPD und FDP Förderung der Menschenrechtserziehung — Drucksache 8/3751 — 16717 D Beratung der Beschlußempfehlung und des Berichts des Ausschusses für Bildung und Wissenschaft zur Unterrichtung durch die Bundesregierung UNESCO-Empfehlung über die Fortentwicklung der Weiterbildung — Drucksachen 8/1130, 8/3763 — . . . 16717D Beratung der Sammelübersicht 64 des Petitionsausschusses über Anträge zu Petitionen — Drucksache 8/3768 — 16718A Beratung der Beschlußempfehlung des Ausschusses für Wahlprüfung, Immunität und Geschäftsordnung Aufhebung der Immunität von Mitgliedern des Deutschen Bundestages - Drucksache 8/3770 — 16718B Beratung des Berichts des Ausschusses für Wirtschaft zu der Aufhebbaren Vierundvierzigsten Verordnung zur Änderung der Außenwirtschaftsverordnung Aufhebbaren Vierzigsten Verordnung zur Änderung der Ausfuhrliste — Anlage AL zur Außenwirtschaftsverordnung — Aufhebbaren Dreiundsiebzigsten Verordnung zur Änderung der Einfuhrliste — Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz — Aufhebbaren Vierundsiebzigsten Verordnung zur Änderung der Einfuhrliste — Anlage zum Außenwirtschaftsgesetz —— Drucksachen 8/3540, 8/3539, 8/3519, 8/3544, 8/3787 — 16718C Nächste Sitzung 16718 D Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten . 16719* A Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode — 208. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. März 1980 16615 208. Sitzung Bonn, den 20. März 1980 Beginn: 9.00 Uhr
  • folderAnlagen
    Anlage Liste der entschuldigten Abgeordneten Abgeordnete (r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Abelein 21. 3. Dr. van Aerssen* 20. 3. Dr. Ahrens** 21. 3. Dr. Aigner* 21. 3. Alber * 21. 3. Amling 21. 3. Dr. Bangemann* 21. 3. Dr. Bayerl 21. 3. Blumenfeld*** 20. 3. Dr. Corterier*** 21. 3. Dr. Enders** 21. 3. Fellermaier* 21. 3. Flämig*** 21. 3. Frau Geier 21. 3. Dr. Geßner** 20. 3. Kittelmann** 21. 3. * für die Teilnahme an Sitzungen des Europäischen Parlaments ** für die Teilnahme an Sitzungen des Europarates *** für die Teilnahme an Sitzungen der Nordatlantischen Versammlung Anlage zum Stenographischen Bericht Abgeordnete (r) entschuldigt bis einschließlich Dr. Klepsch* 21. 3. Dr. Kreile 21. 3. Dr. Graf Lambsdorff 21.3. Lampersbach 21. 3. Lange * 20. 3. Dr. Mende** 20. 3. Milz 21. 3. Mischnick 21. 3. Dr. Müller** 21. 3. Müller (Mülheim) 21. 3. Dr. Pfennig * 21. 3. Reddemann** 20. 3. Dr. Schäuble** 21. 3. Frau Schleicher* 21. 3. Dr. Schmidt (Gellersen) 21. 3. Schmidt (Würgendorf) ** 21. 3. Schulte (Unna) 21. 3. Dr. Schwencke (Nienburg) * 21. 3. Seefeld* 21. 3. Frau Tübler 21. 3. Dr. Vohrer** 20. 3. Walkhoff 21. 3. Dr. Wendig 21. 3. Wissmann 21. 3. Wuwer 21. 3. Zebisch** 20. 3.
  • insert_commentVorherige Rede als Kontext
    Rede von Jürgen W. Möllemann


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (FDP)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (FDP)

    Nein, ich glaube nicht, daß ich das tue. Ich bemühe mich ja, das Problem von beiden Seiten auszuleuchten. Ich habe mich überhaupt nicht mit den Methoden von Organisationen — seien es Befreiungsbewegungen, seien es andere — auseinanderzusetzten, weil ich die nicht zu vertreten habe. Ich habe mich hier im übrigen auch nicht mit den Methoden — das hätten Sie in Ihrer Fragestellung ja mit anklingen lassen können — der zunächst dort herrschenden Minderheit auseinandergesetzt. Auch die, glaube ich, wird im Umgang mit der Mehrheit wohl nicht das praktiziert haben, was Ihrem christlichen Ideal entspricht. Es ist nur eigenartig, daß Sie bei diesem Problem immer nur die eine Seite ausleuchten.
    Tatsache aber ist, daß aus Wahlen, die als frei und fair bezeichnet worden sind — ich denke, von Leuten, die wir in ihrem Urteil alle akzeptieren; der Kollege Petersen war, wie ich meine, Mitglied dieser Kommission —, jetzt eine Regierung hervorgegangen ist, der wir eine Chance geben sollten. Wir haben unsere Auffassung von pluralistischer Demokratie schon so oft vorgetragen, daß sie bekannt ist. Aber ich habe doch vorhin von Herrn Kollegen Dregger gehört, wir sollten damit vorsichtig sein, so ganz problemlos unser Idealbild von Demokratie auf andere Staaten zu übertragen. Wo gilt das denn? Überall oder nur in Fällen, die Ihnen oder uns in den Kram passen? Ich meine, wir sollten dieses Konzept dann weltweit anwenden.
    Vierter Punkt: Die Europäische Gemeinschaft muß den Versuch unternehmen, durch energische Anstrengungen das indisch-pakistanische Verhältnis zu verbessern statt zu verschlechtern. Hier besteht wiederum kein Dissens; das heißt, im Hinblick auf Punkt 3 besteht schon ein Dissens, hier aber nicht. Ich meine, daß das Gespräch, das der indische Außenminister mit dem Bundesaußenminister und dem Bundeskanzler geführt hat, verdeutlicht hat, daß wir bei der Stärkung Pakistans die Stärkung der Unabhängigkeit Pakistans meinen und nicht etwa seine offensiven Möglichkeiten gegenüber anderen und daß wir die Unabhängigkeit Indiens gleichermaßen im Auge haben. Wir haben nicht gesagt, Indien sei sozusagen aus der Natur der Sache heraus ein quasi-kommunistischer Satellit. Wir unterstützen die Bestrebungen auch der indischen Regierung, die Unabhängigkeit des Landes zu wahren. Es gibt hier keinen Dissens.

    (Beifall bei der FDP)

    Ich freue mich im übrigen, daß eine Parlamentsdelegation des Deutschen Bundestages unter Teilnahme mehrerer Kollegen, die hier anwesend sind, in den nächsten Tagen nach Pakistan und Indien fahren wird, um unsere Position dort zu verdeutlichen.
    Fünftens: Ein besonderer Schwerpunkt, wenn nicht sogar das Hauptanliegen der Außenpolitik der Europäischen Gemeinschaft muß meines Erachtens in der nächsten Zeit der Nahe Osten sein. Die part-



    Möllemann
    nerschaftlichen Beziehungen zu allen Staaten dieser Region müssen und können noch ausgebaut werden. Ein entscheidender Beitrag zur Wahrung des Weltfriedens ist dabei eine jeden Tag dringlicher werdende Friedensinitiative, die ich im Augenblick nur von seiten der EG erwarten kann. Außer der Bitte, man möge doch diejenigen, die mit dem Friedensprozeß angefangen haben, nicht diskreditieren — das wollen wir nicht —, habe ich vom Kollegen Marx nichts Konkretes mehr gehört. Nur: Das reicht doch nicht.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Wir haben uns aber doch im Ausschuß eindeutig geäußert!)

    — Herr Kollege Mertes, der Hinweis, Sie hätten sich dazu im Ausschuß geäußert, ist zwar richtig, aber er hilft ja hier in der Debatte, die wir nach draußen führen, nicht weiter.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Das ist keine Sache für den großen Markt!)

    Auch wir haben das Abkommen von Camp David, das Bemühen Ägyptens und Israels gemeinsam mit den Vereinigten Staaten, als den Versuch begrüßt, aus dem Prozeß von Haß und Gegenhaß herauszukommen und zur Versöhnung zu gelangen. Aber jetzt sind wir an einem Punkt angelangt, vielleicht schon etwas eher als heute, wo es von der Thematik und der Zahl der Teilnehmer her nicht reicht, dieses Verfahren so beizubehalten, wie wir es jetzt haben. Es ist notwendig, daß zur Lösung des Nahostkonflikts alle an ihm Beteiligten, einschließlich der Palästinenser, d. h. nun einmal einschließlich der PLO, an einen Tisch gebeten werden, um die Probleme in konkreten Verhandlungen zu lösen. Wir werden unseren israelischen Freunden nicht ersparen können, ihnen zu sagen, daß sie, gerade weil wir ihren Frieden haben wollen, eine Verhandlung unter Einbeziehung auch der Palästinenser werden akzeptieren müssen. Ich sehe dazu keine realistische Alternative.
    Wir sollten, finde ich, gemeinsam diejenigen in beiden Lagern ermuntern, im arabischen, palästinensischen und israelischen Lager, die in Ansätzen bereit sind, von Maximalpositionen abzugehen, und nicht diejenigen, die heute auf beiden Seiten als die Falken auftreten und sich im Grunde überhaupt weigern, den anderen als Verhandlungspartner zu akzeptieren. Ich meine, dies ist auch ein wichtiger Punkt bei der Wahrung des Friedens in der nächsten Zeit.
    Sechstens. Die wirtschaftliche und militärische Hilfe für die Türkei muß endlich zügig anlaufen. Das Verhalten verschiedener westlicher Staaten bei der Hilfsaktion vom letzten Jahr ist nach meinem Eindruck auch dieses Mal, gemessen an den verbalen Deklarationen der Solidarität, ein Skandal. Hier ist bei vielen westlichen Staaten außer Sprüchen bisher nichts gewesen. Wenn aber der Türkei diese zentrale Funktion zur Sicherung der Südostflanke der NATO zukommt, die wir ihr beimessen, wenn wir darüber hinaus auch aus historischen Gründen Solidarität praktizieren wollen, dann darf sich das nicht auf das Reden begrenzen. Hier sind andere, nicht die Bundesrepublik Deutschland, aufgefordert, praktische Taten folgen zu lassen. Wir wenden erhebliche finanzielle Mittel auf — das begrüßen wir alle hier im Parlament —, aber die anderen müssen nun auch an unsere Seite treten.
    Siebtens. Der Westen muß mehr für seine militärische Sicherheit tun, um das gestörte Kräfteverhältnis wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Dies geschieht am sinnvollsten durch die Erfüllung des NATO-Langzeitprogramms, das wir verabschiedet haben, durch den Abbau von Mängeln bei den Streitkräften aller Partner und eine Überprüfung der bisherigen Aufgabenverteilung und Aufgabenerfüllung.
    Auch hier, meine Kollegen, frage ich mich, wo hier der Dissens liegt. Er liegt nicht in der Definition des Gleichgewichts als Grundlage für friedliche Entwicklung. Das sehen wir als notwendig an. Er liegt nicht in der Bereitschaft, die vom Bundeskabinett vertreten wird, durch eine reale Steigerung von 3 vorhandene Schwächen abzubauen. Wo liegt er dann? Ich habe außer der mehr allgemeinen Kritik daran, daß es in bestimmten Bereichen ein Ungleichgewicht gebe, keine konkreten Vorschläge gehört, wie dies abzubauen sei.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Mehrfach!)

    Wir haben den konkreten Vorschlag gemacht, den Haushalt um real 3 % zu erhöhen. Wir haben darüber zu debattieren, wie sich diese Mehrausgaben niederschlagen werden, und dies hängt wohl mit der Bestandsaufnahme und der Aufgabenverteilung zusammen.

    (Werner [CDU/CSU]: Und wie sieht es mit Herrn Coppik aus?)

    — Ich spreche hier für die FDP.
    Beispielsweise werden wir sicherlich darüber nachzudenken haben, ob wir bei eventueller Verlagerung maritimer Einheiten von Partnern der Bundesmarine die ohnehin vorgesehenen Fregatten in einem schnelleren Tempo zuführen müssen. Beispielsweise werden wir darüber nachdenken müssen, ob wir für die Auffrischung und Zuführung zusätzlicher amerikanischer Streitkräfte im Bereich der heimischen Unterstützung, des sogenannten „Host Nation Support", mehr tun müssen.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Das hat Strauß in Amerika gesagt!)

    Für falsch halte ich die Überlegungen, die beschlossenen Rüstungsprogramme, egal ob bei MRCA oder Leopard, jetzt beschleunigt vorziehen zu wollen. Das ist mit vielen Problemen versehen, sowohl was die Finanzierung vom Gesamtvolumen, die Verkraftbarkeit bei der Truppe als auch die Produktionsfähigkeit der Unternehmen angeht. Ich denke also, hier werden die beiden Schwerpunkte, die ich soeben ansprach, eher geeignet sein. Im übrigen wird natürlich — ich denke mit Ihrer Zustimmung — ein erheblicher Anteil der Mehrausgaben auf dem militärischen Sektor der Stärkung der soeben angesprochenen Türkei dienen müssen.



    Möllemann
    Hier ist gesagt worden, die Solidarität solle auch die kritischen Einwendungen von der einen oder anderen Seite gegenüber Partnern zurückdrängen. Aber da sind, finde ich, zwei Einschränkungen zu machen.
    Zunächst einmal habe ich das Gefühl, daß der Begriff „Solidarität" bei uns allmählich nicht mehr rational verwendet wird. Da wird so getan, als sei derjenige schon unsolidarisch gegenüber irgendeinem Partner, der es sich erlaubt, einmal die konkrete Aktion des einen oder anderen Regierungschefs, die konkrete Aktion oder Entscheidung des einen oder anderen Parlamentsausschusses kritisch zu beleuchten. Da ich doch ganz genau weiß, daß Sie alle in Ihren Ausschuß- und Arbeitskreisberatungen das ganz genauso tun, daß sich der eine oder andere selbst einmal die Freiheit genommen hat, die eine oder andere Entscheidung auch des amerikanischen Präsidenten zu kritisieren, sollten wir das wirklich ein bichen realistischer diskutieren.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Das ist sogar ein Zeichen der Solidarität!)

    — Das ist, wie Sie sagen, sogar ein Ausdruck der Solidarität, helfend einzugreifen, wo man meint, der andere macht Fehler. Aber das ist dann ein Recht aller Seiten dieses Hauses.
    Mein Eindruck ist, daß die amerikanische Seite, die uns mehrfach eindringlich gemahnt hat, wir sollten die 3 % erreichen, am Ende dieses Jahres die Frage von uns zurückbekommen wird, ob sie sie selbst erreicht hat. Das wird mit gutem Grund nicht nur die amerikanische Seite betreffen. Ich glaube, mein Eindruck ist auch nicht unbegründet, wenn wir einmal nach den personellen Fähigkeiten der amerikanischen Streitkräfte fragen. In der Tat wird die Wiedereinführung der allgemeinen Wehrpflicht in den Vereinigten Staaten von Amerika ein unabdingbares Mittel zur Realisierung der dortigen Streitkräfteplanung sein. Diese Anregung möchte ich in diese Richtung auch geben.
    Eine Frage, die ich mehr an den Bundeskanzler habe, ohne daß er sie heute hier beantworten müßte
    — dafür wird es auch andere Gelegenheiten geben; es sei denn, er ginge zur Erwiderung auf andere ohnehin noch einmal an das Rednerpult —, ist folgende: Ich denke, uns beschäftigt auch die Frage der zukünftigen europäischen Verteidigung und der Rolle der französischen Force de frappe in der nächsten Zeit. Wenn ich mir die Projekte der europäischen und atlantischen Partner sowie die Notwendigkeiten der Verstärkung in den Bereichen anschaue, über die wir schon des öfteren hier gesprochen haben, bin ich mir nicht darüber im klaren, ob die bisherigen Komponenten europäischer atomarer Verteidigungssysteme in der bisherigen Konzeption weiterhin aufrechterhalten werden können und sollen. Am Ende stehen wir eigentlich vor der Alternative, dann eine gesamt europäische atomare Konzeption zu entwickeln oder — und das ist meine Neigung — als Europäer die atomare Schutzschildfunktion den Amerikanern zu überlassen und uns voll auf die konventionelle Ebene zu konzentrieren, um dort unsere Aufgaben besser erledigen zu können. Ich weiß nicht, ob es jetzt der richtige Zeitpunkt
    ist, dieses Thema emotionslos zu beraten, aber es kommt auf uns zu.
    Achter Punkt: Der Dialog mit den Staaten Osteuropas muß jetzt auf allen Ebenen intensiviert werden, um die Krise auf dem Verhandlungswege einzugrenzen. Nicht weniger, sondern mehr Begegnungen auf allen Ebenen sind notwendig, um die Entwicklung unter Kontrolle zu behalten und Spannungen abzubauen.
    Natürlich muß der Westen Geschlossenheit und auch Härte bei der Zurückweisung sowjetischer Expansionspolitik beweisen. Aber er muß eben auch das Interesse verdeutlichen, auf der Grundlage weltweiter Anerkennung und Verwirklichung der Prinzipien der Entspannungspolitik zu mehr Zusammenarbeit zum beiderseitigen Nutzen zu kommen.
    Wir sind nicht naiv oder illusionär, daß wir glaubten, die Zusammenarbeit könne an die Stelle der Sicherheit treten. Wir wissen, daß die Sicherheitspolitik — die Verteidigungsfähigkeit — das eine Element, die eine Säule unserer Außenpolitik ist, und daß auf ihrer Grundlage eine vernünftige Politik der Entspannung, der Zusammenarbeit und der Kooperation auf allen Ebenen betrieben werden kann. Dies vertreten wir dauerhaft. Ich meine, es bedarf hier keiner Kritik von Ihrer Seite.
    Mit Interesse warten wir natürlich darauf, wie denn jetzt die Sowjetunion nach der gerechtfertigten Kritik nicht nur des Westens, sondern der ganzen Welt an ihrem Vorgehen in Afghanistan auf die Notwendigkeiten der Fortsetzung dieses Dialogs ihrerseits reagiert. Es hat keinen Zweck — dies möchten wir ganz klar sagen —, daß sie, um von ihrem eigenen Fehlverhalten abzulenken, permanent auf bestimmte Einstellungen im Westen hinweist. Wir erwarten, daß auf unser konkretes Angebot bei den MBFR-Verhandlungen in Wien, daß auf unseren konkreten Abrüstungsvorschlag für den Bereich der Mittelstreckenraketen konkrete Antworten und nicht Attacken auf den deutschen Außenminister oder auf andere Politiker kommen. Das hilft nicht weiter. Hier wird man sich den konkreten Angeboten, den konkreten Fragen stellen müssen.
    Ob es im Bereich der Mittelstreckenraketen zu Vereinbarungen kommen kann, hängt, glaube ich, von zweierlei ab. Zum einen von der Bereitschaft beider Seiten, die getroffenen Vereinbarungen im SALT-II-Vertrag bis zu dessen Ratifizierung so zu behandeln, als sei dieser Vertrag ratifiziert. Ich denke, das wäre eine vertrauensbildende Maßnahme, die anschließende Verhandlungen ermöglichen und erleichtern würde.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Das müssen Sie den Sowjets sagen!)

    — Ich sage das beiden Seiten.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Die anderen haben sich verpflichtet!)

    — Die Ratifizierung durch den amerikanischen Kongreß ist nicht erfolgt.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Aber die Selbstverpflichtung!)

    16674 Deutscher Bundestag — 8. Wahlperiode'— 208. Sitzung. Bonn, Donnerstag, den 20. März 1980
    Möllemann
    Zum anderen müssen wir gleichermaßen deutlich machen, daß für uns beide Elemente des Beschlusses vom Dezember unabhängig voneinander wichtig sind. Wir haben den Nachrüstungsbeschluß nicht getroffen, um eine Grundlage zu Verhandlungen zu haben, sondern weil durch Vorrüstung ein Ungleichgewicht entstanden war. Wir bieten aber die Verhandlungen an, weil wir die Möglichkeit eben auch nicht verschütten wollen, durch Verhandlungen zu einer Verringerung des Ungleichgewichts, zu dem von uns allen gewünschten Gleichgewicht also, als Voraussetzung zu einer friedlichen Entwicklung zu kommen.
    Neuntens. Verteidigungs- und Entspannungspolitik des Westens kann ihre Ziele nur erreichen, wenn sie in ihren Grundpositionen von allen Partnern gemeinsam und solidarisch vertreten wird. Solidarität — ich meine damit nicht, wie gesagt, kleinliches Verzichten auf Kritik im Detail — ist für uns kein lästiges Beiwerk dann, wenn es einmal kritisch wird, sondern die notwendige Grundlage für den Erfolg unserer Außen- und Sicherheitspolitik. Daran, glaube ich, gibt es auch hier im Hause nicht den geringsten Zweifel.
    Zehntens. In der Frage der Teilnahme an den Olympischen Spielen muß der Westen alles daransetzen, zu einer gemeinsamen Haltung zu gelangen. Diese geneinsame Haltung, soweit es nach unserer Auffassung geht, sollte so aussehen, daß im Falle der Aufrechterhaltung der Besetzung Afghanistans durch sowjetische Truppen — nichts erweckt den Anschein, als sei diese Aktion kurz vor ihrem Ende — die Voraussetzungen für die Teilnahme von Mannschaften aus dem Westen nicht gegeben sind. Es ist ja in der Tat ein Paradoxon, sich vorzustellen, daß die Olympischen Spiele, die zum erstenmal unter einem politischen Motto stehen sollen — „Spiele der Jugend, Spiele des Friedens" —, in einem Land unter unserer Teilnahme stattfinden sollen, das in diesem Moment Krieg führt.
    Ich glaube, daß die Position, die wir eingenommen haben, vernünftig ist, und zwar deshalb, weil sie auf die Setzung einer ausdrücklichen, knapp bemessenen Frist verzichtet hat. Niemand von uns — auch von Ihnen nicht — hat diese ursprünglich in Amerika gesetzte Frist gutgeheißen. Es trifft im übrigen auch nicht zu, daß die Opposition vom ersten Tage an erklärt hätte — wie Herr Strauß behauptet hat —, sie sei vom ersten bis zum letzten Mann einstimmig für den Boykott. Ich weiß ja, daß heute noch nicht vom ersten bis zum letzten Mann alle dafür sind.

    (Werner [CDU/CSU]: In puncto Boykott klang das vorhin bei Herrn Wehner nur etwas anders!)

    — Ich habe nur daran erinnert, daß Herr Strauß vorgetragen hat, er habe in Amerika erklären können, die Union sei vom ersten bis zum letzten Mann von Anfang an für den Boykott gewesen. Das trifft nicht zu. In der Debatte am 17. Januar 1980 haben wir alle aus wohlerwogenen Gründen keine Festlegung zu diesem Thema getroffen. Danach hat es im Sportausschuß — und nicht nur dort — intensive Debatten gegeben, in denen abweichende Voten auch aus Ihren Reihen zu hören waren.
    Es ist doch auch gar nicht schlimm zuzugeben, daß ein solches Thema unter uns und auch in unserer Bevölkerung draußen sehr kontrovers diskutiert wird: Soll man den Sport nicht außen vor lassen, soll man den Sportlern nicht doch die Chance geben, Brücken zu schlagen? Es hat doch keinen Zweck, so zu tun, als hätten wir die Position, die wir jetzt gemeinsam gefunden haben, nicht auch erst nach längeren Diskussionen finden können. Wir haben diese Diskussionen doch geführt.
    Ich habe versucht, in diesen zehn Punkten — reduziert auf das, was wir nach unserer Auffassung konkret tun sollen — auszuleuchten, wo denn Unterschiede zwischen der Opposition und der Koalition liegen könnten. Nach dem, was die Herren Strauß, Dregger und Marx hier vorgetragen haben, gibt es nach meinem Dafürhalten Unterschiede lediglich im Verhältnis zu Befreiungsbewegungen im afrikanischen Bereich, beim Umgang mit dem Thema „Olympia" und — so will ich es einmal ausdrücken — hinsichtlich des Tons im Umgang mit den Staaten des Warschauer Paktes. Daraus aber eine konkrete, politisch weittragende Alternative — verbunden sogar mit Attributen wie „Weitsicht" und „historisches Wissen" — zu machen, halte ich für maßlos überzogen.
    Aus der Debatte von heute mit ihren Anregungen und Diskussionsbeiträgen ergibt sich einmal mehr, daß die Bundesregierung recht hat, wenn sie ihre Politik maßvoller Überlegungen und vernünftigen, mit allen westlichen Partnern abgestimmten Vorgehens beibehält.

    (Beifall bei der FDP und der SPD)



Rede von Dr. Richard von Weizsäcker
  • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (CDU)
  • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: (CDU)
Das Wort hat der Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen.

  • insert_commentNächste Rede als Kontext
    Rede von: Unbekanntinfo_outline


    • Parteizugehörigkeit zum Zeitpunkt der Rede: (None)
    • Letzte offizielle eingetragene Parteizugehörigkeit: ()

    Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der diesjährige Bericht des Bundeskanzlers zur Lage der Nation hat uns vor Augen geführt, was wir Deutschen, insbesondere die Berliner, zu verlieren haben, wenn es tatsächlich dahin kommen sollte, daß der Osten und der Westen in Europa wieder in Konfrontation, Konflikt und Abgrenzung zurückfallen. Die Gefahr ist nicht von der Hand zu weisen; sie besteht tatsächlich. Sie zu bannen, liegt allerdings nicht in erster Linie an uns, auch und gerade wenn wir noch so sehr darum bemüht sind, die Voraussetzungen und Grundbedingungen gleichgewichtiger Entspannungspolitik aufrechtzuerhalten.
    Dem Bundeskanzler — vielleicht darf ich das auch als Minister für innerdeutsche Beziehungen einmal sagen — ist dafür zu danken, daß er bei unseren Verbündeten unermüdlich um Verständnis für unsere spezifischen deutschen Interessen wirbt, für spezifische deutsche Interessen, was das Verhältnis zu den Staaten des Warschauer Paktes, zu denen ja auch die DDR gehört, betrifft.

    (Beifall bei der SPD)

    Meine Damen und Herren, dieses Thema „Bericht zur Lage der Nation" verlangt gerade in der heutigen Zeit, daß wir im Bündnis mit unseren Freunden auch



    Bundesminister Franke
    die Wahrnehmung unserer speziellen Interessen noch pflegen können und daß diese mit eingebracht werden. Und das ist überhaupt unser Problem in der Welt: daß viele weitab von uns leben und wohnen und diese Probleme besonderer Art nicht kennen. Um so wichtiger ist es, in solchen entscheidenden Situationen in aller Sachlichkeit, aber auch Behutsamkeit die Gemeinsamkeiten zu betonen und dennoch das deutsche Interesse nicht untergehen zu lassen. Diese Interessen sind uns aus Erfolgen unserer Entspannungspolitik zugewachsen, und ich sehe nichts Vorwerfbares oder gar Verwerfliches darin, um ihren Bestand besorgt zu sein.
    Ein Wort zur Größenordnung: Man wirft uns häufig vor, wir übertrieben aus parteipolitischen oder wahltaktischen Gründen diese Erfolge. Andere sagen es so: Das sind nur Rinnsale, das alles ist kümmerlich. Man hat sich daran gewöhnt, man sagt kaum noch etwas darüber. Man versucht, den ganz beachtlichen Unterschied gegenüber der Zeit vor zehn Jahren völlig zu ignorieren, und man verfährt nach der Parole, daß man auch mit der Vergeßlichkeit der Menschen taktieren kann.
    Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen, wir alle sollten ein Interesse daran haben, daß wir in der Tat durch unser ernsthaftes Bemühen, durch unser sachliches Bemühen für die Deutschen in beiden Teilen, in beiden Staaten Deutschlands Erleichterungen und Veränderungen herbeiführen, die zum menschlichen Zusammenhalt beitragen können.
    Hinsichtlich der Größenordnung, dann, wenn es um die Behauptung geht, wir hätten diese Erfolge nur aus parteipolitischen oder wahltaktischen Gründen gefeiert, empfehle ich die Gegenprobe. Dabei stellt sich heraus, daß auch kein Politiker der Opposition es wagt, die Vorteile, die wir Deutschen, insbesondere die Berliner, aus der europäischen Entspannungspolitik ziehen, in Frage zu stellen oder gar aufs Spiel zu setzen. Auch das ist für mich, so muß ich sagen, ein Indiz für den Wert dieser Vorteile, die ja die besonderen deutschen Interessen an der Politik der Entspannung ausmachen.
    Ich habe auch noch keinen Oppositionspolitiker gehört, der es auf sich genommen hätte, die besonderen deutschen Probleme und Interessen gegen die nichtspezifischen deutschen Interessen zu gewichten, sie zueinander in ein Verhältnis zu bringen. Dabei denke ich in erster Linie an diejenigen unserer Interessen, die wir als Bundesrepublik etwa mit unseren westlichen Verbündeten gemeinsam haben, die uns also mit ihnen verbinden. Von der Opposition hören wir nur vage Verdächtigungen und Anschuldigungen, daß wir es an dem nötigen Eifer im Dienste unserer gemeinsamen westlichen Bündnisinteressen fehlen ließen. Dann wieder hören wir Bekenntnisse zur einen deutschen Nation. Das eine wie das andere wäre überzeugender, wenn beides einmal in Verbindung zueinander gesetzt würde, um dann an dieser Verbindung, wie immer sie auch gewichtet wäre, das tatsächliche Handeln der Bundesregierung in der einen wie in der anderen Richtung zu messen.
    Das, meine Damen und Herren von der Opposition, sind Sie uns und der Öffentlichkeit bisher schuldig geblieben.

    (Beifall bei der SPD)

    Ich vermute, wohlweislich, denn das ist in der Tat eine dornige Sache. Sie verlangt Augenmaß und Unvoreingenommenheit. Im Grunde verlassen Sie sich da doch ganz auf die Bundesregierung in der Hoffnung, diese werde es schon schaffen, die besonderen deutschen Belange in die gemeinsame westliche Interessenlage und Beschlußfassung einzubringen. Mit dieser Hoffnung in die Bundesregierung liegen Sie gar nicht einmal falsch. Wir bemühen uns immer wieder darum, ungeachtet Ihrer Unkenrufe.
    Der Bundeskanzler hat darauf hingewiesen, daß die jüngsten weltpolitischen Entwicklungen die innerdeutschen Beziehungen nicht belasten — bis jetzt wenigstens nicht. Meine Damen und Herren, ich wiederhole noch einmal: bis jetzt wenigstens nicht belasten. Es ist wichtig, diesen Umstand richtig einzuordnen. So wäre es ein Irrtum, daraus zu schließen, daß die innerdeutschen Beziehungen von den bestimmenden Faktoren der allgemeinen Ost-West-Lage, wie dem militärischen Gleichgewicht und dem Verhältnis zwischen den beiden Weltmächten, bereits weitgehend oder auch nur relativ unabhängig sind. Das sind sie in Wirklichkeit nicht. Es gibt keine deutsche Entspannung abseits oder, besser, im Windschatten internationaler Vorgänge, die das Kräfteverhältnis insgesamt beeinflussen. Hüten wir uns vor solchen Illusionen.
    Wir tun deshalb heute mehr denn je gut daran, uns ständig gegenwärtig zu halten: Beide Staaten sind in ihr jeweiliges Bündnis eingebunden, und danach bemißt sich ihr Spielraum. Beide müssen sogar darauf bedacht sein, diesen Spielraum einzuhalten, sonst verlören sie mit der Lockerung ihrer Bindung zu den Verbündeten auch den Rückhalt im internationalen Kräfteverhältnis. Auf diesen Rückhalt ist jeder von ihnen aus je eigenen Gründen angewiesen. Ich brauche, was uns betrifft, dabei nur das Stichwort Berlin zu nennen.
    So sagt denn auch das derzeitige innerdeutsche Verhältnis nichts weiter aus, 41s daß in beiden Staaten und darüber hinaus in beiden Bündnissen kein Interesse herrscht, in Mitteleuropa die Politik der Zusammenarbeit aufzugeben. Im Gegenteil, beide Seiten sind bemüht, ihren Wunsch und ihr Bestreben nach mehr statt weniger Zusammenarbeit zu demonstrieren. Die innerdeutschen Beziehungen sind und bleiben ein Teil der Ost-West-Politik in Europa, ein gewichtiger Teil mit Anzeige- und sogar Antriebsfunktionen.
    Weil das so ist, steht nach meiner Auffassung die Opposition weiterhin vor dem Problem, eine tragfähige glaubwürdige Einstellung zu unserer innerdeutschen und europäischen Entspannungspolitik zu finden. Dieses Problem hat Ihnen Afghanistan mitnichten vom Halse geschafft, meine Damen und Herren, auch wenn einige von Ihnen das hoffen mögen.
    Was Ihre Einstellung zur Deutschlandpolitik seit 1969 angeht, so empfehle ich Ihrem Nachdenken die



    Bundesminister Franke
    Ausführungen des bayerischen Ministerpräsidenten, die dieser hier am 28. Februar, also vor wenigen Wochen, zu unserem Thema gemacht hat. Sie sind im Protokoll der 203. Sitzung auf Seite 16192 nachzulesen. Zur Erklärung ist es notwendig, ein wenig weiter auszuholen.
    Bei Rednern der CDU/CSU ist es gang und gäbe, auf das angebliche Mißverhältnis zwischen „unwiderruflichen Leistungen" unserer Seite und den angeblich „widerruflichen Gegenleistungen" der anderen Seite hinzudeuten. Mit unseren „unwiderruflichen Leistungen" ist insbesondere unsere Hinnahme der Staatlichkeit der DDR gemeint, während unter den Gegenleistungen der DDR vor allem die Kommunikationsverbesserung für die Menschen und humanitäre Zusagen im Bereich der Familienzusammenführung verstanden werden. Diese Redewendung vom angeblichen Mißverhältnis — ich sage das hier nicht zum erstenmal — beruht schlichtweg darauf, daß man den Wert unserer damaligen Leistungen beharrlich überschätzt.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Sie unterschätzen sie!)

    Es war eben nicht so, daß die damals neu gebildete Bundesregierung von hier auf jetzt und aus purem Ubermut auf den Gedanken verfiel, die DDR als Staat zu akzeptieren. Vielmehr folgte sie damit einer Notwendigkeit, nachdem die Deutschlandpolitik längst in einer Sackgasse festgefahren war und die Kräfte unserer Außenpolitik sich mit abnehmendem Erfolg darin verbrauchten, das Ignorierungsgebot in bezug auf die DDR durchzusetzen. Sie erinnern sich an die Hallstein-Doktrin — um es noch genauer zu sagen. Hier tat Abhilfe not, und zwar möglichst zu einem Zeitpunkt, als für das ohnehin Unvermeidliche etwas zu bekommen war. Dieser Zeitpunkt war Ende der 60er Jahre in der Tat gegeben.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Das behaupten Sie nur!)

    Hier darf ich nun zur Bestätigung auf die Äußerung
    von Franz Josef Strauß vom 28. Februar verweisen.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Das behauptete „Unvermeidliche"!)

    — Nein! Ich beziehe mich ja nur auf Ihren Spitzenreiter. Auch der hat das richtig erkannt. Nur, Sie sind sogar ein Ignorant der Wirklichkeit. Das zeichnet Sie in besonderer Form aus.

    (Seiters [CDU/CSU]: Ausgerechnet Herrn Mertes!)

    — Ja, ausgerechnet Mertes!

    (Lachen bei der CDU/CSU)

    Auch der ist zeitweise Ignorant. Sie haben eine interessante Arbeitsteilung vorgenommen. Sie meinen, Sie können jeden hier mit dem bedienen,was gerade gebraucht wird. Wir wollen mal eine Gesamtkonzeption bei Ihnen entdecken!
    Jetzt beziehe ich mich mal auf den Mann, der nach Ihrem Willen demnächst die Richtlinien der Politik bestimmen soll. Da werden Sie sehen, was auf Sie zukommt. Sie haben jetzt gar keine Veranlassung, zu kritisieren. Er sagte nämlich: Erstens. In der zweiten
    Hälfte der 60er Jahre habe im Kreml ein Ernüchterungsprozeß eingesetzt. Demzufolge hätten die sowjetischen Führer eingesehen, daß sie mit dem Westen in eine wirtschaftliche Zusammenarbeit eintreten müßten. Hier liege — so Strauß wörtlich — „der realistische Ansatz der Entspannungspolitik".

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Ja!)

    Zweitens sagte Strauß — ein Stück weiter —, er glaube nicht, daß wir, die Bundesrepublik, die Hinnahme der Staatlichkeit der DDR auf längere Zeit hätten vermeiden können.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Weiterlesen!)

    Da haben wir es doch! Diese Entwicklung hat sogar Strauß damals schon erkannt.

    (Dr. Mertes [Gerolstein] [CDU/CSU]: Bitte weiterlesen!)

    „Auf längere Zeit" ist natürlich ein dehnbarer Begriff Außerdem macht uns Herr Strauß einen verhandlungstaktischen Vorwurf. Etwas muß er ja schließlich kritisieren.
    Aber das Wesentliche ist doch wohl, daß es sich bei der Hinnahme der Staatlichkeit der DDR um etwas handelte, das auch nach Straußens Urteil letztlich unvermeidbar war.
    Hiermit ist eine wichtige Aussage über den tatsächlichen Wert unserer Leistungen und damit über unsere tatsächliche Verhandlungsposition getroffen. Wenn man etwas gibt, dessen Dreingabe mit dem Zeitablauf ohnehin nicht zu vermeiden ist, dann ist die Position am Verhandlungstisch nicht so stark, wie sie wäre, wenn man sein Leistungsangebot ohne Not und Notwendigkeit abgäbe. Davon konnte in unserem Fall keine Rede sein. Das war der anderen Seite wohl bewußt. Wohl bewußt war ihr schließlich auch das, was bei Strauß in der Qualifizierung „auf längere Zeit" zum Ausdruck kommt: daß unsere Leistung, je mehr sie verzögert wurde, an Wert einbüßte.
    Jedenfalls, meine Damen und Herren von der Opposition: Spätestens seit dem 28. Februar 1980 können Sie das Argument von dem angeblichen Mißverhältnis zwischen „unwiderruflichen Leistungen" und „widerruflichen Gegenleistungen" nicht länger bringen. Franz Josef Strauß hat es Ihnen sanft aus der Hand gewunden. Sie sollten es nun endlich ausrangieren. Gestimmt hat es ja sowieso nie. Es hat Sie nur daran gehindert, sich auf den Boden der Tatsachen zu stellen.
    Diese sehen, zusammengefaßt, so aus: Die Deutschlandpolitik, die seit zehn Jahren von den Bundesregierungen der sozialliberalen Koalition verfolgt wird, berücksichtigt die Lage, wie sie sich seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs in der Welt, in Europa und besonders in Deutschland entwickelt hat. Auf dieser Grundlage war es möglich, die internationale Tendenz zur Minderung und Beherrschung der Ost-West-Spannungen auch in Deutschland für die Menschen spürbar zur Wirkung zu bringen. Selbst Rückschläge haben es nicht vermocht, den substantiellen Ertrag der 1969 eingeleiteten Politik zu schmälern: die Verbesserung der gegenseiti-



    Bundesminister Franke
    gen Information und der Verbindung über Reisen und Telefon zwischen den Menschen im geteilten Deutschland; die Wiedergewinnung von mehr örtlicher Bewegungsfreiheit für Einwohner von West-Berlin; die Erleichterung, Beschleunigung und rechtliche Absicherung des Transitverkehrs sowie die Verbesserung der Verkehrswege von und nach Berlin (West); die Erweiterung der Möglichkeiten, Menschen aus der DDR mit ihren Angehörigen in der Bundesrepublik Deutschland zusammenzuführen. Das in diesen unterschiedlichen Bereichen inzwischen stabilisierte Niveau weist nach Auffassung der Bundesregierung den Erfolg ihrer Deutschland- und Berlinpolitik aus. Diese Politik erfolgreich fortzusetzen, heißt, auf dem erreichten Stand aufzubauen.
    Meine Damen und Herren, lassen Sie mich auch dazu einige Worte sagen: Es hat in letzter Zeit Pressemeldungen gegeben, wonach die öffentliche Behandlung von Einzelfällen — sei es im Bereich der Familienzusammenführung, sei es im Bereich besonderer Bemühungen — künftig ausreicht, um das Ausreisebegehren der betreffenden Personen endgültig niederzuschlagen. Dazu muß ich erklären: Anhaltspunkte und Hinweise dafür, daß. solche Befürchtungen zutreffen, gibt es in letzter Zeit mehr denn je. Ich habe auf die Gefahren publizistischer Behandlung und anderweitiger Benutzung von Einzelfällen wiederholt hingewiesen und dem Weg der diskreten Problemlösung stets den Vorzug gegeben. Daß dieser Weg, wenn man den beteiligten Personen wirklich helfen will — diese Einschränkung mache ich allerdings —, erfolgreich und richtig ist, wissen in der Opposition sehr viele Kolleginnen und Kollegen, die sich mit mir zusammen um Lösungen mühen.
    Meine Damen und Herren, in diesem Zusammenhang bitte ich auch zu bedenken, daß die Zahl derjenigen, denen wir helfen wollen und müssen, wenn wir unsere Glaubwürdigkeit nicht verlieren wollen, um ein Vielfaches größer ist als die Aufmerksamkeit, die zu mobilisieren in der hiesigen Öffentlichkeit überhaupt möglich ist. Wir sollten an die Gefühle der vielen, vielen Unbekannten denken, deren Namen hier nicht bekanntgemacht werden können, die aber deshalb nicht weniger in Bedrängnis sind und Anspruch auf Hilfe haben als die paar exemplarischen Fälle.

    (Beifall bei der SPD)